Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 12.03.2007

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 12 S 53.07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Frankfurt (Oder) vom 12. März 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.750 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, sodass offen bleiben kann, ob der
Antragsteller derzeit im Besitz eines gültigen Tauglichkeitszeugnisses ist und wie sich
das eventuelle Fehlen eines derartigen Zeugnisses auf das Rechtsschutzbedürfnis des
Antragstellers auswirkt.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO ist das Oberverwaltungsgericht auf die Prüfung
desjenigen Beschwerdevorbringens beschränkt, das binnen eines Monats nach
Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung, d.h. hier bis zum 23. April 2007 (Montag)
eingegangen ist. Nach Ablauf der Monatsfrist vorgetragene Beschwerdegründe, mit
denen der Antragsteller neue rechtliche oder tatsächliche Umstände geltend macht,
können grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden (OVG Münster, NVwZ 2002,
1390; OVG Greifswald, NVwZ-RR 2003, 318; OVG Bautzen, SächsVBl 2004, 242; VGH
Mannheim, NVwZ-RR 2006, 75; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 146 Rn. 43;
Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Auflage, § 146 Rn. 84). Unter
Zugrundelegung dieses Maßstabes ist eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses
nicht gerechtfertigt.
Soweit die Beschwerde auf Seite 14 der Entscheidung des Verwaltungsgerichts München
vom 28. September 2006 - M 24 K 06.2603 – Bezug nimmt und rügt, dass der
angegriffene Beschluss diese Entscheidung nicht berücksichtigt habe, verhilft ihr dies
nicht zum Erfolg. Die Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin getroffenen
Entscheidung hängt grundsätzlich nicht davon ab, ob das Luftsicherheitsgesetz in § 7
eine Verpflichtung des Luftfahrers zur Antragstellung statuiert. Entscheidend ist
vielmehr, dass der Gesetzgeber in § 7 LuftSiG, § 4 Abs. 1 LuftVG die Erteilung oder
Verlängerung einer Erlaubnis davon abhängig gemacht hat, ob der Betroffene im Sinne
von § 7 LuftSiG zuverlässig ist. Kann die Luftfahrtbehörde die Zuverlässigkeit nur auf
Antrag des Betroffenen überprüfen, so muss sie bei mangelnder Antragstellung die
Erlaubnis versagen.
Ebenso wenig greift die Rüge einer fehlerhaften Abwägung. Das Verwaltungsgericht hat
insbesondere nicht das Gewicht möglicher Rechtsverletzungen verkannt. Die Frage nach
der formellen Verfassungswidrigkeit des Luftsicherheitsgesetzes wegen fehlender
Zustimmung durch den Bundesrat ist offen. Die bislang hierzu ergangene
Rechtsprechung bietet ein uneinheitliches Bild (vgl. z.B. einerseits VG Darmstadt,
Beschlüsse 27. Juni 2007 – 5 E 1854706 –, 5 E 1495/06 -, und andererseits VG Hamburg,
Urteil vom 22. Mai 2007 – 15 K 3090/06 –, zitiert nach juris; VG Frankfurt, Urteil vom 6.
Juli 2006 – 12 E 3035/05, zitiert nach juris).
In materiellrechtlicher Hinsicht hat der Senat keine durchgreifenden Zweifel an der von
der Beschwerde gerügten Verfassungsmäßigkeit des Luftsicherheitsgesetzes. So ist es
z.B. im Hinblick auf das unterschiedliche Gefährdungspotential der verschiedenen
Luftfahrzeuge mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass der Gesetzgeber u.a. Führer von
Segelflugzeugen, Frei- und Fesselballonen, Drachen und Luftsportgeräten in § 7 Abs. 1
Nr. 4 LuftSiG von der Zuverlässigkeitsüberprüfung ausgenommen hat.
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Der Senat stimmt ferner mit dem Verwaltungsgericht überein, dass der Gesetzgeber
grundsätzlich die Nutzung des Luftraumes sowie die Erteilung einer entsprechenden
Erlaubnis davon abhängig machen darf, dass der Betroffene sich einer Überprüfung im
Sinne von § 7 LuftSiG unterzieht. Dies stellt schon deshalb keinen unzulässigen Eingriff in
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG
dar, weil dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Voraussetzungen, unter denen er
Privatpiloten Zugang zum Luftraum gewährt, ein erheblicher Spielraum zukommt. So
war schon in der Rechtsprechung zu § 29 d LuftVG a.F. grundsätzlich anerkannt, dass
der Gesetzgeber Tätigkeiten, denen er – wie auch hier – zu Recht ein
Gefährdungspotential zuordnet, von persönlichen Eigenschaften und einer
entsprechenden Überprüfung als vorbeugende Maßnahme abhängig machen kann (vgl.
BVerwG, NVwZ 2005, 453). Selbst wenn mit der Einführung der
Zuverlässigkeitsüberprüfung für Privatpiloten nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG kein
umfassender Schutz der Allgemeinheit vor Anschlägen garantiert werden kann, spricht
dies nicht gegen die Einschätzung des Gesetzgebers, dass die von ihm angeordnete
Zuverlässigkeitsüberprüfung grundsätzlich geeignet ist, zum Schutz der Sicherheit des
Luftverkehrs vor Angriffen beizutragen.
Ebenso wenig ist dargelegt, dass das Verwaltungsgericht die Interessen des
Antragstellers nicht hinreichend in die Abwägung eingestellt habe. Der 1927 geborene
Antragsteller geht seiner fliegerischen Betätigung - soweit ersichtlich – in seiner Freizeit
nach, ohne dass beispielsweise ein beruflicher Bezug besteht. Anlässlich seines
Verlängerungsantrages im April 2004 hat er angegeben, innerhalb der letzten 24
Monate vor Antragstellung lediglich 12 Stunden und 24 Minuten auf Reisemotorseglern
geflogen zu sein. Hinzu kommt, dass der verfügte Widerruf allein das Führen von
Motorseglern im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LuftVG betrifft, während Luftfahrer von
Segelflugzeugen im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LuftVG, für die der Antragsteller
ebenfalls eine Erlaubnis besitzt, gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG von einer
Zuverlässigkeitsüberprüfung ausgenommen sind. Von „schwerem Unrecht“, das dem
Antragsteller widerfahren sei, kann daher nicht die Rede sein.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist selbst dann
nicht zu beanstanden, wenn man die Erfolgsaussichten in der Hauptsache wegen der in
der Rechtsprechung umstrittenen formellen Verfassungsmäßigkeit des
Luftsicherheitsgesetzes für offen hält. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt,
dass das öffentliche Interesse der Allgemeinheit und des Luftverkehrs, vor Anschlägen
mit Luftfahrzeugen geschützt zu werden, hier das private Interesse des Antragstellers
überwiegt, die streitige Erlaubnis für Reisemotorsegler auszunutzen. Das Ziel des
Gesetzgebers, der die Erteilung der Erlaubnis in § 4 Abs. 1 LuftVG von einer
Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 LuftSiG abhängig gemacht hat, könnte
anderenfalls nicht erreicht werden. (vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 27. März
2006 – 20 B 1985/05 -, zitiert nach juris; VGH Kassel, Beschluss vom 12. Februar 2007 –
11 TG 2192/06, zitiert nach juris; a.A. in einem hier nicht vergleichbaren Fall VGH
Mannheim, Beschluss vom 5. September 2007 - 8 S 800/07 -). Auch insoweit ist in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass angesichts der hochrangigen
Rechtsgüter, die hier geschützt werden sollen, bereits die geringe
Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens ausreicht, um die Zuverlässigkeit im Sinne
von § 7 LuftSiG zu verneinen. Dies gilt erst recht, wenn diese – zumal im privaten
Bereich – mangels Mitwirkung des Betroffenen nicht verlässlich festgestellt werden kann.
Unter diesen Umständen ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2
Nr. 4 VwGO ohne weiteres gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Hierbei hat sich der Senat an Ziffer
26.1. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004
orientiert und den dort genannten Betrag (7.500 Euro) im Hinblick auf das vorläufige
Rechtsschutzverfahren halbiert.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung
mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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