Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 12.06.2009
OVG Berlin-Brandenburg: echte rückwirkung, aufschiebende wirkung, vollziehung, vergnügungssteuer, wahrscheinlichkeit, stadt, pauschal, rüge, link, sammlung
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 9 S 81.09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 1 GG, § 75 GemO BB,
§ 5 GemO BB, § 35 GemO BB
Kommunale Vergnügungssteuer: Zulässigkeit der
rückwirkenden Änderung des Besteuerungsmaßstabs für die
Besteuerung von Spielautomaten; rückwirkende Heilung einer
Vergnügungssteuersatzung
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Potsdam vom 12. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.449,43 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller reichte beim Antragsgegner Vergnügungssteueranmeldungen für die
Monate Januar bis Juni 2007 ein, erhob aber jeweils auch Widerspruch. Mit
Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2007 wies der Antragsgegner die Widersprüche
zurück. Der Antragsteller erhob Klage und beantragte die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung der Klage. Mit Beschluss vom 30. Juli 2008 (10 L 651/07)
ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung an. Zur Begründung führte
es aus, der in der Vergnügungsteuersatzung der Stadt vom 30. August 2006 (VStS)
geregelte Steuermaßstab in Bezug auf Spielapparate mit Gewinnmöglichkeit sei
fehlerhaft. Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, dass die Besteuerung auf Antrag
nicht nach den monatlichen Einspielergebnissen (§ 6 Abs. 1 VStS), sondern pauschal
nach Art und Anzahl der aufgestellten Spielapparate erfolge (§ 6 Abs. 6 VStS).
Entsprechende Anträge würden im Zweifel von denjenigen Automatenaufstellern
gestellt, die so hohe Einspielergebnisse erzielten, dass für sie eine pauschale
Besteuerung günstiger sei als eine Besteuerung nach den Einspielergebnissen; für die
damit verbundene Besserstellung ausgerechnet umsatzstarker Aufsteller gebe es keine
sachliche Rechtfertigung.
Nachdem die Stadt § 6 Abs. 6 VStS rückwirkend zum 30. September 2006, dem
Inkrafttretensdatum der Vergnügungssteuersatzung gestrichen hatte (§ 1 Abs. 2 der
Änderungssatzung vom 20. August 2008), hat der Antragsgegner eine Änderung des
Beschlusses vom 30. Juli 2008 beantragt. Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 12.
Juni 2009 - 10 L 619/08 - hat das Verwaltungsgericht dem entsprochen und seinen
Beschluss vom 30. Juli 2008 dahin geändert, dass es den Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung nunmehr ablehnte. Der Beschluss vom 12. Juni 2009 ist dem
Antragsteller am 19. Juni 2009 zugestellt worden. Er hat am 2. Juli 2009 Beschwerde
erhoben und diese sogleich begründet.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Bei Beschwerden in Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes beschränkt sich die Prüfung wegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zunächst
nur darauf, ob die erstinstanzliche Entscheidung gerade in Ansehung der fristgerecht
eingereichten Beschwerdebegründung fehlerhaft ist; nur wenn das zu bejahen ist, prüft
das Oberverwaltungsgericht von Amts wegen weiter, ob der begehrte vorläufige
Rechtsschutz nach allgemeinem Maßstab zu gewähren ist.
Danach ist die Beschwerde hier unbegründet. Soweit die Beschwerdebegründung
pauschal auf erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt, genügt dies nicht dem in § 146
Abs. 4 Satz 3 VwGO ausdrücklich geregelten Erfordernis einer Auseinandersetzung mit
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Abs. 4 Satz 3 VwGO ausdrücklich geregelten Erfordernis einer Auseinandersetzung mit
der angegriffenen Entscheidung. Soweit die Beschwerdebegründung konkrete Rügen
enthält, folgt aus diesen nicht, dass die in § 80 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 3
VwGO geregelten Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung vorliegen. Die
konkreten Rügen begründen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in Rede
stehenden Bescheide in dem Sinne, dass die Bescheide nach überschlägiger Prüfung
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sind, noch zeigen sie auf, dass die
Vollziehung der Bescheide für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zu Folge hätte.
Die Beschwerde meint, im Gegensatz zu fehlerhaften kommunalen Beitrags- oder
Gebührensatzungen dürften fehlerhafte kommunale Steuersatzungen schon deshalb
nicht durch rückwirkendes Satzungsrecht "geheilt" werden, weil damit eine echte
Rückwirkung von Steuernormen verbunden sei, die unzulässig sei. Diese Rüge weckt
keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden
Steuerbescheide. Denn es ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
geklärt, dass auch kommunale Steuersatzungen rückwirkend "geheilt" werden können,
soweit es - wie hier - um die Beseitigung von Fehlern des Steuermaßstabes geht (vgl.
gerade zur Vergnügungssteuer in Bezug auf Spielapparate: BVerfG, Beschluss vom 3.
September 2009 - 1 BvR 2384/08 - juris, Rdnr. 22 ff.).
Die Beschwerde meint weiter, eine "Heilung" habe sich hier nicht in der bloßen
satzungsmäßigen Beseitigung der vom Verwaltungsgericht als gleichheitswidrig
angesehenen Wahlmöglichkeit erschöpfen dürfen. Die Streichung des § 6 Abs. 6 VStS
könne den vom Verwaltungsgericht bemängelten Gleichheitsverstoß für die
Vergangenheit nicht beseitigen, soweit sich auch nur ein einziger Automatenaufsteller
für eine Besteuerung nach pauschalen Sätzen entschieden habe; die Bestandskraft der
insoweit erlassenen Steuerbescheide führe vielmehr dazu, dass es für die Vergangenheit
dann doch bei der ungleichen Besteuerung bleibe. Auch diese Rüge weckt keine
ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Antragsteller erlassenen
Steuerbescheide. Aus der Begründung der Beschlussvorlage für die Änderungssatzung
vom 20. August 2008 ergibt sich, dass es im Satzungsgebiet tatsächlich
Automatenaufsteller gegeben hat, die von dem Wahlrecht des § 6 Abs. 6 VStS Gebrauch
gemacht haben. Es mag sein, dass die entsprechenden Steuerfestsetzungen inzwischen
bestandskräftig geworden sind, dass der Antragsgegner deshalb oder allgemein aus
Vertrauensschutzgründen keine Nachveranlagung der betreffenden Aufsteller nach den
Einspielergebnissen vornimmt und dass damit die vom Verwaltungsgericht bemängelte
Ungleichbehandlung für die Vergangenheit im Ergebnis beibehalten wird. Diese von Zeit
und Umfang her beschränkte Aufrechterhaltung der Ungleichbehandlung führt indessen
nicht dazu, dass die Heilungssatzung - und damit die hier angegriffenen Bescheide - mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sind. Denn nach dem oben zitierten
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wäre es sogar zulässig gewesen, die
Heilungssatzung so zu gestalten, dass dasselbe Ergebnis bereits auf Satzungsebene
festgeschrieben worden wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat es für den Fall der
rückwirkenden Heilung einer Vergnügungssteuersatzung ausdrücklich gebilligt, dass der
Satzungsgeber die nach der neuen Maßstabsregelung zu zahlende Steuer für die Zeit
der Rückwirkung auf die Beträge beschränkt hat, die nach der fehlerhaften
Maßstabsregelung höchstens angefallen wären. Das Vertrauen, nicht im Nachhinein mit
einer höheren als der ursprünglich festgelegten Steuer belastet zu werden, darf auch um
den Preis einer nach Zeit und Umfang fortbestehenden Ungleichbehandlung geschützt
werden (vgl. BVerfG, a. a. O, Rdnr. 49 ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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