Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017
OVG Berlin-Brandenburg: genehmigung, flughafen, vorbehalt des gesetzes, widerruf, allgemeines verwaltungsrecht, verfügung, stillegung, verordnung, international, öffentliches recht
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 12 A 9.06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 6 LuftVG, § 20 LuftVG, § 21
LuftVG, § 44 LuftVZO, § 45
LuftVZO
Leitsatz
1. Ein planfestgestellter Verkehrsflughafen kann durch Widerruf der luftrechtlichen
Genehmigung stillgelegt werden. Die Stillegung setzt auch dann eine behördliche
Entscheidung voraus, wenn der Flugplatzunternehmer mit der Betriebsaufgabe einverstanden
ist.
2. Die fehlende Dispositionsbefugnis des Flugplatzunternehmers über die luftrechtliche
Genehmigung erstreckt sich nicht auf den Vertrauensschutz, den die Genehmigung ihm
gegenüber entfaltet. Verzichtet er darauf, stellt sich der Widerruf der luftrechtlichen
Genehmigung nicht als Eingriff dar. Einer Ermächtigungsgrundlage bedarf es daher nicht.
3. Dies gilt auch dann, wenn durch den Widerruf Rechte Dritter verletzt werden. Ihnen bleibt es
unbenommen, im Wege der Drittanfechtung vorzugehen.
4. Der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung für den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof,
durch den die dort operierenden Linienfluggesellschaften auf die Verkehrsflughäfen Tegel
oder Schönefeld verwiesen werden, greift nicht in Rechte dieser Unternehmen ein. Mit Tegel
und Schönefeld stehen angemessene Ersatzstandorte zur Verfügung.
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerinnen einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit
leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen wenden sich gegen den Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung für
den Betrieb des Verkehrsflughafens Berlin-Tempelhof (THF) zum 31. Oktober 2008. Es
handelt sich um Linienfluggesellschaften, die den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof
gewerblich nutzen. Die Klägerin zu 1., ein belgisches Unternehmen mit Sitz in B.,
unterhält Linienflugverkehr zwischen B. und Tempelhof, wo sich auch der deutsche
Hauptsitz befindet. Ihren Angaben zufolge zählen zu ihrem Kundenkreis vornehmlich
Geschäftsleute, die Tagesverbindungen zwischen Berlin und B. nutzen. Die Klägerin zu 2.
hat ihren Sitz in S. und befördert Fluggäste im Linienverkehr zwischen Tempelhof und M.
bzw. zwischen Tempelhof und S. .
Auf Antrag der beigeladenen Berliner Flughafengesellschaft (BFG), die den
Verkehrsflughafen Tempelhof betreibt, widerrief die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung mit Bescheid vom 2. Juni 2004 die luftrechtliche Genehmigung und
befreite die Beigeladene mit Wirkung vom 31. Oktober 2004 unter Anordnung der
sofortigen Vollziehung von der Betriebspflicht. Der Widerruf sollte mit Bestandskraft des
Planfeststellungsbeschlusses für die Süderweiterung des Flughafens Berlin-Schönefeld
wirksam werden. Die gegen diesen Bescheid vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin
erhobene Klage nahmen die Klägerinnen Ende 2004 zurück (OVG 1 A 12.04).
Im September 2005 beantragte die Beigeladene, den Widerrufszeitpunkt neu zu fassen.
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Im September 2005 beantragte die Beigeladene, den Widerrufszeitpunkt neu zu fassen.
Die Schließung sei wegen der hohen Verluste weiterhin aus wirtschaftlichen Gründen
erforderlich, damit die Muttergesellschaft der Beigeladenen ihren Beitrag zum
Ausbauvorhaben Berlin-Brandenburg International (BBI) erwirtschaften könne. Der
Beklagte erforderte von der Beigeladenen ein Gutachten zu der Möglichkeit einer
Verkehrsverlagerung auf die Verkehrsflughäfen Tegel oder Schönefeld und beauftragte
den bereits zuvor tätig gewesenen Prof. Dr. S. mit der ergänzenden Begutachtung zur
aktuellen betriebswirtschaftlichen Situation der Beigeladenen unter Einbeziehung der
Jahre 2002 bis 2005 und der gestiegenen Passagierzahlen.
Nach Abweisung der gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau von BBI
gerichteten Musterklagen durch das Bundesverwaltungsgericht beantragte die
Beigeladene, die luftrechtliche Genehmigung bereits mit Ablauf des 31. März 2007 zu
widerrufen. Der Betriebsteil „Aviation“ in Tempelhof sei dauerhaft defizitär. Zugleich
legte die Beigeladene eine Untersuchung zu den Verlagerungsmöglichkeiten des
Tempelhofer Luftverkehrs auf die Flughäfen Tegel und Schönefeld vom 4. Mai 2006 vor,
die das Unternehmen R. erstellt hatte. Demzufolge können der Linienverkehr - nach
Inbetriebnahme des dort geplanten Terminals Ost - zum Flughafen Tegel und die
Allgemeine Luftfahrt nach Schönefeld verlagert werden. Bei der Abfertigung auftretende
Engpässe in Tegel ließen sich durch eine Optimierung des Flugplans beheben. Es sei
aber auch eine Verlagerung des gesamten Flugverkehrs von Tempelhof nach Schönefeld
möglich, falls der Terminal Ost zum Zeitpunkt der Schließung noch nicht betriebsbereit
sei.
In dem von dem Beklagten eingeleiteten Anhörungsverfahren erhoben die Klägerinnen
zahlreiche Einwendungen. Sie wiesen unter anderem auf die im Jahr 2005 gestiegene
Zahl der Fluggäste am Flughafen Tempelhof hin, rügten die von dem Beklagten
zugrunde gelegten, die Wirtschaftlichkeit des Flughafens betreffenden Daten und
beriefen sich auf Kapazitätsengpässe in Tegel und Schönefeld. Die Klägerin zu 2. machte
darüber hinaus geltend, dass sie als „Nischenflieger“ mit kleinen Fluggeräten nicht als
Low-Cost-Carrier agieren könne, sondern auf Geschäftskunden angewiesen sei. Diese
bevorzugten den Flughafen Tempelhof aufgrund seiner kurzen Wege und seien deshalb
bereit, höhere Flugpreise zu zahlen. Von dem Flugverkehr zwischen Tempelhof und M.
bzw. S. hingen 80 Arbeitsplätze ab. Eine Ausweichmöglichkeit sei wegen zeitlich
ungünstiger Zeitnischen am Flughafen Tegel sowie schlechterer Erreichbarkeit und
größerer Konkurrenz durch Billiganbieter am Flughafen Schönefeld problematisch. Ein
wirtschaftlicher Weiterbetrieb der Strecken werde nicht oder nur mit entsprechenden
Unterstützungsmaßnahmen möglich sein. Die Klägerin zu 1. hielt die Umsetzung des
geplanten Verkehrsflughafens BBI auch nach der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts für fraglich. Eine Verlagerung des Flugverkehrs nach
Schönefeld sei schon aus wettbewerbsrechtlichen Gründen unzumutbar. Eine
Verlagerung nach Tegel werde an der nicht rechtzeitigen Errichtung des Terminals Ost
scheitern. Schließlich sei die Schließung auch aus Rechtsgründen unzulässig.
Mit Bescheid vom 30. August 2006 änderte der Beklagte seinen Bescheid vom 2. Juni
2004. Er hob zum einen die Regelungen zur Befreiung von der Betriebspflicht, zum
Widerrufsvorbehalt und zur Abnahmeprüfung auf (Ziffern 2. bis 4. des Bescheides vom 2.
Juni 2004). Zum anderen sollte der Widerruf der Betriebsgenehmigung nunmehr zum 31.
Oktober 2007 wirksam werden. Ferner erging an die Beigeladene die Auflage, dem
Beklagten bis zum 15. Dezember 2006 schriftlich darzulegen, dass für die in Tempelhof
operierenden Luftfahrtunternehmen innerhalb des verbleibenden Berliner
Flughafensystems funktionsfähige Abstellflächen und Räumlichkeiten vorhanden seien
und diese den zukünftigen Nutzern spätestens zum 15. Juni 2007 zur Verfügung
stünden. Der Bedarf musste der Beigeladenen bis zum 15. November 2006 mitgeteilt
werden.
Dem Änderungsbescheid vom 30. August 2006 zufolge fällt eine Abwägung der
widerstreitenden Belange und Interessen zugunsten der Beigeladenen aus, weil sie
dargelegt habe, dass der Betrieb des Flughafens Tempelhof ein fortlaufendes
wirtschaftliches Defizit verursache. Den von dem Widerruf der luftrechtlichen
Genehmigung nachteilig betroffenen Privaten könne ein zumutbarer Ersatzstandort
angeboten werden. Der Flugverkehr der Liniengesellschaften könne – nach Fertigstellung
des Terminals Ost – nach Tegel, aber auch nach Schönefeld verlagert werden. Die
Schließung von Tempelhof entspreche dem öffentlichen Interesse an einer Schonung der
öffentlichen Haushalte, weil die dadurch frei werdenden finanziellen Mittel für den Ausbau
von BBI eingesetzt werden könnten. Hinzu komme, dass sie auch Lärm- und
Sicherheitsinteressen Rechnung trage.
Während des gerichtlichen Verfahrens erging mit Bescheid vom 7. Dezember 2006 eine
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Während des gerichtlichen Verfahrens erging mit Bescheid vom 7. Dezember 2006 eine
die Allgemeine Luftfahrt betreffende Nebenbestimmung zu den Bescheiden vom 2. Juni
2004 und 30. August 2006. Nachdem ein von dem Senat mit Beschluss vom 21.
Dezember 2006 unterbreiteter Vergleichsvorschlag, dem die Beteiligten des
vorliegenden Verfahrens zugestimmt hatten, wegen mangelnder Zustimmung weiterer
Klägerinnen anderer Verfahren nicht zustande gekommen war, erließ der Beklagte unter
dem 22. Januar 2007 erneut einen Änderungsbescheid, mit dem der Widerruf der
Betriebsgenehmigung nunmehr zum 31. Oktober 2008, 0.00 Uhr, verfügt wurde.
Außerdem wurde der Widerrufsvorbehalt vom 7. Dezember 2006 aufgehoben. Der
Beigeladenen wurde mittels einer Auflage (Nr. 1) aufgegeben, für die am Flughafen
Tempelhof operierenden Linienfluggesellschaften die Voraussetzungen für eine
Verlagerung nach Tegel oder nach Schönefeld zu gewährleisten. Sie sollen u.a. bis zum
30. September 2007 alle benötigten Informationen zu den Bedingungen auf den
jeweiligen Flughäfen erhalten.
Mit ihren Klagen wenden sich die Klägerinnen gegen den Widerruf der luftrechtlichen
Genehmigung. Sie halten die Klagen trotz der Rücknahmen ihrer gegen den Bescheid
vom 2. Juni 2004 gerichteten Klage für zulässig, weil die Änderungsbescheide wegen der
Vorverlagerung des Schließungszeitpunktes eine eigenständige Beschwer enthielten.
Der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung sei rechtswidrig. Er bedürfe wegen des
Vorbehaltes des Gesetzes einer Ermächtigungsgrundlage. Die Voraussetzungen von § 6
Abs. 2 Satz 4 LuftVG, § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG, § 48 Abs. 1 Satz 2 LuftVZO und § 49 Abs.
2 VwVfG lägen jedoch nicht vor. Ein isolierter Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung
widerspreche der fortbestehenden Planfeststellung mit ihrer umfassenden
Gestaltungswirkung.
Die Bescheide seien mit Grundrechten der Klägerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14
Abs. 1 GG unvereinbar. Außerdem sei das Recht der Klägerinnen auf gerechte Abwägung
verletzt, weil der Beklagte von Beginn an den Flughafen Tempelhof habe schließen
wollen. Im Übrigen habe er die maßgeblichen Tatsachen unzutreffend ermittelt und
fehlerhaft abgewogen. Der Weiterbetrieb des Flughafens sei für die Beigeladene in
wirtschaftlicher Hinsicht nicht unzumutbar. Das nicht hinreichend fundierte und
methodisch angreifbare Gutachten des Herrn Prof. Dr. S. könne die Zweifel an der
Richtigkeit dieser Behauptung, deren Überprüfung im Übrigen dem Beklagten obliege,
nicht ausräumen. Der vorgesehene Ersatzstandort sei den Klägerinnen nicht zumutbar.
Die Verkehrsflughäfen Tegel und Schönefeld seien insoweit nicht gleichwertig. Am
Flughafen Tegel stünden die benötigten Zeitnischen zu Tagesrandzeiten nicht zur
Verfügung. Soweit der Beklagte auf eine Erhöhung der Koordinierungseckwerte von 40
auf 52 Slots je Stunde hinweise, führe dies zu keiner Verbesserung für Linien- und
Charterflüge. Von der Klägerin zu 2. für den Sommerflugplan 2007 beantragte Slots
seien unwirtschaftlich, weil eine Umlaufplanung nicht möglich sei.
Die anfallenden Umzugskosten seien für die Klägerinnen unzumutbar. Bei einer
Verlagerung nach Tegel entstünden sogar doppelte Kosten, weil dieser Flughafen nach
der Inbetriebnahme von BBI geschlossen werde. Eine Verlagerung nach Schönefeld
komme für die Klägerinnen auch aus Gründen des Wettbewerbs nicht in Betracht. Die
schlechtere Erreichbarkeit des Flughafens Schönefeld werde dazu führen, dass die
Kunden der Klägerinnen auf in Tegel operierende Konkurrenzunternehmen zurückgriffen.
In Schönefeld seien Kapazitätsengpässe und Behinderungen durch die dort
durchgeführten Bauarbeiten zu erwarten. Diese stelle einen zusätzlichen
Wettbewerbsnachteil dar.
Es treffe ferner nicht zu, dass für den Verkehr in Tempelhof zukünftig kein Bedarf mehr
bestehe. Der Beklagte habe bei der Gewichtung der Belange verkannt, dass die
Beigeladene einen Auftrag der Daseinsvorsorge wahrnehme und – zumal sie von der
öffentlichen Hand beherrscht werde – gewisse Verluste hinzunehmen habe. Ihre
wirtschaftlichen Belange müssten daher geringer gewichtet werden als die
grundrechtsrelevanten Belange der Klägerinnen. Schließlich fehle eine
Alternativenprüfung.
Die Klägerin zu 1. werde bei einer Verlagerung nach Schönefeld und fortbestehendem
Angebot anderer Linienfluggesellschaften in Tegel Passagierverluste von bis zu 60 %
erleiden. Dies werde zu einer Einstellung des Flugbetriebs nach Berlin und zu einem
Verlust von 30 Arbeitsplätzen führen. Außerdem betreibe die Beigeladene am Flughafen
Tegel eine diskriminierende Gebührenpolitik, die die Klägerinnen wegen der von ihnen
genutzten Luftfahrzeuge besonders treffe. Bei einer Verlagerung nach Schönefeld werde
es bei der Klägerin zu 2. zu einem Verlust von 80 Arbeitsplätzen und zu einem Rückgang
des gesamten Passagieraufkommens von einem Viertel kommen.
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Der Bescheid sei mit bindenden Zielen der Raumordnung nicht vereinbar, weil der
Flughafen Tempelhof erst mit der Inbetriebnahme von Berlin-Brandenburg International
zu schließen sei. Außerdem liege ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92
vor. Der Beklagte habe verteilend und diskriminierend in das Flughafensystem
eingegriffen. In Tegel stünden die von den Klägerinnen gewünschten Zeitnischen nicht
zur Verfügung, und in Schönefeld sei in dem von den Klägerinnen betriebenen
Marktsegment kein wettbewerbsfähiger Linienbetrieb möglich.
Die Klägerinnen beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2004 in der Fassung der
Änderungsbescheide vom 30. August 2006, 7. Dezember 2006 und 22. Januar 2007
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klagen für unzulässig. Die Klägerinnen hätten seinerzeit ihre gegen den
Bescheid vom 2. Juni 2004 gerichteten Klagen zurückgenommen, weil sie mit einer
Verlagerung zum Verkehrsflughafen Tegel zum 31. Oktober 2004 (Wirksamkeit der
Befreiung von der Betriebspflicht) einverstanden gewesen seien. Ein isoliertes Vorgehen
gegen den Schließungszeitpunkt sei nicht möglich. Unabhängig davon fehle die
Klagebefugnis. Die Klägerinnen hätten keinen Geschäftssitz und damit keinen
Standortbezug am Flughafen Tempelhof.
Den Klägerinnen sei es wegen der ihnen gegenüber eingetretenen Bestandskraft des
Bescheides vom 2. Juni 2004 nicht mehr möglich, Einwendungen gegen den Widerruf als
solchen zu erheben. Unabhängig davon bestünden an der Rechtmäßigkeit des
Bescheides auch in dieser Hinsicht keine Zweifel. Dem Abwägungsgebot sei – sofern es
überhaupt Anwendung finde – Genüge getan. Der wirtschaftliche Nachteil, den die
Beigeladene bei einer Aufrechterhaltung des Betriebs erleide, überwiege die Belange der
Klägerinnen. Dieser Nachteil sei durch zwei Gutachten bestätigt worden. Unabhängig
davon habe sich die wirtschaftliche Situation weiter verschlechtert, weil die
Fluggesellschaft A. ihre Flüge zum 1. November 2006 nach Tegel verlagert habe. Damit
verliere der Flughafen Tempelhof rund 100.000 Passagiere jährlich. Die aktuelle
Diskussion um ein Nutzungskonzept belege, dass der Flughafen nur defizitär zu
bewirtschaften sei.
Den Klägerinnen stünden zumutbare Ausweichmöglichkeiten in Schönefeld und Tegel zur
Verfügung. Der Terminal Ost müsse unabhängig von der Schließung des Flughafens
Tempelhof gebaut werden, sodass die hierfür entstehenden Kosten in die
Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht einzubeziehen seien. Das Gebäude werde rechtzeitig
zur Verfügung stehen.
Die Änderungsbescheide verstießen nicht gegen Art. 8 Abs. 1 der VO (EWG) 2408/92.
Die Klägerinnen würden nicht von einem bestimmten Flughafen ferngehalten. Sie hätten
vielmehr die Wahl zwischen Tegel und Schönefeld. Im Übrigen habe der Beklagte
innerhalb des verbleibenden Berliner Flughafensystems keine
Verkehrsverteilungsregelung getroffen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihrer Ansicht zufolge sind die Klagen unzulässig, weil die Klägerinnen im August und
September 2004 Umzugsvereinbarungen einschließlich eines Rechtsmittelverzichts mit
der Beigeladenen geschlossen hätten. Ferner fehle es an einer Rechtsverletzung, weil
die mit Bescheid vom 2. Juni 2004 verfügte Befreiung der Beigeladenen von ihrer
Betriebspflicht gegenüber den Klägerinnen unanfechtbar feststehe. Gleiches gelte in
Bezug auf den Widerruf dem Grunde nach und den in dem Bescheid vom 2. Juni 2004
genannten Zeitpunkt. Daher belaste der durch die Änderungsbescheide präzisierte
Schließungszeitpunkt die Klägerinnen nicht. Sie hätten vielmehr schon 2004 mit einer
effektiven Stillegung des Flughafens rechnen müssen. Die behaupteten
Rechtsverletzungen drohten den Klägerinnen allenfalls durch die Stillegung, nicht aber
durch den Schließungszeitpunkt. In Tegel stünden hinreichende Zeitnischen zur
Verfügung, weil der Koordinierungseckwert um fünf Abflüge je rollierender Stunde erhöht
worden sei.
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Unabhängig davon seien die Klagen auch unbegründet. Es bestehe kein Anspruch auf
Bereitstellung einer - durch die Beigeladene subventionierten - Infrastruktur. Die Klägerin
zu 2. habe erst seit 1999 in Tempelhof investiert. Zu diesem Zeitpunkt habe die
Schließung bereits festgestanden. Die Klägerin zu 1. sei seit noch kürzerer Zeit in
Tempelhof als Auffanggesellschaft für die insolvente SN Brussels tätig. Eine
Diskriminierung liege auch in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92 nicht vor,
weil die Vorschrift die Existenz eines betriebsbereiten Flughafens voraussetze. Einer
Verkehrsverteilung vorgelagerte Infrastrukturentscheidungen seien allein nach
nationalem Recht zu beurteilen. Ein privater Unternehmer könne nicht dauerhaft zum
Weiterbetrieb eines Flugplatzes gezwungen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte und die von dem Beklagten
vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klagen haben keinen Erfolg.
A.
Der Zulässigkeit der gegen die Änderungsbescheide vom 30. August 2006, 7. Dezember
2006 und 22. Januar 2007 erhobenen Klagen steht nicht entgegen, dass die Klägerinnen
ihre Klagen gegen den Ausgangsbescheid vom 2. Juni 2004 zurückgenommen haben.
Die Änderungsbescheide enthalten eine eigenständige Beschwer, weil die Klägerinnen,
die den Flughafen Tempelhof tatsächlich nutzen, ihren Flugbetrieb nunmehr bereits zu
einem früheren Zeitpunkt einstellen müssen als dies nach dem Bescheid vom 2. Juni
2004 der Fall gewesen wäre. Auf die von der Beigeladenen aufgeworfenen Frage nach
einer bestandskräftigen Befreiung von der Betriebspflicht kommt es schon deshalb nicht
mehr an, weil der Beklagte diese Regelung aufgehoben hat. Schließlich fehlt den
Klägerinnen auch nicht im Hinblick darauf das Rechtsschutzbedürfnis, dass sie den
Vergleichsvorschlag des Senats vom 21. Dezember 2006 angenommen haben. Der
Vergleich ist nicht zustande gekommen.
Ebenso wenig kommt eine Verwirkung in Betracht. Das Verhalten der Klägerinnen seit
2004 zeigt vielmehr, dass sie weiterhin an einer Fortsetzung des Flugbetriebs in
Tempelhof interessiert sind. Soweit sich die Beigeladene auf einen mit den Klägerinnen
geschlossenen Rechtsmittelverzicht beruft, ist der konkrete Inhalt dieses Verzichtes
nicht dargelegt, sodass der Senat auch insoweit von der Zulässigkeit der Klagen
ausgeht.
Der Senat lässt ferner zu Gunsten der Klägerinnen offen, ob sie klagebefugt im Sinne
von § 42 Abs. 2 VwGO sind (vgl. dazu BVerwGE 82, 246 ff.).
B.
Die Klagen sind jedenfalls unbegründet. Die angegriffenen Änderungsbescheide der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 30. August 2006, 7. Dezember 2006 und
22. Januar 2007 verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO.
I.
Der Bescheid vom 30. August 2006 in der Gestalt der weiteren Änderungsbescheide
vom 7. Dezember 2006 und 22. Januar 2007 ist formell und materiell rechtmäßig.
Entgegen der Ansicht des Beklagten und der Beigeladenen ist der Umfang der
gerichtlichen Überprüfung nicht allein auf die Frage beschränkt, ob der zuletzt verfügte
Schließungszeitpunkt (31. Oktober 2008) rechtmäßig ist, weil die angegriffenen
Änderungsbescheide letztlich auch die Schließung als solche erneut regeln.
1. Die Rechtmäßigkeit der Änderungsbescheid ergibt sich allerdings nicht schon allein
daraus, dass die Beigeladene als Betreiberin des Verkehrsflughafens Berlin-Tempelhof,
der gemäß § 2 Abs. 5 des Gesetzes zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West)
vom 25. September 1990 (BGBl I S. 2106) als genehmigt im Sinne von § 6 LuftVG gilt
(vgl. insoweit OVG Berlin, OVGE 22, 66, 67 ff.), von der Genehmigung aus
wirtschaftlichen Gründen keinen Gebrauch mehr machen möchte. Die Auffassung des
Beklagten und der Beigeladenen, wonach ein derartiger Verzicht zum automatischen
Erlöschen der Genehmigung kraft Gesetzes führt, sodass der angegriffene Bescheid
lediglich deklaratorisch sei, trifft nicht zu.
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Der Unternehmer eines Verkehrsflughafens kann über die ihm erteilte luftrechtliche
Genehmigung nicht disponieren, weil er nach der Betriebsaufnahme gemäß § 45 Abs. 1
Satz 1 LuftVZO verpflichtet ist, den Flughafen in betriebssicherem Zustand zu erhalten
und ordnungsgemäß zu betreiben (so auch Giemulla, in: Giemulla/Schmid,
Luftverkehrsverordnungen, § 45 LuftVZO Rn. 2; Wysk, in: ZLW 2003, S. 616 und 619;
Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 3. Aufl., S. 563 ff.; Sellner/Reidt, in:
NVwZ 2004, S. 1169). Da der Betrieb eines Verkehrsflughafens der Daseinsvorsorge
dient, liegt dessen Nutzung zumindest auch im öffentlichen Interesse. Beabsichtigt ein
Unternehmer eine partielle oder gar vollständige Aufgabe des Flughafenbetriebs, muss
die Luftfahrtbehörde die Möglichkeit haben, das öffentliche Interesse an der
Aufrechterhaltung des Betriebs zu prüfen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Staat
einen Unternehmer zwingen kann, von seiner Unternehmergenehmigung dauerhaft
Gebrauch zu machen. Das aus der mangelnden Dispositionsbefugnis resultierende
Erfordernis einer Beteiligung der Luftfahrtbehörde sagt nämlich noch nichts darüber aus,
ob und unter welchen Umständen eine beantragte „Entlassung“ aus der Genehmigung
verweigert werden darf.
Ein automatisches Erlöschen der Genehmigung folgt auch nicht aus § 48 Abs. 2
LuftVZO, wonach die Rücknahme, der Widerruf oder das Erlöschen der Genehmigung
aus anderen Gründen bekanntzumachen sind. Die Vorschrift stellt keinen materiell-
rechtlichen Erlöschenstatbestand dar, sondern setzt diesen – neben Widerruf und
Rücknahme, die im Gegensatz zum Erlöschen in § 48 Abs. 1 LuftVZO eigenständig
geregelt sind – lediglich voraus. Ebenso wenig führt ein Rückgriff auf allgemeines
Verwaltungsverfahrensrecht weiter. Ein Verwaltungsakt wird zwar nach § 43 Abs. 2 VwVfG
unwirksam, wenn er neben den dort genannten Aufhebungstatbeständen auf andere
Weise erledigt ist. Der Verzicht des Berechtigten auf einen begünstigenden
Verwaltungsakt oder auf Rechte daraus führt jedoch nur dann zu dessen Erledigung,
wenn der Bestand nicht zugleich auch im öffentlichen Interesse oder im rechtlich
geschützten Interesse Dritter liegt (vgl. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 9.
Aufl., § 43 Rn. 41 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).
An diesem Ergebnis vermag auch die von dem Beklagten gezogene Parallele zum
Immissionsschutzrecht nichts zu ändern. Das Bundesimmissionsschutzgesetz, das dem
Anlagenbetreiber, der den Betrieb der Anlage einstellen möchte, nach § 15 Abs. 3
BImSchG lediglich eine Anzeigepflicht auferlegt, kennt keine dem § 45 Abs. 1 Satz 1
LuftVG entsprechende Pflicht des Anlagenbetreibers zur Aufrechterhaltung des Betriebs.
Aus diesem Grund sind außerhalb des Luftverkehrsrechts normierte, an die
Betriebseinstellung anknüpfende Erlöschenstatbestände (vgl. z.B. § 18 Abs. 1 Nr. 2
BImSchG, § 8 Satz 1 GaststättenG, § 49 Abs. 2 GewO) auch dann nicht auf die
luftrechtliche Genehmigung übertragbar, wenn man einen allgemeinen Rechtssatz
aufstellen könnte, wonach eine Genehmigung bei längerem Nichtgebrauch grundsätzlich
erlischt. Der Sinn und Zweck der gesetzlich normierten Erlöschenstatbestände besteht
darin, der Genehmigungsbehörde bei längerem Nichtgebrauch die Möglichkeit
einzuräumen, das Fortbestehen der Genehmigungsvoraussetzungen zu überprüfen (vgl.
BVerwGE 40, 153, 155 f.). Dieses Motiv entfällt bei der luftrechtlichen Genehmigung, weil
von ihr - sofern der Flugplatzunternehmer nicht ausnahmsweise von der Betriebspflicht
befreit wird - fortlaufend Gebrauch gemacht werden muss. Ob bei der zwar erteilten,
aber noch nicht genutzten luftrechtlichen Genehmigung etwas anderes gilt, kann
dahinstehen, weil es hier um einen solchen Fall nicht geht.
2. Der Beklagte durfte jedoch durch eine konstitutiv wirkende Widerrufsentscheidung die
Schließung des Flughafens Tempelhof verfügen. Die angegriffenen Bescheide mit
diesem Inhalt bedürfen gegenüber den Klägerinnen keiner Ermächtigungsgrundlage (vgl.
auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. November 2005 – OVG 12 A 3.05 -, juris).
Sie sind vor allem mit europarechtlichen sowie raumordnungsrechtlichen Vorschriften
vereinbar und greifen weder in Grundrechte noch in ein unterstelltes Recht der
Klägerinnen auf gerechte Abwägung ein. Die Klägerinnen sind schließlich auch nicht
dadurch in ihren Rechten verletzt, dass der Beklagte die luftrechtliche Genehmigung
unabhängig vom Fortbestand der Planfeststellung aufgehoben hat.
Für den Erlass der angegriffenen Bescheide ist eine Ermächtigungsgrundlage nicht
erforderlich. Die luftrechtliche Genehmigung für den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof
stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, weil sie die Beigeladene als Adressatin
zum Betrieb eines Flugplatzes berechtigt. Die damit zugleich verbundenen Pflichten wie
z.B. die Betriebs- und Unterhaltungspflicht nach § 45 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO mögen zwar
belastend sein. Sie treten jedoch hinter der Begünstigung zurück. Da die Frage nach der
Begründung eines rechtlich erheblichen Vorteils abstrakt zu beurteilen ist, ändert sich
am begünstigenden Charakter der luftrechtlichen Genehmigung auch dann nichts, wenn
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am begünstigenden Charakter der luftrechtlichen Genehmigung auch dann nichts, wenn
der weitere Betrieb des Verkehrsflughafens Berlin-Tempelhof für die Beigeladene zu
einer erheblichen finanziellen Belastung führt.
Den Klägerinnen ist zwar zuzustimmen, dass die begünstigte Beigeladene wegen der ihr
obliegenden Betriebspflicht nicht ohne weiteres auf die luftrechtliche Genehmigung
verzichten kann, weil sie insoweit nicht dispositionsbefugt ist. Dies bedeutet jedoch nicht,
dass eine Aufhebung der Genehmigung nur dann möglich ist, wenn die gesetzlichen
Voraussetzungen für deren Widerruf oder Rücknahme vorliegen. Die fehlende
Dispositionsbefugnis über die luftrechtliche Genehmigung erstreckt sich nämlich nicht
auf den Vertrauensschutz, den die bestandskräftige begünstigende luftrechtliche
Genehmigung gegenüber dem Flugplatzunternehmer entfaltet, und der einem Widerruf
gegen den Willen des Flugplatzunternehmers grundsätzlich entgegensteht. Auf diesen
Vertrauensschutz kann der Flugplatzunternehmer ohne weiteres mit der Folge
verzichten, dass die von ihm begehrte Aufhebung der luftrechtlichen Genehmigung nur
noch in das Ermessen der Luftfahrtbehörde gestellt ist.
So liegt es hier. Der Beklagte hat die luftrechtliche Genehmigung nicht gegen den Willen
der Beigeladenen, sondern gerade auf deren Antrag hin und mit deren Einverständnis
widerrufen: Angesichts des Verzichts der Beigeladenen auf Vertrauensschutz fehlt es im
Verhältnis zwischen ihr und dem Beklagten an einem Eingriff. Es handelt sich letztlich um
eine einvernehmliche Regelung, die - auch unter Berücksichtigung des Prinzips vom
Vorbehalt des Gesetzes - keine Ermächtigungsgrundlage erfordert. Dem angegriffenen
Verwaltungsakt liegt eine ähnliche Situation wie beim Abschluss eines
verwaltungsrechtlichen Vertrages zugrunde, für dessen inhaltliche Gestaltung der
Vorbehalt des Gesetzes ebenso wenig gilt. Der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zufolge kommt es, auch soweit Grundrechtspositionen
berührt werden, angesichts der einverständlichen Mitwirkung der am Vertrag Beteiligten
zumindest nicht in dem Sinne zu einem Eingriff wie es vorausgesetzt wird, wenn der
Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes gilt (BVerwGE 42, 331, 335). Diesem Ergebnis
steht auch nicht entgegen, dass ein Vertrag über die Aufhebung der luftrechtlichen
Genehmigung nach § 58 Abs. 1 VwVfG rechtswidrig wäre, wenn er in Rechte der
Klägerinnen eingriffe. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag erlaubt nämlich nur deshalb keine
Regelung zu Lasten Dritter, weil er - anders als ein Verwaltungsakt - von einem
betroffenen Dritten nicht angefochten werden kann (vgl. dazu auch Kopp/Ramsauer,
VwVfG, Kommentar, 9. Aufl., § 58 Rn. 1).
Eine Ermächtigungsgrundlage wäre selbst dann nicht erforderlich, wenn die Aufhebung
der die Beigeladene begünstigenden luftrechtlichen Genehmigung belastende Wirkungen
für die Klägerinnen entfaltete. In einem derartigen Fall kann sich der belastete Dritte
weder auf §§ 48, 49 VwVfG noch unmittelbar auf Vertrauensschutz berufen. Sowohl die
luftrechtliche Genehmigung als auch deren Widerruf treffen allein gegenüber der
Beigeladenen als Adressatin eine verbindliche Regelung. Die mit der Erteilung der
luftrechtlichen Genehmigung verbundene Berechtigung zur Flugplatznutzung, die dem
Flugplatzunternehmer durch deren Aufhebung wieder genommen wird, stellt sich für die
Luftfahrtunternehmen allenfalls als mittelbare Begünstigung, wenn nicht sogar als bloßer
Reflex dar (vgl. zu alledem Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht,
12. Aufl., § 17 III 2 Rn. 23).
Würde man das Vertrauen des derart betroffenen Dritten in den Bestand des
Verwaltungsaktes als ebenso schutzwürdig ansehen wie das Vertrauen des unmittelbar
Begünstigten, müssten §§ 48, 49 VwVfG auch im Verhältnis zwischen der Behörde und
dem Dritten anwendbar sein. Dies führte jedoch zu dem nicht haltbaren Ergebnis, dass
beispielsweise ein begünstigender Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung im
Verhältnis zu dem Dritten – unabhängig von § 50 VwVfG - unter den erleichterten
Voraussetzungen für belastende Verwaltungsakte aufgehoben werden könnte (vgl. zu
alledem Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 17 III 2,
Rn. 22 f.).Das Handeln des Beklagten braucht hier daher auch nicht im Verhältnis zu den
Klägerinnen durch eine Ermächtigungsgrundlage legitimiert zu werden. Daraus folgt
allerdings nicht, dass der Beklagte durch die Aufhebung der luftrechtlichen
Genehmigung folgenlos in Rechte Dritter eingreifen kann. Die Klägerinnen sind – soweit
sie durch den Widerruf in ihren Rechten betroffen werden – nicht schutzlos. Ihnen steht
ausreichender Rechtsschutz zur Verfügung, denn sie können ihr Aufhebungsinteresse
ohne weiteres mittels Drittanfechtung des sie belastenden Verwaltungsaktes verfolgen.
Dieses Ergebnis findet auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine
Stütze. Danach werden durch die Änderung von Schutzauflagen für ein
planfestgestelltes Vorhaben betroffene Grundstückseigentümer durch die Bestandskraft
der Planung nicht in der Weise geschützt wie der Adressat eines begünstigenden
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der Planung nicht in der Weise geschützt wie der Adressat eines begünstigenden
Verwaltungsaktes, der Änderungen nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG
hinnehmen muss. Sie haben keinen rechtlich geschützten Anspruch auf Fortbestand der
ursprünglichen Planung, sondern lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte
Abwägung ihrer Belange, sodass ihr Interesse an der Erhaltung der ursprünglichen
Planung gegen das Interesse des Vorhabenträgers an einer von ihm beabsichtigten
Änderung abzuwägen ist (BVerwGE 91, 17, 23). Nach alledem bedarf die luftrechtliche
Genehmigung hier - unabhängig von der Frage, ob ihre Änderung oder Aufhebung eine
planerische Entscheidung darstellt - weder gegenüber der Beigeladenen noch gegenüber
den Klägerinnen einer Ermächtigungsgrundlage.
3. Der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung verstößt nicht gegen europarechtliche
Vorschriften. Er verletzt insbesondere keine Rechte der Klägerinnen aus Art. 3 Abs. 1 der
Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von
Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen
Flugverkehrs. Danach wird Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft - vorbehaltlich der
Verordnung - von den Mitgliedstaaten die Genehmigung erteilt, Verkehrsrechte auf
Strecken in der Gemeinschaft auszuüben (vgl. auch § 21 Abs. 4 LuftVG). Der freie
Streckenzugang gilt für den gesamten innergemeinschaftlichen Flugverkehr („Strecken
in der Gemeinschaft“), d.h. nicht nur für Flugdienste zwischen den Mitgliedstaaten,
sondern auch für Flugdienste innerhalb eines Mitgliedstaates (Giemulla, in:
Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, Bd. 1.1, § 21 LuftVG Rn. 37 und 47; vgl. auch die
Definition in Art. 2 h, wonach unter dem betroffenen Mitgliedstaat bzw. den betroffenen
Mitgliedstaaten der Mitgliedstaat bzw. die Mitgliedstaaten zu verstehen sind, in dem
oder zwischen denen der betreffende Flugverkehr durchgeführt wird).
a) Mit dem zu einer Schließung des Flughafens Tempelhof führenden Widerruf hat der
Beklagte in Bezug auf die Klägerinnen keine Verkehrsaufteilung im Sinne von Art. 8 Abs.
1 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 vorgenommen. Eine solche
Verkehrsaufteilungsregelung liegt u.a. vor, wenn der Zugang innerhalb eines
Flughafensystems, zu dem die Verkehrsflughäfen Berlin-Tegel, Tempelhof und
Schönefeld gehören (Art. 2 m sowie Anhang II der VO), für bestimmte
Luftfahrtunternehmen oder Dienste beschränkt wird, ohne dass diese zwischen den
Flughäfen des Systems frei wählen können (zur Definition der Verkehrsaufteilung vgl.
Heitsch, in: EurUP 2005, 75, 80; zur Wahlfreiheit innerhalb des Flughafensystems s. z.B.
EuGH, Urteil vom 18. Januar 2001, C – 361/98 - Mailänder Flughafensystem, Malpensa).
Daran fehlt es hier schon deshalb, weil der Änderungsbescheid vom 22. Januar 2007 der
Beigeladenen aufgibt sicherzustellen, dass die Klägerinnen als am Verkehrsflughafen
Tempelhof operierende Linienfluggesellschaften ihren Flugverkehr ab 1. November 2008
wahlweise nach Tegel oder nach Schönefeld verlagern können. Nach derzeitigem
Sachstand bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Auflage nicht erfüllt
werden könnte. Dies gilt auch im Hinblick auf die von den Klägerinnen behaupteten, aus
ihrer Sicht auch zukünftig bestehenden Kapazitätsengpässe am Flughafen Berlin-Tegel.
Den – u.a. auf erhöhte Sicherheitsanforderungen zurückzuführenden – Engpässen wirkt
die Beigeladene durch Schaffung weiterer Kapazitäten entgegen, indem sie einen
zusätzlichen Terminal („Terminal Ost“) errichtet, der eine Erhöhung des
Koordinierungseckwertes ermöglicht. Entgegen der Annahme der Klägerinnen spricht
alles dafür, dass dieser Terminal, der den Plänen der Beigeladenen zufolge schon zum
31. März 2007 fertig gestellt sein soll, im Jahr 2008 zur Verfügung stehen wird. Ein gegen
die Baugenehmigung angestrengtes vorläufiges Rechtschutzverfahren blieb ohne Erfolg
(OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – 10 S 1.07 -).
Ebenso wenig ist derzeit erkennbar, dass die Klägerinnen nach einer Schließung des
Verkehrsflughafens Tempelhof und einer Verlagerung ihres Linienflugverkehrs nach Tegel
lediglich unzumutbare Zeitnischen erhalten werden, die ihren Geschäftsbetrieb
beeinträchtigen. Der Endbericht über die Untersuchung der Verlagerungsmöglichkeiten
des Luftverkehrs in Tempelhof auf die Flughäfen Tegel und Schönefeld vom 4. Mai 2006
(„Verlagerungsgutachten“) geht vielmehr nachvollziehbar davon aus, dass eine
Aufnahme des Tempelhofer Linienverkehrs in Tegel sowohl im Jahr 2007 als auch im
Eröffnungsjahr des Verkehrsflughafens Berlin-Brandenburg International (voraussichtlich
2011) möglich ist. Soweit es zu geringen Überschreitungen bei der
Abfertigungskapazität komme, könnten diese durch eine Optimierung des Flugplans
behoben werden. Derartige zeitliche Verschiebungen um 15 bis 20 Minuten sind von den
Klägerinnen grundsätzlich hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat
den in der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2007 gestellten Beweisanträgen
schon deshalb nicht nachzugehen, weil eine Übertragung im Sinne einer vollständig
unveränderten, minutengenauen Übernahme der den Klägerinnen für den Flughafen
Tempelhof erteilten Zeitnischen auf den Flugbetrieb am Flughafen Tegel nicht geboten
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Tempelhof erteilten Zeitnischen auf den Flugbetrieb am Flughafen Tegel nicht geboten
ist. Soweit im parallel verhandelten Verfahren OVG 12 A 2.05 unter Beweisantritt
behauptet worden ist, die am 22. Januar 2007 am Flughafen Tempelhof vorhandenen
Verkehre könnten unter Berücksichtigung des Terminals Ost am Flughafen Tegel nicht
ordnungsgemäß abgewickelt werden, konnte der Senat auch das als zutreffend
unterstellen. Entscheidend ist allein, ob die nach einer nicht punktgenauen, sondern
zumutbaren und interessengerechten Verlagerung der Verkehre von Tempelhof nach
Tegel am Flughafen Tegel bestehende Verkehrssituation regelgerecht abgewickelt
werden kann. Davon geht der Senat auf der Grundlage der Darlegungen von Beklagtem
und Beigeladener aus.
Soweit die Klägerin zu 2. mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2006 eine Aufstellung über
von ihr für den Flughafen Tegel zum Sommerflugplan 2007 beantragte und erhaltene
Zeitnischenzuweisungen vorgelegt hat, ist dies schon deshalb als Beleg für zukünftige
mangelnde Kapazitäten nicht hinreichend aussagekräftig, weil es sich um einen hier
nicht maßgeblichen Zeitraum handelt. Unabhängig davon ist der weit überwiegende
Anteil der beantragten Zeitnischen bestätigt worden, und die Klägerin hat weder
dargelegt, dass sie die begehrten Zeitnischen rechtzeitig beantragt hat, noch hat sie
dargelegt, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, um doch noch die begehrten
Zeitnischen zu erhalten (vgl. z.B. Art. 8 Abs. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des
Rates über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der
Gemeinschaft vom 18. Januar 1993). Aus der vorgelegten Aufstellung allein sind die
insoweit erforderlichen Angaben nicht ersichtlich. Dem in der mündlichen Verhandlung
geäußerten Einwand der Beigeladenen, wonach sich die Klägerin zu 2. erst nach
Abschluss der Flugplankonferenz um Zeitnischen beworben habe, ist diese nicht
substantiiert entgegengetreten. Soweit sich die Klägerinnen schließlich auf
Behauptungen der Klägerin zu 3. im Verfahren OVG 12 A 1.05 berufen, ist dies hier
schon deshalb nicht erheblich, weil die Zeitnischenzuteilung u.a. von der konkret
gewünschten Start- und Landezeit und von der Art des Luftfahrzeuges abhängt. Die
Ablehnung eines Antrags auf Zuweisung einer bestimmten Zeitnische eines
Luftfahrtunternehmens lässt grundsätzlich nicht den Schluss zu, dass auch einem
anderen Luftfahrtunternehmen eine vergleichbare Zeitnische versagt wird.
Da die von dem Beklagten verfügte Auflage somit nicht ungeeignet erscheint, für den
Tempelhofer Linienverkehr einen zumutbaren Flugbetrieb am Flughafen Tegel zu
gewährleisten, und für den Flughafen Tegel aus derzeitiger Sicht kein offensichtlicher und
unzumutbarer Kapazitätsengpass zu prognostizieren ist, müssen sich die Klägerinnen
zunächst darauf verweisen lassen, die Bescheidung ihrer Anträge auf
Zeitnischenzuweisung für den Winterflugplan 2008/2009 abzuwarten. Bei Versagung
einer beantragten Zeitnische sind sie ferner gehalten, eine Korrektur der Entscheidung
gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates über gemeinsame Regeln für die
Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft vom 18. Januar 1993 zu
erreichen (vgl. z.B. Art. 8 Abs. 7 VO).
Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Flughafen Tegel für die Klägerinnen eine
unzumutbare Alternative darstellen könnte. Die bloße – ohnehin nicht näher
substantiierte - Behauptung, dass die Klägerinnen durch die Entgeltregelungen am
Flughafen Tegel benachteiligt würden, reicht insoweit nicht aus. Im Übrigen haben die
Klägerinnen die Möglichkeit, gegen aus ihrer Sicht diskriminierende Entgeltregelungen
gerichtlich vorzugehen.
b) Im Übrigen wären die angegriffenen Bescheide selbst dann mit Art. 8 VO (EWG) Nr.
2408/92 vereinbar, wenn für die Klägerinnen kein Wahlrecht zwischen den
Verkehrsflughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld bestünde, sondern sie
ausschließlich auf den Flughafen Berlin-Schönefeld verwiesen würden. Zwar läge –
entgegen der Ansicht der Beigeladenen und des Beklagten - auch bei der Schließung
eines Systemflughafens und der Verlagerung der Verkehre an einen bestimmten,
fortbestehenden Flughafen des Systems eine Aufteilungsregelung im Sinne von Art. 8
Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92 vor (vgl. dazu im Einzelnen OVG Berlin-Brandenburg, Urteil
vom 12. Februar 2007 – OVG 12 A 2.05 -). Diese Verkehrsaufteilung, die neben der
gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe keiner weiteren nationalen gesetzlichen Grundlage
bedürfte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Februar 2007 – OVG 12 A 2.05 -,
Hofmann/Granherr, LuftVG, Anh. 5, Einführung, S. 4; Heitsch, in: EurUP 2005, 75, 80),
wäre jedoch nicht diskriminierend im Sinne von Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92. Den
Klägerinnen würde nicht ohne objektive und stichhaltige, sachliche und rechtliche
Begründung ein Verkehrsrecht vorenthalten, das einem anderen Unternehmen für den
Betrieb eines gleichen Dienstes unter vergleichbaren Bedingungen gewährt würde (vgl.
dazu Entscheidung der Kommission vom 24. April 1994, TAT – Paris [Orly] – Marseille und
Paris [Orly] – Toulouse, 94/291/EWG, ABl. L 127 vom 19. Mai 1995, S. 32).
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Die Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Schönefeld stellen jedenfalls ab dem verfügten
Schließungszeitpunkt für die Klägerinnen als Linienfluggesellschaften nahezu
gleichwertige Alternativen dar. Es ist den Klägerinnen zumutbar und bedeutet für sie
keine Diskriminierung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92, wenn sie
während der lediglich rund dreijährigen Übergangszeit bis zur beabsichtigten Eröffnung
des Flughafens Berlin-Brandenburg International nicht von dem zunächst noch
fortbestehenden Flughafen Tegel, sondern vom Flughafen Schönefeld aus operieren
müssten. Bei dem Flughafen Schönefeld handelt es sich zwar nicht um einen
innerstädtischen, andererseits aber sehr wohl um einen stadtnahen, gut erreichbaren
Flughafen. Er ist – anders als der Flughafen Tegel – unmittelbar an das Berliner S-Bahn-
Netz angeschlossen und wird ab Mai 2008 über die Autobahn A 113n direkt erreichbar
sein. Dadurch werden sich die derzeitigen Anfahrtzeiten noch einmal erheblich
verkürzen. Dass die Klägerinnen gerade aufgrund dieser Verkehrsanbindung Kunden an
in Tegel operierende Luftfahrtunternehmen, die zudem vergleichbare Strecken wie die
Klägerinnen bedienen müssten, in einem Umfang verlieren könnten, der zu
Umsatzeinbußen führt, ist nicht nachvollziehbar. Mit den von ihnen insoweit
angegebenen Zahlen weisen die Klägerinnen im Wesentlichen auf den Verlust hin, der
eine Einstellung des Flugdienstes nach Berlin zur Folge hätte. Ein Beleg dafür, dass die
Verlagerung tatsächlich zu Umsatzeinbußen führt, ergibt sich daraus jedoch nicht.
Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass die am Flughafen Schönefeld operierenden
Billiganbieter für die Klägerinnen einen wettbewerbsrelevanten Nachteil darstellen. Dies
gilt auch gerade im Hinblick darauf, dass es sich um ein anderes Segment handelt. Im
Übrigen erscheinen in diese Richtung zielende Erwägungen der Klägerinnen kaum
schutzwürdig. Die weitere Befürchtung der Klägerinnen, Wettbewerbsnachteile aufgrund
von ausbaubedingten Behinderungen am Flughafen Schönefeld erleiden zu müssen, ist
nicht begründet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Linienverkehr in Schönefeld-Nord
maßgeblich von den Bauarbeiten betroffen sein könnte, Insoweit bleiben die
Einwendungen der Klägerinnen pauschal und ohne Substanz.
Schließlich ist auch nicht deshalb mit Kapazitätsengpässen am Flughafen Schönefeld zu
rechnen, weil ab dem Jahr 2008 nur noch eine Start- und Landebahn zur Verfügung
stehen wird. Der Beklagte und die Beigeladene haben darauf hingewiesen, dass schon
zum jetzigen Zeitpunkt faktisch nur eine Start- und Landebahn genutzt wird. Die Start-
und Landebahnen in Schönefeld sind derzeit bei weitem nicht ausgelastet, sondern
verfügen über erhebliche freie Kapazitäten von rund 40 %. Die unter kapazitiven
Gesichtspunkten mögliche Verlagerung des Linienflugverkehrs von Tempelhof nach
Schönefeld wird schließlich auch durch das Gutachten vom 4. Mai 2006 bestätigt.
Danach ist im Jahr 2007 lediglich im Bereich der Sicherheitskontrollen mit einem
Kapazitätsengpass zu rechnen, der durch die Installation einer zusätzlichen
Sicherheitslinie behoben werden kann. Kapazitätsbedingte Engpässe bei der Abfertigung
im Jahr 2011 lassen sich durch eine geringfügige Optimierung des Flugplans ohne
weiteres bewältigen. Derartige Maßnahmen sind hier – wie oben dargelegt –
grundsätzlich hinzunehmen.
4. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen verstoßen die angegriffenen Bescheide
nicht gegen raumordnungsrechtliche Vorschriften. Die Verordnung zur Änderung der
Verordnung über den Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS)
vom 30. Mai 2006 (GVBl. Bln S. 509) legt nicht verbindlich fest, dass der Flughafen
Tempelhof erst mit der Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Brandenburg International
und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt geschlossen werden darf (vgl. III., Z 1 der
Anlage zur Änderungsverordnung). Die gegenteilige Behauptung der Klägerinnen findet
in dem Wortlaut der Verordnung keine Stütze. Vielmehr lässt sich der Begründung (Nr. 6
zu Z 1 LEP FS, GVBl. S. 541) eindeutig entnehmen, dass eine frühere Schließung des
Flughafens Tempelhof Zielen der Raumordnung nicht entgegensteht. Andererseits folgt
aus den genannten Vorschriften zwingend, dass der Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof
schließen
ist. Der von den Klägerinnen begehrte Weiterbetrieb – selbst mit einer Beschränkung auf
den Geschäftsflugbetrieb - wäre daher aus raumordnungsrechtlichen Gründen ohnehin
nur für einen Zeitraum von rund drei Jahren über das von dem Beklagten verfügte
Schließungsdatum hinaus möglich.
5. Die angegriffenen Bescheide verletzen die Klägerinnen schließlich weder in ihrem
Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG noch in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.
a) Der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung greift nicht in das Eigentumsrecht der
Klägerinnen aus Art. 14 Abs. 1 GG ein. Selbst wenn man davon ausginge, dass der
eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als tatsächliche Zusammenfassung der
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eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als tatsächliche Zusammenfassung der
zum Vermögen eines Unternehmens gehörenden Sachen und Rechte in eigenständiger
Weise von der Gewährleistung der Eigentumsgarantie erfasst wird (offen gelassen
BVerfGE 51, 193, 221 f.; 105, 252, 278.), fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Eingriff
in die Substanz, der entsprechend schwer und unerträglich sein müsste (BVerfGE 13,
225, 229 f.). Es ist – auch unter Berücksichtigung der Ausführungen zu I. 3. - weder
ersichtlich noch substantiiert dargelegt, warum die Schließung des Flughafens Tempelhof
und die Verlagerung des Flugverkehrs nach Schönefeld für die Klägerinnen einen schwer
wiegenden, ihnen nicht zumutbaren betriebsbezogenen Eingriff darstellen soll. Dies
betrifft auch die – ohnehin nicht bezifferten – Umzugskosten. Eine lediglich befürchtete
Minderung der Erwerbschancen durch einen Verlust von Kunden wird vom Schutzbereich
des Art. 14 Abs. 1 GG nicht erfasst (BVerfGE 68, 193, 222 f.). Gleiches gilt in Bezug auf
zukünftige Expansionschancen. Unabhängig davon durften die Klägerinnen angesichts
der seit vielen Jahren bestehenden ernsthaften Bestrebungen, den Verkehrsflughafen
Berlin-Tempelhof schon vor der Inbetriebnahme von Berlin-Brandenburg International zu
schließen, nicht auf den Fortbestand des Flugbetriebs in Tempelhof vertrauen. Hierbei ist
im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass die Klägerinnen selbst durch Annahme des
von dem Senat am 21. Dezember 2006 vorgeschlagenen Vergleichs einer Schließung
des Flughafens Tempelhof zum 31. Oktober 2008 zugestimmt haben.
Soweit die Klägerinnen eine nicht ausreichende Zuweisung von Zeitnischen an den
Verkehrsflughafen Tegel oder Schönefeld befürchten, kommt eine Verletzung von Art. 14
Abs. 1 GG nicht in Betracht. Start- und Landeerlaubnisse auf der Grundlage der
Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von
Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft vom 18. Januar 1993 (ABl. Nr. L 14/1)
bzw. aufgrund von §§ 27 a, 27 b LuftVG fallen nicht unter die Eigentumsgarantie des Art.
14 Abs. 1 GG. Diese Rechtspositionen beruhen auf einer einseitigen öffentlich-
rechtlichen Gewährung, für die die begünstigten Luftfahrtgesellschaften keine
unmittelbare oder mittelbare Gegenleistung erbringen. (ebenso Giemulla, in:
Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, § 27 a Rn. 21). Sie können daher mangels
eigentumsähnlicher Verfestigung bei der Schließung eines Flughafens ersatzlos
entzogen werden, ohne dass das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtsposition durch
Grundrechte geschützt wäre (vgl. auch BVerfGE 45, 142, 170; 97, 271, 284). Im Übrigen
ist – wie dargelegt - nicht damit zu rechnen, dass den Klägerinnen die für ihren
Flugbetrieb erforderlichen – zumutbaren - Zeitnischen in Tegel oder Schönefeld nicht zur
Verfügung stehen werden.
b) Ebenso wenig ist das Grundrecht der Klägerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
Beeinträchtigungen des Wettbewerbs können zwar grundsätzlich in den Schutzbereich
der Berufsfreiheit fallen. Hierzu zählen grundsätzlich auch staatliche Regelungen, die
eine Aufteilung des Luftverkehrs innerhalb eines Flughafensystems zur Folge haben. In
einem solchen Fall können Luftverkehrsunternehmen nicht mehr frei darüber
entscheiden, in welcher Weise und an welchem Ort sie tätig werden (vgl. auch
Cloppenburg, Rechtsfragen der Errichtung und Nutzung von Flughafensystemen, 2006,
S. 110; Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 128). Eine
wettbewerbswidrige, gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßende Beeinträchtigung ist hier
jedoch aus den zu Art. 8 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2408/92 dargelegten Gründen nicht
gegeben.
Soweit die Klägerinnen im Übrigen geltend machen, sie würden wegen der längeren
Anfahrtswege zum Flughafen Schönefeld Kunden verlieren und Umsatzeinbußen
hinnehmen müssen, ist dem zu entgegnen, dass Art. 12 Abs. 1 GG – ebenso wenig wie
Art. 14 Abs. 1 GG - kein Recht auf Erhaltung eines bestimmten Geschäftsumfangs und
auf Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten garantiert (BVerfGE 105, 252, 265; vgl.
auch BVerwGE 71, 183, 193). Unabhängig davon ist – wie dargelegt – nicht ersichtlich
und nicht davon auszugehen, dass den Klägerinnen die behaupteten Umsatzeinbußen
drohen.
6. Die Klägerinnen können sich ferner nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des Gebotes
berufen, wonach die von einer Entscheidung mit planungsrechtlichem Charakter
berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht
abzuwägen sind. Hierbei kann offen bleiben, ob ihnen überhaupt ein Recht auf gerechte
Abwägung zusteht. Die Änderungsbescheide verletzen sie selbst dann nicht in ihren
Rechten, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass der Widerruf der
luftrechtlichen Genehmigung - wie deren isolierte Erteilung oder Änderung - eine
planerische Entscheidung darstellt, und wenn man ein Recht auf fehlerfreie Abwägung
auch derjenigen privaten Belange der Klägerinnen bejaht, die unterhalb der Schwelle
zum subjektiven Recht verbleiben.
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Ein unterstelltes Recht der Klägerinnen auf gerechte Abwägung ihrer privaten Belange
wäre nur verletzt, wenn der Beklagte die entsprechenden Belange nicht zutreffend
ermittelt oder – obwohl abwägungserheblich - nicht in die Abwägung eingestellt oder sie
verkannt hätte, oder wenn der Ausgleich der Belange in einer Weise vorgenommen
worden wäre, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit außer Verhältnis stünde (vgl. BVerwGE
52, 237, 244 f.; 107, 313, 322; 107, 350, 355 f.). Hierbei ist die angegriffene
Entscheidung nicht einer objektiv-rechtlichen Überprüfung zu unterziehen, sondern die
Klägerinnen bleiben auf eine Rüge der fehlerhaften Abwägung eigener Belange
beschränkt (BVerwGE 48, 56, 66).
a) Der von den Klägerinnen behauptete Abwägungsausfall, den sie mit dem politischen
Willen zur Schließung des Flughafens Berlin-Tempelhof begründen, lässt sich den
angegriffenen Bescheiden nicht entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte,
der ein aufwändiges Anhörungsverfahren durchgeführt und mehrere, zum Teil
umfangreiche Bescheide erlassen hat, sich von vornherein an die (unterstellte) Vorgabe
einer vorzeitigen Schließung gebunden glaubte und deshalb keine Abwägung
vorgenommen hat.
b) Ebenso wenig greift die Rüge der Klägerinnen, dass der Beklagte ihre Belange nicht
zutreffend ermittelt und nicht gerecht abgewogen habe. Zwar kann das Interesse eines
gewerblichen Unternehmens an der Erhaltung der mit erheblichen Investitionen
ausgenutzten Erwerbsquelle bei der hoheitlichen Planung geschützt sein (BVerwG,
Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 22, S. 17, 21 f.). Die Betriebsaufgabe ist für die
Klägerinnen – unabhängig davon, inwieweit ihre Gewerbebetriebe tatsächlich mit
Standortbezug in Tempelhof verankert sind - jedoch schon deshalb als zumutbar
anzusehen, weil ihnen nach der Stillegung des Flughafens Tempelhof ab 1. November
2008 alternative Betätigungsmöglichkeiten am Verkehrsflughafen Tegel oder auch am
Verkehrsflughafen Schönefeld zur Verfügung stehen.
Der Beklagte hat unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände abwägungsfehlerfrei
entschieden, dass die Klägerinnen zum Winterflugplan 2008/2009 am Flughafen Tegel
angemessenen Ersatz für den bisherigen Betrieb am Flughafen Tempelhof erhalten
werden, der voraussichtlich im Jahre 2011, d.h. rund drei Jahre nach dem von dem
Beklagten verfügten Schließungszeitpunkt, ohnehin hätte aufgegeben werden müssen.
Dafür, dass das Vorhaben BBI nicht verwirklicht werden wird, bestehen keine
Anhaltspunkte. Unabhängig davon wäre es den Klägerinnen auch zumutbar, ihren
Geschäftsbetrieb zum Flughafen Schönefeld zu verlagern. Wegen der Einzelheiten, die
die Zumutbarkeit der Ersatzstandorte Tegel bzw. Schönefeld betreffen, wird auf die
Ausführungen zu B. I. 3. Bezug genommen. Nach alledem durfte der Beklagte davon
ausgehen, dass die mit Bescheid vom 22. Januar 2007 zu Gunsten der Klägerinnen
verfügte Auflage erfüllt werden wird.
Da der Beklagte den Klägerinnen einen zumutbaren Ersatzstandort angeboten hat,
kommt es auf die für die Schließung des Flughafens Tempelhof streitenden Belange
nicht entscheidungserheblich an. Unabhängig davon sind diese öffentlichen und privaten
Belange (innerstädtische Lage, Lärmschutz, Sicherheit einerseits, defizitäre
Bewirtschaftung andererseits) von bedeutendem Gewicht, sodass ein unterstelltes
Interesse der Klägerinnen an der Aufrechterhaltung ihrer betrieblichen Standorte am
Flughafen Tempelhof abwägungsfehlerfrei überwunden werden könnte. Selbst wenn die
Klägerinnen die konkrete Höhe des von der Beigeladenen zu tragenden wirtschaftlichen
Defizits, das durch die Verlagerung einer weiteren Linienfluggesellschaft nach Tegel und
den damit verbundenen Verlust an Passagieren noch einmal gestiegen ist, bestreiten,
räumen auch sie letztlich die Existenz eines derartigen Defizits ein. Auf die
Schließungskosten als solche kommt es hierbei nicht an, weil diese angesichts der
raumordnungsrechtlich zwingenden Schließung spätestens mit der Inbetriebnahme von
Berlin-Brandenburg International ohnehin entstünden. Gleiches gilt, soweit die
Klägerinnen geltend machen, dass die Beigeladene zu dem von ihr beklagten Defizit
selbst erheblich beigetragen habe. Ebenso wenig können sie sich zu ihren Gunsten
darauf berufen, dass bislang kein Nachnutzungskonzept vorliege. Zum einen bedarf es
zuvor der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, und zum anderen fällt die
Entscheidung über die weitere Nutzung nicht in die Zuständigkeit der Luftfahrtbehörde.
Schließlich brauchte sich der Beklagte schon deshalb nicht um einen anderen Betreiber
für den Verkehrsflughafen Tempelhof zu bemühen, weil er den Klägerinnen einen
zumutbaren Alternativstandort zur Verfügung gestellt hat.
7. Die angegriffenen Änderungsbescheide verletzen die Klägerinnen auch nicht deshalb
in ihren Rechten, weil sie die luftrechtliche Genehmigung isoliert und unabhängig vom
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in ihren Rechten, weil sie die luftrechtliche Genehmigung isoliert und unabhängig vom
Fortbestand der Planfeststellung aufheben.
a) Der von dem Beklagten beschrittene Weg ist nicht schon deshalb unzulässig, weil das
Luftverkehrsrecht – anders als beispielsweise das Eisenbahnrecht in § 11 AEG – keine
spezialgesetzliche Norm kennt, die die dauerhafte Einstellung des Betriebs ohne
Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses regelt (zu § 11 AEG vgl. auch BverwGE 107,
350, 353). Aus dem Fehlen einer derartigen Vorschrift lässt sich kein Verbot einer
Stillegung bei Fortbestand der Planfeststellung ableiten, zumal der Gesetzgeber die
Stillegung eines Verkehrsflughafens im Einvernehmen mit dem Flughafenunternehmer
offensichtlich überhaupt nicht in den Blick genommen hat.
Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Luftverkehrsrecht gibt insoweit nichts
her. Zwar hält das Bundesverwaltungsgericht bei planfestgestellten Flughäfen eine Klage
Dritter auf Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung für unzulässig, weil Rechtsschutz
nur gegen den Planfeststellungsbeschluss erlangt werden kann (vgl. BVerwG Buchholz
442.40 § 9 LuftVG Nr. 8). Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass ein Widerruf
im Verhältnis zwischen der Genehmigungsbehörde und dem Flugplatzunternehmer
ausgeschlossen ist, wenn der Flugplatzunternehmer eine Stillegung begehrt. Zieht man
die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Eisenbahnrecht heran, müsste
man sogar zu dem Ergebnis kommen, dass vor der Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses zunächst die luftrechtliche Genehmigung aufzuheben
wäre, weil einer auf Beseitigung des Flughafens zielenden Planfeststellung die
Außerdienstsetzung der Anlage vorausgehen müsste (BVerwG NVwZ-RR 1992, 457).
Hinzu kommt, dass die Aufhebung der luftrechtlichen Genehmigung, durch die der
Betrieb eingestellt wird, und die Aufhebung der anlagenbezogenen Planfeststellung
unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen und grundsätzlich rechtlich selbstständig
nebeneinander stehen. § 8 Abs. 1 LuftVG bezieht sich allein auf die (bauliche) Anlage
eines Flugplatzes. § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG eröffnet lediglich eine Option, in der
Planfeststellung betriebliche Regelungen zu treffen, ohne dies - wie etwa in § 9 b Abs. 1
AtG geschehen – verbindlich anzuordnen. Mit einer Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses ist daher keine automatische Aufhebung der
luftrechtlichen Genehmigung verbunden. Sie kann als Zulassungsgrundlage
fortbestehen, auch wenn von ihr mangels Planfeststellung kein Gebrauch gemacht
werden kann. Nach alledem ist der im Schrifttum vertretenen Ansicht, wonach der
gemäß §§ 8 ff. LuftVG ergangene Planfeststellungsbeschluss aufgrund seiner
umfassenden Gestaltungswirkung alleiniger Anknüpfungspunkt für
Widerrufsentscheidungen bleiben müsse, nicht zu folgen (zu dieser Ansicht vgl. Wysk, in:
ZLW 2003, S. 620, insbesondere Fußnote 40).
b) Selbst wenn man hier zu dem Ergebnis käme, dass die Stillegung eines
planfestgestellten Verkehrsflughafens nur durch Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses und nicht durch Aufhebung der luftrechtlichen
Genehmigung erfolgen könnte, führte dies nicht zur Verletzung von Rechten der
Klägerinnen. Private Dritte haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung eines
bestimmten Verfahrens (vgl. dazu Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 268 mit weiteren Nachweisen; zum nicht bestehenden Anspruch
auf Durchführung eines luftrechtlichen Genehmigungsverfahrens vgl. BayVGH DÖV
2004, 170 f.) Dies führt hier auch nicht zu einer gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßenden
Rechtsschutzverkürzung. Selbst wenn der Beklagte den Flughafenbetrieb nur durch
Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses hätte stilllegen können, wäre nicht
ersichtlich, dass sich dies auf eine durch § 42 Abs. 2 VwGO geschützte materielle
Rechtsposition der Klägerinnen auswirkte, zumal der Beklagte auch im vorliegenden
Verfahren eine Abwägungs- und Ermessensentscheidung unter Beteiligung der
Klägerinnen getroffen hat.
III.
Falls man mit den Klägerinnen eine Ermächtigungsgrundlage für erforderlich hielte,
wären die angegriffenen Bescheide ebenfalls rechtmäßig. Sie ließen sich nämlich
zumindest auch auf § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG bzw. auf § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG in
entsprechender Anwendung oder auf § 1 Abs. 1 BlnVwVfG in Verbindung mit § 49 VwVfG
stützen.
1. Nach § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG ist eine Änderung der luftrechtlichen Genehmigung
erforderlich, wenn die Anlage oder der Betrieb des Flugplatzes wesentlich geändert
werden soll. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Die von der Beigeladenen angestrebte vollständige Betriebseinstellung stellt sich als
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a) Die von der Beigeladenen angestrebte vollständige Betriebseinstellung stellt sich als
wesentliche Änderung des Flugbetriebs dar. Eine derartige, die Genehmigungspflicht
auslösende Änderung im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG ist zu bejahen, wenn durch
sie die für das luftverkehrsrechtliche Genehmigungserfordernis maßgebenden Belange
in rechtserheblicher Weise berührt werden (BVerwG Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 11,
S. 21, 29). Da dies bei einer deutlichen Reduzierung des Flugbetriebs wegen der im
öffentlichen Interesse liegenden Nutzung eines Verkehrsflughafens der Fall ist (so
Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 9, S. 12; Hofmann/Grabherr,
Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 30; Delbanco, Die Änderung von Verkehrsflughäfen, Berlin
1998, S. 179; a.A. Ronellenfitsch, in: DVBl. 1984, S. 504; Wysk, in: Ziekow, Praxis des
Fachplanungsrechts, 6. Kapitel, Rn. 1676), muss dies erst recht dann gelten, wenn es
sich nicht nur um eine wesentliche Reduzierung, sondern sogar um eine vollständige
Einstellung des Betriebs handelt. Vor diesem Hintergrund vermag die in der Literatur
vertretene Ansicht, wonach die Stillegung eines Flughafens durch Widerruf der
luftrechtlichen Genehmigung keine Änderung seines Betriebs darstelle, weil sie begrifflich
voraussetze, dass auch nach der Änderung eine Flughafenanlage fortbestehe und
betrieben werde (so Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsverordnungen, § 41
LuftVZO Rn. 3), nicht zu überzeugen.
Ebenso wenig steht dem Wortlaut des § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG eine Auslegung
entgegen, die die aufgrund der Betriebseinstellung erforderliche Aufhebung der
Genehmigung als deren Änderung qualifiziert. Stellt die Stillegung eines Flughafens eine
wesentliche Änderung seines Betriebes dar, kann die Änderung der Genehmigung nur in
deren Aufhebung bestehen (kritisch Sellner/Reidt, in: NVwZ 2004, S. 1169). Dass sich die
Änderung der Genehmigung auch als deren Aufhebung begreifen lässt, wird im
Schrifttum im Übrigen ausdrücklich für den Fall des § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG bejaht.
Danach ist die Genehmigung zu ändern, wenn dies nach dem Ergebnis des
Planfeststellungsverfahrens erforderlich ist. Bei negativem Ausgang des
Planfeststellungsverfahrens und bereits erteilter Genehmigung reicht die
Änderungsbefugnis des § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG dementsprechend bis zur Aufhebung
der Genehmigung (vgl. Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 72).
b) Unabhängig davon käme auch eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 4 Satz 2
LuftVG in Betracht, weil kein Grund ersichtlich ist, die Aufhebung der luftrechtlichen
Genehmigung auf Antrag des Genehmigungsinhabers anders zu behandeln als einen
Antrag auf deren Erteilung oder Änderung.
c) Wegen der weiteren Erwägungen kann auf II. 3. bis 7. Bezug genommen werden.
2. a) Die Änderungsbescheide vom 30. August 2006, 7. Dezember 2006 und 22. Januar
2007 lassen sich schließlich auch auf § 49 VwVfG stützen. Dabei kann offen bleiben, ob
der Luftfahrtbehörde grundsätzlich ein Rückgriff auf die allgemeinen
verwaltungsverfahrensrechtlichen Rücknahme- und Widerrufsvorschriften wegen
abschließender Regelungen im Luftverkehrsrecht verwehrt ist (vgl. dazu
Hofmann/Grabherr, Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 121; Giemulla, in: Giemulla/Schmid,
Luftverkehrsverordnungen, § 48 LuftVZO Rn. 2; zur Anwendbarkeit von § 49 VwVfG im
Fachplanungsrecht s. auch BVerwGE 105, 6 ff.). Hier ist die Anwendung einer
allgemeinen, den Vertrauensschutz durchbrechenden Regelung, die möglicherweise
über grundsätzlich vorrangige Spezialvorschriften hinausgeht, jedenfalls ohne weiteres
möglich, weil die Beigeladene wirksam auf Vertrauensschutz verzichtet hat. Insoweit ist
es auch nicht erforderlich, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 1
bis 5 VwVfG vorliegen, weil sie – wie bereits dargelegt - allein für die Beigeladene, nicht
aber für die Klägerinnen Vertrauensschutz begründen. Verzichtet die Beigeladene
darauf, entfallen die Einschränkungen des § 49 Abs. 2 VwVfG, und ein Widerruf ist
unabhängig hiervon nach § 49 VwVfG möglich.
b) Auch hier kann wegen der weiteren Begründung auf II. 3. bis 7. verwiesen werden.
IV.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der
in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Der Sache kommt insbesondere keine
grundsätzliche Bedeutung zu, weil der Senat die Rechtsfragen, deren
Klärungsbedürftigkeit allenfalls in Betracht käme, offen lassen konnte.
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