Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 24.06.2009

OVG Berlin-Brandenburg: treu und glauben, liquidator, ähnliche stellung, juristische person, wirtschaftliches interesse, beiladung, ausnahme, verwalter, zwangsvollstreckung, beteiligter

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 1 K 60.09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 65 VwGO, § 121 VwGO, § 162
Abs 1 VwGO, § 162 Abs 2 S 1
VwGO, § 1 Abs 2 RVG
Kostenfestsetzung; Rechtsanwaltskosten des Beigeladenen;
Geltendmachung von Honoraransprüchen nach anwaltlichem
Gebührenrecht neben Vergütung als Liquidator
Tenor
Die Beschwerde der Erinnerungsführerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Berlin vom 24. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in folgender
Angelegenheit: Die Erinnerungsführerin war Klägerin des Ausgangsverfahrens VG 2 A
28.07; sie wandte sich gegen einen im Zusammenhang mit der staatlichen
Parteienfinanzierung stehenden Widerrufs- und Rückforderungsbescheid des Präsidenten
des Deutschen Bundestages über einen Betrag von 869.353,89 Euro. Der
Erinnerungsgegner war Liquidator und als solcher Verfahrensbevollmächtigter einer der
zu dem Verfahren beigeladenen 17 Parteien, hier der zu 13. beigeladen gewesenen
Partei P.. Der Erinnerungsgegner nahm an der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht teil und stellte für die Beigeladene zu 13. - als einzige der beigeladen
gewesenen 17 Parteien – einen eigenen Antrag. Mit Urteil vom 20. Mai 2008 wies das
Verwaltungsgericht die Klage ab und legte der Klägerin bzw. jetzigen Erinnerungsführerin
die Kosten des Verfahrens auf, und zwar einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen zu 13. und mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der übrigen
Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hatten. Den Streitwert setzte es mit Beschluss
vom 4. Juni 2008 (einheitlich) auf 869.353,89 Euro fest.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 13. August 2008 bat der Erinnerungsgegner für die
damalige Beigeladene zu 13. um Festsetzung außergerichtlicher Kosten in Höhe von
12.728,24 Euro, und zwar ausgehend von dem festgesetzten Streitwert von 869.353,89
Euro. Dem trat die Erinnerungsführerin mit dem sinngemäßen Vorbringen entgegen,
dass das Interesse der seinerzeitigen Beigeladenen zu 13. nicht dem (gesamten)
streitgegenständlichen Rückforderungsbetrag entsprechen könne, sondern nur dem
Betrag, der hiervon gegebenenfalls später durch die Bundestagsverwaltung anteilig -
neben entsprechenden Zahlungen an die 16 übrigen Beigeladenen - an die Beigeladene
zu 13. auszukehren sei. Den zugleich gestellten, hierauf bezogenen Antrag der
Erinnerungsführerin auf gesonderte Wertfestsetzung des Interesses der Beigeladenen zu
13. lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. Januar 2009 ab. Hierauf setzte
die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit dem hier angegriffenen
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Februar 2009 die von der Erinnerungsführerin an
den Erinnerungsgegner bzw. die seinerzeitige Beigeladene zu 13. zu erstattenden
Kosten – ausgehend von dem Streitwert von 869.353,89 Euro – auf 12.719,31 Euro fest.
Am 19. Februar 2009 erhob die Erinnerungsführerin gegen den die gesonderte
Wertfestsetzung ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. Januar 2009
Beschwerde und legte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. Februar 2009
unter dem gleichen Datum Erinnerung ein. Die Beschwerde wies das
Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 8. Mai 2009 zurück (OVG 3 L 15.09). Die
Erinnerung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 24. Juni 2009 zurückgewiesen
und zur Begründung ausgeführt, der Erinnerungsgegner dürfe als Liquidator auch
Rechtsanwaltskosten nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes geltend
machen, und die Streitwertfestsetzung für die Gebührenbemessung sei im
Kostenerstattungsverfahren bindend. Hiergegen richtet sich die vorliegende
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Kostenerstattungsverfahren bindend. Hiergegen richtet sich die vorliegende
Beschwerde.
Gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 8. Mai 2009 hatte die
Erinnerungsführerin Verfassungsbeschwerde erhoben, über die das
Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 30. Juli 2009 entschieden und die es
nicht zur Entscheidung angenommen hat (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten
Senats vom genannten Tage - 2 BvR 1274/09 -). Es hat die Verfassungsbeschwerde
wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Subsidiarität für unzulässig erachtet, weil die
Erinnerungsführerin noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, einer möglichen
Verletzung ihrer Grundrechte auf fachgerichtlichem Wege vorzubeugen; so seien noch
ein Verfahren auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
vom 20. Mai 2008 sowie das Verfahren gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss
anhängig.
Durch zwischenzeitlich ergangenen Beschluss vom 15. Juni 2010 hat das
Oberverwaltungsgericht den vorerwähnten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20. Mai 2008 abgelehnt (OVG 3 N 107.08).
II.
Die gemäß §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 VwGO zulässige Beschwerde gegen den Beschluss
des Verwaltungsgerichts vom 24. Juni 2009 bleibt ohne Erfolg. Der Erinnerungsgegner
bzw. die seinerzeitige Beigeladene zu 13. hat im Ausgangsverfahren VG 2 A 28.07 dem
Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der durch die Prozessvertretung
entstandenen Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erworben (s. dazu unter 1.). Die Gebühren waren
dabei auch nach dem erstinstanzlich festgesetzten Streitwert von 869.353,89 Euro zu
bemessen (dazu unter 2.). Im Einzelnen:
1. Aufgrund des Kostenausspruchs im Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Mai
2008, das zwischenzeitlich - nach Ablehnung des dagegen gerichteten Antrags auf
Zulassung der Berufung durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 15. Juni
2010 – unanfechtbar geworden ist, hat die Erinnerungsführerin (auch) die
außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsgegners bzw. der damaligen Beigeladenen zu
13. zu tragen. Erstattungsfähig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind gem. § 162
Abs. 1 VwGO u.a. die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen
Aufwendungen der Beteiligten. Hiernach hat der Erinnerungsgegner - unbeschadet
seiner Ende 2007 vorgenommenen Bestellung als Liquidator der damaligen
Beigeladenen zu 13. - in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 13. August 2008 für die
Wahrnehmung ihrer Prozessvertretung vor dem Verwaltungsgericht zu Recht Gebühren
und Auslagen nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) in Ansatz
gebracht. Der Bundesgerichtshof hat die Maßstäbe, nach denen ein Liquidator, der
zugleich Rechtsanwalt ist, unbeschadet der ihm als Liquidator zustehenden Vergütung
Sonderansprüche nach anwaltlichem Gebührenrecht - insoweit noch nach der
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - geltend machen kann, überzeugend wie folgt
formuliert:
„2. Der Kläger verlangt eine Vergütung nach der
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO); dieses Begehren ist nach der
gesetzlichen Regelung gerechtfertigt.
a) Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 BRAGO gilt dieses Gesetz nicht, wenn der
Rechtsanwalt als Vormund, Betreuer, Pfleger, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter,
Vergleichsverwalter, Mitglied des Gläubigerausschusses oder Gläubigerbeirats,
Nachlaßverwalter, Zwangsverwalter, Treuhänder, Schiedsrichter oder in ähnlicher
Stellung tätig wird. Dies beruht im wesentlichen auf der gesetzgeberischen Erwägung,
daß es sich bei den hier genannten Aufgaben um Tätigkeiten handelt, die entweder
ehrenamtlich erfolgen, in erheblichem Umfang auch Nicht-Rechtsanwälten übertragen
werden oder nicht im Auftrag einer Partei oder in deren Interesse übernommen werden.
Ihnen fehlt daher in dem einen oder anderen Aspekt ein typisches Merkmal anwaltlicher
Berufsausübung. Die Tätigkeit als Liquidator ist eine "ähnliche Stellung" im Sinne dieser
Vorschrift (OLG Hamburg MDR 1973, 54, 55; Madert in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert,
BRAGO 13. Aufl. § 1 Rdnr. 37); denn sie ist mit der Aufgabe eines Konkursverwalters
vergleichbar. Nach § 70 GmbHG soll der Liquidator die Geschäfte beendigen, die
Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft erfüllen, deren Forderungen einziehen und
das Vermögen der Gesellschaft in Geld umsetzen. Die diese Aufgaben umfassende
Tätigkeit wird ebenfalls in nicht unerheblichem Umfang Personen übertragen, die keine
Rechtsanwälte sind, und kommt auch den Interessen Dritter, insbesondere den
Gesellschaftsgläubigern, zugute.
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b) Trotzdem kann der Anwalt für die Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben
im Rahmen der genannten Tätigkeiten Honoraransprüche nach anwaltlichem
Gebührenrecht geltend machen. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 BRAGO bleibt die Vorschrift
des § 1835 BGB unberührt. Nach dieser Norm kann der Vormund Ersatz seiner
Aufwendungen verlangen; als solche gelten gemäß Absatz 3 auch Dienste, die zu
seinem Gewerbe oder Beruf gehören. Der in dieser Bestimmung enthaltene
Rechtsgedanke ist auf die übrigen von § 1 Abs. 2 Satz 1 BRAGO erfaßten Tätigkeiten
sinngemäß zu übertragen (Eickmann, Vergütungsverordnung 2. Aufl. vor § 1 Rdnr. 19 f;
Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 85 Rdnr. 11; Siegmann in: MK-BGB 3. Aufl. § 1987 Rdnr.
3; Steiner/Hagemann, Zwangsvollstreckung und Zwangsverwaltung 9. Aufl. § 153 Rdnr.
59). Daher kann der Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter zusätzliche Gebühren nach der
BRAGO in Rechnung stellen, wenn er in seiner amtlichen Tätigkeit eine Aufgabe
wahrgenommen hat, die besonderer rechtlicher Fähigkeiten bedurfte und daher von
einem Verwalter, der nicht selbst Volljurist ist, bei sachgerechter Arbeitsweise in der
Regel einem Rechtsanwalt hätte übertragen werden müssen. Dabei macht es
grundsätzlich keinen Unterschied, ob es sich um eine gerichtliche oder eine
außergerichtliche Tätigkeit gehandelt hat (Delhaes, in: Gottwald, Insolvenzrechts-
Handbuch § 120 Rdnr. 28 ff; Eickmann, aaO vor § 1 Rdnr. 22 a, 23; Kilger/Karsten
Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 85 KO Anm. 2 a; Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 85 Rdnr.
11 - 12 a; Madert, aaO Rdnr. 22; BFH NJW 1965, 2271, 2272; OLG Köln KTS 1977, 56, 59;
LG Dresden ZIP 1995, 1035, 1036; vgl. auch BGHZ 55, 101, 102). Diese Grundsätze
gelten sinngemäß ebenfalls für einen Liquidator.
Bei Prüfung der Frage, ob dem Anwalt als Konkursverwalter oder Liquidator eine
Sondervergütung analog § 1 Abs. 2 Satz 2 BRAGO in Verbindung mit § 1835 Abs. 3 BGB
zusteht, sind allerdings strenge Maßstäbe anzulegen. Jede derartige Verwaltung ist
schon ihrer Natur nach mit zahlreichen Rechtshandlungen verbunden. Auch eine Person
ohne rechtswissenschaftliche Ausbildung, die eine solche Tätigkeit übernommen hat,
muß daher grundsätzlich in der Lage sein, entsprechende Aufgaben, die keine
besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweisen, ohne Einschaltung eines
Rechtsanwalts zu bewältigen. Alles dies ist durch die nicht nach den Regeln der BRAGO
geschuldete Vergütung abgegolten. Der als Verwalter oder Liquidator tätige
Rechtsanwalt kann daher für rechtliche Aufgaben, die eine geschäftserfahrene Person
üblicherweise ohne fremden Beistand erledigt, kein über diese Vergütung
hinausgehendes Honorar verlangen“ (BGH, Urteil vom 17. September 1998 – IX ZR
237/97 -, BGHZ 139, 309, 311-313).
Nach diesen Maßstäben, die auch für das insoweit unverändert gebliebene
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gelten (vgl. § 1 Abs. 2 RVG sowie insb. Satz 2 dieser
Vorschrift, wonach § 1835 Abs. 3 BGB unberührt bleibt), steht dem Erinnerungsgegner
die geltend gemachte (Sonder-)Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
zu. Die Vertretung der seinerzeitigen Beigeladenen zu 13. in der Verwaltungsstreitsache
VG 2 A 28.07 hätte auch von einem Liquidator, der nicht Volljurist ist, bei sachgerechter
Arbeitsweise einem Rechtsanwalt übertragen werden müssen bzw. hätte von einer
lediglich geschäftserfahrenen Person ohne fremden (rechtlichen) Beistand nicht
sachgerecht erledigt werden können. In dem genannten Rechtsstreit, der mit einem 24-
seitigen Urteil abgeschlossen worden war, ging es um offensichtlich - selbst für einen mit
dem öffentlichen Recht vertrauten Rechtsanwalt - schwierige Fragen der staatlichen
Parteienfinanzierung und der Anwendung und Auslegung u.a. des Parteiengesetzes, die
für einen Verfahrensbeteiligten ohne anwaltliche Unterstützung sachgerecht nicht zu
bewältigen waren.
Soweit die Beschwerde demgegenüber geltend macht, es gebe beim Verwaltungsgericht
keinen Anwaltszwang, es habe sich ferner um einen Rechtsstreit zwischen der
Erinnerungsführerin und der Bundestagsverwaltung (und nicht der damaligen
Beigeladenen zu 13.) gehandelt und die damalige Beigeladene zu 13. hätte auch im
Hinblick auf die dies auslösende Kostenfolge keinen Anwalt beauftragen dürfen bzw.
dürfe von daher jetzt auch keine Anwaltskosten ihres Liquidators abrechnen, greift all
das nicht durch. Der fehlende Anwaltszwang ändert nichts daran, dass sich ein
Beteiligter vor dem Verwaltungsgericht in jeder Lage des Verfahrens durch einen
Bevollmächtigten vertreten lassen kann (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Damit soll es
den Beteiligten ermöglicht werden, den Verwaltungsrechtsschutz wirksamer zu gestalten
(s. nur Beschluss des Senats vom 19. März 2010 – OVG 1 K 8.10 -, S. 4 des
Entscheidungsabdrucks), und auch deswegen sind, worauf das Verwaltungsgericht
zutreffend hingewiesen hat, gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Gerichtsverfahren die
Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig, also kraft Gesetzes
als notwendig anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beteiligten, der sich
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als notwendig anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Beteiligten, der sich
- wie hier der Sache nach - eines Rechtsanwalts bedient, nicht um den Hauptbeteiligten
eines Verwaltungsrechtsstreits, sondern lediglich um einen Beigeladenen handelt; denn
die Beiladung soll gerade seinen Interessen dienen, und wiewohl er nicht Hauptbeteiligter
ist, wird die Rechtskraft der das Verfahren beendenden Entscheidung gemäß § 121
VwGO auch auf ihn erstreckt (vgl. dazu etwa Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl.
2006, § 65 VwGO, Rdn. 19 ff.). Soweit sich die Beschwerde im Übrigen gegen die
Beiladung als solche richtet, ist diese gem. § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar und
hier im Übrigen auch in der Rechtsmittelinstanz (OVG 3 N 107.08) nicht beanstandet
worden.
Die Auffassung der Beschwerde schließlich, die seinerzeitige Beigeladene zu 13. hätte im
Hinblick auf ihre bloße Stellung als Beigeladene und gerade mit Blick auf die dies
auslösende Kostenfolge keinen Anwalt beauftragen dürfen bzw. dürfe von daher jetzt
auch keine Anwaltskosten ihres Liquidators abrechnen, vermag auch unter
Berücksichtigung des Umstandes nicht zu verfangen, dass sich mit Ausnahme der
damaligen Beigeladenen zu 17. - die freilich im Termin vor dem Verwaltungsgericht
keinen Antrag gestellt hatte - die übrigen seinerzeitigen Beigeladenen anwaltlich nicht
haben vertreten lassen. Wie ausgeführt, sind die Gebühren und Auslagen eines
Rechtsanwalts - auch die des Beigeladenen - im Gerichtsverfahren gemäß § 162 Abs. 2
Satz 1 VwGO stets erstattungsfähig. Mit Rücksicht auf diese Regelung sind in der
Rechtsprechung Ausnahmen zutreffend nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, nämlich
dann anerkannt worden, wenn das entsprechende Erstattungsverlangen des
obsiegenden Prozessbeteiligten unter Berücksichtigung des gegenseitigen
Prozessrechtsverhältnisses als treuwidrig angesehen werden musste. Der eine
Ausnahme rechtfertigende Verstoß gegen Treu und Glauben ist nach einer Formulierung
des OLG Hamm (NJW 1970, 2217) dann anzunehmen, wenn die anwaltliche Vertretung
für die Partei offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner
Kosten zu verursachen. Auf der Grundlage dieser Formel hat die verwaltungsgerichtliche
Rechtsprechung eine Kostenerstattungspflicht ausnahmsweise verneint, wenn eine
Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts auf eine ersichtlich unzulässige
oder aus sonstigen Gründen offensichtlich aussichtslose Klage mit anwaltlicher Hilfe
reagiert hat (OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, 155 f.; OVG Berlin, NVwZ-RR 2001, 613
m.w.N. [Klage gegen ZVS-Bescheid]; VGH Mannheim, Beschluss vom 29. November
2004 - NC 9 S 411.04 - m.w.N. [Vertretungsanzeige nach unstreitiger
Hauptsachenerledigung], juris) oder etwa bei der Beauftragung des Bevollmächtigten zu
erkennen war, dass das Verfahren bereits beendet war und es deshalb keiner
anwaltlichen Vertretung mehr bedurfte (Beschluss des Senats vom 12. Juni 2008 - OVG
1 K 94.07 -, S. 3 des Entscheidungsabdrucks; zum Ganzen zuletzt Beschluss des Senats
vom 19. März 2010 – OVG 1 K 8.10 -, S. 4 f. des Entscheidungsabdrucks). Davon, dass
das Erstattungsverlangen des Erinnerungsgegners hier treuwidrig wäre bzw. seine
Tätigkeit als Rechtsanwalt für die seinerzeitige Beigeladene zu 13. etwa offensichtlich
nutzlos bzw. objektiv nur als dazu angetan angesehen werden kann, dem Gegner Kosten
zu verursachen, kann hier nicht gesprochen werden. Hält wie hier das
Verwaltungsgericht eine Beiladung der in die staatliche Parteienfinanzierung
eingebundenen übrigen Parteien für geboten oder für sachgerecht, kann es nicht als
treuwidrig bezeichnet werden, wenn sich eine solche Partei unter Inanspruchnahme
anwaltlicher Hilfe am Verfahren beteiligt.
2. Die danach erstattungsfähigen Gebühren hat die Urkundsbeamtin des
Verwaltungsgerichts zu Recht auch nach dem mit Beschluss des Verwaltungsgerichts
vom 4. Juni 2008 für das Verfahren festgesetzten Streitwert von 869.353,89 Euro
bemessen. Dieser Streitwert ist maßgeblich geblieben, nachdem das Verwaltungsgericht
den Antrag der Erinnerungsführerin vom 26. November 2008 auf (gesonderte)
Festsetzung des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 Abs. 1 RVG) des
Erinnerungsgegners für die damalige Beigeladene zu 13. mit Beschluss vom 29. Januar
2009 (VG 2 A 28.07), bestätigt durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 8. Mai
2009 (OVG 3 L 15.09), abgelehnt hatte. Wird - wie vorliegend geschehen - der für die
Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt, ist gemäß § 32 Abs. 1 RVG
die Festsetzung auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Der
Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist deswegen, soweit eine gerichtliche
Streitwertfestsetzung vorliegt, bei der Berechnung der Anwaltsgebühren an diese
gebunden (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 22. Oktober 1951 – I B 529/51 -, OVGE 5,
134, 135; Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. November 1976 – Nr. 1 XIV 70 -, BayVBl.
1977, S. 59; s. ferner etwa Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Std.
September 1998, § 164 VwGO, Rdn. 4); er darf die erstattungsfähigen Gebühren nicht
nach einer anderen eigenen Wertermittlung festsetzen (vgl. Neumann, in:
Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 164 VwGO, Rdn. 16). Soweit nach den
Ausführungen des von der Erinnerungsführerin erwirkten Beschlusses des
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Ausführungen des von der Erinnerungsführerin erwirkten Beschlusses des
Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juli 2009 eine Ausnahme von diesen Grundsätzen
zu erwägen sein sollte, liegen die dafür von ihm aufgestellten Voraussetzungen hier
jedenfalls nicht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem genannten Beschluss u.a.
wie folgt ausgeführt:
„…Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, das geringere wirtschaftliche
Interesse der Beigeladenen zu 13. sei zu berücksichtigen, kann sie im nach ihren
Ausführungen ebenfalls noch anhängigen Erinnerungsverfahren gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss geltend machen, dass der Erstattungsanspruch nur nach
dem wirtschaftlichen Interesse der Beigeladenen zu 13. zu bemessen ist. Unterliegt ein
Kläger in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren mit einer Mehrzahl von
Beigeladenen, für deren außergerichtliche Kosten eine Erstattungspflicht des Klägers
gemäß § 162 Abs. 3 VwGO in Betracht kommt, haben die Gerichte verschiedene
Möglichkeiten, ein geringeres wirtschaftliches Interesse der Beigeladenen zur
Begrenzung der Kostenlast des Klägers zu berücksichtigen. Unter anderem wird
erwogen, unabhängig von einer selbständigen Gegenstandswertfestsetzung im Sinne
von § 33 Abs. 1 RVG den Erstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren nach
dem – notfalls pauschal zu schätzenden – Anteil der Beteiligung Beigeladener am
Streitgegenstand zu bemessen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 1971 – VIII C
6/69 -, MDR 1973, S. 161; OVG Hamburg, Beschluss vom 23. August 1994 – Bs II 30/94 -,
juris; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 162 Rd. 25; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, § 162 Rn. 100 )“ (a.a.O., S. 3 des
Beschlussabdrucks).
Eine solche Schätzung des Anteils der Beteiligung der damaligen Beigeladenen zu 13. ist
hier im Ergebnis nicht geboten. Der Erinnerungsführerin ist zwar zuzugeben, dass sich
eine unverhältnismäßige und den Zugang zu Gericht im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG
womöglich unangemessen erschwerende Kostenlast jedenfalls dann ergeben würde,
wenn eine Mehrzahl oder gar sämtliche der 17 Beigeladenen die Erstattung ihrer
außergerichtlichen Kosten nach dem (Gesamt-) Streitwert von 869.353,89 Euro von der
Erinnerungsführerin verlangen könnten; dies wäre in der Tat nicht zu billigen (in diesem
Sinne entsprechend auch BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 1971 – VIII C 6/69 -, MDR
1973, 161) und in geeigneter Weise - sei es bei der Streitwertbemessung, sei es bereits
im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO oder ggf. auch im
Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens - zu begrenzen. Kann freilich nicht eine
Mehrzahl, sondern wie hier nur eine von 17 Beigeladenen Erstattung ihrer
außergerichtlichen Kosten verlangen, besteht für eine solche Begrenzung allerdings
noch kein zwingender Anlass. Muss ein Kläger in einem Verfahren wie dem hier in Rede
stehenden, das dem Kostenstreit zugrunde lag, mit einer Beiladung der übrigen in die
staatliche Parteienfinanzierung eingebundenen Parteien rechnen, kann er bei der
Einschätzung des Kostenrisikos für den von ihm angestrengten Prozess nicht davon
ausgehen, im Falle seines Unterliegens vollkommen von deren außergerichtlichen
Kosten verschont zu bleiben, wenn diese sich am Verfahren beteiligen und – wie die
seinerzeitige Beigeladene zu 13. – durch Stellung eines eigenen Antrages sich auch
einem eigenen Kostenrisiko aussetzen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Hier kann er im
günstigsten Falle erwarten, durch diese lediglich mit Kosten belastet zu werden, die
ihrem Anteil der Beteiligung am Rechtsstreit entsprechen (s. BVerwG, Beschluss vom 4.
Oktober 1971, a.a.O.). Diese werden zusammengenommen - bei einer Beteiligung Aller,
womit der Kläger rechnen muss - freilich den Betrag der hier geltend gemachten
außergerichtlichen Kosten lediglich eines Beigeladenen, wiewohl bemessen am
Gesamtstreitwert, wohl übersteigen bzw. diesem bestenfalls entsprechen, so dass das
Argument der unangemessenen Einschränkung des Zugangs zu Gericht (Art. 19 Abs. 4
GG) jedenfalls im vorliegenden Fall nicht verfangen kann. Der Fall liegt strenggenommen
insoweit nicht anders, als wenn lediglich ein (weiterer) Beteiligter beigeladen worden und
dem unterliegenden Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten auferlegt worden
wären; in diesem (Normal-)Fall der Beiladung werden nach der Rechtsprechungspraxis
der Verwaltungsgerichte grundsätzlich weder eine gesonderte Streitwertfestsetzung in
Bezug auf das Interesse des Beigeladenen noch sonst eine Begrenzung der
diesbezüglichen Kostenlast des Klägers vorgenommen.
Nach alledem hat das Verwaltungsgericht auch den Antrag der Erinnerungsführerin, die
Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss bis zu dessen Rechtskraft
einstweilen einzustellen, zu Recht abgelehnt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das
Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, weil für das Verfahren eine Festgebühr von 50.-
Euro vorgesehen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum
Gerichtskostengesetz).
19 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO).
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