Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 10.03.2010

OVG Berlin-Brandenburg: bohrung, vollziehung, miteigentümer, härte, belastung, beleihung, rückzahlung, sammlung, quelle, link

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 9 S 27.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 134 Abs 1 S 4 BauGB
Gesamtschuldnerschaft von Miteigentümern bei der
Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Cottbus vom 10. März 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1.166,01 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO nur im
Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Beschwerdeführers entscheidet, ist
unbegründet. Der angefochtene Beschluss hält einer auf das Vorbringen der
Antragstellerin bezogenen Überprüfung stand.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass für die streitgegenständliche
Baumaßnahme die erschließungsrechtlichen Regelungen der §§ 127 ff. BauGB zu
Grunde zu legen seien und § 242 Abs. 9 Sätze 1 und 2 BauGB dem nicht
entgegenstehe. Die Antragstellerin hält dies für falsch. Soweit sie in diesem
Zusammenhang auf den am 6. Mai 1936 erteilten Bauschein hinweist und geltend
macht, dass seinerzeit nur angebaut werden durfte, wenn ein Mindestmaß an
Straßenbau vorhanden war, lässt dies allerdings nicht den hinreichend sicheren Schluss
zu, dass die S. den seinerzeitigen örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend
fertiggestellt war und das nach der Rechtsprechung erforderliche Mindestmaß
bautechnischer Herrichtung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. Juli 2007 -
BVerwG 9 C 5.06 -, Juris Rn. 40) damals erhalten hatte. Zum einen spricht der Bauschein
von der Ausnahme zum Ortsstatut „betr. Bauverbot an unfertigen Straßen ...“ Im
Übrigen ist gegen die behauptete Herrichtung des Straßenbelags mit Feinschotter
einzuwenden, dass nach dem von dem Antragsgegner eingereichten
Baugrundgutachten vom 19. April 2001 kein Schotter bei der 3,00 m tiefen „Bohrung 1“
in der S. entdeckt worden ist. Vielmehr bestand die oberste 70 cm starke Schicht aus
einer Auffüllung von „Feinsand, stark schluffig, humos“ und Ziegelstücken. Unterhalb
von 0,70 m befand sich bis 2,10 m eine Schicht aus „Ton, stark sandig.“ Ob eine
Herrichtung mit Feinschotter überhaupt den damaligen Ausbaugepflogenheiten des
Ortes entsprochen hat, bedarf daher keiner Entscheidung.
Die Beschwerdebegründung rechtfertigt auch nicht die Annahme, die S. bzw. die
abgerechneten Teileinrichtungen hätten jedenfalls bis zum Ende der DDR das
erforderliche Mindestmaß bautechnischer Herrichtung erhalten. Dagegen, dass die
Fahrbahn entsprechend der Beschwerdebegründung zumindest bis zum 3. Oktober 1990
mittels Schotter und Sandeinspülungen oder mittels Feinsplitt befestigt worden war,
spricht das bereits wiedergegebene Ergebnis der Bohrung in der S.. Ausweislich der
Ergebnisse der im Baugrundgutachten wiedergegebenen weiteren Bohrungen im Q., im
E. und im K. war lediglich in der S. kein Schotter vorhanden. Das Maß ihrer Herrichtung
dürfte danach nicht einmal den anderen genannten Straßen entsprochen haben. Auch
die sinngemäße Annahme der Antragstellerin, eine Befestigung mit Ziegelstücken sei
eine früher übliche Form der Befestigung abseits gelegener Straßen gewesen, lässt nicht
darauf schließen, dass die S. hinreichend bautechnisch hergerichtet war. Eine
Verwendung von Ziegelstücken zur Straßenbefestigung in der S. dürfte sich in der
bloßen Verfestigung einer vorhandenen Sandpiste erschöpft haben, da sich die
Ziegelstücke ausweislich der Bohrung in der S. - wie schon ausgeführt - in einer 70 cm
starken Schicht aus einer Auffüllung von „Feinsand, stark schluffig, humos“ befunden
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starken Schicht aus einer Auffüllung von „Feinsand, stark schluffig, humos“ befunden
haben. Das grobe Herrichten natürlicher Geländegegebenheiten genügt für die
erforderliche straßenbautechnische Bearbeitung jedoch nicht
(Bundesverwaltungsgericht, a. a. O.). Unabhängig davon gibt es keine Veranlassung
anzunehmen, dass diese Bearbeitung den Ausbaugepflogenheiten des gesamten Ortes
entsprach. Dagegen spricht, dass ausweislich des Baugrundgutachtens bereits nicht
beide Bohrungen im Q. auf die Verwendung von Ziegelstücken schließen lassen.
Soweit die Antragstellerin einwendet, dass ihre Inanspruchnahme gegen das
Grundgesetz verstoße, weil die Bevölkerungszahl der Stadt F. stark abnehme, findet dies
im Verfassungsrecht keine Grundlage. Die Antragstellerin lässt auch nicht erkennen,
welche Verfassungsnorm insoweit verletzt sein soll. Im Übrigen sei darauf hingewiesen,
dass die von ihr in Anspruch genommene Prognose, in 60 Jahren werde niemand mehr in
F. wohnen, auf der Prämisse beruht, dass die Einwohnerzahl in Zukunft so stark
abnehmen wird, wie in der Vergangenheit. Dass diese Entwicklung nicht zwingend ist, ist
offensichtlich.
Die Beschwerde macht schließlich ohne Erfolg geltend, die Antragstellerin als
Beitragsschuldnerin heranzuziehen, sei ermessensfehlerhaft. Insoweit beruft sie sich zu
Unrecht darauf, dass sie als Schülerin eine Ausbildungsförderung in Höhe von 204,--
monatlich erhalte, der Miteigentümer des Grundstücks, Herr S., jedoch als Ingenieur
arbeite und deshalb eher in der Lage sei, die Zahlung zu leisten. Die in § 134 Abs. 1 Satz
4 BauGB angeordnete Gesamtschuldnerschaft berechtigt den Beitragsgläubiger, unter
mehreren Miteigentümern denjenigen in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen, der
ihm für eine Heranziehung besonders geeignet erscheint. Diese Regelung bezweckt
Verwaltungsvereinfachung und Effizienz des Gesetzesvollzugs. Sie rechtfertigt sich nach
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch den bei Massengeschäften
bedeutsamen Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität, weil eine Heranziehung aller
Miteigentümer entsprechend ihren Bruchteilen mit einem erheblichen Mehraufwand
verbunden wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. Mai 1995, - 1 BvR
923.95 -, Juris). Die gesetzlich angeordnete Gesamtschuldnerschaft dient danach nicht
dem Schuldnerschutz, so dass ein herangezogener Gesamtschuldner nicht bereits
dadurch in seinen Rechten verletzt wird, dass andere mithaftende Gesamtschuldner
ermessensfehlerhaft nicht in Anspruch genommen werden (vgl. OVG Münster, Beschluss
vom 22. März 1996 - 15 B 3422/95 -, BA S. 4; Driehaus, Erschließungs- und
Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 24 Rn. 10). Die die Antragstellerin betreffende Auswahl war im
Übrigen im Ergebnis zumindest nicht offensichtlich fehlerhaft, da ihre nach der Aktenlage
bestehenden Vermögensverhältnisse nicht den Schluss zu lassen, dass sie ein
ungeeigneter Schuldner ist. Sie verfügte nach dem von ihr eingereichten Bescheid des
Amtes für Ausbildungsförderung vom 29. Oktober 2009 über eine jährliche Rente von
1.492,-- Euro sowie über ein Vermögen von 4.060,87 Euro, dem nach dem Bescheid
zulässigen Freibetrag. Ob der Wert des Grundbesitzes, der per 30. Dezember 2009 mit
38.823,97 Euro belastet sein soll, in diese Wertangabe eingeflossen ist, lässt sich den
Akten nicht entnehmen. Ferner ist unklar, ob eine weitergehende Beleihung des
Grundstücks auf Grund der geltend gemachten Belastung ausgeschlossen ist.
Soweit sich die Antragstellerin schließlich darauf beruft, dass die Vollziehung des
angefochtenen Bescheides für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche
Interessen gebotene Härte zur Folge habe (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO), rechtfertigt
auch dies nicht die Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Eine unbillige
Härte in diesem Sinne liegt vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem
Abgabenpflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung
hinausgehen und die nicht oder nur schwer – etwa durch eine spätere Rückzahlung –
wieder gut zu machen sind (vgl. Funke-Kaiser, in Bader u. a., VwGO, 4. Aufl., § 80 Rn.
58).Die Antragstellerin hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht glaubhaft
gemacht, da ihre Vermögensverhältnisse schon nicht hinreichend dargelegt sind (s. o.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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