Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 25.08.2009

OVG Berlin-Brandenburg: recht auf bildung, abschlussprüfung, schüler, erwerb, widerspruchsverfahren, merkblatt, verordnung, auskunft, rechtsgrundlage, link

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 3 M 2.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 19 Abs 6 S 1 ZweitBildWV BB,
§ 19 Abs 6 S 4 ZweitBildWV BB,
§ 80 Abs 1 S 2 VwVfG
Antragsfrist für die Ablegung einer Nachprüfung in einem
Bildungsgang des zweiten Bildungweges; erweiternde
Anwendung der Kostenerstattungsregelung des § 80 Abs 1 S 2
VwVfG
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam
vom 25. August 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Kläger besuchte im Schuljahr 2005/2006 den Bildungsgang zum nachträglichen
Erwerb der Fachoberschulreife in der Jahrgangsstufe 10 an der Heinrich-von-Kleist-
Abendschule der Stadt Potsdam. Am 5. Juli 2006 wurde ihm ein Abgangszeugnis über
den Erwerb der erweiterten Berufsbildungsreife ausgestellt, in dem seine Leistungen im
Fach Mathematik mit der Note 5 bewertet waren. Einwendungen gegen das Zeugnis hat
der Kläger nicht geltend gemacht. Auf seine Nachfrage im September 2008 teilte ihm
die Beklagte mündlich mit, dass die erwogene Nachholung der Abschlussprüfung im
Fach Mathematik nicht in Betracht komme und bestätigte dies auf Bitte des Klägers
schriftlich unter dem 1. Oktober 2008. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das
Staatliche Schulamt Brandenburg an der Havel mit Bescheid vom 9. Februar 2009 mit
der Begründung zurück, die vom Kläger begehrte Nachprüfung scheide aus, weil der
dahingehende Antrag erst nach Ablauf von zwei Jahren nach Erteilung des
Abgangszeugnisses gestellt worden sei, während § 19 Abs. 6 der Verordnung über die
Bildungsgänge des Zweiten Bildungsweges lediglich die antragsabhängige Möglichkeit
einer Nachprüfung zu Beginn des folgenden Semesters eröffne.
Der Kläger beabsichtigt, gegen diesen Bescheid mit dem Ziel Klage zu erheben, zur
Nachprüfung im Fach Mathematik im Rahmen des Erwerbs der Fachhochschulreife
zugelassen zu werden, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die Kosten des
Widerspruchsverfahrens zu tragen. Den am 6. März 2009 gestellten Antrag, ihm für
diese Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen, hat das Verwaltungsgericht mit der
angefochtenen Entscheidung abgelehnt.
II. Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu
Recht abgelehnt, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die beabsichtigte
Rechtsverfolgung weist weder im Haupt- noch im Hilfsantrag die hierfür erforderliche
hinreichende Erfolgsaussicht auf (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
1. Dem Kläger steht aller Voraussicht nach kein Anspruch auf Zulassung zur
Nachprüfung im Fach Mathematik zu. Die einschlägige Verordnung über die
Bildungsgänge des Zweiten Bildungsweges - ZBWV - vom 6. Juli 1998 (GVBl. II, S. 490) in
der - insoweit unveränderten - Fassung vom 14. Mai 2008 (GVBl. II, S. 170) sieht in § 19
Abs. 6 Satz 1 vor, dass derjenige Schüler eine Nachprüfung auf Antrag ablegen kann,
der durch die Verbesserung um eine Note in nur einem Fach die Bedingungen zum
Erwerb u.a. der Fachoberschulreife erfüllt, was im Falle des Klägers zutrifft. Nach § 19
Abs. 6 Satz 4 ZBWV findet die Nachprüfung zu Beginn des folgenden Semesters statt.
a) Aus diesen Vorschriften wird hinlänglich deutlich, dass eine Nachprüfung zum einen
antragsabhängig ist und dass dieser Antrag zum anderen vor Beginn des auf das nicht
erfolgreich absolvierte Semester folgenden Semesters zu stellen ist. Soweit der Kläger
offenbar der Ansicht ist, der Antrag könne jederzeit, also auch Jahre nach Abgang von
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offenbar der Ansicht ist, der Antrag könne jederzeit, also auch Jahre nach Abgang von
der Schule gestellt werden, kann dem nicht gefolgt werden. Mit einer schulischen
Abschlussprüfung wird der Nachweis erbracht, dass der Schüler die ihm vermittelten
Lehrinhalte erfolgreich aufgenommen hat und fähig ist, sie bei der Bearbeitung
entsprechender Aufgaben anzuwenden. Dies setzt ohne weiteres und auch dem
allgemeinen Verständnis nach einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der
Vermittlung der Lehrinhalte und der schulischen Abschlussprüfung voraus. Für eine
Nachprüfung gilt nichts anderes, da sie den Charakter der Abschlussprüfung teilt, auf die
sie bezogen ist. Die Möglichkeit, eine Nachprüfung auch unbestimmte Zeit nach
Beendigung des Schulverhältnisses erbringen zu können, wäre im Übrigen mit dem
Grundsatz der Chancengleichheit für die anderen Schüler nicht zu vereinbaren, da ihnen
im Gegensatz zu dem Nachzuprüfenden nicht die Möglichkeit eröffnet wäre, den
Prüfungsstoff schulextern während eines ins Belieben des Betreffenden gestellten
Zeitraumes nachzuholen.
Damit besteht kein Grund für die Annahme, § 19 Abs. 6 ZBWV weise eine nicht
hinnehmbare Unbestimmtheit auf, wie der Kläger bemängelt. Aus dem in Art. 29 der
Verfassung des Landes Brandenburg gewährleisteten Recht auf Bildung ergibt sich
nichts anderes. Vielmehr unterliegt unter anderem die Festlegung der (schulischen)
Lernziele und die Entscheidung darüber, ob und inwieweit diese Ziele von dem Schüler
erreicht worden sind, dem staatlichen Gestaltungsbereich (BbgVerfG, Beschluss vom 25.
Februar 1999 - VfGBbg 41/98 -, NVwz 2001, 912); dem ist auch die Ausgestaltung von
Nachprüfungsmöglichkeiten zuzuordnen. Aus der in § 33 Abs. 4 Satz 2 BbgSchulG
vorgesehenen Möglichkeit, die Prüfung für den Erwerb der Fachoberschulreife in Teilen
abzulegen, lässt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt für eine nicht ausreichende
Bestimmtheit von § 19 Abs. 6 ZBWV entnehmen.
b) Ob es sich bei den § 19 Abs. 6 Satz 1 und Satz 4 ZBWV zu entnehmenden
Fristbestimmungen für den Antrag und die Durchführung der Nachprüfung um
Ausschluss- oder verlängerbare Fristen handelt, bedarf aus Anlass der Beschwerde
keiner näheren Betrachtung. Das Verwaltungsgericht ist - mit Blick auf den Zeitpunkt der
Nachprüfung - davon ausgegangen, dass eine etwaige Verlängerung nur aus wichtigem
Grund gestattet werden könnte. Dies ist nicht zu beanstanden; auch der Kläger wendet
sich hiergegen nicht. Er zeigt aber keine Gesichtspunkte auf, die die Annahme zuließen,
er sei aus einem wichtigen Grunde daran gehindert gewesen, rechtzeitig, also vor Beginn
des auf das Schuljahr 2005/2006 folgenden Semesters, eine Nachprüfung im Fach
Mathematik zu beantragen. Seine Behauptung, die Abschlussprüfung im Fach
Mathematik habe er nur deshalb nicht bestanden, weil er wegen persönlicher Probleme
daran gar nicht teilgenommen habe, legt wegen ihrer Substanzlosigkeit und weil sie auf
einen anderen Zeitpunkt als den der Antragstellung für die Nachprüfung bezogen ist,
eine Verhinderung aus wichtigem Grunde nicht nahe.
Soweit der Kläger schließlich bemängelt, er sei nicht ausreichend über die „Modalitäten
einer Nachprüfung“ belehrt worden, steht dem entgegen, dass nach Angabe der
Beklagten allen Schülern das zu den Akten gereichte Merkblatt zur Kenntnis gegeben
wurde, in dem sich ein ausreichender Hinweis auf die Möglichkeit einer Nachprüfung und
deren ungefähren Zeitpunkt findet. Dass der Kläger sich an dieses Merkblatt nicht
erinnern kann, besagt nicht, dass es nicht ausgehändigt oder im Wege eines Aushanges
bekannt gegeben worden ist. Abgesehen davon war es dem im Zeitpunkt der
Abschlussprüfung bereits volljährigen Kläger ohne Weiteres zuzumuten, sich über die
Modalitäten einer Nachprüfung aus eigenem Antrieb zu erkundigen.
2. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung lässt auch hinsichtlich des Hilfsantrags keine
hinreichende Erfolgsaussicht erkennen.
Dem Kläger ist allerdings zuzugeben, dass die ihm im September 2008 mündlich und
unter dem 1. Oktober 2008 schriftlich erteilte Auskunft, für ihn komme eine Nachprüfung
im Fach Mathematik nicht mehr in Betracht, an einem Begründungsmangel im Sinne
von §§ 39 Abs. 1 Satz 2, 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfGBbg (in der damaligen, bis zum 16. Juli
2009 geltenden Fassung; vgl. Art 12. Abs. 3 des Gesetzes zur Einführung des
Einheitlichen Ansprechpartners für das Land Brandenburg und zur Änderung weiterer
Vorschriften vom 7. Juli 2009 - GVBl. I, S. 262 -) gelitten haben dürfte. Denn zu den in der
Begründung eines Verwaltungsakts anzugebenden wesentlichen rechtlichen Gründen
zählt in der Regel - gerade auch gegenüber rechtsunkundigen, anwaltlich nicht
vertretenen Beteiligten - die Benennung der für die Entscheidung maßgebenden
Rechtsgrundlage (vgl. U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, Rzn. 50
f. zu § 39). Gleichwohl kann der Kläger, auch wenn der - zumindest unterstellte - formelle
Mangel spätestens im Widerspruchsverfahren geheilt worden ist, für seinen erfolglos
gebliebenen Widerspruch keine Kostenerstattung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG
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gebliebenen Widerspruch keine Kostenerstattung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 VwVfG
i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg vom 16. Juli 2009 (Art. 2 des Gesetzes vom 7. Juli
2009, a.a.O.) beanspruchen. Nach dieser Vorschrift sind demjenigen, der Widerspruch
erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
notwendigen Aufwendungen auch dann zu erstatten, wenn der Widerspruch nur deshalb
keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 45
unbeachtlich ist. Der Widerspruch des Klägers ist jedoch nicht allein deswegen ohne
Erfolg geblieben, weil der - etwaige - ursprüngliche Begründungsmangel im
Widerspruchsverfahren geheilt worden ist, sondern weil dem Begehren des Klägers aus
sachlichen Gründen kein Erfolg beschieden sein konnte. Auf die Entscheidung in der
Sache konnte sich der - unterstellte - Begründungsmangel offensichtlich nicht auswirken,
so dass er gemäß § 46 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg unbeachtlich war. Eine
erweiternde oder analoge Anwendung der Kostenerstattungsregelung des § 80 Abs. 1
Satz 2 VwVfG auf diese Fälle ist nicht möglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der
Vorschrift („… nur deshalb …“) entgegen (vgl. Dürr in Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl.
2010, Rz. 28 zu § 80; Pietzner/Ronel-lenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen
Recht, 11. Aufl. 2005, § 46, Rz. 3; Hk-VerwR/VwVfG/Kastner, 2006; Rz. 14 zu § 80; a.A.
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, Rz. 30 zu § 80 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie auf §§ 166 VwGO, 127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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