Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 12.03.2008

OVG Berlin-Brandenburg: rechtsgrundlage, einbürgerungsgebühr, kostenregelung, ausländer, anwendungsbereich, heimatloser, umfrage, link, sammlung, quelle

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 5 N 12.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 38 Abs 2 S 1 RuStAG, Art 2 S
1 StaatenlMindÜbkAG
Kostenpflichten im Staatsangehörigkeitsrecht, insbesondere von
Einbürgerungen
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. März 2008 wird abgelehnt.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 510 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger wurden nach Art. 2 des Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit
vom 29. Juni 1977 - AG-StlMindÜbk - eingebürgert. Der Beklagte erhob für die
Einbürgerung jeweils eine Gebühr in Höhe von 255,-- Euro. Die Kläger sind der
Auffassung, dass dafür keine Rechtsgrundlage bestehe. Ihre gegen den
Gebührenbescheid gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Es hat zur
Begründung unter anderem ausgeführt, die Einbürgerungsgebühr finde ihre
Rechtsgrundlage in § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG, denn Einbürgerungen im Sinne dieser
Vorschrift seien auch solche, deren materielle Voraussetzungen im AG-StlMindÜbk
geregelt seien. Maßgeblich sei, dass sich - wie in Art. 2 Satz 2 AG-StlMindÜbk
vorgegeben - das Verfahren der Einbürgerung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz
richte. Unter anderem spreche der Zweck der Einbürgerungsgebühr, die Kosten des
Verwaltungsaufwands des Einbürgerungsverfahrens zu decken, für diese Auslegung.
Ferner sei nach den Gesetzesmaterialien zur Aufhebung des § 2 der
Staatsangehörigkeitsgebührenverordnung - StAGebV - und denen zu der im Jahre 1993
erfolgten Neufassung des § 38 Abs. 2 StAG deutlich, dass der Gesetzgeber
Einbürgerungen gem. Art. 2 Satz 1 AG-StlMindÜbk nicht von der Gebührenpflicht habe
ausnehmen wollen. Selbst wenn man im Übrigen davon ausgehen würde, Einbürgrungen
nach Art. 2 Satz 1 AG-StlMindÜbk seien vom Wortlaut des § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG nicht
erfasst, wäre die Vorschrift analog anzuwenden.
II. Unter Berücksichtigung der dagegen gerichteten Ausführungen der Kläger (§ 124a
Abs. 4 S. 4 VwGO), die sich auf die Zulassungsgründe des Bestehens ernstlicher Zweifel
an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (dazu unter 1.) und der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (dazu unter 2.) stützen, ist die Berufungszulassung nicht
gerechtfertigt.
1. Der Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
steht bereits entgegen, dass die Kläger sich in der Zulassungsbegründung nicht mit
allen tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt haben.
So hat das Verwaltungsgericht - selbständig tragend - auch darauf abgestellt, dass die
Erhebung der streitgegenständlichen Gebühren selbst dann rechtmäßig wäre, wenn
Einbürgerungen gem. Art. 2 Satz 1 AG-StlMindÜbk nicht von § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG
umfasst seien, da dann § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG analog anzuwenden sei. Dazu verhält
sich die Zulassungsbegründung nicht.
Auch unabhängig davon bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
angefochtenen Urteils. Gem. § 38 Abs. 1 StAG werden für Amtshandlungen in
Staatsangehörigkeitsangelegenheiten, soweit nichts anderes bestimmt ist, Kosten
erhoben. Auf Grund seiner weiten Fassung gilt § 38 Abs. 1 StAG für das gesamte
Staatsangehörigkeitsrecht (Marx, in: GK-StAR, Stand: November 2009, § 38 StAG Rn.
12). Da insoweit keine Ausnahme für Einbürgerungen gem. Art. 2 Satz 1 AG-StlMindÜbk
geregelt ist, sind auch diese mithin kostenpflichtig. Das Verwaltungsgericht hat
überzeugend § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG zur Bestimmung der Höhe der danach zu
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überzeugend § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG zur Bestimmung der Höhe der danach zu
erhebenden Einbürgerungsgebühren herangezogen. Seine Argumentation, eine
Einbürgerung im Sinne dieser Vorschrift liege auch dann vor, wenn sich lediglich das
Einbürgerungsverfahren nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz richte, die materiellen
Voraussetzungen der Einbürgerung jedoch nach Art. 2 Satz 1 AG-StlMindÜbk, ist nicht
zu beanstanden.
Der Hinweis der Kläger, das AG-StlMindÜbk enthalte keine Regelung wegen der Kosten,
geht an der Begründung des Verwaltungsgerichts, § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG sei insoweit
einschlägig, vorbei. Auch ihr Einwand, mit Art. 2 Satz 2 AG-StlMindÜbk sei keine
Kostenvorschrift geschaffen worden, trifft bereits den rechtlichen Ansatz des
Verwaltungsgerichts nicht. Es hat Art. 2 Satz 2 AG-StlMindÜbk nicht als unmittelbaren
Verweis auf die Kostenregelung des § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG verstanden, sondern die
„Für das Verfahren“ geltende Bezugnahme des Art. 2 Satz 2 AG-StlMindÜbk auf das
Staatsangehörigkeitsrecht lediglich zum Beleg dafür angeführt, dass sich das Verfahren
der Einbürgerung gem. Art. 2 Satz 1 AG-StlMindÜbk nach dem
Staatsangehörigkeitsgesetz richte. Deshalb sei § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG für die
Einbürgerungsgebühren der Einbürgerung Staatenloser einschlägig.
Die Argumentation der Kläger zu Art. 2 Satz 2 AG-StlMindÜbk trägt auch im Übrigen
nicht. Zutreffend ist, dass die durch Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Reform des
Staatsangehörigkeitsrechts vom 15. Juli 1999 (BGBl. I, S. 1618, 1622) neu gefasste
Regelung sich nach den damaligen Vorstellungen des Gesetzgebers inhaltlich an § 91
Satz 2 AuslG anlehnte (BTDrucks. 14/533, S. 21), der mit Blick auf § 90 AuslG keine
Verweisung auf die Vorschrift über die Einbürgerungsgebühr der StAGebV enthielt. Da
das AG-StlMindÜbk schon zu dieser Zeit keine eigene Kostenregelung enthielt, steht die
subjektive Vorstellung des damaligen Gesetzgebers von einer „inhaltliche Anlehnung“
an § 91 Satz 2 AuslG jedoch bereits nicht der Annahme entgegen, dass der für das
Verfahren geltende Verweis in Art. 2 Satz 2 AG-StlMindÜbk auf „die Vorschriften des
Staatsangehörigkeitsrechts“ auch die Kostenregelung in § 2 StAGebV einbezog. Denn
der Begriff des Verwaltungsverfahrens umfasst grundsätzlich auch das
Verwaltungsgebührenrecht (vgl. dazu Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 9.
Juli 1969 - 2 BvL 25.64, 2 BvL 26.64 -, Juris Rn. 75 zur Gesetzgebungskompetenz). Eine
entsprechende Auslegung des Art. 2 Satz 2 AG-StlMindÜbk macht auf Grund der
Aufhebung des § 2 StAGebV erst recht Sinn, da der Anwendungsbereich des § 38 Abs. 2
Satz 1 StAG dem reinen Wortlaut nach weniger deutlich gefasst ist als der des § 2
StAGebV. Im Übrigen entspricht sie den Vorstellungen des Gesetzgebers, § 38 Abs. 2
StAG umfasse auf Grund der durch Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung
asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.
Juni 1993 (BGBl. I, S. 1062, 1073) erfahrenen Änderungen den Anwendungsbereich des §
2 StAGebV (vgl. BTDrucks. 14/6096, S. 20).
Für die Auslegung des § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG kommt ferner dem von den Klägern
angeführten Umstand, dass in § 21 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Rechtsstellung
heimatloser Ausländer im Bundesgebiet eine Regelung der Kosten für die Einbürgerung
heimatloser Ausländer existiert, kein maßgebliches Gewicht zu. Das Verwaltungsgericht
hat zutreffend darauf hingewiesen, dass § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG die im Verfahren des
Staatsangehörigkeitsgesetzes erfolgenden Einbürgerungen erfasst, sofern nicht
speziellere gesetzliche Gebührentatbestände die Bestimmung verdrängen.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn in dem angestrebten
Berufungsverfahren die Klärung einer bisher ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den
zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechts- oder
Tatsachenfrage zu erwarten ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 7.
November 2000 - BVerwG 8 B 137.00 -, Juris Rn. 2 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das
Darlegungserfordernis setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten noch
ungeklärten für die Berufungsentscheidung erheblichen Rechtsfrage voraus und die
Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen
soll (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B
47.06 -, Juris Rn. 3 zu § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Kläger haben in dem Antrag auf Zulassung der Berufung schon keine
entscheidungserhebliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung bezeichnet. Dies war
auch nicht etwa mit Blick auf ihr gesamtes Zulassungsvorbringen, insbesondere zur
Begründung ernstlicher Zweifel gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, entbehrlich. Da sie sich
nicht mit allen selbständig tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung
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nicht mit allen selbständig tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung
auseinandergesetzt haben (s. o.), lässt sich auf eine bestimmte
entscheidungserhebliche Frage nicht schließen.
Im Übrigen dürfte die Sache auch keine klärungsbedürftigen Probleme enthalten. Soweit
die Kläger zur Begründung der Zulassung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezweifeln,
dass § 38 Abs. 2 Satz 1 StAG auch Rechtsgrundlage für die Erhebung von
Einbürgerungsgebühren im Fall der Einbürgerung gem. Art. 2 AG-StlMindÜbk sei, drängt
sich vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung zu dieser Regelung (vgl. BTDrucks.
14/6096, S. 20) die dazu vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung auf. Die Kläger
haben ferner nicht dargelegt, dass sich die Frage nach der Rechtsgrundlage der
Einbürgerungsgebühr im Fall der Einbürgerung gem. Art. 2 AG-StlMindÜbk über den
Einzelfall hinaus stellt. Der von ihnen geltend gemachte Umstand, es hätten eine
größere Anzahl von staatenlosen Familien Aufenthaltstitel erhalten, bei denen die
Einbürgerung der hier geborenen Kinder möglich sei, so dass es zunehmend mehr
Einbürgerungsverfahren nach Art. 2 AG-StlMindÜbk geben werde, ist zum einen wenig
substantiiert und enthält zum anderen lediglich die Prognose der Kläger über die
mögliche zukünftige Relevanz der Frage. Auch der pauschale Hinweis, ihr
Verfahrensbevollmächtigter habe „in mehreren anderen Verfahren gegen die
entsprechenden Kostenentscheidungen bereits Widerspruch erhoben,“ lässt nicht
erkennen, dass das Thema gegenwärtig über wenige Anwendungsfälle hinaus Bedeutung
hat. Vorsorglich sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch die
Ergebnisse der den Klägern bekannten Umfrage der Senatsverwaltung für Inneres und
Sport dafür sprechen, dass das Problem nur wenige Fälle betrifft. So sind danach in
Baden-Württemberg Einbürgerungen gem. Art. 2 AG-StlMindÜbk 2 „in der Praxis eher
selten“; in Thüringen ist eine Einbürgerung „auf dieser Rechtsgrundlage … bislang nicht
erfolgt“, ebenso in Sachsen nicht. In Rheinland-Pfalz war den dort kontaktierten
Einbürgerungsbehörden „eine solche Einbürgerung nicht erinnerlich“. In Sachsen-Anhalt
sind „in den letzten Jahren auch keine Einbürgerungen auf dieser Rechtsgrundlage
erfolgt ...“.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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