Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 09.03.2007
OVG Berlin-Brandenburg: freizügigkeit der arbeitnehmer, entziehen, spanien, reisepass, sicherheitsleistung, wohnung, ausstellung, steuerpflicht, aufenthalt, vollziehung
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 5 S 56.07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 9. März 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 500 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, eine einstweilige Anordnung zu
erlassen, durch die die Antragsgegnerin verpflichtet worden wäre, dem Antragsteller
einen Reisepass auszustellen. Denn nach der im vorläufigen Rechtsschutz nur möglichen
summarischen Prüfung hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Ausstellung eines
Reisepasses, da der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG vorliegt, nämlich
Anhaltspunkte dafür, dass er sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen will.
Deshalb kommt die Ausstellung eines Reisepasses - sei es auch nur für eine der von ihm
in seinen Anträgen und Hilfsanträgen genannte kürzere Gültigkeitsdauer oder einen
beschränkten Geltungsbereich, welches ebenfalls eine Vorwegnahme der Hauptsache
darstellen würde - nicht in Betracht.
1. Mit der Beschwerde hat der Antragsteller sinngemäß vorgetragen:
(a) Als deutscher Staatsangehöriger habe er einen Anspruch auf Ausstellung des
begehrten Reisepasses. Steuerliche Verpflichtungen ständen schon deshalb nicht
entgegen, weil es sich dabei im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG um bestandskräftige
oder rechtskräftig festgestellte, zumindest unbestrittene Steuerforderungen handeln
müsse. Die hier betroffene Einkommensteuer für 1997, die erst 2003 festgesetzt worden
sei, sei jedoch vor dem Finanzgericht Köln angefochten, die Klage sei ordnungsgemäß
begründet und erhebliche Einwendungen seien vorgebracht worden. Davon abgesehen
würde die Passversagung die eigene persönliche Teilnahme, mithin effektive Mitwirkung
des Antragstellers am finanzgerichtlichen Verfahren behindern und die Durchsetzung
eines vermeintlichen Steueranspruchs über die Ausreisefreiheit stellen, die aus der
allgemeinen Handlungsfreiheit nach Artikel 2 GG folge. § 7 PassG sehe die
Passversagung nicht schon im Falle einer Besorgnis oder eines Verdachts vor. Die
höchstrichterliche Rechtsprechung habe bisher nicht geklärt, welcher Art die
Verpflichtung eines Passbewerbers sein müsse (Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht,
Beschluss vom 16. Oktober 1989, NVwZ 1990, 369).
(b) Ein Steuerfluchtwille könne dem Antragsteller nicht unterstellt werden, weil die
Absicht, eine Steuerzahlung zu vermeiden, zwingend eine Kenntnis der Steuerschuld
voraussetze. Er habe jedoch seinen ständigen Aufenthalt und Wohnsitz bereits vor Erlass
des streitigen Steuerbescheides und auch vor dem Veranlagungszeitraum in Spanien
gehabt (Hinweis auf die eidesstattliche Versicherung der Frau M. vom 24. März 2007,
wonach er ununterbrochen seit 1992 seine Wohnung auf Teneriffa habe und sich dort
seit 1993 überwiegend aufhalte, Bl. 87 GA). Er habe seine Wohnung in Deutschland nicht
ohne Abmeldung verlassen, vielmehr habe er sich - wie die Meldeauskunft vom 19. Juni
2007 zeige - am 22. April bzw. 15. Juli 1997 abgemeldet. Am 22. April 1997 habe er sich
in S./Teneriffa angemeldet (spanischer Identitätsausweis, Bl. 17 VV). Der Zeitpunkt der
Wohnsitzverlegung mache es unwahrscheinlich, dass er sich damit den erst in den
Jahren 2002 und 2003 festgesetzten Steuern habe entziehen wollen. Über die Höhe der
Steuerforderung werde ernsthaft vor dem Finanzgericht Köln gestritten, sodass die Höhe
kein Indiz für einen Steuerfluchtwillen sei. Eine Aussetzung der Vollziehung des
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kein Indiz für einen Steuerfluchtwillen sei. Eine Aussetzung der Vollziehung des
Steuerbescheides gegen Sicherheitsleistung habe er nicht beantragt, da er die
Sicherheitsleistung nicht aufbringen könne. Ausweislich seines freiwillig ausgefüllten
Vermögensverzeichnisses (Bl. 88 - 91 GA) verfüge er nur über Mittel zur Bestreitung
seines normalen Lebensunterhalts. Sein Miteigentumsanteil an einem Grundstück in L.,
das sich im Versteigerungsverfahren befinde, sei der Finanzverwaltung bekannt. Er wolle
an der mündlichen Verhandlung des Finanzgerichts teilnehmen, wolle dann aber
baldmöglichst nach Spanien zurückkehren, da er in Deutschland keine Wohnung habe.
(c) Die Versagung des Reisepasses verstoße auch gegen supranationales Recht. Die
Antragsgegnerin sei verpflichtet, einen Reisepass zu erteilen, mit dem sich der
Antragsteller frei im Rahmen des Gebiets der Europäischen Union bewegen könne. Die
vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.
November 1999 sei wegen des Bezuges zum Wehrpflichtgesetz nur bedingt übertragbar.
Sie gebe allenfalls Veranlassung für eine rechtliche Beurteilung nach Artikel 2 Abs. 2 des
Protokolls Nr. 4 zur EMRK, wonach nur notwendige Interessen der nationalen Sicherheit
Beschränkungen der Freizügigkeit zuließen. Das zuletzt genannte Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts beziehe sich daher ausschließlich auf einen
verteidigungspolitischen Sachverhalt, der nach dem Willen der Vertragsstaaten
ausdrücklich nicht der supranationalen Zuständigkeit habe unterworfen werden sollen
(Hinweis auf BVerwGE 110, 40, 55). Entscheidend sei die verbindliche Auslegung von
Artikel 18 EG-Vertrag durch den EuGH in seinen Entscheidungen vom 5. September
2002 (EuGRZ 29, 552) und vom 17. September 2002 (EuGRZ 2002, 596). Das
Aufenthaltsrecht der Unionsbürger folge aus ihrer Staatsangehörigkeit und sei nur den
im EG-Vertrag und seinen Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen
unterworfen. Da das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht für die Unionsbürger
Verfassungsrang besitze, seien dabei strengere Maßstäbe anzulegen als auf der
einfachgesetzlichen Ebene des Passgesetzes. An der Verhältnismäßigkeit der
Passversagung fehle es, da sie ungeeignet sei, eine eventuelle Forderung auf
Steuerzahlung durchzusetzen. Außer den Bezügen für seinen normalen Lebensunterhalt
habe der Antragsteller weder Einkünfte noch Vermögen, sodass er auch bei einem
erzwungenen Inlandsaufenthalt nicht in der Lage sei, einen Betrag von 227 546 € ganz
oder in Teilen zurückzuführen oder zu hinterlegen. Das Verwaltungsgericht habe auch
übersehen, dass der Antragsteller sogar ohne Reisepass aus Deutschland ausreisen und
nach Spanien einreisen könne, weil er nach dem Schengener Abkommen einen
Reisepass nicht benötige. Er könne lediglich auf Grund der seit 2001 verschärften
Sicherheitsbestimmungen an dem wesentlich kostengünstigeren Charter-Flugverkehr
zwischen Köln und T. nicht teilnehmen. Könne er aber auch ohne Reisepass Deutschland
legal wieder verlassen, so sei die Passversagung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht
geeignet.
(d) Die Antragsgegnerin dürfe es dem Antragsteller nicht erschweren, den
Steuerbescheid im finanzgerichtlichen Verfahren überprüfen und aufheben zu lassen.
Zum effektiven finanzgerichtlichen Verfahren gehöre auch die persönliche Teilnahme
des Antragstellers und seine Möglichkeit, die Unterlagen zu sichten und mit den
Verfahrensbevollmächtigten in Deutschland zu erörtern. Streitig seien komplexe
wirtschaftliche und steuerrechtliche Sachverhalte aus dem Gesellschaftssteuerrecht
nach § 17 EStG und Einkünfte nach § 18 EStG. Die Vorbereitung könne auf dem
Schriftwege oder telefonisch nur begrenzt durchgeführt werden. Deshalb sei es
erforderlich, dass der Antragsteller für mindestens drei Tage nach Deutschland komme
und anschließend wieder zurückkehren könne, da er in Deutschland keine
Lebensgrundlage besitze. Das Hauptsacheverfahren zur Passversagung könne er nicht
abwarten, weshalb ihm für die beantragte einstweilige Anordnung ein Anordnungsgrund
zur Seite stehe. Er habe vom Finanzgericht Köln eine erneute Ladung für den 17.
September 2007 erhalten und wolle dieser Ladung folgen.
(e) Die Passversagung sei vor allem ungeeignet, einen eventuellen Steueranspruch
durchzusetzen, da der Antragsteller, wie sein Vermögensverzeichnis zeige, mittellos sei.
Daher könne sein Aufenthalt im Inland nicht zur Erfüllung von Zahlungspflichten führen.
Das wisse auch die Finanzverwaltung, da er das Vermögensverzeichnis auch ihr
eingereicht habe. Gleichwohl versuche sie, die Steuerforderung in T. vollstrecken zu
lassen (Hinweis auf das Schreiben der Steueragentur T., Abt. Steuererhebung vom 26.
Mai 2006, Bl. 102 - 107 GA). Schließlich verstoße die Passversagung gegen
höherrangiges Recht, weil für eine ungeeignete Vollstreckungsmaßnahme das EU-
Bürgerrecht der Freizügigkeit nicht eingeschränkt werden dürfe. Überdies könne es nicht
strafbar sein, wenn ein EU-Bürger die Grenze zwischen Mitgliedstaaten des Schengener
Abkommens ohne Reisepass überschreite, denn die betroffenen Mitgliedstaaten
Frankreich und Spanien hätten auf einen Pass als Ausweisdokument verzichtet.
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2. Dieses gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfende Vorbringen führt nicht zu
einer anderen Entscheidung des vorläufigen Rechtsschutzes.
(a) Als deutscher Staatsangehöriger hat der Antragsteller nur dann einen Anspruch auf
Ausstellung eines Reisepasses, wenn ein Passversagungsgrund nicht vorliegt. Entgegen
seiner Auffassung setzt das in § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG genannte Merkmal der
„steuerlichen Verpflichtungen“ nicht deren Bestandskraft oder rechtskräftige
Feststellung voraus, weil der Wortlaut der Vorschrift einen solchen Zusatz nicht enthält
und es mit ihrem Zweck nicht vereinbar wäre, die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit der
Einlegung von Rechtsbehelfen der Durchsetzung der Steuerpflicht längerfristig zu
entziehen. Eine steuerliche Verpflichtung im Sinne der Vorschrift besteht deshalb schon
dann, wenn ein vollziehbarer, nicht offensichtlich rechtswidriger Steuerbescheid
ergangen ist (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 28. November 1988, NJW 1990, 660
[661]; VGH München, Urteil vom 26. Juli 1995, BayVBl. 1996, 50 [51]; OVG Münster,
Beschluss vom 2. Januar 1996, DVBl. 1996, 576; OVG Berlin, Beschluss vom 5. Juni 2002
- OVG 5 S 13.02 -). Ein gegenteiliges rechtliches Ergebnis kann der Antragsteller nicht
allein daraus ableiten, dass eine entsprechende höchstrichterliche Klärung noch nicht
vorliegt. Gegen diese Auslegung lässt sich auch nicht einwenden, ein wie der
Antragsteller im Ausland lebender Steuerbürger sei dadurch an der effektiven Mitwirkung
am finanzgerichtlichen Verfahren gehindert. Auch wenn gemäß § 7 Abs. 1 PassG ein
Pass für die Ein- und Ausreise versagt werden muss, steht ihm nach § 7 Abs. 4 PassG
jedenfalls ein Pass für die Einreise nach Deutschland zu. Wie er sodann neben der
Mitwirkung am Prozess seinen Aufenthalt in Deutschland gestaltet, obliegt seiner
eigenen Vorsorge, auch und gerade, wenn er in Deutschland keine Wohnung mehr
haben sollte.
(b) Den vom Antragsgegner angenommenen Steuerfluchtwillen kann der Antragsteller
nicht mit der Angabe in Abrede stellen, er halte sich schon seit 1993 überwiegend in T.
auf. Wie die von ihm selbst eingereichte Auskunft vom 19. Juni 2007 aus dem
Melderegister (Bl. 100 - 101 GA) zeigt, war er vom 8. Dezember 1993 bis 22. April 1997
sowie vom 25. Juli 2001 bis 15. Juni 2006 in B., gemeldet und konnte zumindest während
dieser Zeit im Inland steuerpflichtige Tatbestände erfüllen, sich aber auch durch den
Aufenthalt in Spanien dem Zugriff der Steuerbehörde entziehen. Ob die
Entziehungsabsicht bereits bei Erzielung des steuerpflichtigen Einkommens bestand
oder erst später hinzutrat, ist rechtlich unerheblich, da jedenfalls zur Zeit der Ablehnung
des Passantrags bestimmte Tatsachen die Annahme begründeten, er wolle sich durch
weiteren Verbleib im Ausland dem Zugriff der Steuerbehörde entziehen. Dafür sprechen
die erhebliche Höhe der vollziehbaren Steuerforderung - hier rund 228 000 € -, die nach
der Rechtsprechung des Senats ein maßgebliches Indiz darstellt (vgl. OVG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2006 - OVG 5 S 51.05 - S. 3, 6; ferner OVG
Berlin, Beschlüsse vom 11. August 2003 - OVG 5 S 25.03 - und vom 20. Februar 2004 -
OVG 5 S 35.03 -), die Nichtzahlung von Teilbeträgen der Steuerschuld und die
Verdunkelung der Vermögensverhältnisse, insbesondere der unklare Verbleib der
erzielten erheblichen Gewinne. Die Zahlung von Teilbeträgen war insbesondere dann zu
erwarten, wenn die Steuerforderung nicht dem Grunde nach, sondern - wie der
Antragsteller andeutet - nur der Höhe nach im Streit war und ist.
Keine für sich günstigen Schlüsse kann der Antragsteller daraus ziehen, dass er die
Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung nicht beantragt habe. Denn das
Finanzgericht soll gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO die
Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Eine Sicherheitsleistung des
Steuerpflichtigen ist dafür nicht ohne weiteres vorausgesetzt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m.
Abs. 2 Satz 3 FGO). Sah der Antragsteller von einem Aussetzungsantrag ab oder blieb
dieser ohne Erfolg, so spricht dies nicht nur für die Rechtmäßigkeit der Steuerforderung,
sondern auch für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass die Klage vor dem Finanzgericht
abgewiesen wird. Dies ergibt ein nicht nur kurzfristiges Motiv für den Antragsteller, sich
der Durchsetzung der Steuerforderung zu entziehen.
Sein Steuerfluchtwille wird schließlich durch die Angaben bestätigt, die er in seinem
Vermögensverzeichnis gemacht hat: In der Verneinung vorhandener Vermögenswerte
geht der Antragsteller so weit, sogar das Fehlen eigener Möbel und jeglicher Spar-, Giro-
und Geschäftskonten zu behaupten (Abschnitte A Ziffer 3 a und B Ziffer 14). Das ist
wenig wahrscheinlich, vor allem auch mit Blick auf die von ihm erzielten Gewinne, die
eine Steuerschuld von rund 228 000 € ergaben und über deren Verbleib er nichts hat
verlauten lassen.
(c) Entgegen der Ansicht des Antragstellers verstößt die Passversagung nicht gegen
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(c) Entgegen der Ansicht des Antragstellers verstößt die Passversagung nicht gegen
supranationales Recht. Nach Artikel 18 Abs. 1 EG-Vertrag hat jeder Unionsbürger das
Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im EG-Vertrag und in
den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen frei zu bewegen und
aufzuhalten. Beschränkungen sieht der EG-Vertrag zu Gunsten der öffentlichen
Ordnung, Sicherheit und Gesundheit vor. Sie finden sich in Artikel 39 Abs. 3 und 46 Abs.
1 EG-Vertrag (Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Niederlassungsfreiheit) sowie in den
Bestimmungen des sekundären Gemeinschaftsrechts, die das Freizügigkeitsrecht
konkretisieren (siehe Auflistung in BVerwG, Urteil vom 10. November 1999 - 6 C 30.98 -,
E 110, 40 [58]). Als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips gilt dieser Vorbehalt
auch für Artikel 18 Abs. 1 EG-Vertrag, wobei die Regelungen, die das Freizügigkeitsrecht
beschränken, auch dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten angehören können (EuGH,
Urteil vom 17. September 2002, EuGRZ 2002, 596 [602 f., RdNr. 84 - 87, 90 - 91; die
vom Antragsteller fälschlich genannte Fundstelle „EuGRZ 29, 552“ = EuGRZ 2002, 552
betrifft nicht eine Entscheidung des EuGH). Zu den Vorschriften zum Schutze der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit gehört auch die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 4
PassG, weil sie der Durchsetzung der Steuerpflicht dient. Ohne Einhaltung der
Steuerpflicht könnte die Rechts- und Staatsordnung nicht aufrechterhalten und könnten
staatliche Aufgaben nicht effizient erfüllt werden. Dies rechtfertigt es, eine Person durch
pass- und ausweisrechtliche Maßnahmen daran zu hindern, sich der Steuerpflicht zu
entziehen (OVG Münster, Beschluss vom 2. Januar 1996, DVBl. 1996, 576 [577]; OVG
Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2004 - OVG 5 S 35.03 - S. 5 BA; OVG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 9. Februar 2006 - OVG 5 S 51.05 - S. 4 BA). Für die
effektive Durchsetzung der Maßnahmen erscheint deshalb auch eine strafrechtliche
Sanktionierung, wie sie in § 24 Abs. 1 Nr. 1 PassG im Falle einer Ausreise trotz
Passversagung vorgesehen ist, erforderlich und angemessen.
(d) Die Passversagung ist weder gemeinschaftsrechtlich noch im Sinne des § 7 Abs. 2
Satz 1 PassG unverhältnismäßig. Sie ist geeignet, erforderlich und angemessen. Die
Passversagung ist geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg, den
Passbewerber zur Rückkehr in die Bundesrepublik und zur Bezahlung der Steuer- und
Abgabenrückstände zu veranlassen, gefördert werden kann (BVerwG, Beschluss vom 16.
Oktober 1989 - 1 A 110.89 -, NVwZ 1990, 369 [370]). Durch die mit der Passversagung
bezweckte Rückkehr des Antragstellers nach Deutschland ist er dem Zugriff der
deutschen Steuerverwaltung ausgesetzt. Den Steuerbehörden wird die Möglichkeit
eröffnet, den Antragsteller mit zwangsvollstreckungsrechtlichen Mitteln zu veranlassen,
seine Vermögens- und Einkommenslage rückhaltlos offen zu legen und Zahlung auf die
vollziehbaren Steuerforderungen zu leisten. Die Passversagung ist auch erforderlich. Die
in § 7 Abs. 2 Satz 1 PassG vorgesehene Beschränkung der Geltungsdauer und des
Geltungsbereichs des Passes als mildere Maßnahme ist nicht gleichermaßen geeignet,
da allein die Rückkehr des Antragstellers nach Deutschland den
vollstreckungsrechtlichen Zugriff uneingeschränkt ermöglicht. Die Passversagung ist
auch angemessen. Die für den Antragsteller damit verbundenen Belastungen -
zumindest einstweilige Beendigung seines Aufenthalts in Spanien - stehen nicht außer
Verhältnis zum angestrebten Ziel, den staatlichen Steueranspruch durchzusetzen.
Derartige Nachteile muss jeder im Ausland lebende Steuerflüchtige hinnehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47
Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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