Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017
OVG Berlin-Brandenburg: analogie, abberufung, link, quelle, sammlung, ausschluss, ausnahmecharakter, gemeinde, lückenfüllung, unterlassen
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 12 S 124.07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 81 Abs 2 Nr 2 KomWG BB, §
70 Abs 3 S 4 GemO BB, § 51
Abs 3 S 4 LKreisO BB, § 9 Abs 1
S 6 AmtsO BB, Art 20 Abs 1 GG
Antrag auf Einleitung eines Bürgerentscheids zur Abberufung
einer Bürgermeisterin
Leitsatz
Das Brandenburgische Kommunalrecht untersagt der Gemeindevertretung nicht, vor der
Beschlussfassung über die Einleitung eines Bürgerentscheides nach § 81 Abs. 2 Nr. 2
BbgKWahlG eine Aussprache durchzuführen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Potsdam vom 17. August 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in der
angefochtenen Entscheidung darauf abgestellt, dass die Antragstellerin einen Anspruch
auf die von ihr begehrten Anordnungen nicht glaubhaft gemacht habe. Das
Beschwerdevorbringen, das der Senat im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4
Satz 6 VwGO seiner Prüfung allein zugrunde zu legen hat, rechtfertigt keine andere
rechtliche Einschätzung. Das Brandenburgische Kommunalrecht sieht in § 70 Abs. 3
Satz 4 GO für die Abwahl des Beigeordneten einer Gemeinde, in § 51 Abs. 3 Satz 4 LKrO
für die Abwahl eines Landrats und in § 9 Abs. 1 Satz 6 AO für die Abwahl eines
Amtsdirektors jeweils ausdrücklich vor, dass über einen Antrag auf Abberufung ohne
Aussprache abgestimmt wird. § 81 Abs. 2 Nr. 2 BbgKWahlG enthält für die
Beschlussfassung der Gemeindevertretung zur Einleitung eines Bürgerentscheides mit
dem Ziel der Abberufung eines Bürgermeisters keine entsprechende Regelung, verbietet
folglich eine Aussprache nicht. Nach dem Wortlaut der zitierten Vorschrift kann die
Antragstellerin somit nicht verlangen, dass über den Antrag auf Einleitung eines
Bürgerentscheides ohne vorherige Aussprache abgestimmt wird.
Soweit die Antragstellerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat
und nunmehr mit der Beschwerde vertiefend vorträgt, dieses Regelungssystem des
Kommunalwahlgesetzes sei durch Lückenfüllung im Wege der Analogie oder der
Anwendung des argumentum a maiore ad minus um eine Anwendung der zuvor
wiedergegebenen Vorschriften bei der Abwahl von Landräten, Beigeordneten,
Amtsdirektoren zu ergänzen, kann dem nicht gefolgt werden. Die Anwendung einer
Analogie setzt die Feststellung einer Lücke im Regelungszusammenhang des Gesetzes
voraus. Davon kann nur gesprochen werden, wenn das Gesetz, gemessen an seiner
eigenen Regelungsabsicht und der von ihm verfolgten Zwecke, eine Unvollständigkeit
aufweist. Nur in einem solchen Fall der planwidrigen Unvollständigkeit kommt eine
Analogie in Betracht.
Es ergibt sich bereits aus dem in Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerten
Demokratieprinzip, dass der Gemeindevertretung als einem in allgemeiner,
unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gebildeten repräsentativen
Vertretungsorgan das Recht zukommt, bei der Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten vor
den in § 47 GO geregelten Abstimmungen eine Aussprache durchzuführen. Dies ist die
Grundregel, von der § 70 Abs. 3 Satz 4 GO/§ 51 Abs. 3 Satz 4 LKrO und § 9 Abs. 1 Satz 6
AO für den Fall der Abberufung eines Beigeordneten/Landrats/Amtsdirektors eine
ausdrückliche Ausnahme anordnen. Bereits dieser Ausnahmecharakter der Vorschriften,
die eine Aussprache ausschließen, steht der Annahme entgegen, hier habe der
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die eine Aussprache ausschließen, steht der Annahme entgegen, hier habe der
Brandenburgische Landesgesetzgeber für die Entscheidung der Gemeindevertretung
nach § 81 Abs. 2 Nr. 2 BbgKWahlG ungewollt eine Lücke hinterlassen. Im Übrigen fehlt
es, entgegen dem Beschwerdevortrag und den darin aufgestellten Rechtsbehauptungen,
an allen Anhaltspunkten dafür, dass der Gesetzgeber ungewollt, also entgegen seinen
eigentlichen Absichten, unterlassen habe, § 81 Abs. 2 Nr. 2 BbgKWahlG um eine
Bestimmung betreffend den Ausschluss einer Aussprache zu ergänzen. Vielmehr muss
der Zusammenhang der Vorschriften dahin verstanden werden, dass der Gesetzgeber
einen Ausspracheausschluss ausnahmsweise, also entgegen dem grundsätzlich
bestehenden Recht auf Aussprache, nur vorsehen wollte, wenn es direkt und unmittelbar
um die Bildung einer Abberufungsentscheidung geht. Eine durch Rechtsfortbildung
ausfüllungsfähige Lücke ist damit nicht gegeben.
Ebenso wenig kommt in Betracht, das Ausspracheverbot im Wege des mit der Analogie
verwandten argumentum a maiore ad minus in den Regelungszusammenhang des § 81
Abs. 2 Nr. 2 BbgKWahlG einzufügen. Wenn es einerseits (bei den Tatbeständen, die eine
Aussprache verbieten) unmittelbar um Entscheidungen über Anträge auf Abberufungen,
andererseits jedoch im Vorfeld darum geht, ein Abberufungsverfahren gemäß § 81 Abs.
1 BbgKWahlG überhaupt erst einzuleiten, so kann nicht gesagt werden, dass die für die
erst recht
Abs. 2 Nr. 2 BbgKWahlG angewendet werden müsse. Das Gegenteil ist der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht §
47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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