Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 20.07.2006
OVG Berlin-Brandenburg: verkehr, entziehung, einspruch, vollziehung, sammlung, inhaber, quelle, link, unfall, ausnahme
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 5 S 22.07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 46 Abs 1 FeV, § 3 Abs 1 S 1
StVG
Entziehung der Fahrerlaubnis bei bußgeldpflichtigen
Verkehrsverstößen
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 20. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die
Beschwerdebegründung u.a. die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung
abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung
auseinander setzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe (vgl.
Satz 6 der Vorschrift). Auf der danach allein maßgeblichen Grundlage der
Beschwerdebegründung besteht für eine Änderung des angefochtenen Beschlusses kein
Anlass.
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die unter dem 14. Juni 2006 verfügte, auf §
3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis und
die zugleich getroffenen Nebenentscheidungen (Abgabe des Führerscheins und
Zwangsgeldandrohung) bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig seien, weil
der Antragsteller erheblich bzw. wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften
verstoßen habe. Der Antragsgegner habe die Ungeeignetheit des Antragstellers zum
Führen von Kraftfahrzeugen zutreffend aus den für ihn im Verkehrszentralregister
eingetragenen Verkehrsverstößen - dreimalige Überschreitungen der Geschwindigkeit
um 24, 34 bzw. 54 km/h - sowie daraus hergeleitet, dass im Zeitraum von Ende 2003 bis
Januar 2006 insgesamt 138 bußgeldpflichtige Verkehrsverstöße registriert seien. Danach
handele es sich für den Zeitraum von April 2004 bis Dezember 2005 unter anderem um
42 Parkverstöße, neben drei bereits genannten weitere sechs
Geschwindigkeitsüberschreitungen - mit solchen von 6 bis 21 km/h, in einem Fall um 21
km/h in einer Tempo 30-Zone -, ein Verstoß gegen die Gurtpflicht, ein Rotlichtverstoß,
ein Verstoß gegen Meldepflichten sowie gegen das Verbot der Benutzung von
Mobiltelefonen. Die hiergegen sowie gegen die weiteren Ausführungen des
Verwaltungsgerichts vorgebrachten Einwände des Antragstellers greifen nicht durch.
Soweit der Antragsteller geltend macht, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der
Fahrerlaubnisentziehung sei nicht ausreichend begründet, trifft dies nicht zu; der
Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner Verfügung
sinngemäß damit begründet, dass der Antragsteller sich infolge des von ihm an den Tag
gelegten Verhaltens als weit überhöhtes Sicherheitsrisiko für die anderen
Verkehrsteilnehmer erwiesen habe, so dass die Unanfechtbarkeit des Bescheides nicht
abgewartet werden könne (vgl. S. 3 des Bescheids vom 14. Juni 2006, im Einzelnen
beginnend ab Absatz 2). Diese Ausführungen, die deutlich machen, dass sich der
Antragsgegner des Regel-Ausnahmeverhältnisses von § 80 Abs. 1 Satz 1 zu Abs. 2 Satz
1 Nr. 4 VwGO bewusst war, genügen den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Soweit
der Antragsteller sodann in der Sache zunächst - pauschal - geltend macht, die
„angeblichen weiteren Verstöße von Geschwindigkeitsüberschreitungen, Rotlichtverstoß,
Verstoß gegen die Meldepflichten und Gurtpflicht sowie ein angeblicher Verstoß gegen
die Benutzung von Mobiltelefonen“ seien nicht „rechtskräftig“, weil gegen „die
entsprechenden Bußgeldbescheide“ Einspruch eingelegt worden sei und die Verfahren
„noch nicht abgeschlossen“ seien, ist dies unsubstantiiert. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3
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„noch nicht abgeschlossen“ seien, ist dies unsubstantiiert. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO muss sich die Beschwerdebegründung u.a. mit der angefochtenen Entscheidung
auseinander setzen. Dies erfordert es hier, Angaben darüber zu machen, wann gegen
welche Bescheide Einspruch eingelegt und in welchem Stadium sich die jeweiligen
Verfahren im Einzelnen befinden sollen; daran fehlt es bei dem vorstehend
wiedergegebenen Vorbringen. Soweit der Antragsteller im Weiteren geltend macht, dass
sich für ihn (lediglich) „im Schnitt … sechs Parkverstöße im Monat“ ergäben und diese
Zahl auch nach der - von ihm nicht näher bezeichneten - Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts nicht ausreiche, ausnahmsweise die Entziehung der
Fahrerlaubnis zu rechtfertigen, greift das nicht durch. Zwar ist in der Rechtsprechung
geklärt, dass die durch die Nichterfassung im Verkehrszentralregister dem
Bagatellbereich zuzurechnenden Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich bei der
Prüfung der Fahreignung außer Betracht zu bleiben haben (vgl. nur BVerwG, Urteil vom
18. Mai 1973 - VII C 12.71 -, BVerwGE 42, 206, 207); ebenso ist jedoch geklärt, dass es
von diesem Grundsatz Ausnahmen gibt. Eine solche Ausnahme hat das
Bundesverwaltungsgericht angenommen, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis die
Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt, und ausgeführt, dass ein
Kraftfahrer, der offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im
Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind,
einzuhalten, und der solche Vorschriften hartnäckig missachtet, wenn dies seinen
persönlichen Interessen entspricht, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist
(BVerwG, Beschluss vom 15. November 1976 - VII B 121.76 -, DÖV 1977, 602, 603; s.
ferner OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. Dezember 1999 - 12 M 4307/99 u. 4601/99 -,
NJW 2000, 685; OVG Berlin, Beschluss vom 28. April 2005 - 1 S 8.04 -, S. 4 des
Beschlussabdrucks; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 25. Oktober 2005 - 1 S
96.05 -, S. 6 des Beschlussabdrucks, und vom 21. September 2006 - 1 S 47.06 -, S. 4
des Beschlussabdrucks; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Januar 2006 - 16
B 2137/05 -, juris). So liegt es im Falle des Antragstellers. 138 bußgeldpflichtige
Verkehrsverstöße innerhalb von gerade gut zwei Jahren (oder, wie der Antragsteller
rechnet, sechs Ordnungswidrigkeiten „im Schnitt“ pro Monat), darunter die vorstehend
von dem Verwaltungsgericht aufgeführten, machen deutlich, dass der Antragsteller die
Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt und offensichtlich auch
bloße Ordnungsvorschriften hartnäckig missachtet; nach der Rechtsprechung kann
bereits eine deutlich geringere als die bei dem Antragsteller zu verzeichnende Anzahl
von Verstößen gegen den ruhenden Verkehr geeignet sein, eine
Fahrerlaubnisentziehung zu tragen bzw. mitzutragen (s. etwa OVG Berlin, Beschluss vom
28. April 2005, a.a.O.: 60 Verstöße innerhalb von zehn Monaten; OVG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 21. September 2006, a.a.O.: etwa 35 Verstöße in gut vier
Jahren; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Januar 2006, a.a.O.: 27 Verstöße
innerhalb von zwei Jahren). Soweit der Antragsteller schließlich darauf abhebt, er habe
keine Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet bzw. bis heute keinen Unfall verursacht,
spielt dies keine Rolle. Denn die Hartnäckigkeit, mit der der Antragsteller gegen
Parkvorschriften verstößt, ist auch im Hinblick auf sein Verhalten im fließenden Verkehr
aussagekräftig (vgl. entspr. etwa OVG Münster, a.a.O); die von dem Antragsteller im
fließenden Verkehr begangenen Verfehlungen, vor allem die
Geschwindigkeitsüberschreitungen, unterstreichen dies noch.
Soweit der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 2. Februar 2007 ergänzend darauf
hingewiesen hat, dass der Antragsteller seit der Einleitung des Entziehungsverfahrens in
weiteren 46 Fällen durch Verstöße im ruhenden Straßenverkehr aufgefallen sei, kommt
es darauf für die hier zu treffende Entscheidung nicht an. Der Senat hat daher von einer
Übersendung der die Zeit von Februar 2006 bis Ende Januar 2007 betreffenden - und
damit bemerkenswerter Weise auch den Zeitraum nach der mit sofortiger Wirkung
verfügten Entziehung der Fahrerlaubnis erfassenden - Datensätze an den Antragsteller
zum Zwecke der Stellungnahme abgesehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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