Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 24.05.2006

OVG Berlin-Brandenburg: aufschiebende wirkung, satzung, bekanntgabe, beitragspflicht, gemeinde, grundbucheintragung, anwachsung, alleineigentum, sammlung, quelle

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 9 S 28.06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 147 VwGO, § 146 VwGO, § 8
KAG BB, § 80 Abs 5 VwGO
Die Straßenausbaubeitragspflicht einer Außen-GbR
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts
Potsdam vom 24. Mai 2006 geändert: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des
Antragstellers vom 31. Oktober 2002 gegen den „berichtigenden Beitragsbescheid über
den Straßenausbaubeitrag“ vom 2. Oktober 2002 wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.892,37 EUR festgesetzt.
Gründe
Die nach §§ 146 Abs. 1 und 4, 147 VwGO eingelegte Beschwerde ist begründet. Die von
dem Antragsteller vorgebrachten Beschwerdegründe stellen die Ergebnisrichtigkeit des
Beschlusses des Verwaltungsgerichts schlüssig in Frage.
Der Antragsteller hat dargelegt, dass der nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO gestellte
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung „des Widerspruchs ... vom
31.10.2002 gegen den berichtigenden Beitragsbescheid über den Straßenausbaubeitrag
vom 02.10.2002 ...“ nicht mangels Widerspruchserhebung unzulässig ist. Hierbei kann
dahinstehen, ob der „Berichtigungsbescheid“ vom 2. Oktober 2002 als
Widerspruchsbescheid zu qualifizieren ist oder ob ein Widerspruch gegen den
„Berichtigungsbescheid nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. hierzu: Sodan/Ziekow,
VwGO, 2. Aufl. 2006, § 68 RN 151, 158 ff) entbehrlich war. Denn jedenfalls sind die
Schreiben des Antragstellers vom 31. Oktober 2002 dahingehend auszulegen, dass sich
sein Widerspruch vom 5. September 2002 nach Aufhebung des ursprünglich
angefochtenen Straßenausbaubeitragsbescheides durch den „Berichtigungsbescheid“
nunmehr auf diesen erstreckt.
Bei der vom objektiven Empfängerhorizont vorzunehmenden Auslegung von
vorprozessualen Rechtsschutzbegehren tritt der Wortlaut hinter dem erkennbaren Sinn
und Zweck der Erklärung zurück (§§ 133, 157 BGB). Zudem ist nach anerkannter
Auslegungsregel zugunsten des Bürgers davon auszugehen, dass er denjenigen
Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und
eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen (BVerwG,
Urteil vom 12. Dezember 2001 – 8 C 17.01 -, DVBl. 2002, 1043).
Unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze bezieht sich die
„Widerspruchsbegründung“ in den Schreiben des Antragstellers vom 31. Oktober 2002
nicht nur auf die Widersprüche, die er unter dem 5. September 2002 gegen die für die
Herstellung der ersten und zweiten Grundstückszufahrt erlassenen
Erstattungsbescheide eingelegt hatte. Vielmehr ist den Schreiben objektiv erkennbar
das Rechtsschutzziel zu entnehmen, dass der Antragsteller sich darüber hinaus nach wie
vor gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag, nunmehr in der mit dem
„Berichtigungsbescheid“ geltend gemachten (im Vergleich mit dem ursprünglichen
Bescheid geringeren) Höhe wenden will. Zwar hatte der Antragsteller zunächst deutlich
zwischen den beiden sich auf die erste und zweite Grundstückszufahrt beziehenden
Erstattungsbescheiden und dem (ursprünglichen) Straßenausbaubeitragsbescheid
differenziert, indem er gegen diese drei Bescheide mit drei gesonderten Schreiben
Widerspruch erhob. Demgegenüber verfasste er unter dem 31. Oktober 2002 lediglich
zwei Schreiben, in deren Betreffzeile er (u.a.) auf die Aufforderung des Antragsgegners
zur Begründung der Widersprüche gegen die Erstattungsbescheide Bezug nahm. Jedoch
ist den mit der Bitte „um nochmalige Prüfung“ abschließenden Ausführungen des
Antragstellers in den Schreiben vom 31. Oktober 2002 erkennbar der Sinn und Zweck zu
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Antragstellers in den Schreiben vom 31. Oktober 2002 erkennbar der Sinn und Zweck zu
entnehmen, dass sich der Antragsteller – auch nach Erlass des
„Berichtigungsbescheides“ - weiterhin gegen die Erhebung eines
Straßenausbaubeitrages wenden will. Der Antragsteller führte als
„Widerspruchsbegründung“ an, dass er bereits einen Straßenausbaubeitrag für das
Grundstück gezahlt habe, und fügte den „Beitragsbescheid über den
Straßenausbaubeitrag“ des Antragsgegners vom 26. Juni 2000 bei. Mit diesem Bescheid
wurde der Antragsteller zu einem Straßenausbaubeitrag gemäß § 8 KAG herangezogen
– und nicht zu einer Erstattung von durch die Herstellung von Grundstückszufahren
entstandenen Mehrkosten gemäß § 16 BbgStrG. Zudem wird in Übereinstimmung mit
dem Begehren des Antragstellers, den nach wie vor angeforderten
Straßenausbaubeitrag „nochmals“ zu überprüfen, in den Betreffzeilen beider Schreiben
vom 31. Oktober 2002 auf den „Beitragsbescheid über den Straßenausbaubeitrag“
Bezug genommen und in einem der beiden Schreiben der „Berichtigungsbescheid“ vom
2. Oktober 2002 ausdrücklich aufgeführt. Hinter diesem erkennbar gegen die Erhebung
eines Straßenausbaubeitrags gerichteten und (bei Erforderlichkeit eines Widerspruchs
gegen den „Berichtigungsbescheid“ gebotenen) Rechtsschutzziel tritt der Wortlaut der
letzten Betreffzeile beider Schreiben, in denen auf die „(1. Zufahrt)“ und „(2. Zufahrt)“
Bezug genommen wird, zurück. Jedenfalls hätte der Antragsgegner nach der oben
dargelegten Auslegungsregel zugunsten des Antragstellers davon ausgehen müssen,
dass der Antragsteller seinen Widerspruch vom 5. September 2002 nach Aufhebung des
ursprünglichen Straßenausbaubeitragsbescheides auf den „Berichtigungsbescheid“
bezogen wissen will.
Nach den Darlegungen des Antragstellers bestehen ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des „Berichtigungsbescheides“ (§ 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. i.V.m. Abs. 4
Satz 3 VwGO). Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller zu Unrecht als
Gesamtschuldner in Anspruch genommen wurde. Hierbei kann offen bleiben, ob – wie
der Antragsteller meint – die in dem Bescheid ausgewiesene „Satzung über die
Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen“ der Gemeinde K. vom 22.
August 1994 (SABS 1994) maßgeblich ist oder ob auf die „Satzung über die Erhebung
von Straßenausbaubeiträgen in der Stadt W. für die Zeit vom 01.01.1992 bis zum in
Kraft treten der neuen Satzung am 24.09.2004“ vom 16. September 2004 (SABS 2004)
abzustellen ist - wie der Antragsgegner erstinstanzlich vorgetragen hat. Denn es ist
überwiegend wahrscheinlich, dass sowohl im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen
Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SABS 1994) als auch im Zeitpunkt der Bekanntgabe
des „Berichtigungsbescheides“ (§ 10 Abs. 1 SABS 2004) Eigentümer des Grundstücks
die aus dem Antragsteller sowie den Mitgesellschaftern H. und R. bestehende (Außen-
)GbR war und deshalb gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG die GbR (vorrangig) hätte in
Anspruch genommen werden müssen.
Nach dem von dem Antragsteller erstinstanzlich eingereichten Grundbuchauszug war
aufgrund des Zusatzes „in Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ die vorgenannte GbR bis
zum 4. Februar 2003 – und damit sowohl im Zeitpunkt der Abnahme am 21. Juli 1999 als
auch im Zeitpunkt der Bekanntgabe des „Berichtigungsbescheides“ im Oktober 2002 -
eingetragene Eigentümerin. Dies begründet nach der Rechtsprechung des Senats
(Beschlüsse vom: 27. März 2006 - OVG 9 S 76.05 – und 3. Mai 2006 – OVG 9 S 11.06 -)
ernstliche Richtigkeitszweifel an der originären Beitragspflicht eines Mitgesellschafters.
Denn angesichts der grundsätzlichen Rechtsfähigkeit einer (Außen-)GbR muss die
umstrittene Frage ihrer Grundbuchfähigkeit der Klärung im Hauptsacheverfahren
vorbehalten bleiben. Der erstinstanzliche Einwand des Antragsgegners - dass das
Grundbuch ab August 2000 und damit im Zeitpunkt der Bekanntgabe des
„Berichtigungsbescheides“ unrichtig gewesen sei - vermag die ernstlichen
Richtigkeitszweifel an der persönlichen Inanspruchnahme des Antragstellers als
Beitragspflichtigen nicht auszuräumen. Zwar wird die Behauptung des Antragsgegners,
dass der Antragsgegner das Alleineigentum durch Anteilsanwachsung gemäß § 738 Abs.
1 Satz 1 BGB erwarb, durch die Grundbucheintragung vom 5. Februar 2003 bestätigt.
Auch spricht die gleichzeitig in Bezug genommene Berichtigungsbewilligung vom 8.
August 2000 dafür, dass die Anwachsung vor diesem Zeitpunkt lag. Es ist jedoch bei
summarischer Prüfung wegen der Vermutung des § 891 BGB überwiegend
wahrscheinlich, dass sich eine Gemeinde bei der Heranziehung zu Beiträgen, die an das
Grundstückseigentum anknüpfen, an die Grundbucheintragung halten muss und darf
(vgl. die Beschlüsse des Senats a.a.O.). Dies gilt gerade dann, wenn ein außerhalb des
Grundbuchs vollzogener Eigentumswechsel im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen
Beitragspflicht noch nicht eingetragen ist, wie dies hier bei Einschlägigkeit der SABS
2004 und der geltend gemachten Anwachsung der Fall wäre, und deshalb der Gemeinde
höchstens ausnahmsweise bekannt sein kann.
Nach alledem kommt es auf das weitere Vorbringen des Antragstellers, dass eine
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Nach alledem kommt es auf das weitere Vorbringen des Antragstellers, dass eine
Eckgrundstücksvergünstigung geboten gewesen sei (s. hierzu grds. verneinend:
Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, S. 965 ff m.w.N.) nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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