Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 05.08.2008

OVG Berlin-Brandenburg: allgemeines verwaltungsrecht, erlass, zahnmedizin, vollstreckung, behörde, leiter, zwangsgeld, quelle, wiederholung, fax

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 5 S 14.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 172 VwGO, § 888 ZPO, § 890
ZPO, § 28 HSchulG BR, § 29
HSchulG BR
Zulassung zum Studium der Zahnmedizin: Durchführung eines
Losverfahrens zur Vergabe zusätzlicher Studienplätze nach
gerichtlichem Eilverfahren; Beauftragung eines Rechtsanwaltes
mit der Durchführung des Losverfahrens; Zulässigkeit eines
Antrags auf Wiederholung eines Losverfahrens im Rahmen der
zwangsweisen Durchsetzung einer gerichtlichen Eilentscheidung
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 17. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Wiederholung des bei der Antragsgegnerin am 16. Juli
2008 durchgeführten Losverfahrens zur Verteilung freier Studienplätze im Studiengang
Zahnmedizin für das Sommersemester 2008. Das Verwaltungsgericht hat die darauf
zielenden Anträge der Antragstellerin abgelehnt, weil es der Auffassung gewesen ist,
dass das Losverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.
II.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Prüfung des Senats
beschränkt sich gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe. Gem. §
146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde die Gründe darlegen, aus denen die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben ist, und sich mit der
angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.
Soweit die Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht ihre sämtlichen
Anträge als Zwangsvollstreckungsanträge nach § 172 VwGO angesehen, kann sich dies
nur auf ihren Antrag,
bis zu einer Entscheidung in der Sache der Antragsgegnerin ohne vorherige
Anhörung wegen Eilbedürftigkeit durch den Berichterstatter oder seinen Vertreter im
Amt zu untersagen, den aufgrund der Verlosung von zwei Studienplätzen aufgrund des
Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 09.07.2008 auf den Rangplätzen 1 und
2 ausgelosten Bewerbern Zulassungsbescheide zu erteilen und mit diesen Vergleiche
abzuschließen,
beziehen, da das Verwaltungsgericht nur diesen als eigenständigen Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung und nicht als Vollstreckungsantrag gem. § 172 VwGO
angesehen hat. Für die von der Antragstellerin insoweit erbetene Klarstellung ist ein
rechtliches Interesse jedoch nicht erkennbar, da sie den zitierten Antrag mit der
Beschwerde nicht mehr verfolgt. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass ihre Rüge
insofern nicht nachvollziehbar ist, als sie ihren obigen Antrag gegenüber dem
Verwaltungsgericht ausdrücklich auf eine analoge Anwendung der §§ 149, 173 VwGO
i.V.m. § 570 Abs. 3 ZPO und nicht auf § 172 VwGO gestützt hat. Gegen die Annahme
des Verwaltungsgerichts, es handele sich insoweit um einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, bestehen überdies keine Bedenken. Der
Antrag zielte auf die Sicherung des vermeintlichen Anspruchs der Antragstellerin aus
dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Juli 2008 (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 1
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dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Juli 2008 (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 1
VwGO) und nicht auf die Vollstreckung der dortigen einstweiligen Anordnung gem. § 172
VwGO. Mit Blick auf die von der Antragstellerin erstinstanzlich geltend gemachte analoge
Anwendung der §§ 149, 173 VwGO i.V.m. § 570 Abs. 3 ZPO sei zudem angemerkt, dass
die Anwendung des § 123 VwGO auch dann angezeigt gewesen wäre, wollte man davon
ausgehen, dass sogenannte Hängebeschlüsse zulässig sind und die §§ 80 Abs. 5, 123
VwGO für diese als Rechtsgrundlage ausscheiden (str., … vgl. Guckelberger, NVwZ 2001,
275 f., m.w.Nachw.). Da das Verwaltungsgericht über die am 16. Juli 2008 um 13.51 Uhr
per Fax bei ihm eingegangenen Anträge, die per Fax am gleichen Tag um 15.00 Uhr
sowie am 17. Juli 2008 um 7.45 Uhr und um 13.07 Uhr begründet worden waren, bereits
am 17. Juli 2008 entschieden hat, bestand keine zwingende Veranlassung, den Antrag
mit Blick auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes als auf den Erlass
einer Hängeverfügung gerichtet auszulegen.
Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit die Antragstellerin ihren
erstinstanzlichen, sinngemäßen Antrag,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ein erneutes Losverfahren um zwei
Studienplätze des Studiengangs Zahnmedizin nach Maßgabe des Entscheidungstenors
durchzuführen und den Antragstellern mit den Losnummern 1 und 2 vorläufig eine
Zulassung zum Studium der Zahnmedizin nach den Rechtsverhältnissen des
Sommersemesters 2008 zu erteilen,
weiterverfolgt. Kommt eine Behörde in Fällen des § 123 VwGO der ihr in der einstweiligen
Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten
Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld durch Beschluss
androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken (§
172 Satz 1 VwGO). Für die von der Antragstellerin begehrte Vollstreckung der
einstweiligen Anordnung vom 9. Juli 2008 im Wege der unmittelbaren Verpflichtung der
Antragsgegnerin, das dortige Losverfahren zu wiederholen, besteht hingegen keine
gesetzliche Grundlage. Da die §§ 888, 890 ZPO eine solche Möglichkeit der Verpflichtung
des Schuldners ebenfalls nicht kennen, gilt dies auch, wollte man davon ausgehen, dass
die Vollstreckung einer einstweiligen Anordnung, die nicht auf den Erlass eines
Verwaltungsaktes gerichtet ist, ihre Grundlage in § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§
888, 890 ZPO hat (vgl. u.a. VGH München, Beschluss vom 26. Mai 1989 - 5 C 89.01007 -
, NVwZ-RR 1989, 669; a. A. Bader, in: Bader/Funke-Kaiser u.a., VwGO, 4. Aufl., § 172 Rn.
2). Die in § 172 Satz 1 VwGO vorgesehene Androhung eines Zwangsgeldes kommt mit
Blick auf den fehlenden, zunächst beim Verwaltungsgericht zu stellenden Antrag der
Antragstellerin, ein Zwangsgeld anzudrohen, nicht in Betracht. Entsprechendes würde
für die in § 888 Abs. 1 ZPO geregelte sofortige Festsetzung eines Zwangsgeldes gelten.
Ungeachtet dessen hat das Verwaltungsgericht entgegen der Beschwerde zu Recht
festgestellt, dass die Verlosung der Studienplätze am 16. Juli 2008 ordnungsgemäß
durchgeführt worden sei und der Anordnung in dem Beschluss der Kammer vom 9. Juli
2008 entsprochen habe. Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon
ausgegangen, dass die einstweilige Anordnung, nach der die Antragsgegnerin ein
Losverfahren durchzuführen hat, dieser die nähere Ausgestaltung des Losverfahrens
erkennbar überlässt. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des Tenors, nach dem
„die Antragsgegnerin … ein Losverfahren …unter Hinzuziehung eines gewählten
studentischen Mitgliedes des Fakultätsrates … durchzuführen…“ hat, und auch dem
weiten richterlichen Gestaltungsspielraum bei der Auswahl der notwendigen Maßnahmen
beim Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 5.
September 2005 - 2 NB 250/05 -, NVwZ-RR 2006, 256). Es ist mit dem Tenor des
Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Juli 2008 ferner vereinbar, dass der Leiter
des Referats für Studienangelegenheiten der Antragsgegnerin die Organisation des
Losverfahrens ihrem Verfahrensbevollmächtigten übertragen und diesen insoweit
bevollmächtigt hat. Die Antragsgegnerin musste sich als Körperschaft des öffentlichen
Rechts zwangsläufig bei der Erfüllung der ihr nach der einstweiligen Anordnung
obliegenden Verpflichtung der Hilfe natürlicher Personen bedienen. Der Tenor der
einstweiligen Anordnung enthält insoweit jedoch keine Einschränkung auf einen
bestimmten Personenkreis. Diese wäre jedoch bei der von der Antragstellerin nur für
zulässig erachteten Durchführung der Verlosung ausschließlich durch Bedienstete der
Antragsgegnerin zu erwarten gewesen, zumal die Auslosung ein schlichter, keine
besonderen Fähigkeiten fordernder Realakt ist, so dass es nicht von vornherein
ausgeschlossen erschien, dass die Antragsgegnerin sich für ihre Durchführung der
Unterstützung Privater bediente. Eine solche Verfahrensweise ist nicht ungewöhnlich, da
die Verwaltung in vielfältiger Form Private zur Durchführung ihrer Aufgaben heranzieht.
Nimmt eine Privatperson - wie vorliegend der mit der Durchführung des Losverfahrens
beauftragte Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin - als sogenannter
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beauftragte Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin - als sogenannter
Verwaltungshelfer Hilfstätigkeiten im Auftrag und nach Weisung der Behörde wahr, ist ihr
Handeln ohne weiteres der Behörde, für die sie tätig wird, zuzuordnen (vgl. Maurer,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl., § 23 Rn. … 60). Über eine bloße Hilfstätigkeit
ging die dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin übertragene
Durchführung des Losverfahrens nicht hinaus, zumal der Leiter des Referats für
Studienangelegenheiten die Durchführung des Losverfahrens nach seiner Erklärung vom
17. Juli 2008 mit der Vorgabe übertragen hatte, dass das studentische Mitglied des
Fakultätsrates, T. S., die Lose ziehen sollte.
Bedenken hinsichtlich der ordnungsgemäßen Erfüllung der Verpflichtung der
Antragsgegnerin, ein Losverfahren durchzuführen, bestehen auch nicht deshalb, weil
Herr S. die Lose gezogen hat und die Verlosung „… unter Hinzuziehung eines gewählten
studentischen Mitgliedes des Fakultätsrates …“ durchzuführen war. Die tenorierte
Verpflichtung zur Hinzuziehung des studentischen Mitgliedes des Fakultätsrates schließt
es nicht aus, dass dieses die Lose selbst zieht. Mit einer solchen Verfahrensweise ist der
angesprochenen Verpflichtung sogar mehr als Genüge getan worden, da dem
studentischen Vertreter - wie einem Notar, der nach dem Tenor der einstweiligen
Anordnung vom 9. Juli 2008 für ihn ersatzweise hinzugezogen werden konnte - nach Sinn
und Zweck seiner vorgesehenen Anwesenheit besonderes Vertrauen in Bezug auf den
ordnungsgemäßen Ablauf des Losverfahrens entgegen gebracht worden ist.
Anhaltspunkte dafür, dass das als sachlich maßgebliche Grenze der
Ausgestaltungsbefugnis der Antragsgegnerin zu beachtende Gebot der
Chancengleichheit (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 5. September 2005 - 2 NB
250/05 -, NVwZ-RR 2006, 256) verletzt worden sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die
Annahme der Antragstellerin, mit der gewählten Verfahrensweise habe keine Gewähr für
eine faire Durchführung des Losverfahrens bestanden, sondern sich der Verdacht
aufgedrängt, dass die beiden Studienplätze zwei konkreten Anwälten „zugeschanzt“
werden sollten, entbehrt jeder Grundlage. Der Leiter des Referats für
Studienangelegenheiten hatte dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin,
mithin einem Rechtsanwalt die Durchführung des Losverfahrens übertragen. Ein
Rechtsanwalt hat die Stellung eines unabhängigen Organs der Rechtspflege. Die Lose
selbst sollte das studentische Mitglied des Fakultätsrats ziehen, das entsprechend den
obigen Ausführungen besonderes Vertrauen in Bezug auf den ordnungsgemäßen Ablauf
des Losverfahrens genossen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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