Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017
OVG Berlin-Brandenburg: besondere härte, treu und glauben, vorläufiger rechtsschutz, einziehung, stundung, kostenerlass, billigkeit, gerichtsbarkeit, anfechtung, hauptsache
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 1 S 1.11
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 30a GVGEG, § 40 Abs 1
VwGO, § 123 Abs 1 VwGO, § 8
Abs 2 S 3 JKostG BB
Erlass von Gerichtskosten der Fachgerichte; richtige
Sachbehandlung
Leitsatz
Für Streitigkeiten über den Erlass von Gerichtskosten der Fachgerichtsbarkeiten ist der
Verwaltungsrechtsweg gegeben; § 30 a EGGVG enthält eine abdrängende Sonderzuweisung
an die Amtsgerichte nur für die ordentliche Gerichtsbarkeit.
Vorläufiger Rechtsschutz in Kostenerlasssachen im Wege der Stundung erfordert, dass die
sofortige Einziehung für den Kostenpflichtigen mit einer besonderen Härte verbunden wäre.
Eine Überprüfung der Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen im Verwaltungsverfahren über
den Kostenerlass scheidet grundsätzlich aus. Einem Erlassbegehren kann die Nichteinlegung
von Rechtsmitteln entgegengehalten werden
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Potsdam vom 8. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.361,63 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Mit dem Beschwerdevorbringen sind keine Gründe
geltend gemacht, die eine Änderung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigen (§
146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).
Die Antragstellerin hat beim Verwaltungsgericht am 4. März 2010 eine Klage mit dem
Ziel anhängig gemacht, den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides vom 26.
Januar 2010 zu verpflichten, die Gerichtskosten aus dem Gerichtsverfahren vor dem
Finanzgericht Berlin-Brandenburg (6 K 1…) in Höhe von 21.446,50 Euro zu erlassen. Mit
Schriftsatz vom 26. März 2010 hat sie diese Klage begründet und unter Bezugnahme
auf diese Begründung den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der
Verpflichtung des Antragsgegners zur zinslosen Stundung der Forderung bis zur
Entscheidung über die Klage begehrt.
Das Verwaltungsgericht hat dieses vorläufige Rechtsschutzbegehren in der Sache mit
der Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzungen für eine Stundung im
Kostenerlassverfahren gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 des Justizkostengesetzes für das Land
Brandenburg – JKGBbg – nicht vorlägen, weil die kostenpflichtige Antragstellerin nicht
glaubhaft gemacht habe, dass mit der Einziehung eine besondere Härte für sie
verbunden sei, sondern allein auf ihre Betroffenheit durch die Kostenlastentscheidung
einer vermeintlich falschen Gerichtsentscheidung abgestellt habe.
Die Antragstellerin meint mit der Beschwerde, sie könne sich für die Stundung auch auf
Billigkeitsgründe berufen, weil sie in der Hauptsache den Erlass der
Gerichtskostenforderung begehre, der nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JKGBbg
auch in Betracht komme, wenn es sonst aus besonderen Gründen der Billigkeit
entspreche. Für die Auslegung des Merkmals der Billigkeit sei § 227 der
Abgabenordnung heranzuziehen; danach sei die Einziehung von Steueransprüchen
beispielsweise dann unbillig, wenn sie den Geboten der Gleichheit und des
Vertrauensschutzes, Treu und Glauben, der Zumutbarkeit und dem einer gesetzlichen
Regelung zugrunde liegenden Zweck widerspreche, insbesondere wenn die
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Regelung zugrunde liegenden Zweck widerspreche, insbesondere wenn die
Steuerfestsetzung eindeutig und offensichtlich falsch sei. Das Urteil des Finanzgerichts
sei unrichtig, wie sie erstinstanzlich dargelegt habe.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, den Beschluss des Verwaltungsgerichts
änderungsrelevant infrage zu stellen.
Dieses hat zunächst – ohne dass es für die Beschwerdeentscheidung erheblich wäre
(vgl. § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG) – den Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO
im Ergebnis zu Recht bejaht. Für Streitigkeiten über den Erlass von Gerichtskosten aus
dem Bereich der Fachgerichtsbarkeiten bleibt es auch nach Einführung des § 30 a
EGGVG durch Art. 14 des Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im
Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19. April 2006 (BGBl. I S.
866) mit Wirkung vom 25. April 2006 bei der allgemeinen Zuständigkeit der
Verwaltungsgerichte (so bereits zur früheren Rechtslage: OVG Berlin, Urteil vom 13.
März 1983 – OVG 3 B 76.81 – NVwZ 1983, 681). § 30 a EGGVG enthält insoweit nur eine
abdrängende Sonderzuweisung für die Anfechtung von Verwaltungsakten auf dem
Gebiet des Kostenrechts für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit und ersetzt
insoweit die frühere Auffangklausel in Art. XI § 1 des Gesetzes zur Änderung und
Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften, die durch Art. 115 des erwähnten Gesetzes
vom 19. April 2006 aufgehoben worden ist. Eine sachliche Änderung war damit nicht
bezweckt; gleichsam „mitgelesen“ werden muss die Erläuterung des Begriffs der
Justizverwaltung „auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des
Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der
Strafrechtspflege“ in § 23 Abs. 1 EGGVG als der Grundnorm des Dritten Abschnitts des
Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz. Das ist nach Systematik und
Entstehungsgeschichte der Norm nicht zweifelhaft (vgl. statt vieler: Kissel, GVG, 6. Aufl.,
2010, § 30a EGGVG, Rn. 3).
Sodann hat das Verwaltungsgericht zutreffend die Bestimmung des § 8 Abs. 2 Satz 3
JKGBbg als materielle Grundlage des vorläufigen Rechtsschutzbegehrens herangezogen
und deshalb nur darauf abgestellt, ob für die Antragstellerin die sofortige Einziehung mit
besonderen Härten verbunden wäre. Die Vorstellung der Antragstellerin, dass es im
Rahmen eines solchen Begehrens auch darauf ankomme, ob Billigkeitsgründe für einen
Kostenerlass gegeben sind, ist demgegenüber verfehlt. Dies könnte allenfalls in Betracht
kommen, wenn man für den Anordnungsanspruch allgemein die Glaubhaftmachung für
erforderlich hielte, dass ein Kostenerlass in der Hauptsache – aus welchem der in § 8
Abs. 2 Satz 1 JKGBbg genannten Gründe auch immer - überwiegend wahrscheinlich
beansprucht werden kann. Das ist aber dem Gesetz so nicht zu entnehmen. Denn es
beschränkt die Stundungsmöglichkeit auf den Fall der mit der Einziehung für den
Zahlungspflichtigen verbundenen besonderen Härten (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JKGBbg)
und fordert insoweit, dass die besondere Härte Folge der sofortigen Einziehung sein
muss. Damit sind Anordnungsanspruch und –grund gesetzlich konkretisiert. Mithin kann
dem Verwaltungsgericht eine fehlerhafte Rechtsanwendung nicht vorgeworfen werden;
eine Stundung käme mangels besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen – für deren
Vorliegen auch mit der Beschwerde nichts von Substanz vorgetragen worden ist – auch
dann nicht in Betracht, wenn ein Kostenerlass im Übrigen aus Billigkeitsgründen zu
erwägen wäre. Aber auch das ist hier in keiner Weise erkennbar. Die streitige
Gebührenforderung ist Folge erfolgloser Inanspruchnahme der staatlichen
Justizgewährung. Die Belastung mit Gerichtskosten als Nebenfolge der
Sachentscheidung ist primär mit den gegen diese gegebenen Rechtsmitteln geltend zu
machen; eine isolierte Anfechtung im Kostenpunkt scheidet regelmäßig aus (vgl. § 158
VwGO; § 145 FGO). Die Antragstellerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
von ihr beanstandeten Urteil keine Beschwerde erhoben. Sie hat – freilich wohl
richtigerweise - auch nicht den Kostenansatz mit der Erinnerung angegriffen und insoweit
eine offensichtlich unrichtige Sachbehandlung gemäß § 21 GKG nicht geltend gemacht.
Besondere Gründe der Billigkeit im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JKGBbg sind
grundsätzlich nicht solche, die aus der gerichtlichen Entscheidung in der Sache
herrühren. Sie müssen jedenfalls so geartet sein, dass es schlechthin unzumutbar ist,
den Kostenpflichtigen in der Pflicht zu belassen. Eine solche Qualität kommt schon den
von der Antragstellerin beschriebenen Konsequenzen aus dem für die Gerichtskosten
ursächlichen Verfahren vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg nicht zu; im Übrigen
könnte ihr Prozessverhalten hinsichtlich der Nichtinanspruchnahme von Rechtsmitteln
im Rahmen anzustellender Billigkeitserwägungen nicht unberücksichtigt bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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