Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 28.09.2006
OVG Berlin-Brandenburg: bestreitung, verfügung, rüge, link, quelle, sammlung, vollzeitbeschäftigung, verwaltungsverfahren, lebensmittel, bezirk
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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 5 N 27.06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. September 2006 wird abgelehnt.
Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 1.722,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Es ist nicht gem. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, aus welchen Gründen die
Berufung zuzulassen ist. Dem in dieser Vorschrift genannten Darlegungserfordernis ist
nur Genüge getan, wenn ein Antragsteller sich auf einen oder mehrere der in § 124 Abs.
2 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe beruft und zudem näher erläutert, weshalb er
den jeweiligen Zulassungsgrund im konkreten Fall für gegeben erachtet (vgl. OVG
Münster, Beschluss vom 13. Mai 1997 - 11 B 799/97 -, S. 2 des amtlichen
Entscheidungsabdrucks m.w. Nachw.).
a) Es bestehen bereits deshalb Zweifel an der durchgehenden Einhaltung der
Darlegungsanforderungen, weil die Klägerin zwar in ihrer Antragsschrift die
Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 VwGO benennt, jedoch nicht
bezogen auf den jeweiligen Zulassungsgrund darlegt, weshalb dieser vorliegen soll. So
begründet sie - mehrfach -, weshalb die Sache grundsätzliche Bedeutung haben soll,
inhaltlich legt sie insoweit jedoch im Wesentlichen dar, warum die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts unzutreffend sei. Es ist nicht Sache des Gerichts, sich aus dem
Vortrag eines Verfahrensbeteiligten die Begründungsteile herauszusuchen, die zur
Begründung des jeweiligen Zulassungsgrundes geeignet sein könnten (vgl. Meyer-
Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Februar 2007, §
124 a Rn. 92 m.w. Nachw.).
b) Jedenfalls genügt die Antragsschrift auch unabhängig davon nicht den Anforderungen
des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung eines Zulassungsgrundes.
(aa) Eine solche Darlegung setzt im Hinblick auf den geltend gemachten
Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
zumindest die Formulierung einer bestimmten höchstrichterlich noch ungeklärten und
für die Berufungsentscheidung erheblichen Rechtsfrage und außerdem die Angabe
voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen
soll (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B
261.97 -, NJW 1997, 3328;16. Juli 1982 - BVerwG 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102, 103; 2.
Oktober 1961 - BVerwG VIII B 78.61 -, E 13, 90, 91). Diesen Erfordernissen, denen in der
Regel schon durch wenige Sätze genügt werden kann, wird die Antragsschrift der
Klägerin nicht gerecht. Sie hat bereits keine bestimmte Rechtsfrage formuliert. Sie
begründet im Wesentlichen, warum die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
unzutreffend sei (siehe bereits oben). Auch mit ihrem Hinweis, „dass das
Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung offensichtlich und bewusst von der
obergerichtlichen Entscheidung, wie sie in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes
zum Ausdruck gekommen ist, abweicht und damit eine uneinheitliche Rechtsprechung
im Bezirk des Landes Berlin zu existieren scheint“, lässt sie die Bezeichnung einer
konkreten Rechtsfrage vermissen. Selbst wenn zu Gunsten der Klägerin unterstellt
werden würde, sie wolle insoweit den näher liegenden Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2
Nr. 4 VwGO geltend machen, zumal dieser nur ein Unterfall der Grundsatzzulassung ist
(vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. Juni 1995 - BVerwG 8 B 44.95 -,
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(vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. Juni 1995 - BVerwG 8 B 44.95 -,
Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff 2 Nr. 2), käme die Zulassung der Berufung nicht in
Betracht. Eine die Berufung eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet,
wenn die Zulassungsbegründung einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene
Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz von
einem die Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgeführten Gerichte
tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift widersprochen hat
(Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 -, NJW
1997, 3328). Mit dem bloßen sinngemäßen Hinweis, das Verwaltungsgericht sei
offensichtlich und bewusst von der Entscheidung des Senats vom 30. Juni 2006
abgewichen, ist ein solcher Rechtssatz nicht formuliert. Darüber hinaus sei darauf
hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung
gegen eine vom Senat in einem Prozesskostenhilfe-verfahren „offenbar vertretene
Auffassung“ gewandt hat. Die Entscheidung in einem Prozesskostenhilfeverfahren ist
jedoch keine Sachentscheidung, die in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorausgesetzt wird (vgl.
zu Letzterem: Bader, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 3. Aufl. § 124
Rn. 55 m.w. Nachw.).
(bb) Die Antragsschrift genügt auch nicht den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4
VwGO, soweit die Klägerin sich auf besondere Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO beruft. Insoweit muss ein Antragsteller angeben, hinsichtlich welcher aufgrund der
erstinstanzlichen Entscheidung auftretenden Fragen sich besondere tatsächliche oder
rechtliche Schwierigkeiten ergeben sollen und worin die aus seiner Sicht vorliegende
besondere tatsächliche oder rechtliche Problematik bestehen soll (vgl. Seibert, in
Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 124 a Rn. 210 m.w. Nachw.). Der dem Zulassungsgrund
des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO inhaltlich allenfalls zuzuordnende Hinweis der Klägerin, es
sei „festzustellen, dass die Rechtssache schon aufgrund der Probleme im
Verwaltungsverfahren mit besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten belastet war und
rechtlich die Sache nach wie vor ungeklärt zu sein scheint,“ erfüllt die gesetzlichen
Darlegungsanforderungen nicht.
(cc) Die Berufung ist schließlich nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des
Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Die Darlegung ernstlicher Zweifel
erfordert, dass der die Zulassung begehrende Verfahrensbeteiligte sich substantiiert
inhaltlich mit den Gründen des angegriffenen Urteils auseinandersetzt und dabei
aufzeigt, warum ihm nicht gefolgt werden kann (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 9. Juli
1997 - 12 A 2047/97 -, DVBl 1997, 1342; Meyer-Ladewig/Rudisile, a.a.O., § 124 a Rn. 93
und Rn. 100 je m.w. Nachw.). An einer entsprechenden Auseinandersetzung fehlt es
vorliegend. Die Klägerin begründet die Unrichtigkeit der Entscheidung ausdrücklich
lediglich damit, dass ihre Einkommensverhältnisse nicht ungeklärt seien und es an einer
fehlenden Mitwirkung nicht gemangelt habe. Letzteres genügt den gesetzlichen
Begründungsanforderungen insofern nicht, als das Verwaltungsgericht in der
angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, inwiefern das Wohngeldamt seine Pflicht zur
Aufklärung der klägerischen Einkommensverhältnisse erfüllt hat. Es hat in diesem
Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Klägerin auf die Aufforderung vom 25.
Februar 2002 hin nur vage Angaben über die Verwertung nicht mehr verkäuflicher
Lebensmittel gemacht habe. Damit setzt sich die Klägerin im Rahmen der Darlegung
des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht auseinander. Soweit sie - im
Übrigen nicht im Rahmen der Darlegung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO - rügt, das Wohngeldamt habe „schlichtweg nichts getan“, ist dies vor dem
Hintergrund der obigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht nachvollziehbar.
Auch ihre - ebenfalls nicht im Rahmen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO - erhobene Rüge, das Wohngeldamt hätte ihr „aufgeben müssen, Aufzeichnungen
über die Entnahmen aus dem Lebensmittelgeschäft etc zu führen …“ ist vor dem
geschilderten Hintergrund ohne Erfolg. Der weitere Einwand der Klägerin, ihre
Einkommensverhältnisse seien nicht ungeklärt, verkennt, dass das Verwaltungsgericht
nicht auf die fehlende Klärung ihrer Einkommensverhältnisse - zum Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung - abgestellt hat, sondern unter Bezugnahme auf das Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Januar 1990 (- BVerwG 8 C 58.89 -, Juris Rn. 18
= BVerwGE 84, 278) die Erkenntnislage der Wohngeldstelle zum damaligen Zeitpunkt für
die Plausibilität der Einkommensangaben für maßgeblich erachtet hat. Darauf geht die
Klägerin im Rahmen ihrer Begründung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO nicht ein.
Selbst wenn man entgegen dem Sinn und Zweck des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO aus
ihrem Vortrag weitere Begründungsteile heraussuchen würde, die in diesem
Zusammenhang zur Begründung ernstlicher Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
geeignet sein könnten, wäre die Berufung nicht zuzulassen. Ihr sinngemäßer Hinweis, in
dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2006 sei zum Ausdruck
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dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2006 sei zum Ausdruck
gekommen, dass das im Einkommenssteuerbescheid vom 15. Februar 2006 für das Jahr
2000 ausgewiesene Einkommen für die Berechnung des Wohngeldes im
streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum (1. Juli bis 31. Dezember 2001) maßgeblich
sei, wäre ohne Erfolg. Die Entscheidung des Senats bezieht sich auf die Frage der
Plausibilität der Einkommensangaben, die vorliegend auch für das Verwaltungsgericht
entscheidungserheblich war. Insoweit ist mit Blick auf die Formulierungen der Klägerin
zunächst vorsorglich darauf hinzuweisen, dass im Wohngeldrecht zu unterscheiden ist
zwischen der Angabe der Einkommensverhältnisse zur Plausibilitätskontrolle und der
Angabe des Einkommens zur Berechnung der Höhe des Wohngeldes (vgl. VGH
München, Beschlüsse vom 20. Mai 2003 - 9 C 03.1051 -, Juris Rn. 22; 4. Oktober 2005 - 9
ZB 05.1654 -, Juris Rn. 11). Die Plausibilitätskontrolle bezieht sich ausschließlich auf die
faktisch und real dem Familienhaushalt zur Verfügung stehenden Mittel zur Bestreitung
des Lebensbedarfs. Die Bezugnahme auf die im Prozesskostenhilfeverfahren ergangene
Beschwerdeentscheidung des Senats vom 30. Juni 2006 ersetzt eine
Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils nicht. Denn der Senat
hatte in diesem Beschluss aufgrund einer lediglich summarischen Prüfung, die nach den
Gesamtumständen des Falles zumindest die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die
weitere Rechtsverfolgung gerechtfertigt erscheinen ließ, zu entscheiden und hat sich mit
der - klärungsbedürftigen, allerdings auch vom Verwaltungsgericht zu keiner Zeit
thematisierten - Frage, ob spätere, auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogene
Nachweise für die Plausibilität der seinerzeitigen Einkommensangaben im gerichtlichen
Verfahren noch berücksichtigungsfähig sind (so offenbar VGH Mannheim, Beschluss vom
7. Juni 2004 - 12 S 2654.03 -, Juris Rn. 16; a.A. VG München, Urteil vom 9. Juli 2004 - M
22 K 02.4368 -, Juris Rn. 52), erkennbar nicht befasst. Ob der Senat an seiner
seinerzeitigen Wertung, dass sich die den verwaltungsgerichtlichen Beschluss tragende
Einschätzung der Einkommensverhältnisse des Familienhaushalts der Klägerin im
Hinblick auf die Nachreichung des Einkommensteuerbescheides vom 15. Februar 2006
für das Jahr 2000 nicht aufrechterhalten lassen werde, auch nach abschließender
Prüfung der Rechtslage in einem Berufungsverfahren festgehalten hätte, kann unter den
gegebenen Umständen offen bleiben.
Auch soweit man aus dem Vortrag der Klägerin weitere Begründungsteile heraussuchen
würde, die zur Begründung ernstlicher Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im
Zusammenhang stehen könnten, wäre im Übrigen die Berufung nicht zuzulassen. Ihre
Rüge, das Verwaltungsgericht habe auf Seite 6 der Entscheidungsabschrift eine
Einkommensprognose auf der Grundlage einer Einnahmen-Überschussrechnung für
rechtswidrig erachtet, ist unerheblich, da die entsprechenden Ausführungen für die
angegriffene Entscheidung nicht tragend sind. Die von der Klägerin ferner kritisierte
Auffassung, „für einige Familienmitglieder sei auf das aktuelle und für andere
Familienmitglieder sei auf das Einkommen der Vergangenheit ….abzustellen“, findet sich
in der angefochtenen Entscheidung nicht. Auch ihr Einwand, es ginge nicht an, die zu
erwartenden Einnahmen eines Existenzgründers für den Bewilligungszeitraum mit Null in
Ansatz zu bringen, liegt neben der Sache, da die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
nicht auf einem solchen Ansatz fußt. Soweit sie ferner geltend macht, es sei
erstinstanzlich darauf hingewiesen worden, dass ihr Ehemann im Jahre 2000 noch einer
Vollzeitbeschäftigung nachgegangen sei, vermag dies bereits mit Blick auf den vom
Verwaltungsgericht für maßgeblich erachteten Beurteilungszeitpunkt für die Plausibilität
der Einkommensangaben keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu
begründen. Ihr Einwand schließlich, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass eine
verlässliche Prognose über das im Bewilligungszeitraum zu erwartende Einkommen bei
Gewerbetreibenden nicht möglich sei, überzeugt nicht. Für die vorliegend in erster
Instanz entscheidungserhebliche Plausibilitätskontrolle genügt es dazulegen, welche
Mittel faktisch und real dem Familienhaushalt zur Bestreitung des Lebensbedarfs zur
Verfügung stehen (s.o.). Dies ist auch einem Gewerbetreibenden möglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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