Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 04.04.2006

OVG Berlin-Brandenburg: aufenthalt im ausland, ersatz der auslagen, notlage, besondere härte, grundsatz der gleichbehandlung, geschäftsführung ohne auftrag, freilassung, ikrk, anhörung, sozialhilfe

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 11.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 11 B 9.06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 5 Abs 1 S 1 BKonsG, § 5 Abs
3 S 1 BKonsG, § 1 AKostG, § 7
AKostG, § 14 AKostG
Auslagenersatz für die einer deutschen Staatsangehörigen
geleistete Hilfe durch ein deutsches Konsulat im Ausland
Leitsatz
Eine konsularische Hilfe i.S.d § 5 Abs. 1 Satz 1 KG auslösende Notlage muss nicht zwingend
finanzieller Natur sein.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4.
April 2006 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu Kosten ihrer Befreiung aus
Geiselhaft.
Im Jahr 2003 unternahm die Klägerin eine mehrmonatige Reise nach Südamerika, in
deren Verlauf sie auch Kolumbien besuchte. Anfang September 2003 brach sie mit einer
insgesamt achtköpfigen Gruppe unterschiedlicher Nationalität zu einer Trekkingtour in
die historische Ruinenstadt „Ciudad Perdida“ in der Sierra Nevada Santa Marta im
Nordwesten Kolumbiens auf. Am 12. September 2003 wurde die Gruppe von der ELN
(Ejército de Liberacion Nacional - Nationale Befreiungsarmee), der zweitgrößten
Rebellengruppe Kolumbiens, entführt und in den Dschungel verschleppt. Die Klägerin
wurde schließlich am 23. November 2003 zusammen mit einer spanischen Geisel
freigelassen, nachdem die Hauptforderung der ELN, nämlich die Untersuchung
behaupteter Menschenrechtsverletzungen sowie der Lebensverhältnisse in
nordkolumbianischen Bergdörfern durch eine unabhängige Kommission - die so
genannte Verifikationskommission - erfüllt worden war. Der Freilassung der Klägerin
waren intensive Bemühungen des Auswärtigen Amtes und der Deutschen Botschaft
Bogotá, der Vertretungen der Heimatstaaten der weiteren Geiseln, kolumbianischer
Behörden, der Vereinten Nationen, des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes
(IKRK) sowie von Menschenrechtsorganisationen und kirchlichen Kreisen
vorausgegangen. Die genauen Modalitäten der Freilassung wurden letztlich zwischen
einem seinerzeit in Bogotá in Haft befindlichen Führer der ELN und kirchlichen
Vermittlern sowie Vertretern des IKRK ausgehandelt. Im Zuge dieser Verhandlungen
hatte sich ergeben, dass die ELN die Abholung der beiden Geiseln durch einen zivilen
Hubschrauber zur Bedingung für die Freilassung machte. Darüber hinaus hatte die ELN
darauf bestanden, dass eine Delegation, der u.a. Vertreter der Verifikationskommission
angehören sollten, mit dem zivilen Hubschrauber zum Übergabeort gebracht werden
sollte. Nachdem das IKRK durch die deutsche und die spanische Botschaft die Zusagen
zur jeweils anteiligen Kostenübernahme erhalten hatte, charterte es den Hubschrauber.
Dieser kehrte nach der Übergabe der beiden Geiseln am Abend des 24. November 2003
über Valledupar, wo er betankt wurde und die Mitglieder der dort tagenden
Verifikationskommission abgesetzt wurden, nach Bogotá zurück. Am nächsten Tag trat
die Klägerin den Rückflug nach Deutschland an, für den keine zusätzlichen Kosten
anfielen, weil ihr Rückflugticket aus Kulanzgründen umgebucht wurde.
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Die Hubschrauberkosten wurden je zur Hälfte von der Beklagten und spanischen
Behörden getragen. Der auf die Beklagte entfallende Anteil betrug 12.640,05 Euro. Am
22. Januar 2004 informierte die Beklagte die Klägerin telefonisch über den geplanten
Erlass eines Kostenbescheides. Nach dem hierüber gefertigten Vermerk habe sich die
Klägerin einverstanden gezeigt, zumindest nicht ausdrücklich widersprochen. Sie habe
auf Verdienstausfall und Schulden von ca. … € hingewiesen und geäußert, den Betrag
wahrscheinlich nicht sofort zahlen zu können. Daraufhin nahm die Beklagte die Klägerin
mit Bescheid vom 23. Januar 2004 auf Auslagenersatz in Höhe von 12.640,05 Euro in
Anspruch, den sie auf §§ 5 Abs. 5, 25 des Konsulargesetzes - KG - i. V. m. §§ 1, 7, 10 des
Auslandskostengesetzes - AKostG - stützte. In Heft 7/2004 veröffentlichte die Zeitschrift
„Der Stern“ über die Entführung einen Bericht, an dem die Klägerin gegen Vergütung
mitgewirkt hatte.
Das Verwaltungsgericht hat der von der Klägerin am 26. Februar 2004 erhobenen Klage
durch Urteil vom 4. April 2006 stattgegeben und den Bescheid vom 23. Januar 2004
aufgehoben. Diesem fehle bereits eine gesetzliche Grundlage, so dass es keiner
Entscheidung bedürfe, ob er mangels ordnungsgemäßer Anhörung gemäß § 28 VwVfG
auch formell rechtswidrig sei. Die Beklagte könne ihren Bescheid nicht auf § 5 Abs. 5
Satz 1 Konsulargesetz - KG - stützen, wonach der Empfänger einer Hilfeleistung zum
Ersatz der Auslagen verpflichtet sei. Es fehle bereits an den tatbestandlichen
Voraussetzungen dieser Vorschrift, weil die Beklagte gegenüber der Klägerin keine Hilfe
nach § 5 Abs. 1 bis 4 KG erbracht habe. § 5 KG vermittele als Sollvorschrift ausschließlich
Ansprüche auf „soziale“ Hilfeleistungen in - akuter, vorübergehender - wirtschaftlicher
Not und erfasse dementsprechend auch in der Bestimmung über den Ersatz der
Auslagen - § 5 Abs. 5 Satz 1 KG - allein diejenigen Zahlungen bzw. Sachleistungen, die
der Beseitigung eines finanziellen Engpasses dienten. Dies folge sowohl aus Wortlaut
und Regelungszusammenhang der Norm wie auch aus deren Entstehungsgeschichte.
Bei der Klägerin habe keine wirtschaftliche Notlage vorgelegen, sondern eine
Gefahrenlage für Leib und Leben durch politisch motiviertes, strafbares Handeln Dritter.
Der von den Entführern ausdrücklich geforderte Hubschraubereinsatz habe ebenso wie
die Einrichtung der Verifikationskommission selbst zu den „politischen“ Gegenleistungen
für die Befreiung der Klägerin gehört und sei Teil der Befreiungsaktion gewesen, die an
sich dem kolumbianischen Staat oblegen habe. Auf Vorschriften des
Auslandskostengesetzes könne der angefochtene Bescheid ebenfalls nicht gestützt
werden. Diese setzten eine Amtshandlung nach §§ 1 bis 17 KG voraus, an der es hier
fehle. Die Bewältigung einer Entführung von Deutschen im Ausland, zumal wenn diese
politisch motiviert sei, stelle sich als eine ebenso heikle wie komplexe Aufgabe dar. Mit
den konsularischen Aufgaben, die zumeist alltägliche Vorkommnisse beträfen und von
dem einzelnen Konsularbeamten oder dem Botschafter ohne große Schwierigkeiten in
alleiniger Zuständigkeit „vor Ort“ und ohne diplomatische Abstimmung mit dem
Gastland erledigt werden könnten, habe ein solcher Krisenfall kaum etwas gemein. Die
Unanwendbarkeit des Konsulargesetzes bedeute allerdings weder, dass die Beklagte in
Entführungsfällen der vorliegenden Art zu einer Hilfegewährung nicht berechtigt und
verpflichtet wäre, noch, dass sie nach erfolgter Hilfe keinerlei rechtliche Möglichkeiten
besäße, Auslagenersatz zu fordern. Dass die Bundesrepublik Deutschland ihren
Staatsangehörigen in existentiellen Notlagen wie einer politisch motivierten Entführung
im Ausland grundsätzlich Schutz gewähren müsse, folge unmittelbar aus der in Art. 2
Abs. 2 Satz 2 GG enthaltenen staatlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit.
Solange eine ausdrückliche spezialgesetzliche Kostenerstattungsregelung fehle, sei es
grundsätzlich denkbar, dass der Staat vom Hilfeempfänger für kostenverursachende
Hilfemaßnahmen nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Ersatz verlange. Insoweit fehle aber jedenfalls eine Befugnis zum Erlass eines
Leistungsbescheides.
Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte u.a.
geltend: Rechtsgrundlage für die Rückforderung der im Wege der konsularischen
Hilfeleistung gewährten Auslagen sei § 5 Abs. 5 KG i.V.m. §§ 7, 10 AKostG. § 5 KG könne
nicht auf Fälle der sozialen Hilfeleistung begrenzt werden. Die Vorschrift nehme keine
Differenzierung hinsichtlich der Art der Notlage vor. Selbst wenn ihr Anwendungsbereich
nicht eröffnet wäre, ergäbe sich eine Verpflichtung der Klägerin zur Erstattung der
fraglichen Auslagen aus §§ 1, 25 KG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 1 Abs. 1 AKostG. Das
Verwaltungsgericht verkenne, dass in komplexen Situationen wie etwa Entführungsfällen
oder den in § 6 Abs. 1 KG geregelten Konstellationen Tätigkeiten der Zentrale des
Auswärtigen Amtes und Amtshandlungen der Vorort tätigen Konsularbeamten zumeist
Hand in Hand gingen und keine unterschiedliche rechtliche Einordnung zuließen.
Entscheidend sei nicht, wo über die Vornahme der Hilfeleistung entschieden, sondern wo
die Hilfeleistung tatsächlich erbracht worden sei. Die Beklagte habe das ihr bei der
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die Hilfeleistung tatsächlich erbracht worden sei. Die Beklagte habe das ihr bei der
Rückforderung der gewährten Auslagen eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
Auch der Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG sei gewahrt. Die
Beklagte habe von den Entführungsopfern stets in voller Höhe die Kosten aller
Maßnahmen zurückgefordert, die den Betroffenen unmittelbar und konkret zugute
gekommen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. April 2006 zu ändern und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und macht im Übrigen geltend: Der
Bescheid sei bereits formell rechtswidrig. Eine telefonische „Anhörung“ kurz nach der
Befreiung, als sie noch „angeschlagen“ gewesen sei, und ohne ihr Gelegenheit zum
Nachdenken zu geben, genüge den Anforderungen des § 28 VwVfG nicht. Die Geiselhaft
sei mit erheblichen körperlichen und vor allem psychischen Strapazen verbunden
gewesen, die noch fortwirkten. Der geforderte Kostenersatz belaste sie finanziell in
unzumutbarer Weise. Auch deshalb sei auf Kostenersatz zu verzichten. Ferner liege ein
Gleichheitsverstoß vor, weil die Beklagte in früheren Fällen nur sehr viel geringere
Summen gefordert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Streitakte sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge
(Band 4 bis 7) Bezug genommen
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist abzuweisen, weil der
angefochtene Kostenbescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten
verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Bescheid des Auswärtigen Amtes vom 23. Januar 2004 findet seine gesetzliche
Grundlage in §§ 5 Abs. 5 Satz 1, 25 KG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 10 ff. AKostG.
Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 KG sollen die Konsularbeamten Deutschen, die in ihrem
Konsularbezirk hilfsbedürftig sind, die erforderliche Hilfe leisten, wenn die Notlage auf
andere Weise nicht behoben werden kann. Der Empfänger ist nach § 5 Abs. 5 S. 1 KG
zum Ersatz der Auslagen verpflichtet.
A. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ersatzpflicht nach § 5 Abs. 5 S. 1 KG sind
erfüllt. Die Klägerin ist Empfängerin konsularischer Hilfe nach § 5 Abs. 1 S. 1 KG
geworden. Sie ist als deutsche Staatsangehörige im Konsularbezirk der deutschen
Auslandsvertretung in Kolumbien hilfsbedürftig geworden. Ihre Hilfsbedürftigkeit bestand
darin, dass sie sich in der Gewalt ihrer Entführer befand. Die Hilfe war erforderlich, weil
die Entführer die Freilassung der Klägerin und der spanischen Geisel von der Abholung
durch einen privaten Hubschrauber abhängig gemacht hatten. Die Notlage der Klägerin
ließ sich auch nicht auf eine andere Weise beheben, weil das IKRK mitgeteilt hatte, dass
es den Hubschrauber zwar chartern, aber nicht die dadurch entstehenden Kosten tragen
könne, die Kostenübernahme durch Dritte nicht in Betracht kam und die Klägerin selbst
schon aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage war, gegenüber dem IKRK die spätere
Begleichung der Kosten zuzusichern.
1. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 5 Abs. 1 S. 1 KG
im Sinne einer fürsorgerechtlichen Vorschrift allein dazu bestimmt sei, wirtschaftliche
Notlagen zu beheben. Wenngleich konsularischer Hilfe nach § 5 KG in einer Vielzahl von
Fällen die Aufgabe zukommen mag, einen im Konsularbezirk plötzlich eingetretenen
vorübergehenden finanziellen Engpass von deutschen Staatsangehörigen zu
überwinden, beschränkt sich der Anwendungsbereich der Norm nicht hierauf. Vielmehr
hat § 5 Abs. 1 KG einen weiter reichenden Anwendungsbereich und ermöglicht es,
Deutschen, die im Konsularbezirk in unterschiedlich geartete Notlagen geraten sind,
Hilfe zu gewähren. Der Vorschrift hat die Funktion, die in § 1 KG allgemein formulierte
konsularische Aufgabe der Beistandsgewährung zu konkretisieren und dabei einer
gegebenenfalls aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden
staatlichen Schutzpflicht Rechnung zu tragen.
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a) Der Wortlaut von § 5 Abs. 1 S. 1 KG rechtfertigt nicht die vom Verwaltungsgericht
vorgenommene Einengung des Anwendungsbereich der Vorschrift auf finanzielle
Engpässe. Er fordert lediglich eine Notlage des hilfsbedürftigen Deutschen, die eine
Hilfeleistung der Konsularbeamten erforderlich macht. Zu Ursprung und Art der Notlage
äußert sich die allgemein gehaltene Formulierung des § 5 Abs. 1 S. 1 KG nicht.
§ 5 Abs. 3 S. 1 KG, wonach sich Art, Form und Maß der Hilfe nach den besonderen
Verhältnissen im Empfängerstaat unter Berücksichtigung der notwendigen
Lebensbedürfnisse eines dort lebenden Deutschen richten, zwingt ebenfalls nicht dazu,
den Begriff der Hilfsbedürftigkeit auf wirtschaftliche Notlagen zu beschränken. Mit dieser
Vorschrift soll lediglich sichergestellt werden, dass der Hilfesuchende nicht durch eine zu
knappe Bemessung der Hilfeleistung unter den für Deutsche im Empfangsstaat noch
angemessenen Lebensstandard hinunter gedrückt wird (vgl. Begr. RegE KG, BT-Drs.
7/131, S. 20). Zwar wird die Hilfe oftmals darin bestehen, dass dem Betroffenen durch
die Gewährung von Geld oder Sachleistungen über eine augenblickliche finanzielle
Notlage hinweggeholfen wird, wie in dem Beispielsfall eines Auslandsurlaubers, dem
Ausweispapiere, Scheckkarten und sämtliches Bargeld gestohlen wurden. In anderen
Fällen wird jedoch eine Hingabe von Geld oder Sachwerten nicht genügen, sondern eine
persönliche Betreuung des Hilfesuchenden notwendig sein. Diese kann u.a. darin
bestehen, dass der Konsularbeamte den Hilfesuchenden berät, ihm die Möglichkeit gibt,
mit seinen Angehörigen Kontakt aufzunehmen und für ihn Tätigkeiten übernimmt, die
dieser nicht oder nur schwer selbst ausüben kann, wie etwa die Vermittlung eines Arztes,
der Aufnahme in einem Krankenhaus oder einer Rückreisemöglichkeit (vgl. Hoffmann,
Konsularrecht, § 5 KG, Rdnr. 3.2.1). Ferner kann gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 KG die Hilfe auch
in der Gewährung von Rechtsschutz bestehen. Dies muss nicht unbedingt bedeuten,
dass die Kosten eines Rechtsbeistands übernommen werden; vielmehr kann
Rechtsschutz auch durch Handlungen des Konsularbeamten selbst gewährt werden. So
kommt beispielsweise eine persönliche Vorsprache und Vermittlung des
Konsularbeamten bei der örtlichen Polizeibehörde, einer anderen Amtsstelle oder bei
einem Gericht im Konsularbezirk in Betracht. Auch ist denkbar, dass der
Konsularbeamte bei dieser Gelegenheit dolmetscht oder beispielsweise den gegen einen
Deutschen geführten Strafprozess beobachtet (vgl. Hoffmann, Konsularrecht, § 5 KG,
Rdnr. 3.6 - 3.6.5).
Auch der Gebrauch des Begriffs der Hilfe in § 6 Abs. 1 S. 1 KG spricht gegen die
Auffassung, dass § 5 Abs. 1 S. 1 KG lediglich die Überwindung vorübergehender
wirtschaftlicher Notlagen ermöglichen will. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 KG sollen die
Konsularbeamten die erforderlichen Maßnahmen treffen, um den Geschädigten oder
den Bedrohten, soweit sie Deutsche sind, Hilfe und Schutz zu gewähren, wenn im
Konsularbezirk Naturkatastrophen, kriegerische oder revolutionäre Verwicklungen oder
vergleichbare Ereignisse, die der Bevölkerung oder Teilen von ihnen Schaden zufügen,
eintreten oder einzutreten drohen. Die danach erforderlichen Maßnahmen können sehr
verschiedenartig sein und zum Beispiel in der Gewährung von Obdach, Speisungen, aber
auch der Eröffnung von Möglichkeiten zum Verlassen des Landes oder des betroffenen
Gebietes (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum Konsulargesetz, BT-Drs. 7/131,
S. 21), oder etwa der Unterrichtung der Angehörigen sowie gegebenenfalls der
Sicherstellung der notwendigen ärztlichen Behandlung bestehen. Solche in
Katastrophenfällen typischen Hilfeleistungen dienen gerade nicht nur der Überwindung
vorübergehender wirtschaftlicher Notlagen und lassen sich im Übrigen auch nicht
durchweg als Gewährung von Schutz subsumieren. Wird der Begriff der Hilfe in § 6 Abs. 1
S. 1 KG aber in einem Sinne gebraucht, der über soziale Hilfeleistungen deutlich
hinausgeht, so liegt es nahe, denselben Begriff in § 5 Abs. 1 S. 1 KG im gleichen Sinne
zu verstehen, zumal die Hilfe in Katastrophenfällen nach § 6 KG ebenso wie die nach § 5
KG erbrachte Hilfeleistung an Einzelne Ausfluss der allgemeinen konsularischen Schutz-
und Beistandspflicht des § 1 KG (vgl. Hoffmann, a.a.O., § 6 KG, Rdnr. 1.1) und, soweit es
um die Abwehr von Gesundheits- oder Lebensgefahren geht, der staatlichen
Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Satz 2 GG ist.
b) Die Entstehungsgeschichte des § 5 KG zwingt ebenfalls nicht zu einem engen, auf die
Überwindung sozialer Notlagen beschränkten Verständnis des Begriffs der Hilfe.
aa) § 5 KG ersetzte § 26 des Gesetzes, betreffend die Organisation der
Bundeskonsulate, sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln vom 8.
November 1867 (Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes, S. 137), der unter
anderem bestimmte, dass hilfsbedürftigen Bundesangehörigen die Mittel zur Milderung
augenblicklicher Not zu gewähren seien. Diese Norm wurde schon in der Begründung
des ersten Entwurfs eines Konsulargesetzes (BR-Drs. 404/64, S. 25) als eine in der Praxis
nicht mehr hinreichende Rechtsgrundlage für die zahlreichen und vielfältigen
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nicht mehr hinreichende Rechtsgrundlage für die zahlreichen und vielfältigen
Unterstützungsfälle angesehen, die täglich an die deutschen Auslandsvertretungen
herangetragen wurden. Zu dem § 5 Abs. 1 Satz 1 KG im Wesentlichen entsprechenden §
17 Abs. 1 Satz 1 KG der Entwurfsfassung von 1964 heißt es in der Begründung, die Norm
bilde nunmehr die gesetzliche Grundlage in allen Fällen, in denen ein Deutscher sich in
irgendeiner Notlage an die Auslandsvertretung um Hilfe wende. Auch das spricht für ein
weites Verständnis der Vorschrift im Sinne einer (nicht auf wirtschaftliche Notlagen
beschränkten) Gewährung vorübergehender Hilfen in Einzelfällen.
bb) Zwar kam der Neufassung auch die Funktion zu, die Konkurrenz zwischen der
konsularischen Hilfe und der Gewährung von Sozialhilfe an Deutsche im Ausland zu
regeln. Denn mit dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes vom 30. Juni 1961
(BGBl. I S. 815) existierte nunmehr eine weitere, die Notlage von Deutschen im Ausland
betreffende Bestimmung. § 119 BSHG regelte die Gewährung von Sozialhilfe an
Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatten und im Ausland der Hilfe
bedurften. Da die Gewährung von Sozialhilfe nach dem BSHG prinzipiell nachrangig war,
wäre § 119 BSHG neben § 26 Konsulargesetz alter Fassung nicht zur Anwendung
gelangt. Diese Anspruchskonkurrenz hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 6 KG dahin gelöst,
dass Hilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz rückwirkend zu gewähren ist, wenn die
Notlage des Hilfeempfängers mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland länger als zwei
Monate andauert. In diesem Fall wurden die bereits erbrachten Leistungen der
Konsularbeamten nachträglich umgewandelt in Vorschusszahlungen auf die nach dem
Bundessozialhilfegesetz zu gewährenden Leistungen (vgl. Begr. RegE KG, BT-Drs. 7/131,
S. 21). Um die Konkurrenz von konsularischer Hilfe und Sozialhilfe möglichst eindeutig zu
regeln, wurde auf eine Übernahme des auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffs der
„augenblicklichen“ Not verzichtet und § 5 KG terminologisch und systematisch § 119
BSHG angepasst (Begr. RegE KG, a.a.O., S. 18 ff.).
Dies rechtfertigt es allerdings nicht, § 5 KG insgesamt als Regelung einer öffentlich-
rechtlichen Sozialleistung anzusehen. Konsularische Hilfe und Sozialhilfe stellen nämlich
keine in jeder Hinsicht vergleichbaren Leistungen dar, die einander lediglich in zeitlicher
Hinsicht ergänzen würden. Zum einen tritt eine Konkurrenzsituation zwischen
Konsularhilfe und Sozialhilfe überhaupt nur auf, soweit hilfsbedürftige Deutsche ihren
gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben (vgl. bereits Begründung des Entwurfs von
1964, BR-Drs. 404/64, S. 26, 27). Darüber hinaus begründet § 24 Abs. 1 SGB XII die
Gewährung von Sozialhilfe an Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland
ohnehin nur in Ausnahmefällen, nämlich dann, wenn ihnen eine Rückkehr ins Inland aus
bestimmten, im Einzelnen aufgezählten Gründen nicht möglich ist. Anderenfalls ist der
Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland darauf angewiesen, nach
Deutschland zurückzukehren und sich in das hier geltende System des Sozialhilferechts
einzugliedern. Ist ihm diese Rückkehr aus eigenen Mitteln nicht möglich, kann hierfür
wiederum konsularische Hilfe gewährt werden (§ 5 Abs. 4, Abs. 6 S. 2 KG). Zum anderen
unterscheidet sich die Gewährung konsularischer Hilfe, auch wenn sie lediglich der
Überwindung eines finanziellen Engpasses dient, schon aufgrund der in § 5 Abs. 5 KG
vorgesehenen Erstattungspflicht von den regulären Sozialhilfeleistungen, die
grundsätzlich als nicht rückzahlpflichtige öffentliche Hilfeleistung und nur ausnahmsweise
nach § 38 SGB XII als Darlehen gewährt wird.
c) Auch das aus § 6 Abs. 2 S. 1 KG hergeleitete gesetzessystematische Argument des
Verwaltungsgerichts rechtfertigt nicht die von ihm angenommene enge Auslegung des §
5 Abs. 1 KG. Dessen Annahme, dass es der Regelung einer entsprechenden Anwendung
von § 5 Abs. 5 KG in § 6 Abs. 2 S. 1 KG nicht bedurft hätte, wenn es sich bei der Hilfe
nach § 6 KG um einen Unterfall das § 5 KG handeln würde, vernachlässigt nämlich, dass
§ 5 KG und § 6 KG schon im Hinblick auf die Anzahl der von der jeweiligen Notlage
betroffenen Menschen unterschiedliche, einander ergänzende Regelungen darstellen.
d) Schließlich spricht für eine weite Auslegung des Begriffs der konsularischen Hilfe im
Sinne von § 5 KG wesentlich, dass hiermit die in § 1 KG allgemein beschriebene
konsularische Aufgabe, Deutschen sowie inländischen juristischen Personen nach
pflichtgemäßem Ermessen Rat und Beistand zu gewähren, konkretisiert wird. Schon in
der Gesetzesbegründung zu § 1 KG wird betont, dass der Auslandsbeamte bei der
Gewährung von Rat und Beistand auf die verschiedensten Umstände Rücksicht zu
nehmen hat und ihm hierzu in allen Fällen der notwendige Spielraum verbleiben muss
(BT-Drs. 7/131, S. 12). Auch würde eine nicht zu erklärende Regelungslücke auftreten,
wenn § 6 KG, der ebenfalls der Konkretisierung der allgemeinen Beistandspflicht des § 1
KG dient, in Katastrophenfällen, von denen eine Vielzahl von Menschen betroffen wird,
unbeschränkt "die erforderlichen Maßnahmen" vorsieht, in einer vergleichbaren
Notsituation, von der nur einzelne Menschen betroffen werden, die in § 5 KG geregelte
Hilfeleistung aber auf die Überwindung finanzieller Engpässe beschränkt wäre. Zu
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Hilfeleistung aber auf die Überwindung finanzieller Engpässe beschränkt wäre. Zu
denken ist insoweit etwa an Such- und Bergungsaktionen im Ausland verunglückter oder
vermisster Deutscher, deren Kosten der Bundeshaushaltsplan in Kapitel 0502 Titel
68601 zudem ausdrücklich erfasst (abgedruckt bei Hoffmann, Konsularrecht,
Vorbemerkung zu § 5 KG, Anm. 1.2 und 1.5).
2. Im Übrigen dürfte eine Hilfeleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 KG im Fall der
Klägerin auch dann zu bejahen sein, wenn diese Vorschrift lediglich auf die Überwindung
(vorübergehender) wirtschaftlicher Notlagen zugeschnitten wäre. Denn die von der
deutschen Botschaft in Bogotá nach Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt gegenüber
dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes erklärte Bereitschaft, die Hälfte der
Kosten des Hubschraubereinsatzes zu übernehmen, war der Sache nach eine auch der
Klägerin zugute gekommene wirtschaftliche Hilfe. Wäre die Klägerin in der Lage gewesen,
gegenüber dem IKRK eine entsprechende Erklärung abzugeben, wäre dieses mutmaßlich
ebenso bereit gewesen, den Hubschraubereinsatz zu organisieren. Die nach außen
durch die Auslandsvertretung erbrachte Hilfeleistung bestand insoweit nicht in dem hier
in Rede stehenden Teil der Rettungsaktion, nämlich der Abholung der Klägerin und der
weiteren Geisel mittels des Hubschraubers, sondern vielmehr in der Bereitschaft, diesen
Teil der Rettungsaktion mitzufinanzieren.
3. Auch die weiteren vom Verwaltungsgericht herausgehobenen Besonderheiten des
Falls stehen einer Qualifizierung der Kostenübernahmeerklärung als konsularischer Hilfe
nicht entgegen.
a) Es kommt nicht darauf an, ob der von der Beklagten mitfinanzierte private
Hubschraubereinsatz selbst zu den "politischen" Gegenleistungen für die Freilassung der
Klägerin zählte und damit Teil einer an sich dem kolumbianischen Staat obliegenden
„Befreiungsaktion“ war. All dies würde nämlich nichts daran ändern, dass die anteilige
Kostenübernahmeerklärung der Beklagten gegenüber dem IKRK unmittelbar zu Gunsten
der Klägerin wirkte und allein der Beendigung ihrer Notlage galt. Ebenso wenig kommt es
darauf an, dass der Hubschraubereinsatz gleichzeitig dem Transport der Delegation
diente, deren Anwesenheit bei der Übergabe von den Entführern verlangt worden war.
Gerade weil die Entführer dies gefordert hatten, handelte es sich um eine notwendige
Maßnahme, um die Notlage der Klägerin zu beenden.
b) Der Annahme einer konsularischen Tätigkeit lässt sich ferner nicht entgegenhalten,
dass bei der Organisation der Befreiung der Klägerin neben den Angehörigen der
Auslandsvertretung maßgebend die Zentrale des Auswärtigen Amtes mitgewirkt hat.
Gemäß § 2 des Gesetzes über den auswärtigen Dienst - GAD - sind die
Auslandsvertretungen und das Auswärtige Amt Teile einer einheitlichen Bundesbehörde.
Dabei bedarf es keiner weiteren Erläuterung, dass die Auslandsvertretungen, zumal
wenn es um den Einsatz nicht unerheblicher Haushaltsmittel geht, gegenüber der
Zentrale des Auswärtigen Amtes weisungsgebunden sind und mit dieser organisatorisch
zusammenwirken. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass beispielsweise die
Organisation der Hilfe in Katastrophenfällen nach § 6 KG regelmäßig eine komplexe
Aufgabe darstellt, die ohne eine maßgebliche Beteiligung der Zentrale des Auswärtigen
Amtes allein durch die Auslandsvertretung nicht zu leisten ist. Bei der Gewährung von
Hilfe nach § 6 KG kann es aber ebenfalls nicht in Zweifel stehen, dass es sich um eine
konsularische Tätigkeit handelt.
c) Weiterhin würde es der Qualifizierung der in Rede stehenden
Kostenübernahmeerklärung der Beklagten als konsularische Tätigkeit nicht
entgegenstehen, wenn diese aufgrund der Komplexität des Gesamtvorgangs
gleichzeitig, wie das Verwaltungsgericht dies angenommen hat, „Implikationen“
diplomatischen Schutzes aufweisen würde. Die Gewährung diplomatischen Schutzes ist
regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass der deutsche Staat die Interessen seiner
Staatsangehörigen gegenüber einem anderen Staat geltend macht. Abgesehen davon,
dass eine solche Tätigkeit jedenfalls nicht im Zentrum der Bemühungen der Beklagten
um die Freilassung der Klägerin gestanden haben dürfte, schließt das Konsulargesetz es
gerade nicht aus, dass die Konsularbeamten gegenüber den staatlichen Stellen des
Gastlandes die Interessen deutscher Staatsangehöriger vertreten. Das folgt bereits aus
§ 1 KG, wonach die Konsularbeamten unter anderem dazu berufen sind, bei der
Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Empfangsstaat
mitzuwirken.
d) Auch lässt sich der Einordnung der Kostenübernahmeerklärung als konsularische
Handlung nicht entgegenhalten, dass die mit ihr ermöglichte Befreiungsaktion auf dem
Territorium eines fremden Staates stattfand, dessen Billigung bedurfte und sich insoweit
von den vollständig oder weitgehend im Botschaftsgebäude zu vollziehenden
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von den vollständig oder weitgehend im Botschaftsgebäude zu vollziehenden
konsularischen Alltagsgeschäften unterschied. Dass konsularische Handlungen auch
außerhalb des Botschaftsgeländes vorgenommen werden können, ergibt sich mittelbar
schon aus § 4 KG, der bestimmt, dass die Konsularbeamten bei ihrer Amtstätigkeit die
Schranken zu berücksichtigen haben, die sich aus dem in ihrem Konsularbezirk
geltenden Recht ergeben.
e) Schließlich greift der vom Verwaltungsgericht gezogene Vergleich mit der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 46, 160, 165 - Fall Schleyer)
vorliegend nicht. Das Argument, es handele sich um einen Bereich des Unnormierbaren,
trifft den vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil der Begriff der erforderlichen Hilfe in
§ 5 Abs. 1 KG ohnehin offen formuliert ist und für Straftäter, wie die Entführer der
Klägerin, von vornherein nicht zu einer Berechenbarkeit konsularischen Handelns des
deutschen Staats führt.
B. Die angeführten Ermächtigungsgrundlagen tragen den angegriffenen Bescheid auch
auf Rechtsfolgenseite.
1. Aus § 5 Abs. 5 S. 1 KG ergibt sich, dass die Klägerin dem Grunde nach materiell-
rechtlich verpflichtet ist, den von der Beklagten verauslagten Teil der Kosten des
Hubschraubereinsatzes zu erstatten.
Es kann dahinstehen, ob § 5 Abs. 5 KG gleichzeitig eine gesetzliche Grundlage bildet, um
den Auslagenersatzanspruch durch Leistungsbescheid geltend zu machen. Dem
Wortlaut der Vorschrift ist eine solche Ermächtigung nicht zu entnehmen. Er regelt
lediglich die materiell-rechtliche Erstattungspflicht, besagt aber nichts darüber, auf
welchem Wege ein entsprechender Anspruch geltend zu machen und gegebenenfalls
zwangsweise durchzusetzen ist. Der Gesetzesbegründung ist allerdings zu entnehmen,
dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handelt. Während sich die Hingabe
der Geldmittel nach der bis dahin bestehenden Praxis in den Formen der
Darlehensgewährung vollzogen hatte, der Anspruch auf Rückzahlung also als
privatrechtliche Forderung aufgefasst worden war, sollte sie in Zukunft dem
hoheitsrechtlichen Charakter der Hilfegewährung entsprechend als Forderung des
öffentlichen Rechts behandelt werden. Dies habe erhebliche praktische Vorteile, denn es
erleichtere die Formalitäten bei der Gewährung der Hilfe, und für die gegebenenfalls
notwendige Beitreibung der Forderung auf Rückzahlung stehe dann der Weg des
Verwaltungszwangsverfahrens zur Verfügung (BT-Drs. 7/131, S. 20). Der Hinweis auf die
Möglichkeit der Verwaltungsvollstreckung des Ersatzanspruchs könnte darauf hindeuten,
dass der Gesetzgeber gleichzeitig davon ausgegangen ist, die Forderung könne durch
Verwaltungsakt, also durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden. Denn gemäß §
3 Abs. 2 c lit. a des bei Erlass des Konsulargesetzes vom 1. September 1974 bereits in
Kraft befindlichen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes gehört der Erlass
eines Leistungsbescheides, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden
ist, zu den Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung von öffentlich-
rechtlichen Geldforderungen.
2. Die Befugnis zum Erlass eines Kostenbescheides (VA-Befugnis) ergibt sich aber
jedenfalls aus § 25 KG i.V.m. §§ 1, 7, 14 AKostG. Gemäß § 25 KG werden für
konsularische Amtshandlungen Kosten (Gebühren und Auslagen) nach besonderer
gesetzlicher Regelung erhoben. Dass Auslandskosten durch Verwaltungsakt erhoben
werden, folgt jedenfalls aus § 14 AKostG, wonach die Kosten von Amts wegen
festgesetzt werden (vgl. von Dreising, Verwaltungskostengesetz, 1971, § 22, Anm. 1).
Gemäß § 1 Abs. 1 AKostG werden für Amtshandlungen nach §§ 1 bis 17 KG von den
Auslandsvertretungen und den Honorarkonsularbeamten Kosten (Gebühren und
Auslagen) erhoben. Hieran anknüpfend regelt § 7 Abs. 1 AKostG, dass Auslagen der
Auslandsvertretungen und der Honorarkonsularbeamten, die im Zusammenhang mit
den in § 1 Abs. 1 AKostG genannten Amtshandlungen entstehen, zu erstatten sind.
a) Bei den in Rede stehenden Kosten handelt es sich um Auslagen im Sinne von § 1 Abs.
1, § 7 Abs. 1 AKostG. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass diese Vorschriften
auch Auslagen im Sinne von § 5 Abs. 5 KG erfassen. Zu § 7 Abs. 1 AKostG heißt es in
der Begründung des Regierungsentwurfs, die allgemeine Auslagenerstattungspflicht im
Ausland habe ihren Grund darin, dass der Tätigkeitsbereich der Auslandsvertretungen zu
vielfältig sei, um die einzelnen möglichen Auslagenarten enumerativ zu nennen.
Insbesondere die Tätigkeiten, die aus den §§ 5 bis 7 KG (Hilfeleistungen an Einzelne, in
Katastrophenfällen und für Gefangene) anfallen können, zählten hierzu (BT-Drs. 8/176,
S. 8,9; vgl. auch Bericht des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen, BT-Drs. 8/1160).
Der Senat teilt deshalb nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 5 Abs. 5 KG
einen anderen Auslagenbegriff als das Auslandskostengesetz verwende, weil als
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einen anderen Auslagenbegriff als das Auslandskostengesetz verwende, weil als
Hilfeleistung verstandene Auslagen Teil der eigentlichen Sachentscheidung seien, so
dass sich die Ersatzpflicht nicht noch zusätzlich - "konkurrierend" mit § 5 Abs. 5 KG -
nach §§ 7, 13 AKostG richte (vgl. VG Berlin, Urteil vom 20. April 2005 - VG 14 A 230.00 -).
b) Wie bereits dargelegt worden ist, fehlt es auch nicht an einer Amtshandlung der
Auslandsvertretung im Sinne von § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 AKostG. Die Bereitschaft der
Beklagten, die Kosten des Hubschraubereinsatzes anteilig zu übernehmen, geht zwar
auf eine Entscheidung der Zentrale des Auswärtigen Amtes zurück, wurde aber
unstreitig von der deutsche Botschaft in Bogotá gegenüber dem IKRK erklärt. Folglich
handelt es sich bei der Zustimmung der Zentrale um einen behördeninternen
Vorbereitungsakt, wohingegen die Erklärung der Auslandsvertretung Außenwirkung
entfaltet und als Hilfeleistung nach § 5 Abs. 1 S. 1 KG im Konsularbezirk gewirkt hat.
Amtshandlungen des Auswärtigen Amtes im Sinne von § 7 Abs. 2 AKostG sind solche,
die unmittelbare Außenwirkung entfalten, was hier nicht der Fall war.
c) Der Anwendung des § 7 Abs. 1 AKostG steht auch nicht entgegen, dass nach § 1 Abs.
1 AKostG die Kosten von den Auslandsvertretungen erhoben werden, während der
angefochtene Bescheid durch das Auswärtige Amt erlassen wurde. Denn § 1 Abs. 1
AKostG enthält keine Zuständigkeitsbestimmung, sondern regelt, wie bereits seiner
Überschrift zu entnehmen ist, lediglich den Anwendungsbereich des Gesetzes. Dies zeigt
auch der Vergleich mit § 1 Abs. 2 AKostG. Gegenstand der beiden Absätze ist lediglich
die Unterscheidung zwischen den Kosten für die Amtshandlungen der
Auslandsvertretungen nach §§ 1 bis 17 KG einerseits und den Amtshandlungen des
Auswärtigen Amtes andererseits. Gläubiger der Kosten beider gem. § 2 GAD eine
einheitliche Bundesbehörde bildender Stellen ist gem. § 12 Abs. 1 AKostG die
Bundesrepublik Deutschland.
3. Der angefochtene Bescheid ist auch nicht wegen der Höhe des geltend gemachten
Auslagenersatzes zu beanstanden.
a) Der Beklagten sind die genannten Auslagen in voller Höhe entstanden. Sie wären
auch nicht teilweise zu vermeiden gewesen, wenn die Klägerin den Hubschrauber bereits
in Valledupar verlassen hätte, denn der in Bogotá gecharterte Hubschrauber hatte
ohnehin zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren. Vielmehr wären der Klägerin durch
den zusätzlichen Inlandsflug, den sie privat hätte organisieren müssen, weitere Kosten
entstanden.
b) Anders als § 6 Abs. 2 KG, stellt § 5 Abs. 5 KG die Geltendmachung des
Auslagenersatzes nicht in das behördliche Ermessen. Zwar können gemäß § 10 Abs. 1
S. 1 AKostG der Bundesminister des Auswärtigen, die Leiter der Auslandsvertretungen
und die Honorarkonsularbeamten nach Lage des Einzelfalles von der Erhebung der
Kosten ganz oder teilweise absehen, wenn sich der Kostenschuldner in einer
wirtschaftlichen Notlage befindet oder die Kosten für eine wegen einer Notlage
erforderlich gewordenen Amtshandlung eine besondere Härte darstellt. Diese
Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.
aa) Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin in einer wirtschaftlichen Notlage befand,
die der Beklagten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AKostG hätte Anlass geben können, auf die
Kostenforderung ganz oder teilweise zu verzichten. Die Klägerin verfügte über geregeltes
Arbeitseinkommen. Sie hat in ihrer Klagebegründung selbst vorgetragen, als angestellte
... zu arbeiten und … ein monatliches Nettogehalt von … €, zu erzielen. Hinzu kommt,
dass die Klägerin für ein Interview mit einer Illustrierten, in dem sie über die Zeit ihrer
Geiselhaft berichtete, ein … Honorar erhalten hat, mit dem sie jedenfalls einen … Teil
der Forderung hätte erfüllen können. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Geltendmachung
der Forderung für die Klägerin zu einer Existenzgefährdung hätte führen können.
Während ihrer telefonischen Anhörung am 22. Januar 2004 hatte sie zwar angegeben,
zurzeit Schulden von circa … € zu haben, gleichwohl insoweit aber lediglich geäußert, sie
werde das Geld wahrscheinlich nicht sofort zahlen können. In Anbetracht dessen ist es
nicht zu beanstanden, die Klägerin für den Fall, dass die sofortige Einziehung mit
erheblichen Härten verbunden sein sollte, darauf zu verweisen, gegebenenfalls gemäß §
19 AKostG i.V.m. § 59 Abs. 1 Nr. 1 BHO eine Stundung der Forderung oder eine
ratenweise Tilgung zu beantragen.
bb) Die Geltendmachung der Kosten führt für die Klägerin auch nicht zu einer
besonderen Härte im Sinne der zweiten Alternative von § 10 Abs. 1 AKostG.
Insbesondere ist es nicht unangemessen, die Klägerin anstelle der Allgemeinheit mit den
in Rede stehenden Kosten zu belasten. Zum einen war die Kostenübernahmeerklärung
der Beklagten gegenüber dem IKRK für die Klägerin von kaum zu überschätzendem
Wert, denn sie hat im Ergebnis ihre Freilassung aus der Geiselhaft ermöglicht und sich
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Wert, denn sie hat im Ergebnis ihre Freilassung aus der Geiselhaft ermöglicht und sich
damit für die Klägerin möglicherweise sogar lebensrettend ausgewirkt. Zum anderen
haben die Bemühungen der Beklagten, die Freilassung der Klägerin zu erreichen,
ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Kostenaufstellungen für die
Beklagte zu Gesamtkosten in Höhe von circa 39.000 € geführt, mit denen die Klägerin
im Endeffekt nur zu einem verhältnismäßig geringen Teil belastet wird. Schließlich kann
bei der Würdigung der Frage, ob die Kostenerhebung sich für die Klägerin als besondere
Härte darstellt, nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin die
Trekkingtour in Kolumbien ungeachtet für sie erkennbarer Gefahren unternommen hat
und damit ein vermeidbares Risiko eingegangen ist.
cc) Im Übrigen hat die Beklagte die wirtschaftliche Situation der Klägerin ebenso wie die
die Belastungen, denen sie während und infolge der Geiselnahme ausgesetzt gewesen
ist, im angefochtenen Bescheid berücksichtigt und hätte damit - bei Annahme der
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 AKostG - ihr Ermessen jedenfalls
rechtsfehlerfrei ausgeübt, zumal der weit überwiegende Teil der ihr im Zuge ihrer
Bemühungen um die Freilassung der Klägerin entstandenen Kosten außer Ansatz
geblieben ist.
c) Die Heranziehung der Klägerin zur Erstattung der in Rede stehenden Auslagen
verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Abgesehen davon, dass ein solcher Verstoß überhaupt nur insoweit in Betracht kommen
würde, wie die Entscheidung über die Kostenerhebung im Ermessen der Beklagten steht,
hat diese nachvollziehbar dargelegt, auch in anderen Geiselfällen jeweils diejenigen
Kosten erstattet verlangt zu haben, die den freigelassenen Geiseln unmittelbar zugute
gekommen waren. Die Umstände von Entführungsfällen, der Umfang der erforderlichen
Bemühungen der Beklagten zur Freilassung der Betroffenen und damit einhergehend die
Höhe der bezifferbaren, individuell zurechenbaren Kosten sind aber naturgemäß höchst
unterschiedlich.
4. Schließlich leidet der angefochtene Bescheid nicht an einem durchgreifenden
Anhörungsmangel. § 28 Abs. 1 VwVfG fordert vor Erlass eines belastenden
Verwaltungsakts, dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu den für die
Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies ist hier in der Form eines
Telefonats geschehen. § 28 VwVfG schreibt für die Anhörung keine besondere Form vor;
sie kann u.a. auch fernmündlich vorgenommen werden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8.
Aufl., § 28, Rdnr. 39). Der Klägerin ist am 22. Januar 2004 fernmündlich mitgeteilt
worden, dass beabsichtigt sei, sie durch Leistungsbescheid in Höhe der anteiligen
Kosten von 12.640,05 € für die Anmietung des Hubschraubers in Anspruch zu nehmen.
Nach dem über dieses Telefonat gefertigten Vermerk, an dessen inhaltlicher Richtigkeit
zu zweifeln kein Anlass besteht, habe sie sich einverstanden gezeigt, zumindest nicht
ausdrücklich widersprochen und lediglich geltend gemacht, Verdienstausfall erlitten und
Schulden von ca. … € zu haben, weshalb sie das Geld wahrscheinlich nicht sofort zahlen
könne. Damit hat die Klägerin die ihr eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme
sogleich wahrgenommen. Sie hat weder eine ergänzende Stellungnahme angekündigt
noch auch nur eine weitere Äußerungsfrist erbeten. Schließlich hat die Beklagte das
telefonisch geäußerte Vorbringen der Klägerin inhaltlich zur Kenntnis genommen und
gewürdigt. In der Staatsekretärsvorlage vom 12. Januar 2004, mit der auf das Erfordernis
der Anhörung hingewiesen wurde, heißt es ausdrücklich, der im Entwurf vorliegende
Bescheid würde gegebenenfalls im Lichte der Anhörung zur rechtmäßigen Ausübung des
Ermessens modifiziert und im Falle einer wesentlichen Änderung erneut vorgelegt.
Letzteres ist auf der Grundlage des Ergebnisses der telefonischen Anhörung in rechtlich
nicht zu beanstandender Weise verneint worden.
Im Übrigen wäre ein etwaiger Anhörungsmangel gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich, weil
der Beklagten bei der Geltendmachung der streitigen Auslagen kein Ermessen zustand.
Er wäre hiervon abgesehen auch geheilt worden. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG
kann die Anhörung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Die Klägerin hatte während des
erst- und auch noch während des zweitinstanzlichen Verwaltungsstreitverfahrens
ausreichend Gelegenheit, zum angefochtenen Bescheid Stellung zu nehmen und hat
hiervon auch wiederholt Gebrauch gemacht. Die Beklagte ist auf die Stellungnahmen der
Klägerin jeweils inhaltlich eingegangen und hat ihre Ermessensausübung der Sache nach
nicht nur als rechtsfehlerfrei, sondern auch als richtig verteidigt.
Die Kostenentscheidung ist nach § 154 Abs. 1 VwGO für beide Rechtszüge zu Lasten der
Klägerin zu treffen. Das Urteil ist wegen der Kosten gemäß § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr.
10, § 711 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
51 Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, um die
bislang fehlende und für weitere Fälle bedeutsame höchstrichterliche Klärung zu
erreichen, ob die Vorschriften des Konsulargesetzes i.V.m. denen des
Auslandskostengesetzes es der Beklagten ermöglichen, in den Fällen einer Entführung
Deutscher im Ausland die für die Befreiung aus der Geiselhaft aufgewendete Auslagen
durch Leistungsbescheid geltend zu machen.
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