Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 29.04.2009

OVG Berlin-Brandenburg: bekanntgabe, umwandlung, firma, nichtigkeit, verschulden, gesellschafter, zustellung, ausnahme, rechtsnachfolger, vertreter

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 9.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 9 N 45.09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 191 AO, § 128 HGB, § 2
UmwG, § 122 AO
Haftungsinanspruchnahme von Gesamtschuldnern;
Bekanntgabe von Steuerbescheiden bei nicht bloß
formwechselnder Umwandlung
Tenor
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Potsdam vom 29. April 2009 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Kläger.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 17 745,67 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Wird die Berufung nicht in dem
Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats
nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen (§ 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO).
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe
darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Die
Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist
und vorliegt (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Danach ist die Berufung hier nicht zuzulassen. Ausgangspunkt der Prüfung, ob
Berufungszulassungsgründe vorliegen (§ 124 Abs. 2 VwGO), sind allein die fristgerechten
Darlegungen der Rechtsmittelführer (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die
Darlegungen der Rechtsmittelführer wecken keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit
des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtsmittelführer haben keinen tragenden
Rechtssatz oder keine erhebliche Tatsachenfeststellung in der Weise schlüssig
angegriffen, dass ein Erfolg der Berufung wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dies gilt
zum einen für die Überprüfungen der Ermessenserwägungen (1), des Weiteren für die
Ausführungen zur Bekanntgabe insbesondere der Steuermessbescheide (2).
1. Zunächst rügen die Rechtsmittelführer, das Verwaltungsgericht habe die im
Widerspruchsbescheid des Beklagten angestellten Ermessenserwägungen hinsichtlich
der Auswahl der Haftungsschuldner nicht in dem gebotenen Umfang auf
Ermessensfehler hin überprüft. Insbesondere habe das Verwaltungsgericht eine Prüfung
dahingehend unterlassen, ob der Beklagte in ausreichendem Umfang die
Rechtsmittelführer entlastende Umstände im Rahmen seiner Ermessenserwägungen
berücksichtigt hat. So seien im Widerspruchsbescheid und im erstinstanzlichen Urteil
keine Ausführungen über bereits erfolgte Zahlungen des Rechtsvorgängers der
Rechtsmittelführer oder über interne Absprachen zwischen den Gesellschaftern der
vormaligen GbR noch über deren Verschuldensanteil an der Nichtbegleichung der
Steuerschuld enthalten.
Entgegen diesen Ausführungen erweist sich die Überprüfung des Ermessens seitens des
Verwaltungsgerichts als nicht rechtsfehlerhaft. Der Beklagte hat nicht verkannt, dass der
Rechtsvorgänger der Rechtsmittelführer bereits bestimmte Zahlungen geleistet hat,
sondern nimmt die Rechtsmittelführer wegen weiterer Forderungen in Haftung. Insoweit
wird im Urteil zu Recht darauf verwiesen, es reiche hin, wenn der Steuergläubiger die
Befriedigung seiner noch offenstehenden Forderungen unter dem Gesichtspunkt der
Zweckmäßigkeit zu erreichen suche, also danach entscheide, wie der Anspruch am
schnellsten und effektivsten durchzusetzen sei. Auch aus der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs, auf die hier wegen der Geltung der Vorschriften der Abgabenordnung
für Haftungsschulden bei der Gewerbesteuer Bezug genommen werden kann, ergibt sich
nichts anderes. Das gilt insbesondere für den von den Rechtsmittelführern zitierten
Beschluss vom 7. Oktober 2004 (VII B 46/04, BFH/NV 2005, 827). In diesem Beschluss
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Beschluss vom 7. Oktober 2004 (VII B 46/04, BFH/NV 2005, 827). In diesem Beschluss
wird - im Gegenteil - darauf hingewiesen, dass es regelmäßig nicht ermessensfehlerhaft
sei, mehrere Personen, die aus dem gleichen Rechtsgrund für eine Steuerschuld
hafteten, nebeneinander auf die Haftungssumme in Anspruch zu nehmen. Soweit der
Beschluss eine Ausnahme von dieser Regel für den Fall erwähnt, dass bei mehreren
Geschäftsführern durch eine klare und eindeutige schriftliche Vereinbarung ein
Geschäftsführer im Innenverhältnis von seiner steuerlichen Verantwortung freigestellt
gewesen sei, bedeutet dies nicht, dass auch einzelne Gesellschafter einer GbR wegen
bestehender interner Abreden steuerlich überhaupt nicht oder nur nachrangig in Haftung
genommen werden dürften oder dass interne Abreden auch nur gesondert zu würdigen
wären. Die in dem Beschluss erwähnte Ausnahme beruht darauf, dass die
Geschäftsführerhaftung für Steuerschulden an ein Verschulden anknüpft und dass ein
entsprechendes Verschulden wegen bestehender interner Abreden fehlen kann; die
verschuldensunabhängige Haftung von GbR-Gesellschaftern analog § 128 HGB wird
indessen durch interne Absprachen nicht berührt (vgl. hierzu auch BFH v. 11. Dezember
2007 – VII B 346/06, BFH/NV 2008, 733).
Übertragen auf die vorliegend zu entscheidende Frage bedeutet dies, dass im Rahmen
der Ermessenserwägungen maßgeblich auf die im Außenverhältnis zwischen den
Gesellschaftern bestehende gesamtschuldnerische Haftung abgestellt werden durfte.
Die gesetzliche Anordnung der Gesamtschuld trägt dem Umstand Rechnung, dass im
Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts jeder Gesellschafter gleichmäßig für
Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften soll. Auf Verursachungs- oder
Verschuldensbeiträge soll es gerade nicht ankommen. Dies führt dazu, dass der
Widerspruchsbescheid keine näheren die interne Vereinbarung würdigenden Erwägungen
enthalten musste. Vielmehr durfte sich der Bescheid maßgeblich von
Effektivitätsgesichtspunkten leiten lassen, denn diese finden ihren Grund in den hier
geltenden Bestimmungen über die Gesamtschuld. Folglich musste auch das
Verwaltungsgericht keine weiteren Überprüfungen vornehmen.
2. Auch die vorgebrachten Zweifel hinsichtlich etwaiger Bekanntgabemängel bei den
Steuermessbescheiden greifen nicht durch. In der Antragsbegründung wird hierzu
ausgeführt, es bestünden Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils,
weil das Verwaltungsgericht die ordnungsgemäße Bekanntgabe der
Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuerbescheide nicht hinreichend problematisiert
habe. Insbesondere seien nämlich die Gewerbesteuermessbescheide aus dem Jahr 2002
für das Streitjahr 2000 noch an die Firma Z. GbR gerichtet gewesen, obwohl in diesem
Zeitpunkt bereits eine Umwandlung zur Z. mbH vorgelegen habe. Die Bekanntgabe an
den Rechtsvorgänger führe zur Unwirksamkeit der Steuermessbescheide und zur
Aufhebbarkeit der darauf fußenden Gewerbesteuerbescheide.
Entgegen dieser Darlegungen war das Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht gehalten,
hier nähere Ausführungen zu machen und vertiefte Überlegungen anzustellen. Die
Gewerbesteuermessbescheide und die darauf fußende Gewerbesteuerfestsetzung sind
wirksam und können daher gemäß § 191 Abs. 5 AO Grundlage der Haftung der
Rechtsmittelführer sein.
Zunächst ist festzustellen, dass weder hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide
aus dem Jahre 2002 noch hinsichtlich des als Haftungsgrundlage herangezogenen
Gewerbesteuerbescheids vom 4. März 2003 aufhebende Entscheidungen der
Finanzbehörden vorliegen. Damit ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung
über die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids an das Vorliegen dieser Bescheide
gebunden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer von den Rechtsmittelführern behaupteten
Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der Gewerbesteuermessbescheide aus dem Jahre 2002.
Wären diese nichtig oder nicht wirksam geworden, so fehlte es in der Tat an einem
Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuerbescheid vom 4. März 2003. Dieser wäre, da
eine Nachholung des Erlasses eines Gewerbesteuermessbescheids für das Jahr 2000
nicht mehr möglich wäre, entsprechend § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzuheben (Loose in
Tipke/Kruse, AO, § 175, Rz. 9).
Eine Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Gewerbesteuermessbescheide aus dem Jahre
2002 ist indes nicht anzunehmen. Zwar trifft es zu, dass als Inhaltsadressat jeweils die
Firma Z. GbR angegeben ist. Dies hindert eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der
Bescheide indes nicht. Zunächst ist festzuhalten, dass die Bescheide an die „F. –
Steuerberater“ adressiert waren, die zur Vertretung des Steuerschuldners befugt und
damit zulässiger Bekanntgabeempfänger im Sinne von § 122 Abs. 1 Satz 3 AO war. Aber
auch die Bezeichnung des Steuerschuldners als Firma Z. GbR führte nicht zur
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auch die Bezeichnung des Steuerschuldners als Firma Z. GbR führte nicht zur
Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Bescheide.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Wirksamkeit von Bescheiden im
Zusammenhang mit Umwandlungsvorgängen, der sich die Finanzgerichte und
Oberverwaltungsgerichte weitgehend angeschlossen haben (vgl. etwa FG Baden-
Württemberg v. 9. Dezember 2008 – 4 K 1236/07, EFG 2009, 894), ist zwischen
formwechselnden und nicht formwechselnden Umwandlungen zu differenzieren. Liegt
eine nicht bloß formwechselnde Umwandlung vor, so sind die Rechtsvorgängerin und die
nun bestehende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin verschiedene
Rechtspersonen, was zur Folge hat, dass eine Bekanntgabe nur noch an die
Gesamtrechtsnachfolgerin erfolgen kann (BFH v. 21. Oktober 1985 – GrS 4/84, BStBl. II
1986, 230). Eine gleichwohl erfolgte Bekanntgabe an die Rechtsvorgängerin wäre nicht
wirksam erfolgt. Hingegen bleibt bei einer bloß formwechselnden Umwandlung die
Rechtsperson in Gestalt der neuen Rechtsform erhalten (vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG).
Hier ist eine Bekanntgabe an die Rechtsvorgängerin nicht von vornherein unwirksam (FG
Baden-Württemberg v. 9. Dezember 2008 – 4 K 1236/07, EFG 2009, 894).
Eine solche bloß formwechselnde Umwandlung ist vorliegend auch nach dem Vorbringen
der Rechtmittelführer gegeben. In einem solchen Fall muss der Bescheid lediglich die
Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Bezeichnung des Steuerschuldners
erfüllen, um nicht an einem offenkundigen, besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne
von § 125 Abs. 1 AO zu leiden. Insbesondere muss sich die Identität des
Inhaltsadressaten anhand des Verwaltungsakts zweifelsfrei bestimmen lassen und aus
dem Verwaltungsakt selbst hervorgehen. Entscheidend ist, ob der Inhaltsadressat durch
Auslegung anhand der den Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher
bestimmt werden kann (vgl. BFH v. 25. September 1990 – IX R 84/88, BStBl. II 1991, 120;
v. 17. November 2005 – III R 8/03, BStBl. II 2006, 287).
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe waren die Gewerbesteuermessbescheide aus dem
Jahre 2002 nicht unbestimmt. Der steuerliche Vertreter der Steuerschuldnerin hatte die
Gewerbesteuererklärung für 2000 selbst für die „Firma Z. GbR“ abgegeben. Zudem
findet sich in den Akten eine Prüfungsanordnung vom 8. April 2002, die die
Rechtsnachfolgeverhältnisse zutreffend wiedergibt. Daraus lässt sich ableiten, dass den
Beteiligten klar war, wer für wessen Steuerschuld als Rechtsnachfolger einzustehen hatte
und für wen die Bescheide bestimmt waren. Es kam ersichtlich nur die Nachfolge-GmbH
in Betracht, weil andere Rechtsträger nicht ersichtlich und den Beteiligten nicht bekannt
waren. Nach alledem ist eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der im Streit befindlichen
Bescheide anzunehmen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich auch in diesem
Punkt als fehlerfrei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
47 Abs. 3 und 1, § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 3 Satz 5 und § 66 Abs. 3 Satz
3 GKG unanfechtbar.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nach § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO nunmehr
rechtskräftig.
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