Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: vertretung, link, quelle, sammlung, billigkeit, verzicht, ausnahme, datum, zustellung

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 1 N 63.05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 67 Abs 1 VwGO, § 124 Abs 2
Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5
VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO
Anforderungen an die ordnungsgemäße Vertretung im
Anwaltsprozess durch den Rechtsanwalt
Leitsatz
Zu den Anforderungen an die Vertretung durch einen Bevollmächtigten im
Zulassungsverfahren (ungeprüfte Übernahme von Parteiausführungen)Zur Begründung des
Antrages auf Zulassung der Berufung genügt die Vorlage eines zwar von einem Rechtsanwalt
unterzeichneten, aber mit einem Schreiben der Partei identischen Schriftsatzes jedenfalls
dann nicht, wenn der Rechtsanwalt keine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des
Streitstoffs vorgenommen hat.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 17. November 2004
erlassene Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig.
Mit der Begründung des Zulassungsantrages wird, soweit sie innerhalb der gesetzlichen
Frist gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO – eingereicht
worden ist, ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht bezeichnet, so dass
offen bleibt, welchem der vom Gesetz abschließend aufgezählten Gründe das
Vorbringen inhaltlich zuzuordnen ist. Das Vorbringen selbst lässt dies nicht zweifelsfrei
erkennen. Es könnte der Sache nach auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) oder nach § 124 Abs. 2 Nr. 5
VwGO (Vorliegen eines Verfahrensmangels) zielen, ohne dass aber deutlich würde,
welche Ausführungen zur Darlegung des einen oder des anderen Zulassungsgrundes
heranzuziehen sind. Die Auswahl insoweit kann nicht dem Oberverwaltungsgericht
überlassen bleiben. Das Erfordernis, die Gründe darlegen zu müssen, aus denen die
Berufung zuzulassen ist, zielt in Verbindung mit dem weiteren Erfordernis des
Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 1 VwGO darauf, durch einen geordneten Vortrag der
zur Ausfüllung der geltend gemachten Zulassungsgründe für maßgeblich gehaltenen
rechtlichen und tatsächlichen Umstände dem Rechtsmittelgericht eine gestraffte
Prüfung zu ermöglichen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung
vorliegen. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn sich das Gericht aus unstrukturiertem
Vorbringen die Gründe selbst zusammenstellen müsste. Angesichts des Inhalts des
Begründungsschriftsatzes vom 9. Februar 2005 vermag der Senat aber auch nicht die
Überzeugung zu gewinnen, einer der genannten Zulassungsgründe liege der Sache
nach vor. Es fehlt sowohl für das Vorliegen eines Verfahrensmangels in der Gestalt der
Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) als auch für
das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils an einer schlüssigen
Darlegung, inwiefern das vom Gericht vermeintlich unberücksichtigt gelassene
Vorbringen oder der als verletzt gerügte Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
unter Berücksichtigung des durch die Anträge des Klägers im erstinstanzlichen
Verfahren konkretisierten Streitgegenstandes geeignet gewesen wären, ein anderes
Entscheidungsergebnis zu begründen.
Hiervon ausgehend sind auch durchgreifende Bedenken gegen den
Begründungsschriftsatz zu erheben, soweit es um die ordnungsgemäße Vertretung des
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Begründungsschriftsatz zu erheben, soweit es um die ordnungsgemäße Vertretung des
Klägers durch einen nach § 67 Abs. 1 VwGO zugelassenen Bevollmächtigten geht. Denn
der anwaltlich unterzeichnete Schriftsatz deckt sich weitgehend wörtlich mit den
Ausführungen in einer unter dem Datum des 21. Dezember 2004 vom Kläger persönlich
verfassten und bei dem Verwaltungsgericht per Fernkopie eingereichten sog.
Gegenvorstellung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Vorlage eines zwar von
einem Rechtsanwalt unterzeichneten, sonst aber unveränderten Schreibens seiner
Partei jedenfalls dann den Anforderungen eines Schriftsatzes im Anwaltsprozess nicht
genügt, wenn der Rechtsanwalt keine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung
des Streitstoffs vorgenommen hat (vgl. zur Revisionsbegründung bereits BVerwG,
Beschluss vom 6. September 1965 – VI C 57.63 – BVerwGE 22, 38; Beschluss des
Senats vom 14. Mai 2004 - OVG 1 S 30.04 -). Angesichts der dargestellten Mängel der
Begründung des Zulassungsantrages drängt es sich hier auf, dass der Bevollmächtigte
das Vorbringen des Klägers ohne eigene nähere Prüfung übernommen hat. Bereits dies
führt zur Unzulässigkeit des Zulassungsbegehrens.
Die erst mit dem Schriftsatz des jetzigen Bevollmächtigten des Klägers vom 6. April
2006 geltend gemachten Zulassungsgründe können im Verfahren nicht berücksichtigt
werden, da sie erst nach Ablauf der mit der Zustellung des Urteils am 9. Dezember 2004
für den Kläger in Lauf gesetzten Zwei-Monats-Frist nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit
Eingang des Schriftsatzes bei Gericht am 7. April 2006 geltend gemacht worden sind
und sich – schon nach den vorstehenden Ausführungen – inhaltlich nicht als bloße
Vertiefung fristgerechten Vorbringens begreifen lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladenen
jeweils keinen ausdrücklichen Antrag gestellt haben, sondern lediglich knappe
Stellungnahmen abgegeben bzw. den Verzicht auf eine Stellungnahme mitgeteilt haben,
entspricht es der Billigkeit, dass sie die ihnen für die Rechtsverfolgung im
Zulassungsverfahren entstandenen Aufwendungen selbst tragen müssen. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG, wobei der Senat die
im Zeitpunkt des Beginns der Instanz bereits vorliegende gesetzliche Erhöhung des
Auffangwertes berücksichtigt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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