Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: genehmigung, flughafen, vorbehalt des gesetzes, widerruf, luftfahrt, allgemeines verwaltungsrecht, verfügung, unternehmen, verordnung, inbetriebnahme

1
2
3
Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 12 A 2.05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 6 LuftVG, § 20 LuftVG, § 21
LuftVG, § 44 LuftVZO, § 45
LuftVZO
Leitsatz
1. Ein planfestgestellter Verkehrsflughafen kann durch Widerruf der luftrechtlichen
Genehmigung stillgelegt werden. Die Stillegung setzt auch dann eine behördliche
Entscheidung voraus, wenn der Flugplatzunternehmer mit der Betriebsaufgabe einverstanden
ist.
2. Die fehlende Dispositionsbefugnis des Flugplatzunternehmers über die luftrechtliche
Genehmigung erstreckt sich nicht auf den Vertrauensschutz, den die Genehmigung ihm
gegenüber entfaltet. Verzichtet er darauf, stellt sich der Widerruf der luftrechtlichen
Genehmigung nicht als Eingriff dar. Einer Ermächtigungsgrundlage bedarf es daher nicht.
3. Dies gilt auch dann, wenn durch den Widerruf Rechte Dritter verletzt werden. Ihnen bleibt es
unbenommen, im Wege der Drittanfechtung vorzugehen.
4. Der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung für den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof,
durch den die Unternehmen der Allgemeinen Luftfahrt auf den Verkehrsflughafen Schönefeld-
Süd verwiesen werden, greift nicht in Rechte dieser Unternehmen ein. Dies gilt auch in Bezug
auf Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92. Mit Schönefeld-Süd steht ein angemessener
Ersatzstandort zur Verfügung.
Tenor
Die Klagen werden, soweit die Verfahren nicht übereinstimmend für erledigt erklärt
worden sind, abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen 11/12 der Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu gleichen Teilen, wobei die Klägerin zu 6.
nur an den bis zum 4. September 2006 entstandenen Kosten beteiligt wird. Der Beklagte
und die Beigeladene tragen je 1/24 der Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger
zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen wenden sich gegen den Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung für
den Betrieb des Verkehrsflughafens Berlin-Tempelhof (THF) zum 31. Oktober 2008. Sie
operieren dort – bis auf die Klägerin zu 8. - als Unternehmen der so genannten
Allgemeinen Luftfahrt.
Auf Antrag der beigeladenen Berliner Flughafengesellschaft (BFG), die den
Verkehrsflughafen Tempelhof betreibt, widerrief die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung mit Bescheid vom 2. Juni 2004 die luftrechtliche Genehmigung (A.
Ziffer 1. des Bescheides) und befreite die Beigeladene mit Wirkung vom 31. Oktober
2004 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung von der Betriebspflicht (A. Ziffer 2.).
Der Widerruf lautete:
„Die Betriebsgenehmigung für den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof (THF) wird
3
4
5
6
7
8
9
10
„Die Betriebsgenehmigung für den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof (THF) wird
widerrufen. Der Widerruf wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem ein
Planfeststellungsbeschluss für die Süderweiterung des Flughafens Berlin-Schönefeld
(SXF) […] bestandskräftig ist.“
Die weiteren Regelungen in Ziffern 3. und 4 beinhalten einen auf die Befreiung von der
Betriebspflicht bezogenen Widerrufsvorbehalt sowie eine vor erneuter Inbetriebnahme
erforderliche Abnahmeprüfung. Laut Ziffer 5. soll über die Aufhebung der
Planfeststellung gesondert entschieden werden.
Die Beigeladene hatte ihren Antrag mit der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit des
weiteren Betriebs und dem entfallenden Bedarf durch die Inbetriebnahme des
Verkehrsflughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) begründet. Gegen den
ursprünglichen Bescheid haben die Klägerinnen im Juli 2004 Klage erhoben und wegen
der Befreiung von der Betriebspflicht mit Erfolg vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch
genommen (OVG Berlin, Beschluss vom 23. September 2004 –OVG 1 S 46.04 -).
Im September 2005 beantragte die Beigeladene, den Widerrufszeitpunkt neu zu fassen.
Die Schließung sei wegen der hohen Verluste weiterhin aus wirtschaftlichen Gründen
erforderlich, damit die Muttergesellschaft der Beigeladenen, die Flughafen Berlin
Schönefeld GmbH (FBS), ihren Beitrag zum Ausbauvorhaben BBI erwirtschaften könne.
Für die Allgemeine Luftfahrt (GA) werde am Flughafen Berlin-Schönefeld ein Terminal in
Containerbauweise errichtet und zur Verfügung gestellt. Der Beklagte erforderte von der
Beigeladenen ein Gutachten zu der Möglichkeit einer Verkehrsverlagerung auf die
Verkehrsflughäfen Tegel oder Schönefeld und beauftragte den bereits zuvor tätig
gewesenen Prof. Dr. S. mit der ergänzenden Begutachtung zur aktuellen
betriebswirtschaftlichen Situation der Beigeladenen unter Einbeziehung der Jahre 2002
bis 2005 und der gestiegenen Passagierzahlen.
Nach Abweisung der gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau von BBI
gerichteten Musterklagen durch das Bundesverwaltungsgericht beantragte die
Beigeladene, die luftrechtliche Genehmigung bereits mit Ablauf des 31. März 2007 zu
widerrufen. Der Betriebsteil „Aviation“ in Tempelhof sei dauerhaft defizitär. Zugleich
legte die Beigeladene eine Untersuchung zu den Verlagerungsmöglichkeiten des
Tempelhofer Luftverkehrs auf die Flughäfen Tegel und Schönefeld vom 4. Mai 2006 vor,
die das Unternehmen R. erstellt hatte. Demzufolge können der Linienverkehr - nach
Inbetriebnahme des dort geplanten Terminals Ost - zum Flughafen Tegel und die
Allgemeine Luftfahrt nach Schönefeld verlagert werden. Bei der Abfertigung auftretende
Engpässe in Tegel ließen sich durch eine Optimierung des Flugplans beheben. Es sei
aber auch eine Verlagerung des gesamten Flugverkehrs von Tempelhof nach Schönefeld
möglich, falls das Terminal Ost zum Zeitpunkt der Schließung noch nicht betriebsbereit
sei.
Die Beigeladene sicherte dem Beklagten zu, dass zum 31. März 2007 auf dem Flughafen
Berlin-Schönefeld ein Terminal für die in Tempelhof operierende Allgemeine Luftfahrt zur
Verfügung gestellt werde. Es handele sich um den Teil eines von der L. genutzten
Gebäudekomplexes in D. südlich der südlichen Start- und Landebahn. Das Gebäude
bleibe während der Ausbauphase von BBI angemessen landseitig erreichbar und könne
nach der Inbetriebnahme von BBI weiterhin genutzt werden.
Nach Durchführung eines Anhörungsverfahrens, in dem die Klägerinnen zahlreiche
Einwendungen erhoben, änderte der Beklagte den Bescheid vom 2. Juni 2004 mit
Bescheid vom 30. August 2006. Er hob zum einen die Regelungen zur Befreiung von der
Betriebspflicht, zum Widerrufsvorbehalt und zur Abnahmeprüfung auf (Ziffern 2. bis 4.
des Bescheides vom 2. Juni 2004). Zum anderen sollte der Widerruf der
Betriebsgenehmigung nunmehr zum 31. Oktober 2007 wirksam werden. Ferner erging
an die Beigeladene die Auflage, dem Beklagten bis zum 15. Dezember 2006 schriftlich
darzulegen, dass für die in Tempelhof operierenden Luftfahrtunternehmen innerhalb des
verbleibenden Berliner Flughafensystems funktionsfähige Abstellflächen und
Räumlichkeiten vorhanden seien und diese den zukünftigen Nutzern spätestens zum 15.
Juni 2007 zur Verfügung stünden. Der Bedarf musste der Beigeladenen bis zum 15.
November 2006 mitgeteilt werden.
Dem Änderungsbescheid vom 30. August 2006 zufolge fällt eine Abwägung der
widerstreitenden Belange und Interessen zugunsten der Beigeladenen aus, weil sie
dargelegt habe, dass der Betrieb des Flughafens Tempelhof ein fortlaufendes
wirtschaftliches Defizit verursache. Den von dem Widerruf der luftrechtlichen
Genehmigung nachteilig betroffenen Privaten könne ein zumutbarer Ersatzstandort
angeboten werden. Der Flugverkehr der Liniengesellschaften könne – nach Fertigstellung
des Terminals Ost – nach Tegel, aber auch nach Schönefeld verlagert werden. Der
11
12
13
14
15
des Terminals Ost – nach Tegel, aber auch nach Schönefeld verlagert werden. Der
Allgemeinen Luftfahrt stehe mit dem bereits vorhandenen Terminal in Schönefeld-Süd
ebenfalls ein zumutbarer Ersatzstandort zur Verfügung. Dies gelte auch in Bezug auf die
Verkehrsanbindung. Während der Bauzeit von BBI werde der Zusage der Beigeladenen
zufolge eine Interimsstraße angelegt, damit der Baustellenverkehr und der GAT-Verkehr
getrennt werden könnten. Die Schließung von Tempelhof entspreche dem öffentlichen
Interesse an einer Schonung der öffentlichen Haushalte, weil die dadurch frei werdenden
finanziellen Mittel für den Ausbau von BBI eingesetzt werden könnten. Hinzu komme,
dass sie auch Lärm- und Sicherheitsinteressen Rechnung trage.
Während des gerichtlichen Verfahrens erging mit Bescheid vom 7. Dezember 2006 eine
Nebenbestimmung zu den Bescheiden vom 2. Juni 2004 und 30. August 2006. Sie
räumte dem Beklagten unter bestimmten Voraussetzungen eine Widerrufsmöglichkeit
ein, weil die Beigeladene nunmehr beabsichtigte, die Allgemeine Luftfahrt in einer
Neubauerweiterung des GAT in Schönefeld-Süd unterzubringen. Unter dem 22. Januar
2007 erließ der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid, mit dem der Widerruf der
Betriebsgenehmigung zum 31. Oktober 2008, 0.00 Uhr, verfügt wurde. Außerdem wurde
der Widerrufsvorbehalt vom 7. Dezember 2006 aufgehoben. Der Beigeladenen wurde
mittels einer Auflage aufgegeben, für die am Flughafen Tempelhof operierenden
Linienfluggesellschaften die Voraussetzungen für eine Verlagerung nach Tegel oder nach
Schönefeld zu gewährleisten. Die Unternehmen der Allgemeinen Luftfahrt sollten im
Bereich des vorhandenen und durch einen Neubau erweiterten GA-Terminals in
Schönefeld-Süd untergebracht werden. Auch insoweit enthält der Änderungsbescheid
eine Auflage.
Die Klägerinnen sind mit ihrer am 5. Juli 2004 erhobenen Klage zunächst gegen den
Bescheid vom 2. Juni 2004 vorgegangen. Die Klägerin zu 6. hat das Verfahren nach
Veräußerung ihres in Tempelhof stationierten Firmenflugzeugs für erledigt erklärt. Der
Beklagte hat sich der Erledigungserklärung am 4. September 2006 angeschlossen. Nach
Erlass des Änderungsbescheides vom 30. August 2006 haben die Klägerinnen zu 1. bis
5. und zu 7. und 8. ihre ursprüngliche Klage gegen Teil A, Ziffern 2., 3. und 4. des
Bescheides vom 2. Juni 2004 (Befreiung von der Betriebspflicht, Widerrufsvorbehalt,
Abnahmeprüfung) für erledigt erklärt. Dem hat sich der Beklagte am 17. Oktober 2006
angeschlossen.
Die Klägerinnen halten die Bescheide für formell rechtswidrig. Sie verstießen gegen § 20
Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, weil der an ihrem Zustandekommen beteiligte Regierende
Bürgermeister als Vorsitzender des Aufsichtsrates der FBS ausgeschlossen sei. Obwohl
er die Politik der einzelnen Geschäftsbereiche maßgeblich beeinflussen könne und für die
Koordinierung der Flughafenpolitik zuständig sei, habe er sich mehrfach öffentlich auf die
ursprünglich geplante vorzeitige Schließung zum 30. Oktober 2004 festgelegt. Ferner
seien die Entscheidungen im Hinblick auf einen der Verfasser des
Verlagerungsgutachtens, Herrn H., unter Missachtung von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6
VwVfG zustande gekommen. Schließlich habe ein befangener Amtsträger, nämlich der
ehemalige Stadtentwicklungssenator S., mitgewirkt, der sich vor Abschluss des
Verfahrens öffentlich zur Schließung des Flughafens Tempelhof geäußert habe. Darin
liege ein Verstoß gegen § 21 Abs. 1 VwVfG. Die Bescheide seien zudem nicht mit Art. 8
Abs. 5 der VO (EWG) Nr. 2408/92 vereinbar, weil der EU-Kommission die Schließung von
Tempelhof nicht bekannt gemacht worden sei und diese die Schließung nicht genehmigt
habe.
Die Bescheide seien auch in materieller Hinsicht rechtswidrig, weil eine Rechtsgrundlage
fehle. §§ 48, 49 VwVfG seien nicht anwendbar. Widerrufsgründe nach den luftrechtlichen
Spezialregelungen lägen nicht vor. Die Schließung könne nur durch Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses erfolgen, weil sich nur so die planerischen Konflikte
bewältigen ließen. Die Bescheide verstießen außerdem gegen Ziele der Raumordnung,
wonach die Verkehrsflughäfen Tegel und Tempelhof erst mit der Inbetriebnahme von BBI
zu schließen seien. Der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung stelle eine mit Art. 8
Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92 nicht zu vereinbarende faktische
Verkehrsaufteilungsregelung dar, die die Klägerinnen diskriminiere. Dies ergebe sich u.a.
daraus, dass die mit ihnen im Wettbewerb stehende L. weiterhin in Berlin-Tegel operiere
und von dort aus Allgemeine Luftfahrt betreibe.
Die Verlagerung nach Schönefeld sei Existenz gefährdend. Die Klägerin zu 1. habe in den
letzten 5-6 Jahren im Vertrauen auf den Bestand von Tempelhof 90 Mio. Euro investiert.
Sie befürchte wegen des zu erwartenden Kundenrückganges in den nächsten zwei bis
drei Jahren einen Verlust von über 10 Mio Euro. Weitere Kosten entstünden z.B. durch
längere Rollzeiten, zusätzliche Personaltransfers und den Umzug. Die Baumaßnahme
stelle ein Risiko für die technische Sicherheit der Flugzeuge dar. Der
16
17
18
19
20
stelle ein Risiko für die technische Sicherheit der Flugzeuge dar. Der
Wettbewerbsnachteil werde dadurch verstärkt, dass Tegel weiterhin in Betrieb bleibe.
Dort würden – anders als derzeit in Schönefeld als Hauptstandort für Low-Cost-Carrier –
sowohl Linienflüge für Geschäftsreisende zu den Tagesrandzeiten als auch
linienunabhängige Jets angeboten.
Die Klägerin zu 2. benötige ausreichende Zu-, Abfahrts-, Kommunikations-, Lager- und
Abstellbereiche sowie eine 24-stündige Zugangs- und Flugerlaubnis. Außerdem wirkten
sich die längeren Anfahrtszeiten zu den Berliner Krankenhäusern nachteilig aus. Die
Klägerin zu 3. trägt vor, dass sie bei einer Verlagerung nach Schönefeld wirtschaftliche
Nachteile erleiden werde. Die Klägerin zu 4. macht ebenfalls erhebliche Umsatzeinbußen
geltend, weil bei einer Verlagerung nach Schönefeld ein nachtflugtauglicher
Hubschrauber abgezogen werde und sie Gäste einer Live-Talk-Show in der Berliner
Innenstadt transportiere, für die sich die Anfahrtszeit in die Stadt verlängere. Zudem
werde die Nachfrage nach Rundflügen über der Stadt wegen unvermeidlicher
Preiserhöhungen aufgrund längerer Flugzeiten drastisch zurückgehen. Entsprechendes
macht die Klägerin zu 5. geltend (Wegfall von Flügen für Geschäftsleute sowie
Medienanstalten und Agenturen im Zusammenhang mit aktueller Berichterstattung,
Verteuerung von Rundflügen). Die Klägerin zu 7. erwartet eine Einstellung ihres Berliner
Betriebes, weil sie hangarisierte Standplätze für Kunden vorhalte, deren Verlagerung
ungewiss sei. Es fehle außerdem in Schönefeld an ausreichenden Hangarflächen. Auch
die Klägerin zu 8., eine Fondsgesellschaft, befürchtet Verluste wegen einer geringeren
Auslastung in Schönefeld.
Die Klägerinnen seien in ihrem Recht auf gerechte Abwägung verletzt. Eine echte
Abwägung fehle. Es bestehe keine raumordnungsrechtliche Bindungswirkung hinsichtlich
des „Ob“ der Schließung. Die Planrechtfertigung für BBI erfordere nur die
Betriebseinstellung von Tegel und Tempelhof als Verkehrsflughäfen. Sonstiger
Flugverkehr werde nicht ausgeschlossen. Im Übrigen sei die Abwägung defizitär. Das
Verlagerungsgutachten lege nicht nachvollziehbar dar, wie die Allgemeine Luftfahrt in
Schönefeld – vor allem während der Bauzeit – abgewickelt werden könne und welche
Ersatzkapazitäten – auch in Bezug auf Slots zu Tagesrandzeiten – zur Verfügung
stünden. Gerade der Bereich der „Business Aviation“ wachse erheblich. Der in dem
Gutachten vorgenommene Flächenvergleich sei daher unzulänglich. Das von der
Beigeladenen avisierte Terminal liege mitten in der zukünftigen Großbaustelle, sodass
mit massiven Störungen des Geschäftsbetriebs gerechnet werden müsse. Ab Ende 2008
stehe in Schönefeld nur eine Landebahn zur Verfügung. Dies wirke sich – bei steigendem
Verkehr – zu Lasten der Allgemeinen Luftfahrt aus. Weitere Behinderungen seien durch
die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung im Sommer 2010 zu erwarten. Der
Beklagte habe maßgebliche öffentliche Belange übersehen, so z.B. die Folgekosten der
Schließung, die aus dem fehlenden Nachnutzungskonzept erwüchsen. Die behaupteten
Verlustzahlen seien nicht schlüssig, weil das betriebswirtschaftliche Gutachten die
Schließungskosten und die damit verbundenen Investitionskosten in Tegel und
Schönefeld nicht vollständig berücksichtige. Das Gutachten übersehe, dass sich die
Einnahmen der Beigeladenen bei einer Verlagerung der Allgemeinen Luftfahrt nach
Schönefeld aufgrund der Kundenverluste verringerten. Ebenso wenig sei der
angegebene Personalkostenabbau nachvollziehbar. Das behauptete Einsparvolumen
werde daher bestritten. Der Beklagte habe die aus einer Schließung für die Klägerinnen
resultierenden wirtschaftlichen Folgen nicht ermittelt. Schonendere Alternativlösungen
wie die Übernahme des Flugbetriebs durch Dritte seien nicht erwogen worden. Die von
der Beigeladenen gegebenen „Zusicherungen“ (u.a. Umbau des vorhandenen Terminals
in Schönefeld, Bau einer Interimsstraße usw.) seien in keiner Weise rechtlich abgesichert.
Der Widerruf lasse sich mangels Ermittlungen nicht mit von Tempelhof ausgehenden
Belastungen rechtfertigen. Bei der Abwägung müssten auch Erwerbsinteressen und –
chancen der Klägerinnen berücksichtigt werden. Die Klägerinnen hätten darauf vertrauen
dürfen, dass Tempelhof frühestens mit der Bestandskraft des
Planfeststellungsbeschlusses für BBI bzw. erst mit der Inbetriebnahme des Flughafens
geschlossen werde. Auf dieser Grundlage hätten sie ihre Gewerbebetriebe in den letzten
Jahren erweitert und erheblich investiert. Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG seien
verletzt. Der Beklagte habe den Belangen der Beigeladenen ein zu hohes Gewicht
beigemessen, weil sie die defizitäre wirtschaftliche Situation in Tempelhof durch ihr
Verhalten herbeigeführt und nichts zu deren Verbesserung unternommen habe.
Die Klägerinnen beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2004 in der Fassung der
Änderungsbescheide vom 30. August 2006, 7. Dezember 2006 und 22. Januar 2007
aufzuheben.
21
22
23
24
25
26
27
28
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei mangels Klagebefugnis unzulässig. Es sei nicht dargelegt, warum die
Klägerinnen auf den Flughafen Tempelhof angewiesen seien. Die Klägerin zu 8. biete
keinen Flugbetrieb an.
Die Klage sei auch unbegründet. Die behauptete formelle Rechtswidrigkeit liege nicht
vor. Dem gerügten Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der VO (EWG) Nr. 2408/92 stehe
entgegen, dass die – deklaratorische - Mitteilung an die Kommission erst nach
Beschlussfassung durch den Mitgliedstaat erfolgen müsse. Unabhängig davon folge aus
einem unterstellten Verstoß keine Rechtsverletzung, weil er den Luftfahrtunternehmen
lediglich entsprechende Kenntnisse verschaffen solle, über die die Klägerinnen bereits
verfügten. Hinzu komme, dass die Fläche fachplanerisch zu Flugzwecken gewidmet
bleibe, sodass zweifelhaft sei, ob der Widerruf der Betriebsgenehmigung überhaupt eine
Änderung des Flughafensystems bewirke.
Der Bescheid sei auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Der Flugplatzbetreiber könne
ohne weiteres auf die Genehmigung verzichten. Der Widerruf lasse sich mangels
rechtlicher Begünstigung der Klägerinnen durch die Genehmigung auf § 49 Abs. 1 VwVfG
stützen. Nehme man hingegen einen Verwaltungsakt mit (für die Klägerinnen
begünstigender) Doppelwirkung an, sei § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG anwendbar. Der
defizitäre Flugbetrieb sei wegen anderweitig vorhandener Kapazitäten im Berliner
Flughafensystem sowie wegen fehlender überwiegender öffentlicher Interessen nicht
erforderlich. Er gefährde vielmehr die öffentlichen (fiskalischen) Interessen, weil
Beklagter und Beigeladene erhebliche Mittel für den Ausbau von BBI bereitstellen
müssten. Die von einem innerstädtischen Flughafen ausgehenden Belastungen könnten
im öffentlichen Interesse nur so lange hingenommen werden, wie sie durch nicht anders
lösbare Bedürfnisse erforderlich seien. Es sei auch gut vertretbar, den Bescheid auf § 6
Abs. 4 Satz 2 LuftVG zu stützen, weil der Begriff der wesentlichen Änderung auch eine
Einstellung des Betriebs erfasse. Im Übrigen folge der Beklagte – soweit der Senat die
Dispositionsfreiheit der Beigeladenen über die Genehmigung nicht anerkenne -
vorsorglich dem Urteil des Senats vom 24. November 2005 – OVG 12 A 3.05 -.
Der Widerruf verstoße nicht gegen die Verordnung über den Landesentwicklungsplan
Flughafen Standortentwicklung (LEP FS). Es bestehe keine raumordnerische Zielsetzung,
wonach bis zur Fertigstellung von BBI drei Flughäfen betrieben werden müssten. Eine
frühere Schließung sei danach möglich.
Die Bescheide seien mit Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 vereinbar. Die
Vorschrift betreffe nur Flughäfen, die für den Verkehr offen stünden. Außerdem habe der
Beklagte keine Verkehrsverteilung vorgenommen. Soweit die Klägerinnen behaupteten,
dass die L. am Flughafen Berlin-Tegel Allgemeine Luftfahrt betreibe, liege darin keine
Bevorzugung. Zwar biete L. über das britische Unternehmen N. seit 2005 Flüge im
Gelegenheitsverkehr an. Sie trete jedoch lediglich als Vermittler und Organisator auf,
indem sie Kundenwünsche an N. weiterleite. Auch die Klägerinnen könnten künftig Flüge
im gewerblichen Gelegenheitsverkehr von Berlin-Tegel aus anbieten. Es sei aus
Kapazitätsgründen nur nicht möglich, dass sie – ebenso wenig wie L. oder N. - dort ihren
Geschäftssitz hätten. Flüge der Allgemeinen Luftfahrt könnten nach Auskunft der
Beigeladenen in Tegel mit Hilfe eines Abfertigers abgewickelt werden. Art. 8 Abs. 1 der
VO garantiere im Übrigen nicht das Recht, dauerhaft von einem bestimmten Flughafen
zu verkehren.
Der Beklagte habe dem Abwägungsgebot – unabhängig von seiner Anwendbarkeit –
Genüge getan. Ein Abwägungsausfall sei nicht gegeben, weil keine rechtliche Bindung an
den so genannten Konsensbeschluss bestehe. Soweit die Klägerinnen eine Verkennung
öffentlicher Belange wegen nach der Schließung entstehender Kosten rügten, falle dies
nicht in die Zuständigkeit der Luftverkehrsbehörde. Drittschutz bestehe insoweit ohnehin
nicht. Eine Versagung des Widerrufs bedeute für die Beigeladene einen durch zwei
Gutachten belegten, unzumutbaren wirtschaftlichen Nachteil, der die Belange der
Klägerinnen überwiege. Die insoweit geäußerte Kritik der Klägerinnen treffe nicht zu.
Kosten für das Terminal Ost entstünden wegen sicherheitsbedingter Kapazitätsengpässe
unabhängig von der Schließung Tempelhofs. Auch die Kosten für die Umbaumaßnahmen
in Schönefeld entstünden spätestens bei der Eröffnung von BBI. Umsatzeinbußen der
Beigeladenen seien nur insoweit berücksichtigt worden, als die jeweiligen Unternehmen
hierzu substantiierte Angaben gemacht hätten. Im Übrigen zeigten die
Bedarfsanmeldungen für Schönefeld, dass offensichtlich keine der Klägerinnen ihren
Betrieb einstellen werde. Die wirtschaftliche Situation am Flughafen Tempelhof habe sich
29
30
31
32
33
34
35
36
37
Betrieb einstellen werde. Die wirtschaftliche Situation am Flughafen Tempelhof habe sich
inzwischen weiter verschlechtert, weil A. ihre Flüge nach Köln/Bonn (40 pro Woche) zum
1. November 2006 nach Tegel verlagert habe. Damit verliere Tempelhof rund 100.000
Passagiere jährlich. Die aktuelle Diskussion um ein Nutzungskonzept belege, dass der
Flughafen nur defizitär zu bewirtschaften sei. Werde er allein durch die Allgemeine
Luftfahrt genutzt, ergebe sich selbst den Klägerinnen zufolge ein jährlicher Verlust von
1,5 Mio. Euro. Die Suche nach einem neuen Betreiber sei nicht geboten gewesen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klagen mangels Klagebefugnis für unzulässig. Der vollständige Widerruf der
luftrechtlichen Genehmigung sei nicht mit einem Ausschluss bestimmter Nutzergruppen
vergleichbar. Die Klägerinnen könnten nicht verlangen, dass die Beigeladene den
Flughafen Tempelhof subventioniere, damit sie weiterhin ihr Gewerbe betreiben und
Gewinn erzielen könnten.
Die Klagen seien ferner unbegründet. Der formellen Rechtmäßigkeit stehe vor allem
nicht Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 entgegen. Eine Vorabprüfung und
–genehmigung durch die Kommission könne nicht verlangt werden. Der Beschluss des
Mitgliedstaates sei lediglich nachträglich mitzuteilen und unterliege nur der Prüfung, ob
ein Flughafensystem geändert worden sei.
In materiell-rechtlicher Hinsicht bedürfe es für den Widerruf ebenso wenig einer
Ermächtigungsgrundlage wie der Aufhebung der Planfeststellung. Ein Verstoß gegen
raumordnungsrechtliche Vorschriften liege nicht vor. Die VO (EWG) Nr. 2408/92 sei nicht
anwendbar, weil sie die Entscheidung über die Einrichtung oder Schließung einer
Infrastruktureinrichtung nicht erfasse. Diese Ansicht vertrete auch die Kommission. Eine
Verkehrsverteilung setze das Bestehen einer Strecke voraus. Der Widerruf stelle keine
planerische Abwägungsentscheidung dar, weil die Planfeststellung fortbestehe.
Abgesehen davon seien, soweit der Beklagte dennoch eine Abwägung vorgenommen
habe, Abwägungsfehler nicht ersichtlich. Bei dem Standort in Schönefeld-Süd handele
sich um eine zumutbare Alternativlösung, die unmittelbar an der Zufahrt zum späteren
Hauptterminal liege. Das GA-Terminal werde straßenseitig getrennt vom
Baustellenverkehr erschlossen. Die Erreichbarkeit müsse schon deshalb gewährleistet
werden, weil in den Werften in Schönefeld-Süd rund 500 Arbeitskräfte tätig seien. Einen
Berührungspunkt zu dem Baustellen-Lieferverkehr (nicht dem eigentlichen
Baustellenverkehr) gebe es nur auf einer Teilstrecke von etwa 400 m nach Verlassen der
Autobahn. Luftseitig stünden mit der heutigen Südbahn ausreichende Kapazitäten zur
Verfügung. Obwohl der Luftverkehr – 24 Stunden täglich - fast ausschließlich über die
Südbahn abgewickelt werde, erreiche die Ausschöpfung nur 60 %. Maschinen der
Business-Aviation würden bei der Zuteilung von Zeitnischen durch den Flughafen mit
Linienmaschinen gleichbehandelt. Der Luftverkehr in Schönefeld zeichne sich durch
große Luftfahrzeuge mit hoher Auslastung aus. Die Klägerin zu 1. habe bereits im
vergangenen Bundestagswahlkampf den Flughafen Schönefeld wegen des
Nachtflugverbotes für die innerstädtischen Flughäfen intensiv genutzt, als sie für die
heutige Bundeskanzlerin im Einsatz gewesen sei. Für die ILA sei mit dem Veranstalter
ein Konzept abgestimmt worden. Der Vorführflugbetrieb werde stark reduziert. Es treffe
nicht zu, dass die Mieter aus Schönefeld-Süd bislang wegen der alle zwei Jahre
stattfindenden ILA für drei Monate nach Tempelhof gewechselt seien.
Die Klägerinnen hätten sich 2004 auf ihr eigenes unternehmerisches Risiko hin einem
Umzug nach Tegel widersetzt. Auf Wettbewerbsnachteile gegenüber L. könnten sie sich
auch deshalb nicht berufen, weil die Beigeladene hierfür keine gesonderte Hangarfläche
und auch sonst keine landseitigen Einrichtungen vermiete. Das Angebot einschließlich
der Lounge werde vollständig über das L.-Vertriebsnetz vermarktet. Es bleibe den
Klägerinnen unbenommen, ebenfalls mit einem anderen Luftfahrtunternehmen in Tegel
zu kooperieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte und die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der
mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klagen haben, soweit sie nicht für erledigt erklärt worden sind, keinen Erfolg.
A.
38
39
40
41
42
43
44
Die Einbeziehung der Änderungsbescheide vom 30. August 2006, 7. Dezember 2006
und 22. Januar 2007 in das Klageverfahren stellt eine zulässige Klageänderung im Sinne
von § 91 Abs. 1 VwGO dar, in die Beklagter und Beigeladene eingewilligt haben und die
zudem sachdienlich ist. Der Klägerin zu 2. fehlt trotz des Angebotes der Beigeladenen,
wonach die Klägerin zu 2. vom Flughafen Tegel operieren könne, nicht das
Rechtsschutzbedürfnis, weil sie weiterhin an dem Verkehrsflughafen Tempelhof als
Standort festhält. Der Senat lässt ferner zu Gunsten der Klägerinnen offen, ob sie
klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO sind (vgl. dazu BVerwGE 82, 246 ff.).
Insoweit bestehen allerdings in Bezug auf die Klägerin zu 8. schon deshalb erhebliche
Zweifel, weil es sich nicht um ein Luftfahrtunternehmen im Sinne von §§ 20 Abs. 1, 21
Abs. 1 LuftVG, sondern lediglich um eine Fondsgesellschaft handelt, die im Auftrag von
Investoren einen Jet bewirtschaftet und vermietet.
B.
Jedenfalls sind die Klagen unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung vom 2. Juni 2004 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.
August 2006, 7. Dezember 2006 und 22. Januar 2007 verletzt die Klägerinnen nicht in
ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide bestehen keine
Bedenken.
1. Es kann offen bleiben, ob der Regierende Bürgermeister aufgrund seiner Stellung als
Mitglied des Aufsichtsrates der BFS im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwVfG
ausgeschlossen sein kann, weil die gegenüber der Beigeladenen rechtlich selbständige
BFS zwar nicht unmittelbar am Verwaltungsverfahren beteiligt ist, wohl aber durch die
Entscheidung einen Vor- oder Nachteil erlangen kann (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 VwVfG).
Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass der Regierende Bürgermeister an dem
Verwaltungsverfahren im Sinne der genannten Vorschriften mitgewirkt hat.
Mitwirkungshandlungen sind solche, die aufgrund einschlägiger Verfahrensnormen und
Verfahrensgrundsätze dem Verwaltungsverfahren zuzurechnen sind (Kopp, VwVfG, 9.
Aufl., § 20 Rn. 12 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Hierbei kommt es nicht darauf
an, welche rechtlichen Eingriffs- oder Mitwirkungsbefugnisse den jeweils als befangen
oder ausgeschlossen angesehenen Personen zustehen, sondern nur darauf, ob sie
tatsächlich mitgewirkt haben. Öffentliche Äußerungen von Politikern, mit denen sie
politische Absichtserklärungen verkünden, stellen keine Mitwirkung in einem
Verwaltungsverfahren dar.
2. Ebenso wenig verstößt eine – unterstellte – frühere Mitwirkung des – bei Erlass des
Bescheides vom 2. Juni 2004 bereits aus dem Amt geschiedenen – Senators für
Stadtentwicklung S.gegen § 21 Abs. 1 VwVfG. Selbst wenn die Besorgnis der
Befangenheit zu Recht bestanden hätte, wäre dieser Mangel spätestens durch den
Änderungsbescheid vom 30. August 2006 geheilt worden. Durch ihn ist die ursprüngliche
Entscheidung einer erneuten Überprüfung unterzogen, inhaltlich geändert (Aufhebung
der Befreiung von der Betriebspflicht, neuer Schließungszeitpunkt) und durch einen
anderen Amtsträger, die Senatorin für Stadtentwicklung J., bestätigt worden (vgl. dazu
auch Kopp, VwVfG, 9. Aufl., § 20 Rn. 67). Hinzu kommt, dass sogar eine weitere
Überprüfung erfolgte, die dem Änderungsbescheid vom 22. Januar 2007 vorausging.
Dieser Bescheid hat den Schließungszeitpunkt erneut geändert.
3. Ein Ausschluss des mit der Erstellung des Verlagerungsgutachtens befassten Herrn H.
nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 VwVfG liegt nicht vor, weil schon die Tatbestandsvoraussetzungen
nicht gegeben sind. Unabhängig davon, inwieweit Sachverständige überhaupt von dieser
Vorschrift erfasst werden (dazu Kopp, VwVfG, 9. Aufl., § 20 Rn. 11 m.w.N.), war Herr H.
nicht als von dem Beklagten beauftragter Sachverständiger, sondern allein für die
Beigeladene tätig.
4. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen sind die angegriffenen Bescheide auch nicht
wegen eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des
Rates über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des
innergemeinschaftlichen Flugverkehrs vom 23. Juli 1992 formell rechtswidrig. Art. 8 Abs.
5 VO (EWG) Nr. 2408/92, der sich auf ein in Anhang II der Verordnung verzeichnetes
Flughafensystem bezieht, zu dem die Berliner Verkehrsflughäfen Tegel, Tempelhof und
Schönefeld gehören, sieht vor, dass ein Mitgliedstaat, der Änderungen an einem
derartigen Flughafensystem beschließt, dies den übrigen Mitgliedstaaten und der
45
46
47
48
49
50
derartigen Flughafensystem beschließt, dies den übrigen Mitgliedstaaten und der
Kommission mitteilt. Hat sich die Kommission davon überzeugt, dass die Flughäfen als
ein zusammenhängendes System dieselbe Stadt oder dasselbe Ballungsgebiet
bedienen, so veröffentlicht sie einen überarbeiteten Anhang II im Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften.
Art. 8 Abs. 5 VO (EWG) Nr. 2408/92 vermittelt einem innerhalb eines Flughafensystems
operierenden Luftfahrtunternehmen keine Verfahrensrechte, deren Verletzung gerügt
werden könnte. Die Vorschrift soll vielmehr gewährleisten, dass nur solche Flughäfen zu
einem Flughafensystem zusammengefasst werden, die die in der VO (EWG) Nr. 2408/92
genannten materiellen Voraussetzungen erfüllen. Für ein Luftfahrtunternehmen ergeben
sich weder aus der Meldung eines Flughafensystems an die Kommission noch aus der
unterlassenen Meldung unmittelbare Rechtsfolgen. Diese treten erst dann ein, wenn der
Mitgliedstaat innerhalb eines (anerkannten) Flughafensystems die Aufteilung des
Verkehrs auf die einzelnen Flughäfen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der VO regelt (vgl. dazu
auch Cloppenburg, Rechtsfragen der Errichtung und Nutzung von Flughafensystemen,
2006, S. 49). Eine solche Regelung, gegen die sich die Klägerinnen hier letztlich wenden,
gibt – wie auch Art. 8 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 2408/92 zeigt – allerdings ebenso wenig einen
Anspruch des einzelnen Luftfahrtunternehmen darauf, dass der Mitgliedstaat zuvor das
Verfahren gemäß Art. 8 Abs. 5 VO einhält.
II.
Die angegriffenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
1. Dies gilt allerdings nicht schon allein deshalb, weil die Beigeladene als Betreiberin des
Verkehrsflughafens Berlin-Tempelhof, der gemäß § 2 Abs. 5 des Gesetzes zur
Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West) vom 25. September 1990 (BGBl I S.
2106) als genehmigt im Sinne von § 6 LuftVG gilt (vgl. insoweit OVG Berlin, OVGE 22, 66,
67 ff.), von der Genehmigung aus wirtschaftlichen Gründen keinen Gebrauch mehr
machen möchte. Die Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen, wonach ein
derartiger Verzicht zum automatischen Erlöschen der Genehmigung kraft Gesetzes
führt, sodass der angegriffene Bescheid lediglich deklaratorisch sei, trifft nicht zu.
Der Unternehmer eines Verkehrsflughafens kann über die ihm erteilte luftrechtliche
Genehmigung nicht disponieren, weil er nach der Betriebsaufnahme gemäß § 45 Abs. 1
Satz 1 LuftVZO verpflichtet ist, den Flughafen in betriebssicherem Zustand zu erhalten
und ordnungsgemäß zu betreiben (so auch Giemulla, in: Giemulla/Schmid,
Luftverkehrsverordnungen, § 45 LuftVZO Rn. 2; Wysk, in: ZLW 2003, S. 616 und 619;
Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 3. Aufl., S. 563 ff.; Sellner/Reidt, in:
NVwZ 2004, S. 1169). Da der Betrieb eines Verkehrsflughafens der Daseinsvorsorge
dient, liegt dessen Nutzung zumindest auch im öffentlichen Interesse. Beabsichtigt ein
Unternehmer eine partielle oder gar vollständige Aufgabe des Flughafenbetriebs, muss
die Luftfahrtbehörde die Möglichkeit haben, das öffentliche Interesse an der
Aufrechterhaltung des Betriebs zu prüfen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Staat
einen Unternehmer zwingen kann, von seiner Unternehmergenehmigung dauerhaft
Gebrauch zu machen. Das aus der mangelnden Dispositionsbefugnis resultierende
Erfordernis einer Beteiligung der Luftfahrtbehörde sagt nämlich noch nichts darüber aus,
ob und unter welchen Umständen eine beantragte „Entlassung“ aus der Genehmigung
verweigert werden darf.
Ein automatisches Erlöschen der Genehmigung folgt auch nicht aus § 48 Abs. 2
LuftVZO, wonach die Rücknahme, der Widerruf oder das Erlöschen der Genehmigung
aus anderen Gründen bekanntzumachen sind. Die Vorschrift stellt keinen materiell-
rechtlichen Erlöschenstatbestand dar, sondern setzt diesen – neben Widerruf und
Rücknahme, die im Gegensatz zum Erlöschen in § 48 Abs. 1 LuftVZO eigenständig
geregelt sind – lediglich voraus. Ebenso wenig führt ein Rückgriff auf allgemeines
Verwaltungsverfahrensrecht weiter. Ein Verwaltungsakt wird zwar nach § 43 Abs. 2 VwVfG
unwirksam, wenn er neben den dort genannten Aufhebungstatbeständen auf andere
Weise erledigt ist. Der Verzicht des Berechtigten auf einen begünstigenden
Verwaltungsakt oder auf Rechte daraus führt jedoch nur dann zu dessen Erledigung,
wenn dessen Bestand nicht zugleich auch im öffentlichen Interesse oder im rechtlich
geschützten Interesse Dritter liegt (vgl. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 9.
Aufl., § 43 Rn. 41 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).
An diesem Ergebnis vermag auch die von dem Beklagten gezogene Parallele zum
Immissionsschutzrecht nichts zu ändern. Das Bundesimmissionsschutzgesetz, das dem
Anlagenbetreiber, der den Betrieb der Anlage einstellen möchte, nach § 15 Abs. 3
BImSchG lediglich eine Anzeigepflicht auferlegt, kennt keine dem § 45 Abs. 1 Satz 1
LuftVG entsprechende Pflicht des Anlagenbetreibers zur Aufrechterhaltung des Betriebs.
51
52
53
54
LuftVG entsprechende Pflicht des Anlagenbetreibers zur Aufrechterhaltung des Betriebs.
Aus diesem Grund sind außerhalb des Luftverkehrsrechts normierte, an die
Betriebseinstellung anknüpfende Erlöschenstatbestände (vgl. z.B. § 18 Abs. 1 Nr. 2
BImSchG, § 8 Satz 1 GaststättenG, § 49 Abs. 2 GewO) auch dann nicht auf die
luftrechtliche Genehmigung übertragbar, wenn man einen allgemeinen Rechtssatz
aufstellen könnte, wonach eine Genehmigung bei längerem Nichtgebrauch grundsätzlich
erlischt. Der Sinn und Zweck der gesetzlich normierten Erlöschenstatbestände besteht
darin, der Genehmigungsbehörde bei längerem Nichtgebrauch die Möglichkeit
einzuräumen, das Fortbestehen der Genehmigungsvoraussetzungen zu überprüfen (vgl.
BVerwGE 40, 153, 155 f.). Dieses Motiv entfällt bei der luftrechtlichen Genehmigung, weil
von ihr - sofern der Flugplatzunternehmer nicht ausnahmsweise von der Betriebspflicht
befreit wird - fortlaufend Gebrauch gemacht werden muss. Ob bei der zwar erteilten,
aber noch nicht genutzten luftrechtlichen Genehmigung etwas anderes gilt, kann
dahinstehen, weil es hier um einen solchen Fall nicht geht.
2. Der Beklagte durfte jedoch durch eine konstitutiv wirkende Widerrufsentscheidung die
Schließung des Flughafens Tempelhof verfügen. Die angegriffenen Bescheide mit
diesem Inhalt bedürfen gegenüber den Klägerinnen keiner Ermächtigungsgrundlage (vgl.
auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. November 2005 – OVG 12 A 3.05 -, juris).
Sie sind vor allem mit europarechtlichen sowie raumordnungsrechtlichen Vorschriften
vereinbar und greifen weder in Grundrechte noch in ein unterstelltes Recht der
Klägerinnen auf gerechte Abwägung ein. Die Klägerinnen sind schließlich auch nicht
dadurch in ihren Rechten verletzt, dass der Beklagte die luftrechtliche Genehmigung
unabhängig vom Fortbestand der Planfeststellung aufgehoben hat.
Für den Erlass der angegriffenen Bescheide ist eine Ermächtigungsgrundlage nicht
erforderlich. Die luftrechtliche Genehmigung für den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof
stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, weil sie die Beigeladene als Adressatin
zum Betrieb eines Flugplatzes berechtigt. Die damit zugleich verbundenen Pflichten wie
z.B. die Betriebs- und Unterhaltungspflicht nach § 45 Abs. 1 Satz 1 LuftVZO mögen zwar
belastend sein. Sie treten jedoch hinter der Begünstigung zurück. Da die Frage nach der
Begründung eines rechtlich erheblichen Vorteils abstrakt zu beurteilen ist, ändert sich
am begünstigenden Charakter der luftrechtlichen Genehmigung auch dann nichts, wenn
der weitere Betrieb des Verkehrsflughafens Berlin-Tempelhof für die Beigeladene zu
einer erheblichen finanziellen Belastung führt.
Den Klägerinnen ist zwar zuzustimmen, dass die begünstigte Beigeladene wegen der ihr
obliegenden Betriebspflicht nicht ohne weiteres auf die luftrechtliche Genehmigung
verzichten kann, weil sie insoweit nicht dispositionsbefugt ist. Dies bedeutet jedoch nicht,
dass eine Aufhebung der Genehmigung nur dann möglich ist, wenn die gesetzlichen
Voraussetzungen für deren Widerruf oder Rücknahme vorliegen. Die fehlende
Dispositionsbefugnis über die luftrechtliche Genehmigung erstreckt sich nämlich nicht
auf den Vertrauensschutz, den die bestandskräftige begünstigende luftrechtliche
Genehmigung gegenüber dem Flugplatzunternehmer entfaltet, und der einem Widerruf
gegen den Willen des Flugplatzunternehmers grundsätzlich entgegensteht. Auf diesen
Vertrauensschutz kann der Flugplatzunternehmer ohne weiteres mit der Folge
verzichten, dass die von ihm begehrte Aufhebung der luftrechtlichen Genehmigung nur
noch in das Ermessen der Luftfahrtbehörde gestellt ist.
So liegt es hier. Der Beklagte hat die luftrechtliche Genehmigung nicht gegen den Willen
der Beigeladenen, sondern gerade auf deren Antrag hin und mit deren Einverständnis
widerrufen: Angesichts des Verzichts der Beigeladenen auf Vertrauensschutz fehlt es im
Verhältnis zwischen ihr und dem Beklagten an einem Eingriff. Es handelt sich letztlich um
eine einvernehmliche Regelung, die - auch unter Berücksichtigung des Prinzips vom
Vorbehalt des Gesetzes - keine Ermächtigungsgrundlage erfordert. Dem angegriffenen
Verwaltungsakt liegt eine ähnliche Situation wie beim Abschluss eines
verwaltungsrechtlichen Vertrages zugrunde, für dessen inhaltliche Gestaltung der
Vorbehalt des Gesetzes ebenso wenig gilt. Der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zufolge kommt es, auch soweit Grundrechtspositionen
berührt werden, angesichts der einverständlichen Mitwirkung der am Vertrag Beteiligten
zumindest nicht in dem Sinne zu einem Eingriff wie es vorausgesetzt wird, wenn der
Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes gilt (BVerwGE 42, 331, 335). Diesem Ergebnis
steht auch nicht entgegen, dass ein Vertrag über die Aufhebung der luftrechtlichen
Genehmigung nach § 58 Abs. 1 VwVfG rechtswidrig wäre, wenn er in Rechte der
Klägerinnen eingriffe. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag erlaubt nämlich nur deshalb keine
Regelung zu Lasten Dritter, weil er - anders als ein Verwaltungsakt - von einem
betroffenen Dritten nicht angefochten werden kann (vgl. dazu auch Kopp/Ramsauer,
VwVfG, Kommentar, 9. Aufl., § 58 Rn. 1).
55
56
57
58
59
60
Eine Ermächtigungsgrundlage wäre selbst dann nicht erforderlich, wenn die Aufhebung
der die Beigeladene begünstigenden luftrechtlichen Genehmigung belastende Wirkungen
für die Klägerinnen entfaltete. In einem derartigen Fall kann sich der belastete Dritte
weder auf §§ 48, 49 VwVfG noch unmittelbar auf Vertrauensschutz berufen. Sowohl die
luftrechtliche Genehmigung als auch deren Widerruf treffen allein gegenüber der
Beigeladenen als Adressatin eine verbindliche Regelung. Die mit der Erteilung der
luftrechtlichen Genehmigung verbundene Berechtigung zur Flugplatznutzung, die dem
Flugplatzunternehmer durch deren Aufhebung wieder genommen wird, stellt sich für die
Luftfahrtunternehmen allenfalls als mittelbare Begünstigung, wenn nicht sogar als bloßer
Reflex dar (vgl. zu alledem Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht,
12. Aufl., § 17 III 2 Rn. 23).
Würde man das Vertrauen des derart betroffenen Dritten in den Bestand des
Verwaltungsaktes als ebenso schutzwürdig ansehen wie das Vertrauen des unmittelbar
Begünstigten, müssten §§ 48, 49 VwVfG auch im Verhältnis zwischen der Behörde und
dem Dritten anwendbar sein. Dies führte jedoch zu dem nicht haltbaren Ergebnis, dass
beispielsweise ein begünstigender Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung im
Verhältnis zu dem Dritten – unabhängig von § 50 VwVfG - unter den erleichterten
Voraussetzungen für belastende Verwaltungsakte aufgehoben werden könnte (vgl. zu
alledem Erichsen, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 17 III 2,
Rn. 22 f.).Das Handeln des Beklagten braucht hier daher auch nicht im Verhältnis zu den
Klägerinnen durch eine Ermächtigungsgrundlage legitimiert zu werden. Daraus folgt
allerdings nicht, dass der Beklagte durch die Aufhebung der luftrechtlichen
Genehmigung folgenlos in Rechte Dritter eingreifen kann. Die Klägerinnen sind – soweit
sie durch den Widerruf in ihren Rechten betroffen werden – nicht schutzlos. Ihnen steht
ausreichender Rechtsschutz zur Verfügung, denn sie können ihr Aufhebungsinteresse
ohne weiteres mittels Drittanfechtung des sie belastenden Verwaltungsaktes verfolgen.
Dieses Ergebnis findet auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine
Stütze. Danach werden durch die Änderung von Schutzauflagen für ein
planfestgestelltes Vorhaben betroffene Grundstückseigentümer durch die Bestandskraft
der Planung nicht in der Weise geschützt wie der Adressat eines begünstigenden
Verwaltungsaktes, der Änderungen nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG
hinnehmen muss. Sie haben keinen rechtlich geschützten Anspruch auf Fortbestand der
ursprünglichen Planung, sondern lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf gerechte
Abwägung ihrer Belange, sodass ihr Interesse an der Erhaltung der ursprünglichen
Planung gegen das Interesse des Vorhabenträgers an einer von ihm beabsichtigten
Änderung abzuwägen ist (BVerwGE 91, 17, 23). Nach alledem bedarf die luftrechtliche
Genehmigung hier - unabhängig von der Frage, ob ihre Änderung oder Aufhebung eine
planerische Entscheidung darstellt - weder gegenüber der Beigeladenen noch gegenüber
den Klägerinnen einer Ermächtigungsgrundlage.
3. Der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung verstößt nicht gegen europarechtliche
Vorschriften. Er verletzt insbesondere keine Rechte der Klägerinnen aus Art. 3 Abs. 1 der
Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von
Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen
Flugverkehrs. Danach wird Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft vorbehaltlich der
Verordnung von den Mitgliedstaaten die Genehmigung erteilt, Verkehrsrechte auf
Strecken in der Gemeinschaft auszuüben (vgl. auch § 21 Abs. 4 LuftVG). Hierzu zählen
gemäß Art. 1 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2408/92 sowohl der Linienflug- als auch der
Gelegenheitsflugverkehr. Der freie Streckenzugang gilt ferner für den gesamten
innergemeinschaftlichen Flugverkehr („Strecken in der Gemeinschaft“), d.h. nicht nur für
Flugdienste zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch für Flugdienste innerhalb eines
Mitgliedstaates (Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, Bd. 1.1, § 21 LuftVG
Rn. 37 und 47; vgl. auch die Definition in Art. 2 h, wonach unter dem betroffenen
Mitgliedstaat bzw. den betroffenen Mitgliedstaaten der Mitgliedstaat bzw. die
Mitgliedstaaten zu verstehen sind, in dem oder zwischen denen der betreffende
Flugverkehr durchgeführt wird).
Der mit den angegriffenen Bescheiden verfügte Widerruf der luftrechtlichen
Genehmigung schränkt zwar für die in Tempelhof operierende Allgemeine Luftfahrt den
freien Streckenzugang ein, weil er eine Verkehrsaufteilung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 VO
(EWG) Nr. 2408/92 darstellt. Diese Regelung, die keiner zusätzlichen gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlage bedarf, ist jedoch ohne Diskriminierung erfolgt, sodass sie mit
Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92 vereinbar ist.
a) Mit dem zu einer Schließung des Flughafens Tempelhof führenden Widerruf hat der
Beklagte eine Verkehrsaufteilung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr.
61
62
63
Beklagte eine Verkehrsaufteilung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr.
2408/92 vorgenommen. Diese Vorschrift räumt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein,
die Aufteilung des Verkehrs auf die einzelnen Flughäfen eines Flughafensystems (Art. 2
m VO) zu regeln. Gemäß Anhang II der Verordnung bilden die Flughäfen Berlin-Tegel,
Schönefeld und Tempelhof ein derartiges Flughafensystem.
Anders als bei dem Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung für den Verkehrsflughafen
Berlin-Tegel, die erst nach der Inbetriebnahme von BBI wirksam wird, werden die in
Tempelhof operierenden Luftfahrtunternehmen nicht auf einen einzigen (ertüchtigten)
Flughafen des ehemaligen Flughafensystems verwiesen, sondern es verbleiben nach der
Schließung vorerst zwei Flughäfen, Tegel und Schönefeld, die weiterhin Bestandteil des
Flughafensystems sind. Der Änderungsbescheid vom 30. August 2006 regelt die
Aufteilung des Tempelhofer Flugverkehrs innerhalb des Flughafensystems nach
Segmenten, indem er die Allgemeine Luftfahrt nach Schönefeld verweist und den
Linienfluggesellschaften ein Wahlrecht zwischen Tegel und Schönefeld anbietet (zur
Definition der Verkehrsaufteilung vgl. auch Heitsch, in: EurUP 2005, 75, 80). Damit wird
für die Allgemeine Luftfahrt die Wahlfreiheit, die den Luftfahrtunternehmen innerhalb des
Flughafensystems grundsätzlich zustehen muss (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 18. Januar
2001, C – 361/98 - Mailänder Flughafensystem, Malpensa), beschränkt. Davon geht
offensichtlich auch der Beklagte in seinem Bescheid vom 2. Juni 2004 aus, wonach eine
Verkehrslenkungsmaßnahme lediglich dann nicht vorliege, wenn den Tempelhofer
Luftfahrtunternehmen kein Ersatzstandort vorgegeben werde, sondern ihnen ein
Wahlrecht zwischen den beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld verbleibe (Bescheid, S.
68, 69). Soweit der Änderungsbescheid vom 22. Januar 2007 für die Allgemeine Luftfahrt
ebenfalls ein Wahlrecht zwischen den Verkehrsflughäfen Schönefeld und Tegel
behauptet, trifft dies angesichts der nicht zur Verfügung stehenden Büro- und
Hangarflächen am Verkehrsflughafen Tegel nicht zu.
Der gegenteiligen Ansicht der Beigeladenen, dass Art. 8 der VO (EWG) Nr. 2408/92 nicht
die Bereitstellung bzw. Offenhaltung von Infrastruktureinrichtungen betreffe, sondern
sich lediglich - quasi auf einer zweiten Stufe - auf Verkehrslenkungen innerhalb der
bestehenden Infrastruktureinrichtungen beziehe, vermag sich der Senat nicht
anzuschließen. Vom Sinn und Zweck der Regelung her, die den Marktzugang und damit
letztlich die Dienstleistungsfreiheit im Bereich des Luftverkehrs garantieren soll (EuGH,
Urteil vom 18. Januar 2001, C - 361/98 - Mailänder Flughafensystem, Malpensa), ist unter
einer Aufteilung grundsätzlich die Zuweisung bestimmter Verkehre an einen bestimmten
Flughafen innerhalb des Systems zu verstehen. Zu einer solchen staatlich geregelten
Aufteilung führt auch die hoheitlich angeordnete Schließung eines dem System
angehörenden Flughafens, wenn – wie hier in Bezug auf die Allgemeine Luftfahrt – der
Luftverkehr nur von einem der beiden verbleibenden Flughäfen innerhalb des
verkleinerten Systems aufgenommen werden kann und soll. Insoweit besteht zwischen
der Verlagerung aller Verkehrsströme eines Flughafens und der nur teilweisen
Verlagerung kein Unterschied. Ausschlaggebend ist die Tatsache, dass das System eine
Einheit darstellt und wie ein einziger Flughafen behandelt wird. Anders liegt es nur, wenn
Flughäfen nicht von der VO (EWG) Nr. 2408/92 erfasst werden, weil sie z.B. von
vornherein nicht für den gewerblichen Luftverkehr offen stehen (vgl. Art. 2 k VO).
b) Die von dem Beklagten mit den angegriffenen Bescheiden vorgenommene
Verkehrsaufteilung bedarf neben der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe keiner weiteren
nationalen gesetzlichen Grundlage (ebenso Heitsch, in: EurUP 2005, 75, 80;
Hofmann/Grabherr, LuftVG, Anh. 5, Einführung, S. 4). Der gegenteiligen Auffassung, die
unter Beachtung der nationalen Rechtsordnung (vgl. Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG) eine
parlamentarische Leitentscheidung des Gesetzgebers verlangt, ist nicht zu folgen (zu
dieser Ansicht vgl. Cloppenburg, Rechtsfragen der Errichtung und Nutzung von
Flughafensystemen, Köln 2006, S. 109 ff.; Giesberts, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle
Probleme des Fachplanungs- und Raumordnungsrechts 2004, Berlin 2005, S. 73 f.;
Giemulla, in Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, Bd. 1.1, § 6 LuftVG Rn. 128). Es
bedarf im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 14 Abs. 1 GG schon deshalb keiner
(weiteren) gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung, weil mit Art. 8 Abs. 1 VO (EWG)
Nr. 2408/92 eine europarechtliche, unmittelbar geltende gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage vorhanden ist, die durch die Luftfahrtbehörden effektiv
umgesetzt werden kann. Die Verkehrsverlagerung und ihre Voraussetzungen sind
europarechtlich hinreichend determiniert. Die Anwendung im Einzelfall obliegt der
zuständigen Luftfahrtbehörde, ohne dass dadurch in die Gesetzgebungskompetenz des
Bundes eingegriffen wird. Hier kommt hinzu, dass der Beklagte mit der angegriffenen
Verkehrsaufteilung nur eine für voraussichtlich rund drei bis vier Jahre geltende
Übergangslösung bis zur Inbetriebnahme des Verkehrsflughafens Berlin-Brandenburg
International getroffen hat, denn ab diesem Zeitpunkt wird das Berliner
Flughafensystem, das durch einen einzigen Flughafen abgelöst werden soll, nicht mehr
64
65
66
67
68
Flughafensystem, das durch einen einzigen Flughafen abgelöst werden soll, nicht mehr
bestehen.
c) Die durch den Widerruf verfügte Verkehrsaufteilung und die damit einhergehende
Beschränkung für die Allgemeine Luftfahrt sind schließlich nicht diskriminierend im Sinne
von Art. 8 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92. Eine Beschränkung des Marktzuganges lässt
sich allerdings nicht auf die Rechtfertigung des Art. 8 Abs. 2 der VO stützen, wonach die
Ausübung von Verkehrsrechten unter dem Vorbehalt gemeinschaftsrechtlicher und
nationaler Vorschriften in den Bereichen Sicherheit, Umweltschutz und Zuweisung von
Start- und Landezeiten steht. Die von dem Beklagten für eine Schließung angeführten
Belange des Immissionsschutzes und der Sicherheit greifen hier insoweit nicht, als der
Flughafen Tempelhof sowohl nach europäischem als auch nach deutschem Recht derzeit
rechtmäßig betrieben wird. Gleiches gilt in Bezug auf Art. 9 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2408/92
(ernsthafte Überlastung oder/und Umweltprobleme).
Eine hier allein in Betracht kommende Diskriminierung wegen der Identität des
Luftfahrtunternehmens (Allgemeine Luftfahrt) liegt nicht vor. Danach darf der
Mitgliedstaat einem oder mehreren Unternehmen ohne objektive und stichhaltige
sachliche und rechtliche Begründung keine Verkehrsrechte gewähren, die er einer
begrenzten Zahl anderer, genau identifizierter oder identifizierbarer Unternehmen für
den Betrieb eines gleichen Dienstes unter vergleichbaren Bedingungen verweigert hat
(Entscheidung der Kommission vom 24. April 1994, TAT – Paris [Orly] – Marseille und
Paris [Orly] – Toulouse, 94/291/EWG, ABl. L 127 vom 19. Mai 1995, S. 32).
Da durch die Aufteilungsregelung die gesamte Allgemeine Luftfahrt vom Flughafen
Tempelhof zum Flughafen Schönefeld verlagert wird, besteht eine Diskriminierung
innerhalb des verbleibenden Flughafensystems nur dann, wenn am Flughafen Tegel ein
Unternehmen der Gemeinschaft ebenfalls auf dem Segment der Allgemeinen Luftfahrt
unter vergleichbaren Bedingungen operiert, ohne dass sich hierfür eine stichhaltige
Begründung anführen lässt. Dies ist nicht der Fall. Zwar betreibt die L. am Flughafen
Tegel in Kooperation mit dem britischen Unternehmen N.einen linienunabhängigen
Flugverkehr u.a. für Geschäftsleute. Dieser Flugverkehr ist jedoch nicht mit der am
Flughafen Tempelhof operierenden Allgemeinen Luftfahrt vergleichbar, weil es sich um
einen Annex zum Liniendienst der L. handelt, der u.a. auch als Beförderungsmöglichkeit
zu auswärtigen Linienverbindungen genutzt wird. Weder die L. noch N. haben ihren
Betriebssitz am Flughafen Tegel.
Unabhängig davon wären die Klägerinnen durch den Verweis auf den Flughafen
Schönefeld selbst dann nicht diskriminiert, wenn man eine Vergleichbarkeit der in Tegel
und Tempelhof angebotenen Dienste bejahen wollte. Ein etwaiger Eingriff in die
Dienstleistungsfreiheit wäre vor allem deshalb gerechtfertigt, weil es sich um eine
Übergangslösung für einen begrenzten Zeitraum von rund drei Jahren handelt, die
lediglich bis zur endgültigen Umgestaltung und Auflösung des Berliner Flughafensystems
Bestand hat und den Kapazitätsengpässen am Flughafen Tegel geschuldet ist. Diese
Übergangslösung soll auch Belangen des Umweltschutzes und der Sicherheit Rechnung
tragen. Hinzu kommt, dass die Klägerinnen ihre Dienste grundsätzlich – wenn auch mit
gewissen Einschränkungen - ebenfalls am Flughafen Tegel anbieten können. Ferner
unterliegt der Flugbetrieb in Schönefeld nicht den zeitlichen Beschränkungen, die für den
Flugbetrieb in Tegel gelten. Schließlich handelt es sich bei dem Flughafen Schönefeld ab
November 2008 um einen – auch im Verhältnis zum Flughafen Tegel - zumutbaren
Ersatzstandort (s. u.).
4. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen verstoßen die angegriffenen Bescheide
nicht gegen raumordnungsrechtliche Vorschriften. Die Verordnung zur Änderung der
Verordnung über den Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS)
vom 30. Mai 2006 (GVBl. Bln S. 509) legt nicht verbindlich fest, dass der Flughafen
Tempelhof erst mit der Inbetriebnahme des Flughafens Berlin-Brandenburg International
und nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt geschlossen werden darf (vgl. III., Z 1 der
Anlage zur Änderungsverordnung). Die gegenteilige Behauptung der Klägerinnen findet
in dem Wortlaut der Verordnung keine Stütze. Vielmehr lässt sich der Begründung (Nr. 6
zu Z 1 LEP FS, GVBl. S. 541) eindeutig entnehmen, dass eine frühere Schließung des
Flughafens Tempelhof Zielen der Raumordnung nicht entgegensteht. Andererseits folgt
aus den genannten Vorschriften zwingend, dass der Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof
schließen
ist. Der von den Klägerinnen begehrte Weiterbetrieb - selbst mit einer Beschränkung auf
den Geschäftsflugbetrieb - wäre daher aus raumordnungsrechtlichen Gründen ohnehin
nur für einen Zeitraum von drei Jahren über das von dem Beklagten verfügte
Schließungsdatum hinaus möglich.
69
70
71
72
73
74
5. Die angegriffenen Bescheide verletzen die Klägerinnen schließlich weder in ihrem
Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG noch in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.
a) Der Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung greift nicht in das Eigentumsrecht der
Klägerinnen aus Art. 14 Abs. 1 GG ein. Selbst wenn man davon ausginge, dass der
eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als tatsächliche Zusammenfassung der
zum Vermögen eines Unternehmens gehörenden Sachen und Rechte in eigenständiger
Weise von der Gewährleistung der Eigentumsgarantie erfasst wird (offen gelassen
BVerfGE 51, 193, 221 f.; 105, 252, 278.), fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Eingriff
in die Substanz, der entsprechend schwer und unerträglich sein müsste (BVerfGE 13,
225, 229 f.). Es ist weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt, warum die Schließung
des Flughafens Tempelhof und die Verlagerung des Flugverkehrs nach Schönefeld für die
Klägerinnen einen schwer wiegenden, ihnen nicht zumutbaren betriebsbezogenen
Eingriff darstellen soll. Eine lediglich befürchtete Minderung der Erwerbschancen durch
einen Verlust von Kunden wird vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht erfasst
(BVerfGE 68, 193, 222 f.). Gleiches gilt in Bezug auf zukünftige Expansionschancen.
Unabhängig davon durften die Klägerinnen angesichts der seit vielen Jahren
bestehenden ernsthaften Bestrebungen, den Verkehrsflughafen Berlin-Tempelhof schon
vor der Inbetriebnahme von Berlin-Brandenburg International zu schließen, vor allem bei
erst in jüngerer Zeit getätigten Investitionen nicht auf den Fortbestand des Flugbetriebs
in Tempelhof vertrauen. Hierzu gab auch der zu ihren Gunsten ergangene Beschluss des
OVG Berlin vom 23. September 2004 – OVG 1 S 46.04 – keinen Anlass, weil er sich
lediglich auf die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Befreiung von der
Betriebspflicht bezog.
Soweit die Klägerinnen eine nicht ausreichende Zuweisung von Zeitnischen am
Verkehrsflughafen Schönefeld befürchten, kommt eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG
nicht in Betracht. Dem Gelegenheitsverkehr werden keine Start- und Landeerlaubnisse
(Zeitnischen) auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates über
gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der
Gemeinschaft vom 18. Januar 1993 (ABl. Nr. L 14/1) bzw. aufgrund von §§ 27 a, 27 b
LuftVG zugewiesen (vgl. Art. 2 a) der Verordnung). Im Übrigen fallen Zeitnischen ohnehin
nicht unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Diese Rechtspositionen
beruhen auf einer einseitigen öffentlich-rechtlichen Gewährung, für die die begünstigten
Luftfahrtgesellschaften keine unmittelbare oder mittelbare Gegenleistung erbringen.
(ebenso Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, § 27 a Rn. 21). Sie können
daher mangels eigentumsähnlicher Verfestigung bei der Schließung eines Flughafens
ersatzlos entzogen werden, ohne dass das Vertrauen in den Fortbestand der
Rechtsposition durch Grundrechte geschützt wäre (vgl. auch BVerfGE 45, 142, 170; 97,
271, 284).
b) Ebenso wenig ist das Grundrecht der Klägerinnen aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
Beeinträchtigungen des Wettbewerbs können zwar grundsätzlich in den Schutzbereich
der Berufsfreiheit fallen. Hierzu zählen grundsätzlich auch staatliche Regelungen, die
eine Aufteilung des Luftverkehrs innerhalb eines Flughafensystems zur Folge haben. In
einem solchen Fall können Luftverkehrsunternehmen nicht mehr frei darüber
entscheiden, in welcher Weise und an welchem Ort sie tätig werden (vgl. auch
Cloppenburg, Rechtsfragen der Errichtung und Nutzung von Flughafensystemen, 2006,
S. 110; Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 128). Eine
wettbewerbswidrige, gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßende Beeinträchtigung ist hier
jedoch aus den zu Art. 8 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 2408/92 dargelegten Gründen nicht
gegeben.
Soweit die Klägerinnen im Übrigen geltend machen, sie würden wegen der längeren
Anfahrtswege nach Schönefeld Kunden verlieren und Umsatzeinbußen hinnehmen
müssen, ist dem zu entgegnen, dass Art. 12 Abs. 1 GG – ebenso wenig wie Art. 14 Abs.
1 GG - kein Recht auf Erhaltung eines bestimmten Geschäftsumfangs und auf Sicherung
weiterer Erwerbsmöglichkeiten garantiert (BVerfGE 105, 252, 265; vgl. auch BVerwGE 71,
183, 193).
6. Die Klägerinnen können sich ferner nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des Gebotes
berufen, wonach die von einer Entscheidung mit planungsrechtlichem Charakter
berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht
abzuwägen sind. Hierbei kann offen bleiben, ob ihnen überhaupt ein Recht auf gerechte
Abwägung zusteht. Die angegriffenen Bescheide verletzen sie selbst dann nicht in ihren
Rechten, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass der Widerruf der
luftrechtlichen Genehmigung - wie deren isolierte Erteilung oder Änderung - eine
planerische Entscheidung darstellt, und wenn man ein Recht auf fehlerfreie Abwägung
75
76
77
78
79
80
planerische Entscheidung darstellt, und wenn man ein Recht auf fehlerfreie Abwägung
auch derjenigen privaten Belange der Klägerinnen bejaht, die unterhalb der Schwelle
zum subjektiven Recht verbleiben.
Ein unterstelltes Recht der Klägerinnen auf gerechte Abwägung ihrer privaten Belange
wäre nur verletzt, wenn der Beklagte die entsprechenden Belange nicht zutreffend
ermittelt oder – obwohl abwägungserheblich - nicht in die Abwägung eingestellt oder sie
verkannt hätte, oder wenn der Ausgleich der Belange in einer Weise vorgenommen
worden wäre, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit außer Verhältnis stünde (vgl. BVerwGE
52, 237, 244 f.; 107, 313, 322; 107, 350, 355 f.). Hierbei ist die angegriffene
Entscheidung nicht einer objektiv-rechtlichen Überprüfung zu unterziehen, sondern die
Klägerinnen bleiben auf eine Rüge der fehlerhaften Abwägung eigener Belange
beschränkt (BVerwGE 48, 56, 66).
a) Der von den Klägerinnen behauptete Abwägungsausfall, den sie mit dem politischen
Willen zur Schließung des Flughafens Berlin-Tempelhof begründen, lässt sich dem
Bescheid nicht entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte, der ein
aufwändiges Anhörungsverfahren durchgeführt und mehrere, zum Teil umfangreiche
Bescheide erlassen hat, sich von vornherein an die (unterstellte) Vorgabe einer
vorzeitigen Schließung gebunden glaubte und deshalb keine Abwägung vorgenommen
hat.
b) Ebenso wenig greift die Rüge der Klägerinnen, dass der Beklagte ihre Belange nicht
zutreffend ermittelt und nicht gerecht abgewogen habe. Zwar kann das Interesse eines
gewerblichen Unternehmens an der Erhaltung der mit erheblichen Investitionen
ausgenutzten Erwerbsquelle bei der hoheitlichen Planung geschützt sein (BVerwG,
Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 22, S. 17, 21 f.). Die Betriebsaufgabe ist für die
Klägerinnen – unabhängig davon, inwieweit ihre Gewerbebetriebe tatsächlich mit
Standortbezug in Tempelhof verankert sind - jedoch schon deshalb als zumutbar
anzusehen, weil ihnen nach der Stillegung des Flughafens Tempelhof ab 1. November
2008 alternative Betätigungsmöglichkeiten an einem zumutbaren Ersatzstandort,
nämlich am Verkehrsflughafen Schönefeld, zur Verfügung stehen.
Der Beklagte hat unter Berücksichtigung aller Umstände abwägungsfehlerfrei
entschieden, dass die Klägerinnen zum Winterflugplan 2008/2009 in Schönefeld-Süd
angemessenen Ersatz für den bisherigen Betrieb am Flughafen Tempelhof erhalten
werden, der voraussichtlich im Jahre 2011, d.h. rund drei Jahre nach dem von dem
Beklagten verfügten Schließungszeitpunkt, ohnehin hätte aufgegeben werden müssen.
Nach der in dem Verlagerungsgutachten vom 4. Mai 2006 (S. 28 ff.) dargelegten
Bedarfsprognose für den Flughafen Schönefeld ist nicht erkennbar, dass die für die
Allgemeine Luftfahrt erforderlichen Kapazitäten – auch bei weiterer Zunahme des
Linienverkehrs, der derzeit durch große Maschinen geprägt ist - nicht bewältigt werden
könnten. Zwar geht das Gutachten von einer Schließung im Jahr 2007 aus. Es ist jedoch
nicht ersichtlich, dass sich die dort beschriebene Situation im Jahr 2008 wesentlich
geändert haben wird. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte auf den unternehmerischen
Bestand der Klägerinnen im Jahr 2006 abgestellt hat. Unabhängig davon dürften die
Klägerinnen bei der Zuweisung von Zeitnischen im Gelegenheitsverkehr regelmäßig
wesentlich flexibler sein als beispielsweise Linienfluggesellschaften. Sie haben außerdem
insoweit keine konkreten und belastbaren Angaben gemacht. Die in der mündlichen
Verhandlung vom 30. Januar 2007 gestellten Beweisanträge bezogen sich ausschließlich
auf die am Flughafen Tegel verfügbare Kapazität. Insoweit wird auf die Urteile vom 12.
Februar 2007 in den Verfahren OVG 12 A 9.06 und OVG 12 A 1.05 Bezug genommen.
Soweit ab dem Jahr 2008 nur noch eine Start- und Landebahn zur Verfügung stehen
wird, haben Beklagter und Beigeladene darauf hingewiesen, dass schon zum jetzigen
Zeitpunkt faktisch nur eine Start- und Landebahn genutzt wird. Die Start- und
Landebahnen in Schönefeld sind bei weitem nicht ausgelastet, sondern verfügen über
erhebliche freie Kapazitäten (rund 40 %). Das bei der hoheitlichen Planung geschützte
Interesse des gewerblichen Unternehmens an der Erhaltung der Erwerbsquelle verlangt
nicht, dass bei der Abwägung im Zeitpunkt der Behördenentscheidung nicht näher
konkretisierte Entwicklungschancen berücksichtigt werden müssen. Dies gilt
insbesondere in Bezug auf die Klägerin zu 1., die eine Beschränkung der erhofften oder
gewünschten Expansionsmöglichkeiten (u.a. Anschaffung weiterer Luftfahrzeuge)
befürchtet. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, dass eine Expansion für die
Klägerinnen am Verkehrsflughafen Schönefeld bzw. am Verkehrsflughafen Berlin-
Brandenburg International nicht möglich sein wird.
Ebenso wenig sind die weiteren Bedingungen zu beanstanden, unter denen die
Klägerinnen ihre betriebliche Tätigkeit an dem für sie vorgesehenen Ersatzstandort in
81
82
83
Klägerinnen ihre betriebliche Tätigkeit an dem für sie vorgesehenen Ersatzstandort in
Schönefeld-Süd fortführen sollen. Soweit die Verlagerung gewisse Erschwernisse für die
Klägerinnen mit sich bringt, sind diese im Wesentlichen auf eine Übergangszeit von drei
bis vier Jahren beschränkt. Der den Klägerinnen zur Verfügung stehende Standort wird
spätestens bei der Schließung des Flughafens Tempelhof über eine ausreichende
Verkehrsinfrastruktur verfügen und bei der Eröffnung von Berlin-Brandenburg
International in unmittelbarer Nähe des zukünftigen Hauptterminals liegen. Bis zu
diesem Zeitpunkt wird die Erreichbarkeit vor allem durch die Autobahn A 113n
gewährleistet, die nach der derzeitigen, nicht in Zweifel zu ziehenden Planung
voraussichtlich im Mai 2008 durchgängig bis zum Flughafen Berlin-Schönefeld (Nord) für
den Verkehr geöffnet wird. Damit wird sich die bisherige Fahrzeit deutlich verkürzen. Das
derzeit u.a. in Adlershof bestehende Staurisiko wird sich verringern. Angesichts dessen
ist für die Übergangszeit hinzunehmen, dass erst mit der Eröffnung von Berlin-
Brandenburg International eine durchgängige Verbindung bis Schönefeld-Süd geschaffen
sein wird.
Soweit das in Schönefeld-Süd vorhandene bzw. zu erweiternde Terminal nicht
unmittelbar an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen ist, stellt dies keinen
erheblichen Abwägungsmangel zu Lasten der Klägerinnen dar. Es ist vor allem nicht
ersichtlich, dass die Kunden der Klägerinnen vornehmlich auf den öffentlichen
Nahverkehr angewiesen wären. So hat u.a. die Klägerin zu 1. im Anhörungsverfahren
geltend gemacht, dass sowohl im Geschäftsverkehr als auch bei Ambulanzeinsätzen der
Zugang zum Start und der Abgang nach der Landung mit Personenkraftwagen bzw.
Sonderkraftfahrzeugen erfolge. Auch für die Beschäftigten der Klägerinnen ist der
Standort in zumutbarer Weise erreichbar. Dies gilt umso mehr, als in Schönefeld-Süd
mehrere hundert Arbeitnehmer u.a. in den dortigen Werften arbeiten. Der vor allem von
den Kunden der Klägerin zu 1. geschätzte Vorteil zeitlicher Flexibilität und eines
exklusiven Transportes bleibt auch insoweit maßgeblich erhalten, als An- und Abflugzeit
individuell und unabhängig von Flugplänen bestimmt werden können. Darin liegt auch
weiterhin der entscheidende Vorteil gegenüber den (vom Flughafen Tegel operierenden)
Linienfluggesellschaften. Im Übrigen handelt es sich bei dem Verkehrsflughafen
Schönefeld zwar nicht um einen innerstädtischen, andererseits aber sehr wohl um einen
stadtnahen Flughafen.
Die Befürchtungen der Klägerinnen, für eine Übergangszeit durch die Großbaustelle BBI
beeinträchtigt zu werden, lassen keinen zur Aufhebung der Bescheide führenden
Abwägungsmangel erkennen. Die Beigeladene bzw. ihre Muttergesellschaft hat
gegenüber dem Beklagten zugesagt, eine Interimsstraße für den Baustellenverkehr zu
errichten, um den Verkehr zum GA-Terminal zu entlasten. Hierzu existieren Pläne, die
die Beigeladene im gerichtlichen Verfahren vorgelegt und in der mündlichen
Verhandlung am 19. Dezember 2006 im Einzelnen erläutert hat (u.a.
Schienenanbindung des Baustellenverkehrs, Betonherstellung durch ein Betonwerk
unmittelbar auf dem Gelände der FBS). Danach ist nicht davon auszugehen, dass der
Betrieb der Klägerinnen durch den Baubetrieb in nicht mehr hinnehmbarer Weise
eingeschränkt werden wird.
Die insoweit in den angegriffenen Bescheiden vorgesehenen Maßnahmen werden auch
dem Grundsatz der Problembewältigung gerecht (vgl. dazu nur BVerwGE 61, 307, 311;
BVerwGE 112, 221). Der Beklagte konnte im Zeitpunkt der Entscheidung noch keine
abschließende Lösung treffen und durfte davon ausgehen, dass die Problemregelung bei
vernünftiger Betrachtungsweise durch die Beigeladene objektiv erwartet werden kann
(BVerwG NVwZ-RR 1995, 322; NVwZ 1996, 901). Dies gilt auch angesichts der Tatsache,
dass die Beigeladene zunächst offensichtlich Probleme hatte, die ursprüngliche Planung
(z.B. in Bezug auf die Auflösung von Mietverträgen für das GA-Terminal) einzuhalten. Die
Schwierigkeiten sind jedoch rechtzeitig überwunden worden. Das Interesse der
Beigeladenen an einem reibungslosen und möglichst wenig störenden Baustellenbetrieb
ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass in Schönefeld-Süd bereits zum jetzigen
Zeitpunkt Unternehmen mit insgesamt mehreren hundert Arbeitnehmern ansässig sind.
Durch die noch nicht endgültig bewältigten Belange wird die Substanz der
Verlagerungsentscheidung nicht berührt, und diese erscheint auch nicht unabgewogen
(vgl. BVerwG NVwZ-RR 1995, 322; NVwZ-RR 1998, 292, 296). Dies gilt auch, soweit die
angegriffenen Bescheide es der Beigeladenen bzw. ihrer Muttergesellschaft überlassen,
noch fehlende Hangars zu errichten und bestimmte Sicherheitsbereiche auszuweisen,
um einen internationalen Flugverkehr garantieren zu können. Entscheidend ist, dass die
Beigeladene den angegriffenen Bescheiden zufolge entsprechende Maßnahmen treffen
muss bzw. dies zugesichert hat. Dies betrifft auch die Abwicklung der Internationalen
Luft- und Raumfahrtausstellung im Jahr 2010. Auch insoweit ist mit dem Beklagten
davon auszugehen, dass es nicht zu unzumutbaren Einschränkungen für die Klägerinnen
kommt (vgl. Änderungsbescheid vom 30. August 2006, S. 26 f.). Ebenso wenig musste
84
85
86
87
88
89
kommt (vgl. Änderungsbescheid vom 30. August 2006, S. 26 f.). Ebenso wenig musste
und konnte der Beklagte in den angegriffenen Entscheidungen Einzelheiten zu
betrieblichen und logistischen Abläufen regeln. Er hat die zeitgerechte und
angemessene Verwirklichung der Verlagerung in dem Änderungsbescheid vom 22.
Januar 2007 durch eine nicht zu beanstandende Auflage gesichert.
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass das bereits in Schönefeld-Süd befindliche bzw. noch
zu errichtende Gebäude für die Klägerinnen unzumutbar ist oder dass die angegriffenen
Bescheide insoweit abwägungsfehlerhaft sind. Eine genaue Zuordnung der jeweiligen
Flächen zu bestimmten Unternehmen brauchte in den angegriffenen Bescheiden noch
nicht zu erfolgen, weil es sich hierbei um eine untergeordnete, allein durch die
Beigeladene bzw. deren Muttergesellschaft zu treffende (vertragliche) Regelung handelt.
Entscheidend ist, dass den Klägerinnen Flächen in demselben Umfang zur Verfügung
stehen werden, wie sie zu dem im Änderungsbescheid vom 22. Januar 2007 genannten
Datum am Verkehrsflughafen Tempelhof genutzt worden sind. Es bestehen auch keine
begründeten Zweifel daran, dass ein Wechsel nach Schönefeld rechtzeitig verwirklicht
werden kann. Die Beigeladene muss der Auflage Nr. 2 des Änderungsbescheides vom
22. Januar 2007 zufolge den Nutzern die Mietflächen in Schönefeld spätestens bis zum
15. Juni 2008 zur Verfügung stellen. Entsprechende Informationen zu den Bedingungen
sind den Unternehmen der Allgemeinen Luftfahrt sogar schon bis zum 30. September
2007 zu geben.
Da der Beklagte den Klägerinnen einen zumutbaren Ersatzstandort angeboten hat,
kommt es auf die für die Schließung des Flughafens Tempelhof streitenden Belange
nicht entscheidungserheblich an. Unabhängig davon sind diese öffentlichen und privaten
Belange (innerstädtische Lage, Lärmschutz, Sicherheit einerseits, defizitäre
Bewirtschaftung andererseits) von bedeutendem Gewicht, sodass ein unterstelltes
Interesse der Klägerinnen an der Aufrechterhaltung ihrer betrieblichen Standorte am
Flughafen Tempelhof abwägungsfehlerfrei überwunden werden könnte. Selbst wenn die
Klägerinnen die konkrete Höhe des von der Beigeladenen zu tragenden wirtschaftlichen
Defizits, das durch die Verlagerung einer weiteren Linienfluggesellschaft nach Tegel noch
einmal gestiegen ist, bestreiten, räumen auch sie letztlich die Existenz eines derartigen
Defizits ein. Auf die Schließungskosten als solche kommt es hierbei nicht an, weil diese
angesichts der raumordnungsrechtlich zwingenden Schließung spätestens mit der
Inbetriebnahme von Berlin-Brandenburg International ohnehin entstünden. Gleiches gilt,
soweit die Klägerinnen geltend machen, dass die Beigeladene zu dem von ihr beklagten
Defizit selbst erheblich beigetragen habe. Ebenso wenig können sie sich zu ihren
Gunsten darauf berufen, dass bislang kein Nachnutzungskonzept vorliege. Zum einen
bedarf es zuvor der Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, und zum anderen fällt
die Entscheidung über die weitere Nutzung nicht in die Zuständigkeit der
Luftfahrtbehörde.
Schließlich brauchte sich der Beklagte schon deshalb nicht um einen anderen Betreiber
für den Verkehrsflughafen Tempelhof zu bemühen, weil er den Klägerinnen einen
zumutbaren Alternativstandort zur Verfügung gestellt hat.
7. Der angegriffene Bescheid verletzt die Klägerinnen auch nicht deshalb in ihren
Rechten, weil er die luftrechtliche Genehmigung isoliert und unabhängig vom
Fortbestand der Planfeststellung aufhebt.
a) Der von dem Beklagten beschrittene Weg ist nicht schon deshalb unzulässig, weil das
Luftverkehrsrecht – anders als beispielsweise das Eisenbahnrecht in § 11 AEG – keine
spezialgesetzliche Norm kennt, die die dauerhafte Einstellung des Betriebs ohne
Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses regelt (zu § 11 AEG vgl. auch BverwGE 107,
350, 353). Aus dem Fehlen einer derartigen Vorschrift lässt sich kein Verbot einer
Stillegung bei Fortbestand der Planfeststellung ableiten, zumal der Gesetzgeber die
Stillegung eines Verkehrsflughafens im Einvernehmen mit dem Flughafenunternehmer
offensichtlich überhaupt nicht in den Blick genommen hat.
Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Luftverkehrsrecht gibt insoweit nichts
her. Zwar hält das Bundesverwaltungsgericht bei planfestgestellten Flughäfen eine Klage
Dritter auf Widerruf der luftrechtlichen Genehmigung für unzulässig, weil Rechtsschutz
nur gegen den Planfeststellungsbeschluss erlangt werden kann (vgl. BVerwG Buchholz
442.40 § 9 LuftVG Nr. 8). Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass ein Widerruf
im Verhältnis zwischen der Genehmigungsbehörde und dem Flugplatzunternehmer
ausgeschlossen ist, wenn der Flugplatzunternehmer eine Stillegung begehrt. Zieht man
die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Eisenbahnrecht heran, müsste
man sogar zu dem Ergebnis kommen, dass vor der Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses zunächst die luftrechtliche Genehmigung aufzuheben
90
91
92
93
94
95
Planfeststellungsbeschlusses zunächst die luftrechtliche Genehmigung aufzuheben
wäre, weil einer auf Beseitigung des Flughafens zielenden Planfeststellung die
Außerdienstsetzung der Anlage vorausgehen müsste (BVerwG NVwZ-RR 1992, 457).
Hinzu kommt, dass die Aufhebung der luftrechtlichen Genehmigung, durch die der
Betrieb eingestellt wird, und die Aufhebung der anlagenbezogenen Planfeststellung
unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen und grundsätzlich rechtlich selbstständig
nebeneinander stehen. § 8 Abs. 1 LuftVG bezieht sich allein auf die (bauliche) Anlage
eines Flugplatzes. § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG eröffnet lediglich eine Option, in der
Planfeststellung betriebliche Regelungen zu treffen, ohne dies - wie etwa in § 9 b Abs. 1
AtG geschehen – verbindlich anzuordnen. Mit einer Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses ist daher keine automatische Aufhebung der
luftrechtlichen Genehmigung verbunden. Sie kann als Zulassungsgrundlage
fortbestehen, auch wenn von ihr mangels Planfeststellung kein Gebrauch gemacht
werden kann. Nach alledem ist der im Schrifttum vertretenen Ansicht, wonach der
gemäß §§ 8 ff. LuftVG ergangene Planfeststellungsbeschluss aufgrund seiner
umfassenden Gestaltungswirkung alleiniger Anknüpfungspunkt für
Widerrufsentscheidungen bleiben müsse, nicht zu folgen (zu dieser Ansicht vgl. Wysk, in:
ZLW 2003, S. 620, insbesondere Fußnote 40).
b) Selbst wenn man hier zu dem Ergebnis käme, dass die Stillegung eines
planfestgestellten Verkehrsflughafens nur durch Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses und nicht durch Aufhebung der luftrechtlichen
Genehmigung erfolgen könnte, führte dies nicht zur Verletzung von Rechten der
Klägerinnen. Private Dritte haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung eines
bestimmten Verfahrens (vgl. dazu Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 268 mit weiteren Nachweisen; zum nicht bestehenden Anspruch
auf Durchführung eines luftrechtlichen Genehmigungsverfahrens vgl. BayVGH DÖV
2004, 170 f.) Dies führt hier auch nicht zu einer gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoßenden
Rechtsschutzverkürzung. Selbst wenn der Beklagte den Flughafenbetrieb nur durch
Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses hätte stilllegen können, wäre nicht
ersichtlich, dass sich dies auf eine durch § 42 Abs. 2 VwGO geschützte materielle
Rechtsposition der Klägerinnen auswirkte, zumal der Beklagte auch im vorliegenden
Verfahren eine Abwägungs- und Ermessensentscheidung unter Beteiligung der
Klägerinnen getroffen hat.
III.
Falls man mit den Klägerinnen eine Ermächtigungsgrundlage für erforderlich hielte,
wären die angegriffenen Bescheide ebenfalls rechtmäßig. Sie ließen sich nämlich
zumindest auch auf § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG bzw. auf § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG in
entsprechender Anwendung oder auf § 1 Abs. 1 BlnVwVfG in Verbindung mit § 49 VwVfG
stützen.
1. Nach § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG ist eine Änderung der luftrechtlichen Genehmigung
erforderlich, wenn die Anlage oder der Betrieb des Flugplatzes wesentlich geändert
werden soll. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Die von der Beigeladenen angestrebte vollständige Betriebseinstellung stellt sich als
wesentliche Änderung des Flugbetriebs dar. Eine derartige, die Genehmigungspflicht
auslösende Änderung im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG ist zu bejahen, wenn durch
sie die für das luftverkehrsrechtliche Genehmigungserfordernis maßgebenden Belange
in rechtserheblicher Weise berührt werden (BVerwG Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 11,
S. 21, 29). Da dies bei einer deutlichen Reduzierung des Flugbetriebs wegen der im
öffentlichen Interesse liegenden Nutzung eines Verkehrsflughafens der Fall ist (so
Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 9, S. 12; Hofmann/Grabherr,
Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 30; Delbanco, Die Änderung von Verkehrsflughäfen, Berlin
1998, S. 179; a.A. Ronellenfitsch, in: DVBl. 1984, S. 504; Wysk, in: Ziekow, Praxis des
Fachplanungsrechts, 6. Kapitel, Rn. 1676), muss dies erst recht dann gelten, wenn es
sich nicht nur um eine wesentliche Reduzierung, sondern sogar um eine vollständige
Einstellung des Betriebs handelt. Vor diesem Hintergrund vermag die in der Literatur
vertretene Ansicht, wonach die Stillegung eines Flughafens durch Widerruf der
luftrechtlichen Genehmigung keine Änderung seines Betriebs darstelle, weil sie begrifflich
voraussetze, dass auch nach der Änderung eine Flughafenanlage fortbestehe und
betrieben werde (so Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsverordnungen, § 41
LuftVZO Rn. 3), nicht zu überzeugen.
Ebenso wenig steht dem Wortlaut des § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG eine Auslegung
entgegen, die die aufgrund der Betriebseinstellung erforderliche Aufhebung der
Genehmigung als deren Änderung qualifiziert. Stellt die Stillegung eines Flughafens eine
96
97
98
99
100
101
102
Genehmigung als deren Änderung qualifiziert. Stellt die Stillegung eines Flughafens eine
wesentliche Änderung seines Betriebes dar, kann die Änderung der Genehmigung nur in
deren Aufhebung bestehen (kritisch Sellner/Reidt, in: NVwZ 2004, S. 1169). Dass sich die
Änderung der Genehmigung auch als deren Aufhebung begreifen lässt, wird im
Schrifttum im Übrigen ausdrücklich für den Fall des § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG bejaht.
Danach ist die Genehmigung zu ändern, wenn dies nach dem Ergebnis des
Planfeststellungsverfahrens erforderlich ist. Bei negativem Ausgang des
Planfeststellungsverfahrens und bereits erteilter Genehmigung reicht die
Änderungsbefugnis des § 6 Abs. 4 Satz 1 LuftVG dementsprechend bis zur Aufhebung
der Genehmigung (vgl. Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 72).
b) Unabhängig davon käme auch eine entsprechende Anwendung des § 6 Abs. 4 Satz 2
LuftVG in Betracht, weil kein Grund ersichtlich ist, die Aufhebung der luftrechtlichen
Genehmigung auf Antrag des Genehmigungsinhabers anders zu behandeln als einen
Antrag auf deren Erteilung oder Änderung.
c) Wegen der weiteren Erwägungen kann auf II. 3. bis 7. Bezug genommen werden.
2. a) Der Bescheid des Beklagten vom 2. Juni 2004 in der Fassung der
Änderungsbescheide vom 30. August 2006, 7. Dezember 2006 und 22. Januar 2007
lässt sich schließlich auch auf § 49 VwVfG stützen. Dabei kann offen bleiben, ob der
Luftfahrtbehörde grundsätzlich ein Rückgriff auf die allgemeinen
verwaltungsverfahrensrechtlichen Rücknahme- und Widerrufsvorschriften wegen
abschließender Regelungen im Luftverkehrsrecht verwehrt ist (vgl. dazu
Hofmann/Grabherr, Luftverkehrsgesetz, § 6 Rn. 121; Giemulla, in: Giemulla/Schmid,
Luftverkehrsverordnungen, § 48 LuftVZO Rn. 2; zur Anwendbarkeit von § 49 VwVfG im
Fachplanungsrecht s. auch BVerwGE 105, 6 ff.). Hier ist die Anwendung einer
allgemeinen, den Vertrauensschutz durchbrechenden Regelung, die möglicherweise
über grundsätzlich vorrangige Spezialvorschriften hinausgeht, jedenfalls ohne weiteres
möglich, weil die Beigeladene wirksam auf Vertrauensschutz verzichtet hat. Insoweit ist
es auch nicht erforderlich, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 1
bis 5 VwVfG vorliegen, weil sie – wie bereits dargelegt - allein für die Beigeladene, nicht
aber für die Klägerinnen Vertrauensschutz begründen. Verzichtet die Beigeladene
darauf, entfallen die Einschränkungen des § 49 Abs. 2 VwVfG, und ein Widerruf ist
unabhängig hiervon nach § 49 VwVfG möglich.
b) Auch hier kann wegen der weiteren Begründung auf II. 3. bis 7. verwiesen werden.
IV.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 161 Abs. 2 VwGO.
Soweit der Rechtsstreit hinsichtlich der ursprünglich mit Bescheid vom 2. Juni 2004
verfügten Befreiung von der Betriebspflicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden
ist, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten zu teilen (§ 161 Abs. 2 VwGO). Insoweit
war der Ausgang des Hauptsacheverfahrens aus der Sicht des Senats offen.
Die Klägerin zu 6., die den Rechtsstreit übereinstimmend mit dem Beklagten insgesamt
für erledigt erklärt hat, ist entsprechend der im Tenor genannten Kostenquote nur an
den bis zur übereinstimmenden Hauptsachenerledigungserklärung (4. September 2006)
entstandenen Kosten zu beteiligen, § 161 Abs. 2 VwGO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der
in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Der Sache kommt insbesondere keine
grundsätzliche Bedeutung zu, weil der Senat die Rechtsfragen, deren
Klärungsbedürftigkeit allenfalls in Betracht käme, offen lassen konnte.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum