Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 02.02.2009

OVG Berlin-Brandenburg: vorläufiger rechtsschutz, neubewertung, hauptsache, abschlussprüfung, erlass, bestätigung, vergütung, verfügung, link, sammlung

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 10.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 10 M 13.09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 19 Abs 4 GG, § 166 VwGO, §
114 ZPO
Voraussetzungen für Neubewertung der Prüfungsleistung im
Eilrechtsschutzverfahren (PKH-Beschwerde)
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 2. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die erstinstanzliche Versagung von
Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der
Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes - ungeachtet der nach Bestehen
der Wiederholungsprüfung erklärten Erledigung des Verfahrens - keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO gehabt habe, ist nicht zu
beanstanden.
Die Antragstellerin, der im Juli 2008 das Nichtbestehen der Abschlussprüfung im
Ausbildungsberuf Fotomedienlaborantin mitgeteilt und die für den 16. Dezember 2008
erneut zur Praktischen Prüfung geladen worden war, wollte mit ihren Anträgen vom 14.
November 2008 erreichen, dass noch vor dem 16. Dezember 2008 der im Juli 2008
abgelegte praktische Teil der Prüfung vorläufig neu bewertet wird, ihr das Bestehen der
Abschlussprüfung vorläufig bestätigt wird und die bei der Antragsgegnerin auf Computer
und USB-Stick vorhandenen Prüfungsdateien aufbewahrt werden. Bei summarischer
Prüfung dürfte das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen sein, dass diese
Anträge von vornherein keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatten, weil es bereits an
einem Anordnungsgrund fehlte.
1. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, begehrte die Antragstellerin
mit der „vorläufigen“ Neubewertung der Prüfungsleistung eine Vorwegnahme der
Hauptsache. Denn die „Vorläufigkeit“ betrifft in diesem Zusammenhang nicht den
Bewertungsvorgang an sich, sondern nur die Frage, ob die neue Bewertung nach
Abschluss des Hauptsacheverfahrens bestehen bleibt. Wird einem Antrag auf vorläufige
Neubewertung einer Prüfung im Eilverfahren stattgegeben, so wird bei einem Obsiegen
im Klageverfahren die Prüfungsleistung nicht nochmals - nunmehr endgültig - erneut
bewertet, sondern die bereits erfolgte Neubewertung wird zur endgültigen Bewertung
(vgl. Niehues, Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2004, Rn. 876). Die „vorläufige“ Neubewertung
selbst hat umfassend und nicht etwa nur summarisch zu erfolgen und unterscheidet sich
inhaltlich nicht von der in der Hauptsache begehrten neuen Bewertung, so dass sie eine
Vorwegnahme der Hauptsache darstellt (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 27. März 2009 - OVG 10 S 34.08 - BA S. 5; OVG Hamburg, Beschluss vom 13.
Februar 2007 - 3 Bs 270/06 -, NJW 2007, 2874, zitiert nach juris, Rn. 6; OVG Nordrhein-
Westfalen, Beschluss vom 31. August 2000 - 14 B 634/00 -, DVBl. 2001, 820, zitiert nach
juris; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im
Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage 2008, Rn. 1422, 1433). Eine solche Vorwegnahme
der Hauptsache widerspricht dem Wesen und Zweck des einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens und kommt daher nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn
dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG
schlechterdings notwendig ist. Dies ist der Fall, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile
für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen
wären und zudem ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der
Hauptsache spricht (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 123 Rn. 13 f.
m.w.N.). Vorliegend hat die Antragstellerin bereits die Gefahr unzumutbarer Nachteile
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m.w.N.). Vorliegend hat die Antragstellerin bereits die Gefahr unzumutbarer Nachteile
nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Eine besondere Dringlichkeit für eine Neubewertung bereits vor Abschluss des
Hauptsacheverfahrens kann sich zum einen aus der Eigenart der Prüfungsleistung
ergeben, wenn diese - wie etwa bei mündlichen Prüfungen und manchen praktischen
Prüfungen - nicht ohne weiteres reproduzierbar ist und die Bewertung vom
Erinnerungsvermögen der Prüfer abhängt (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss
vom 22. Mai 2008 - OVG 10 M 2.08 -, BA S. 3; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. April
1996 - BVerwG 6 B 13.96 -, NVwZ 1997, 502, zitiert nach juris, Rn. 14). Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Im Übrigen kann auch ein drohender Zeitverlust
ein Abwarten auf den Ausgang der Hauptsache unzumutbar machen. Dies ist in der
Regel allerdings dann nicht der Fall, wenn der Betroffene in absehbarer Zeit eine
Wiederholungsprüfung ablegen kann und es daher selbst in der Hand hat, die zeitliche
Verzögerung auf ein zumutbares Maß zu begrenzen (vgl. etwa OVG Nordrhein-
Westfalen, a.a.O., Rn. 3 ff.; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18. Mai 1993 - 3 M
19/93 -, NVwZ 1994, 805, zitiert nach juris, Rn. 11; Hessischer VGH, Beschluss vom 29.
September 1992 - 6 TG 1517/92 -, DVBl. 1993, 57, zitiert nach juris, Rn. 2;
Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 1424, 1434; Niehues, a.a.O., Rn. 877; vgl.
zur Vermeidung einer unzumutbaren Unterbrechung der Berufsausbildung durch eine
zusätzliche Prüfungswiederholung auch BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR
1308/82 -, BVerfGE 80, 40, 47). Ob und ggf. in welchen Fällen im Hinblick auf den
zeitlichen und/oder inhaltlichen Aufwand des jeweiligen Prüfungsverfahrens ein Verweis
auf eine noch mögliche Wiederholungsprüfung nicht zumutbar erscheint, bedarf
vorliegend keiner Entscheidung. Denn es ist nicht ersichtlich, dass im Falle der
Antragstellerin das Abwarten auf das Ergebnis der Wiederholungsprüfung mit
unzumutbaren Nachteilen verbunden gewesen wäre.
Die Wiederholungsprüfung der Antragstellerin erfasste lediglich den praktischen
Prüfungsteil und nicht die gesamte Abschlussprüfung. Dass mit der Ablegung dieser
Prüfung ganz besondere Belastungen verbunden wären, hat die Antragstellerin nicht
geltend gemacht. Bei Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am
14. November 2008 war die Antragstellerin bereits zur Prüfung am 16. Dezember 2008
geladen. Der im Falle eines Erfolgs des Eilantrags zu erwartende Zeitgewinn von
höchstens einem Monat ist so geringfügig, dass der Antragstellerin ohne weiteres ein
Abwarten auf den Ausgang der Wiederholungsprüfung zugemutet werden konnte. Daran
ändert auch das Angebot des Ausbildungsbetriebs, die Antragstellerin nach Bestehen
der Abschlussprüfung befristet in Teilzeit zu beschäftigen, nichts. Allein der behauptete -
nicht näher bezifferte - Unterschied in der Höhe der Vergütung begründet angesichts
der geringen Zeitspanne bis zur Wiederholungsprüfung keinen wesentlichen Nachteil,
zumal das Weiterbeschäftigungsangebot zeitlich nicht befristet war.
2. Für die von der Antragstellerin begehrte vorläufige Bestätigung des Bestehens der
Abschlussprüfung, die nur auf der Grundlage einer vorläufigen Neubewertung der
praktischen Prüfung hätte erfolgen können, fehlt es aus den dargelegten Gründen
ebenfalls an einem Anordnungsgrund.
3. Soweit die Antragstellerin zudem die Sicherung der Prüfungsdateien insbesondere auf
dem von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten USB-Stick begehrt hat, ist
ebenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass der Erlass einer gerichtlichen Anordnung zur
Verhinderung der Datenvernichtung erforderlich gewesen wäre. Zu Recht hat das
Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass nicht einmal ansatzweise ersichtlich sei,
dass die Antragsgegnerin vorgehabt hätte, die Prüfungsdateien nicht bis zum Abschluss
des Verfahrens unverändert aufzubewahren. Zudem war es der Antragstellerin
zuzumuten, bei etwaigen Zweifeln vor der Inanspruchnahme gerichtlichen
Rechtsschutzes zunächst an die Antragsgegnerin direkt heranzutreten. Soweit die
Antragstellerin behauptet, ein derartiger außergerichtlicher Kontakt habe nicht
rechtzeitig zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes hergestellt werden können, ist
ihr Vortrag nicht nachvollziehbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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