Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 24.10.2007

OVG Berlin-Brandenburg: anspruch auf bewilligung, rücknahme, vergleich, link, quelle, zustellung, sammlung, bedingung, zivilprozessordnung, erlass

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 5.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 5 M 58.07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 166 VwGO, § 114 ZPO, § 121
ZPO
PKH: kein Rechtsmissbrauch - Annahme eines
Vergleichsangebots unter dem Vorbehalt der Gewährung von
Prozesskostenhilfe
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Oktober 2007 wird geändert.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihm
Rechtsanwalt J. beigeordnet (§ 166 i.V.m. § 114 ff. ZPO).
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Antragsteller hat nach § 166 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in Verbindung mit § 114 und § 121 der
Zivilprozessordnung - ZPO - einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und
Beiordnung eines Rechtsanwalts für das erstinstanzliche Verfahren.
Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht darauf abgestellt, dass eine Rechtsverfolgung
nicht mehr beabsichtigt sei, weil der Antragsteller seinen Antrag auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes zurückgenommen habe. Es lag bereits die Annahme nahe,
dass die Erklärung der Rücknahme seines Antrags unter dem Vorbehalt erklärt worden
war, dass ihm Prozesskostenhilfe gewährt werden würde. Jedenfalls war die Erklärung der
Rücknahme unwirksam. Der Antragsteller hatte mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2007
angekündigt, das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin anzunehmen, das ihn
verpflichtete, seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
zurückzunehmen, und gebeten, vorab über seinen Antrag auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe zu entscheiden. „Dies vorausgeschickt“ hat er seinen Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgenommen. Zusammenhängend betrachtet
stand die Erklärung der Rücknahme damit unter der Bedingung der vorherigen
Entscheidung über das Gesuch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe. Als
Prozesserklärung ist sie jedoch bedingungsfeindlich (Kuntze, in: Bader/Funke-
Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO, 4. Aufl., § 92 Rn. 8).
Die Rechtsverfolgung war insbesondere noch beabsichtigt, obwohl der Antragsteller
angekündigt hatte, das Vergleichsangebot der Antragsgegnerin annehmen zu wollen.
Solange das Verfahren in der ersten Instanz nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, ist die
Rechtsverfolgung noch „beabsichtigt“ (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 28. Oktober
2003 - 3 O 27.03 -, NVwZ-RR 2004, 460). Dies gilt auch vorliegend. Die bloße
Ankündigung eines Antragstellers, einen außergerichtlichen Vergleichsvorschlag
annehmen zu wollen, hindert diesen insbesondere nicht, von seiner Ankündigung - etwa
mit Blick auf eine Ablehnung der Gewährung der Prozesskostenhilfe - Abstand zu
nehmen und auf einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu bestehen.
Es ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, dass der Antragsteller im Zusammenhang mit
der Rücknahme seines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darum
gebeten hat, vorab über seinen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu
entscheiden (vgl. dazu OVG Schleswig, a.a.O.), und der beabsichtigte Vergleich
vorgesehen hat, dass er die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Der Antragsteller
hat damit lediglich das ihm Zumutbare getan, um eine Entscheidung des Gerichts über
sein Prozesskostenhilfegesuch herbeizuführen. Dies entspricht einer der in der
Rechtsprechung genannten Voraussetzungen einer ggf. notwendigen rückwirkenden
Gewährung von Prozesskostenhilfe (vgl. OVG Weimar, Beschluss vom 3. Dezember 1997
- 3 ZO 619.95 -, NVwZ 1998, 866 f.; OVG Münster, Beschluss vom 30. Juni 1993 - 25 E
426.93 -, NVwZ-RR 1994, 124; VGH Mannheim, Beschluss vom 23. April 2002 - 11 S
119.02 -, NVwZ-RR 2002, 791, 792).
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Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot im Verfahren der ersten Instanz hinreichende
Aussicht auf Erfolg und erschien nicht mutwillig. Das Verwaltungsgericht hat zwar
zutreffend darauf hingewiesen, dass ihm die für die Beurteilung der Erfolgsaussichten
grundsätzlich notwendigen Kapazitätsunterlagen noch nicht vorlagen, so dass es nicht
habe beurteilen können, ob die Antragsgegnerin ihre Kapazitäten ausgeschöpft habe.
Vorliegend kann jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Antragsgegnerin
nicht nur dem Antragsteller, sondern weiteren 43 Antragstellern ohne Einlassung zur
Sache innerhalb von 8 Tagen nach Zustellung der Antragsschrift ein Vergleichsangebot
unterbreitet hat, das deren endgültige Zulassung zum beantragten Studium beinhaltet
hat. Bereits die Anzahl der Antragsteller, denen die Antragsgegnerin einen Vergleich
angeboten hat, spricht dafür, dass sie ihre Kapazitäten nicht ausgeschöpft hatte und der
Antrag des Antragstellers hinreichende Aussicht auf Erfolg besaß. Vor dem geschilderten
Hintergrund vermag auch der Umstand, dass der angebotene Vergleich entgegen der
gesetzlichen Regelung in § 160 VwGO vorgesehen hat, dass der Antragsteller die Kosten
des Verfahrens zu tragen habe, die Erfolgsaussichten nicht infrage zu stellen, zumal das
Vergleichsangebot die Gewährung eines endgültigen Studienplatzes beinhaltet hat und
damit über die im Wege der einstweiligen Anordnung allenfalls mögliche vorläufige
Zuweisung eines Studienplatzes hinausgegangen ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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