Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: angemessene frist, bedürftigkeit, mangel, hinweispflicht, glaubhaftmachung, rechtsmittelbelehrung, auszug, ergänzung, behandlung, anforderung

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 10.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 10 M 8.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 58 Abs 2 VwGO, § 147 Abs 1
VwGO, § 166 VwGO, § 114 ZPO,
§ 117 Abs 2 ZPO
Keine Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe- und darauf
bezogenes Beschwerdeverfahren
Leitsatz
1. Für das Prozesskostenhilfeverfahren einschließlich des darauf bezogenen
Beschwerdeverfahrens kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.
2. Für die Bestimmung des Bewilligungszeitpunktes von Prozesskostenhilfe kommt es darauf
an, dass der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag unter Beifügung der
entsprechenden Unterlagen und Belege von seiner Seite aus alles Erforderliche getan und die
Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe geschaffen hat; dann ist der
Antrag bewilligungsfähig. Die nicht vom Antragsteller beeinflussbare Zeit bis zur
Entscheidungsreife des Antrags nach Abschluss aller notwendigen Ermittlungen und
Anhörung des Gegners bleibt in diesem Zusammenhang außer Betracht.
3. Ob die Vorlage geschwärzter Kontoauszüge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe
entgegensteht, ist eine Frage des Einzelfalls. Maßgebend ist, ob den Kontoauszügen trotz der
Schwärzungen noch hinreichende Aussagekraft zukommt.
4. Für eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht nur Raum, wenn das
Prozesskostenhilfegesuch vor dem Entscheidungszeitpunkt - bezogen auf die
Bedürftigkeitsprüfung - bewilligungsreif, d.h. bewilligungsfähig war, sondern auch, soweit es
bei sachgerechter Ausübung der gerichtlichen Hinweispflicht bewilligungsfähig gewesen wäre.
Tenor
1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
2. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. September 2009 wird mit der
Maßgabe geändert, dass der Klägerin Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter
Beiordnung von Rechtsanwalt Thoms ab dem 28. August 2009 bewilligt wird.
Gründe
1. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des
Beschwerdeverfahrens hat keinen Erfolg. Das Prozesskostenhilfeverfahren selbst stellt
keine „Prozessführung“ im Sinne des § 114 ZPO dar, so dass hierfür keine
Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 22. August
1990 - BVerwG 5 ER 640.90 -, JurBüro 1991, 570, juris; OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 12. Januar 2009 - OVG 10 M 56.08 -, NJW-RR 2009, 1003, juris Rn. 5,
jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für das hierauf bezogene Beschwerdeverfahren (vgl. VGH
Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. März 2010 - 6 S 2429/09 -, juris Rn. 12; OVG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Mai 2009 - 18 E 510/09 -, juris Rn. 1; OVG
Niedersachsen, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 2 PA 563/08 -, FamRZ 2009, 1149,
juris Rn. 5 und Beschluss vom 2. Juli 2003 - 2 PA 177/03 -, NVwZ-RR 2003, 790, juris Rn.
6; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. September 2008 - OVG 3 M 65.08 -;
Bayerischer VGH, Beschluss vom 1. April 2004 - 12 C 04.747 -, juris Rn. 1; Neumann in:
Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 166 Rn. 59 f.). Eine unzumutbare Belastung des
jeweiligen Beschwerdeführers ist damit nicht verbunden, weil nur im Falle der
Erfolglosigkeit der Beschwerde eine Festgebühr von 50 Euro für das Verfahren anfällt (Nr.
5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) und das Beschwerdeverfahren nicht dem
Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO unterliegt.
2. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.
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2. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.
September 2009, die sich nur gegen den vom Verwaltungsgericht festgelegten
Bewilligungszeitpunkt richtet, ist zulässig und begründet.
a) Die Beschwerde ist ungeachtet der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen
Beschluss statthaft, obwohl das Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt hat.
Denn die Klägerin hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Klageerhebung am 4. August
2008 gestellt und wollte ab diesem Zeitpunkt Prozesskostenhilfe erhalten, das
Verwaltungsgericht hat jedoch erst ab dem 9. September 2009 Prozesskostenhilfe
bewilligt. Die darin liegende (stillschweigende) Versagung von Prozesskostenhilfe für den
Zeitraum zwischen Antragstellung und Bewilligungszeitpunkt kann die Klägerin mit der
Beschwerde angreifen (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 9. März 2010 - 3 Ta
34/10 -, juris Rn. 1, 5; Sächsisches LSG, Beschluss vom 4. Januar 2006 - L 1 B 171/05 AL-
PKH -, juris Rn. 9;).
Die Beschwerde ist auch fristgerecht erhoben. Zwar gilt für Beschwerden in
Prozesskostenhilfeverfahren die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 147 Abs. 1 VwGO
(vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 147 Rn. 3 m.w.N.). Da der Beschluss des
Verwaltungsgerichts jedoch keine entsprechende Rechtsmittelbelehrung enthält, kommt
vorliegend die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO zur Anwendung, die durch Einlegung
der Beschwerde am 23. Februar 2010 gewahrt worden ist.
Schließlich fehlt der Klägerin auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dies
wäre nur dann der Fall, wenn ihre Rechtsstellung durch die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe auch für einen früheren Zeitraum als ab dem 9. September 2009
nicht verbessert würde (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.
September 2005 - OVG 6 S 50.05, OVG 6 M 95.05 -, juris Rn. 13; Sächsisches LSG,
a.a.O.; Bayerischer VGH, a.a.O., Rn. 2). Hier macht die Klägerin die von ihrem
Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellte Terminsgebühr nach Nr. 3104 i.V.m.
Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG)
geltend. Da der Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht am 28. August 2009
stattgefunden hat und nicht ersichtlich ist, dass nach dem 8. September 2009 auf die
Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechungen zwischen dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Gegenseite stattgefunden hätten, die
ebenfalls den Gebührenanspruch hätten auslösen können, kommt eine Erstattung der
Terminsgebühr im Rahmen der Prozesskostenhilfe nur in Betracht, wenn diese
spätestens ab dem 28. August 2009 bewilligt wird. Insofern hat die Klägerin ein rechtlich
schützenswertes Interesse an der Vorverlagerung des Bewilligungszeitpunkts für die
gewährte Prozesskostenhilfe.
b) Die Beschwerde ist auch begründet, weil die Klägerin einen Anspruch darauf hat, dass
ihr spätestens ab dem 28. August 2009 Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche
Verfahren unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten nach § 166 VwGO i.V.m. §§
114 ff., 121 ZPO gewährt wird. Dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe - Bedürftigkeit der Klägerin nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen sowie hinreichende Erfolgsaussicht der Klage - zum
Zeitpunkt der Beschlussfassung am 30. September 2009 erfüllt waren, steht außer
Streit. Zu entscheiden ist nur, zu welchem rückwirkenden Zeitpunkt die Bewilligung
auszusprechen ist. Dies ist hier spätestens der Zeitpunkt des Erörterungstermins.
Maßgebend für den Zeitpunkt, ab welchem (rückwirkend) Prozesskostenhilfe zu
bewilligen ist, ist grundsätzlich der Eingang des formgerechten Antrags auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe mit allen notwendigen Angaben und Erklärungen und unter
Beifügung der erforderlichen Belege (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 166 Rn. 14; Reichold
in: Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl. 2009, § 119 Rn. 2). Soweit in diesem Zusammenhang
auf die „Bewilligungsreife“ oder „Entscheidungsreife“ des Antrags abgestellt wird (vgl.
etwa OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 3. Juni 2005 - 1 O 55/05 -, juris Rn.
20; BGH, Beschluss vom 30. September 1981 - IVb ZR 694/80 -, NJW 1982, 446, juris Rn.
7; LAG Schleswig-Holstein, a.a.O., Rn. 6; Sächsisches LSG, a.a.O., Rn. 10; Fischer in:
Musielak, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 119 Rn. 10; vgl. auch Geimer in: Zöller, ZPO, 28. Aufl.
2010, § 119, Rn. 39, der zwischen „Bewilligungsreife“ und „Entscheidungsreife“ [Rn. 44]
unterscheidet), ist zu differenzieren:
Entscheidungsreife umschreibt den Zeitpunkt, zu dem die erforderlichen
Entscheidungsgrundlagen vorliegen und das Gericht über das Prozesskostenhilfegesuch
entscheiden könnte und müsste (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.
November 2007 - 18 E 124/07 -, AuAS 2008, 68, juris Rn. 3; Olbertz in Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Nov. 2009, § 166 Rn. 52). Sie tritt regelmäßig erst ein,
wenn die Prozesskostenhilfeunterlagen vollständig vorliegen und die Gegenseite eine
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wenn die Prozesskostenhilfeunterlagen vollständig vorliegen und die Gegenseite eine
angemessene Frist zur Stellungnahme hatte (BVerwG, Beschluss vom 12. September
2007 - BVerwG 10 C 39.07 u.a. -, AuAS 2008, 11, juris Rn. 1; OVG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 19. November 2007, a.a.O., Rn. 8 ff.; Zimmermann-Krehler in:
Posser/Wolf, VwGO, 2008, § 166 Rn. 46; Geimer in: Zöller, a.a.O., § 119 Rn. 44, der
zudem eine schlüssige Begründung der Klage verlangt; ähnlich OVG Hamburg,
Beschluss vom 10. September 2003 - 4 So 81/03 -, FamRZ 2005, 464, juris Rn. 8; vgl.
auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. September 2007 - OVG 2 M 44.07 -,
juris Rn. 4, wonach auch die Verwaltungsvorgänge vorliegen müssen). Dieser Zeitpunkt
ist maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten der
beabsichtigten Rechtsverfolgung.
Geht es hingegen um die Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem die Prozesskostenhilfe
bewilligt wird, bleibt die nicht vom Antragsteller beeinflussbare Zeit, bis die notwendigen
Ermittlungen abgeschlossen sind und der Gegner gehört wurde, außer Betracht (vgl.
BGH, Beschluss vom 30. September 1981, a.a.O., Rn. 7; LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 8. Oktober 2008 - L 19 B 11/08 AL -, juris Rn. 17; OLG Bamberg,
Beschluss vom 1. August 2000 - 7 WF 82/00 -, FamRZ 2001, 291; Schmidt in: Eyermann,
VwGO, 12. Aufl. 2006, § 166 Rn. 45; Olbertz, a.a.O., § 166 Rn. 56; Bork in: Stein/Jonas,
ZPO, Bd. 2, 22. Aufl. 2004, § 119 Rn. 29; Geimer in: Zöller, a.a.O., § 119 Rn. 39; a.A. wohl
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 119 Rn. 11, 5). Dadurch
wird vermieden, dass der mittellose Antragsteller einem zusätzlichen Kostenrisiko
ausgesetzt und der Beginn der Prozesskostenhilfebewilligung von Umständen abhängig
gemacht wird, die im Einzelfall schwer kalkulierbar sein mögen.
Für die Bestimmung des Bewilligungszeitpunktes von Prozesskostenhilfe kommt es
daher (nur) darauf an, dass der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag unter
Beifügung der entsprechenden Unterlagen von seiner Seite aus alles Erforderliche getan
und die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe geschaffen hat (vgl.
BGH, Beschluss vom 30. September 1981, a.a.O., Rn. 7; vgl. auch BVerwG, Beschluss
vom 3. März 1998 - BVerwG 1 PKH 3.98 -, juris Rn. 2; Beschluss vom 1. Juli 1991 -
BVerwG 5 B 26.91 -, JurBüro 1992, 346, juris Rn. 3). Der Antrag muss in diesem Sinne -
bezogen auf die Bedürftigkeitsprüfung - bewilligungsreif sein. Eine solche
Bewilligungsfähigkeit des Antrags verlangt vom Antragsteller nicht nur die Abgabe der
vollständig ausgefüllten und unterzeichneten Erklärung über seine persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem hierfür vorgesehenen Vordruck (§ 117 Abs. 2 und
Abs. 4 ZPO), sondern auch, dass er die zur Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit
erforderlichen aussagekräftigen Belege im Sinne des § 117 Abs. 2 ZPO einreicht (vgl. nur
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Juni 2003 - 18 WF 182/02 -, FamRZ 2004, 122 und
Beschluss vom 22. April 1998 - 2 WF 37/98 -, FamRZ 1999, 305; LSG Nordrhein-
Westfalen, a.a.O.; LAG Schleswig-Holstein, a.a.O., Rn. 6; Neumann in: Sodan/ Ziekow,
a.a.O., § 166 Rn. 156; Bork in: Stein/Jonas, a.a.O., § 117 Rn. 19 und § 119 Rn. 28 m.w.N.;
offen lassend, ob sämtliche Belege vorliegen müssen: Sächsisches LSG, a.a.O., Rn. 10;
einschränkend Geimer in: Zöller, a.a.O., § 119 Rn. 39); denn das Gericht kann erst nach
Eingang dieser Unterlagen sachgerecht darüber entscheiden, ob die persönlichen
Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der Person des
Antragstellers vorliegen.
Das Verwaltungsgericht hat vorliegend Bewilligungsfähigkeit im oben dargestellten Sinn
erst ab dem 9. September 2009 angenommen, weil an diesem Tag der Schriftsatz der
Klägerin vom selben Tag mit neuen Belegen zu ihrer wirtschaftlichen Situation,
insbesondere mit aktuellen, nicht geschwärzten Kontoauszügen, eingegangen ist. Die
bereits mit der Klageerhebung eingereichten Unterlagen hat das Verwaltungsgericht, wie
sich aus der Begründung des Nichtabhilfebeschlusses in Verbindung mit den Hinweisen
im Terminsprotokoll ergibt, deshalb für nicht ausreichend erachtet, weil die Klägerin
Kontoauszüge vorgelegt hatte, die einzelne Schwärzungen enthielten. Dieser Auffassung
kann im Ergebnis nicht gefolgt werden.
Es spricht bereits einiges dafür, dass entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts
bereits der Antrag der Klägerin vom 4. August 2008 vollständig und daher
bewilligungsfähig gewesen ist. Die Klägerin trägt zwar die Darlegungs- und Beweislast für
ihre Bedürftigkeit (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Oktober 2009 - OVG
9 M 97.08 -, juris Rn. 2); im Hinblick auf den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem
Unbemittelten weitgehend den gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, dürfen die
Anforderungen an die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse aber nicht überspannt
werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2003 - 1 BvR 901/03 -, NVwZ 2004,
334, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 -, FamRZ
2005, 2062, juris Rn. 7). Die Klägerin hat die Erklärung über ihre persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nahezu vollständig ausgefüllt und zahlreiche Belege
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wirtschaftlichen Verhältnisse nahezu vollständig ausgefüllt und zahlreiche Belege
beigefügt; dass sie Geburtsdatum und Familienstand nicht ausdrücklich angegeben hat,
stellt hier im Hinblick auf die weiteren eingereichten Unterlagen, aus denen sich die
fehlenden Informationen unschwer entnehmen lassen, keinen wesentlichen Mangel dar.
Zum Nachweis einzelner Angaben sowie ihres Kontostandes hat sie Kontoauszüge
eingereicht, die allerdings diverse Schwärzungen enthielten. Es erscheint zweifelhaft, den
Antrag allein im Hinblick auf diese Schwärzungen für nicht bewilligungsfähig zu halten.
Ein allgemeiner Grundsatz, dass (teilweise) geschwärzte Kontoauszüge im
Prozesskostenhilfeverfahren stets unzulässig seien und eine Ablehnung des Antrags
rechtfertigen könnten (so ohne nähere Begründung OLG Brandenburg, Beschluss vom
10. Mai 2006 - 9 WF 127/06 -, NJW 2006, 2861, juris Rn. 12; Fischer in: Musielak, a.a.O., §
117 Rn. 16; Pukall in: Saenger, Handkommentar ZPO, 3. Aufl. 2009, § 117 Rn. 11),
besteht nach Auffassung des Senats nicht. Auch die bei Beantragung von
Prozesskostenhilfe zu beachtenden Hinweise zum Ausfüllen des Vordrucks über die
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse enthalten keine entsprechenden
Vorgaben. Maßgebend ist vielmehr, ob den Kontoauszügen trotz der Schwärzungen im
Einzelfall noch hinreichende Aussagekraft zukommt und sie geeignet sind, das zu
belegen, was sie belegen sollen. Aus diesem Grund sind etwa Kontoauszüge, die den
(aktuellen oder alten) Kontostand nicht erkennen lassen, keine geeignete Grundlage zur
Überprüfung der Vermögenslage des Kontoinhabers (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss
vom 15. Dezember 2003 - 9 UF 209/03 -, FamRZ 2004, 1587, juris Rn. 4).
Vorliegend hat die Klägerin die Kontoauszüge Nr. 3 bis Nr. 7 eingereicht, die den Stand
ihres Girokontos in der Zeit vom 21. April 2008 bis zum 31. Juli 2008 ausweisen. Der alte
und der neue Kontostand sind dabei jeweils ersichtlich und enthalten Beträge zwischen
ca. 650 und 80 Euro. Die Schwärzungen betreffen im Wesentlichen die Ausgabenseite
und damit Umstände, die im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung im
Prozesskostenhilfeverfahren allenfalls zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen sein
dürften. Soweit im Auszug vom 7. Juli 2008 auch zwei Positionen auf der Haben-Seite
unkenntlich gemacht worden sind, erscheint dies dem Senat nicht derart wesentlich,
dass dadurch der Aussagewert des Kontoauszugs insgesamt in Frage gestellt wäre. Die
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse soll Auskunft über die
allgemeine Vermögenssituation des Antragstellers geben, nicht jedoch über sämtliche
finanziellen Transaktionen der letzten Monate detailliert informieren. Wofür der
Antragsteller im Einzelnen sein Geld in der Vergangenheit verwendet hat, ist
unerheblich, solange nicht Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er seine tatsächlichen
Vermögensverhältnisse verschleiern will. Dementsprechend sind in der Rubrik „G“ der
Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Angaben zu
Guthabenart und aktueller Höhe, nicht jedoch zu den einzelnen Kontobewegungen der
letzten Wochen oder Monate zu machen. Diese Angaben dürften durch die von der
Klägerin eingereichten Kontoauszüge hinreichend belegt sein. Soweit wegen der
Schwärzung zwei der Klägerin gutgeschriebene Geldbeträge nicht näher erkennbar sind
und die Kontoauszüge einschließlich des das Sparkonto betreffenden Auszugs zudem
einige Bareinzahlungen aufweisen (teilweise gelb markiert, möglicherweise vom
Verwaltungsgericht), dürfte auch dies nicht zur Unverwertbarkeit der Auszüge oder
Unschlüssigkeit der gesamten Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse führen, da
insgesamt keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin wesentliche
Einnahmen verheimlichen wollte. Allerdings betrifft eine weitere im Auszug über das
Sparkonto ausgewiesene Einnahme eine im Juni 2008 vom Landesmusikrat gezahlte
Aufwandsentschädigung in Höhe von 291 Euro für Hilfstätigkeiten bei der Veranstaltung
„Jugend musiziert“. Diese Einnahme hätte auch auf dem Erklärungsvordruck gesondert
angegeben werden müssen, was die Klägerin unterlassen hat. Auch dies dürfte jedoch
die Erklärung nicht unvollständig machen, da der Erhalt der Aufwandsentschädigung aus
dem entsprechenden Kontobeleg eindeutig zu ersehen ist und es sich zudem um einen
offensichtlich einmaligen Betrag von vergleichsweise geringer Höhe handelt, der keinen
erheblichen Einfluss auf die Beurteilung der Bedürftigkeit der Klägerin hat.
Selbst wenn jedoch mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen wäre, dass die
vorgelegten Kontoauszüge jedenfalls berechtigten Anlass zu Nachfragen boten und
daher zunächst keine ausreichende Grundlage für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
darstellten, folgt daraus nicht, dass die Bewilligung erst mit Wirkung ab dem Eingang des
Schriftsatzes vom 9. September 2009, dem aktuelle ungeschwärzte Kontoauszüge
beigefügt waren, erfolgen konnte. Maßgebend ist hierbei die Überlegung, dass die
Schwärzung der Kontoauszüge jedenfalls keinen offensichtlichen Mangel des
Prozesskostenhilfeantrags darstellte, das Verwaltungsgericht erst im Erörterungstermin
vom 28. August 2009 auf seine diesbezüglichen Bedenken hingewiesen und die Klägerin
sodann zeitnah innerhalb von weniger als 14 Tagen diesen Bedenken Rechnung
getragen und Unterlagen eingereicht hat, die Grundlage für die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe waren.
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Soweit allerdings vertreten wird, eine rückwirkende Prozesskostenhilfebewilligung ab
Antragstellung komme auch dann in Betracht, wenn das Gericht zur Glaubhaftmachung
zusätzliche Unterlagen verlange und der Antragsteller diese innerhalb der ihm gesetzten
Frist beibringe (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 12. September 2001 - 10 WF 2815/01
-, FamRZ 2002, 759, juris Rn. 5; wohl auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. April 1998,
a.a.O.; Neumann in: Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn. 156; wohl auch Bork in: Stein/Jonas,
a.a.O., § 119 Rn. 28), erscheint dies zweifelhaft. Denn diese Auffassung blendet aus,
dass dann, wenn berechtigter Anlass zur Anforderung ergänzender Unterlagen besteht,
weil der Antrag - bezogen auf die Bedürftigkeitsprüfung - noch keine hinreichende
Entscheidungsgrundlage bietet, die Bewilligungsfähigkeit tatsächlich erst mit Eingang der
fehlenden und zu Recht nachgeforderten Unterlagen eintreten kann (so auch
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 119 Rn. 11, 13; vgl. auch OLG
Karlsruhe, Beschluss vom 26. Juni 2003, a.a.O.).
Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe
spätestens ab dem Zeitpunkt des Erörterungstermins liegen aber deshalb vor, weil das
Verwaltungsgericht gehalten gewesen wäre, die Klägerin rechtzeitig vor Vollendung
weiterer Gebührentatbestände auf die Bedenken hinsichtlich der Vollständigkeit des
Antrags hinzuweisen. Die Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe
dienen dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit und sollen es dem unbemittelten
Beteiligten ermöglichen, Prozesshandlungen vorzunehmen, die mit Kosten verbunden
sind (vgl. Bader in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 166
Rn. 30). Dem Gericht obliegt im Prozesskostenhilfeverfahren eine besondere
Fürsorgepflicht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 2010 - OVG 5 M
27.09 -, juris Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. Juli 2003 - 7 S 536/03 -,
FamRZ 2004, 125; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 117 Rn. 35
m.w.N.). Es hat der jedem Prozesskostenhilfeantrag innewohnenden Eilbedürftigkeit (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2003, a.a.O., Rn. 11) Rechnung zu tragen und
möglichst frühzeitig zu entscheiden. Eine verzögerliche Behandlung des Antrags darf
sich grundsätzlich nicht zum Nachteil des Antragstellers auswirken (Fischer in: Musielak,
a.a.O., § 119 Rn. 12; vgl. auch Neumann in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 166 Rn. 38).
Zugleich ist das Gericht jedoch verpflichtet, bevor es ein Prozesskostenhilfegesuch
aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben zur
wirtschaftlichen Situation ablehnt, den Antragsteller auf diese Bedenken hinzuweisen
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1999 - 2 BvR 229/98 -, NJW 2000, 275, juris Rn.
13) und ihn - in entsprechender Anwendung des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO - unter
Fristsetzung zur Ergänzung seiner Angaben aufzufordern (vgl. OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 21. Januar 2010, a.a.O., Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom
14. Juli 2003, a.a.O.; Bork in: Stein/Jonas,, a.a.O., § 117 Rn. 19 m.w.N.). Dies bedeutet,
dass das Gericht sich bemühen muss, etwa erforderliche Hinweise möglichst zeitnah und
jedenfalls rechtzeitig vor der Entstehung weiterer Kosten zu geben. Danach ist für die
rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht nur Raum, wenn das
Prozesskostenhilfegesuch bereits vor der Entscheidung des Gerichts - bezogen auf die
Prüfung der Bedürftigkeit des Antragstellers - bewilligungsreif, d.h. bewilligungsfähig war,
sondern auch, soweit es bei sachgerechter Ausübung der gerichtlichen Hinweispflicht
bewilligungsfähig gewesen wäre (ähnlich OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.
Oktober 2009, a.a.O., Rn. 3; vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation auch OLG
Zweibrücken, Beschluss vom 16. September 1992 - 7 W 54/92 -, juris). Dies ist hier
spätestens der Zeitpunkt des Erörterungstermins.
Da es sich bei den vom Verwaltungsgericht beanstandeten Schwärzungen der
Kontounterlagen um Umstände handelte, die für das Gericht unschwer zu erkennen
waren, aus Sicht der Klägerin jedoch keinen offensichtlichen Mangel ihrer Erklärung
darstellten, war das Gericht gehalten, zeitnah oder jedenfalls rechtzeitig vor der
Verwirklichung weiterer Gebührentatbestände auf seine Bedenken hinzuweisen. Gerade
weil es für einen Antragsteller mitunter schwer vorauszusehen ist, welche Belege das
Gericht konkret verlangen wird (vgl. hierzu Geimer in: Zöller, a.a.O., § 119 Rn. 39, der
deshalb den Zeitpunkt der Nachreichung der Belege nicht für maßgeblich hält), kommt
der Hinweispflicht des Gerichts in diesem Zusammenhang eine wesentliche Bedeutung
zu. Hier hätte das Verwaltungsgericht auf den seiner Auffassung nach wesentlichen,
aber einfach zu behebenden Mangel geschwärzter Kontoauszüge so rechtzeitig (bei der
Ladung oder jedenfalls bei der Vorbereitung des Termins) hinweisen müssen, dass die
Klägerin im Termin die Bedenken des Gerichts hätte ausräumen und die
Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch hätte
schaffen können.
Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sich auf Anfrage des Gerichts mit der
Anberaumung eines Erörterungstermins vor der Entscheidung über den
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Anberaumung eines Erörterungstermins vor der Entscheidung über den
Prozesskostenhilfeantrag einverstanden erklärt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Denn darin liegt kein Verzicht auf die Geltendmachung der durch den Termin
entstandenen Gebühr im Rahmen der Prozesskostenhilfe. Aus Sicht der Beteiligten
konnte es nur darum gehen, in diesem Termin die Umstände zu erörtern, die für die
Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag bedeutsam waren, um ggf. zu einer
Entscheidung über den Antrag (in positiver oder negativer Hinsicht) zu gelangen. Die
Frage geschwärzter Kontoauszüge betraf dagegen einen Umstand, der lediglich eines
gerichtlichen Hinweises sowie der Vorlage weiterer Unterlagen bedurfte und jedenfalls
nicht im Rahmen einer Erörterung mit den Beteiligten geklärt werden konnte.
Da die Klägerin auf den gerichtlichen Hinweis im Erörterungstermin zeitnah weitere
Unterlagen eingereicht hat, die zur Gewährung der beantragten Prozesskostenhilfe
geführt haben, ist davon auszugehen, dass bei einem rechtzeitigen Hinweis des Gerichts
die erforderlichen Unterlagen spätestens im Termin vorgelegen hätten. Die Klägerin
kann daher ab diesem Zeitpunkt Prozesskostenhilfe beanspruchen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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