Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: landschaft, bebauungsplan, uferweg, dienendes grundstück, zustand, begriff, gestaltung, abgrenzung, widmung, eigentümer

1
Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 11.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 11 B 13.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 44 Abs 1 NatSchG BB, § 46
NatSchG BB, § 56 BNatSchG, §
14 Abs 2 GG
Naturschutzrechtliches Betretungsrecht bei einem privaten
Grundstück: Voraussetzung des Betretungsrechts; räumlicher
Umfang der Grundstücksnutzung durch die Allgemeinheit;
Relevanz bauplanerischer Maßstäbe bei der Abgrenzung von
freier Landschaft und bebauter Ortslage; Zulässigkeit der
Umwandlung einer freien Landschaft in eine privat genutzte
Fläche durch den Grundstückseigentümer; Beachtlichkeit
rechtswidrig hergestellter privater Nutzungen im Rahmen des
Betretungsrechts
Leitsatz
Das naturschutzrechtliche Betretungsrecht ist als Ausformung der Sozialbindung des
Eigentums auf die Fälle zu beschränken, in denen der Grundstückseigentümer dem Betreten
seines Grundstücks durch die Öffentlichkeit ersichtlich keinerlei anzuerkennende eigene
Nutzungsinteressen entgegensetzen kann und ihm deshalb die Möglichkeit genommen
werden soll, allein aufgrund seiner formalen Eigentümerstellung Dritte von dem Grundstück
fernzuhalten.
Es muss für den Erholungssuchenden als Normadressaten ohne weiteres erkennbar sein,
dass er sich in der freien Landschaft befindet und dass die betretenen Flächen nicht dem
privaten Wohnbereich oder einem anderen vom Betretungsrecht nach § 44 Abs. 1
BbgNatSchG ausgenommenen Bereich zugehören.
Die Abgrenzung der freien Landschaft zur bebauten Ortslage erfolgt nicht nach
bauplanungsrechtlichen Maßstäben. Eine sich an die bebaute Ortslage unmittelbar
anschließende erkennbare gärtnerische oder sonstige private Wohnnutzung eines
Grundstücksteils verschiebt die Grenze zwischen Ortslage und freier Landschaft zu Gunsten
der Ersteren. Das führt dazu, dass die private Wohnnutzung eines Grund-stücksteils im
Ortsrandbereich ein naturschutzrechtliches Betretungsrecht sowohl nach § 44 Abs. 1 Satz 1
BbgNatSchG als auch nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BbgNatSchG ausschließt.
Für die Frage, ob die streitbefangene Fläche Teil eines Gartens oder jedenfalls in sonstiger
Weise zum privaten Wohnbereich zu rechnen ist, ist auf die tatsächlichen Gegebenheiten
abzustellen, wie sie sich in dem (auch prozessual) maßgeblichen Zeitpunkt der letzten
mündlichen Tatsachenverhandlung darstellen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 12.
Dezember 2007 - 4 K 1760/07 - geändert und festgestellt, dass das Grundstück R.
Potsdam, in dem Bereich 50 cm südlich des im Bebauungsplan Nr. 8 "Griebnitzsee"
gekennzeichneten „Weges im Bestand“ bis zur seeseitigen Grundstücksgrenze nicht
dem Betretungsrecht nach § 44 Abs. 1 BbgNatSchG unterliegt.
Insoweit trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des in erster Reihe am Südufer des Griebnitzsees
1
2
3
4
5
6
Die Klägerin ist Eigentümerin des in erster Reihe am Südufer des Griebnitzsees
liegenden Grundstücks R. in Potsdam. Das Grundstück ist Teil der im 19. Jahrhundert
entstandenen Villenkolonie Neubabelsberg. Deren ufernahe Teile wurden ab 1961 für die
Grenzsicherungsanlagen der DDR verwendet. Auf ihnen wurde unter anderem ein
Kolonnenweg angelegt, der durch die Grenztruppen genutzt wurde.
Der südliche, an die Straße angrenzende und mit einem Wohngebäude bebaute
Grundstücksteil liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 45 "Karl-Marx-Straße"
(im Folgenden: Bebauungsplan Nr. 45), der insoweit allgemeines Wohngebiet ausweist.
Der dem See zugewandte Teil des Grundstücks befindet sich im Geltungsbereich des am
30. November 2007 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 8 "Griebnitzsee" (im
Folgenden: Bebauungsplan Nr. 8). Dieser Bebauungsplan ist auf die Schaffung eines
Uferparks mit einem durchgehenden Uferweg ausgerichtet, der teilweise auf dem
früheren Kolonnenweg und teilweise näher am Seeufer verläuft. Er enthält die sich in
Richtung Seeufer aneinander anschließenden Festsetzungen "Private Grünfläche,
Zweckbestimmung Garten", "Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung: Öffentlicher
Fußweg mit eingeschränktem Radverkehr" sowie "Öffentliche Grünfläche". Der
Bebauungsplan Nr. 8, zu dessen Sicherung seit dem 4. Februar 2005 eine
Veränderungssperre gegolten hatte, ist Gegenstand mehrerer bei dem
Oberverwaltungsgericht anhängiger Normenkontrollverfahren.
Mit ihrer bei dem Verwaltungsgericht Potsdam erhobenen Klage hat die Klägerin,
nachdem die Beteiligten vorsorglich einen Teil des Rechtsstreits übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, begehrt,
1. festzustellen, dass der Bereich des Grundstücks der Klägerin in der R. Potsdam, F.
der sich nicht im Geltungsbereich des B-Plans Nr. 45 befindet, bis zum Inkrafttreten des
Bebauungsplans Nr. 8 am 30. November 2007 nicht Außenbereich i.S. des § 35 BauGB
gewesen ist,
2. festzustellen, dass der Bereich des Grundstücks der Klägerin in der R. Potsdam, F.,
Gemarkung Babelsberg, der sich nicht im Geltungsbereich des B-Plans Nr. 45 befindet,
soweit noch streitgegenständlich, auch nicht teilweise „freie Landschaft“ im Sinne des
Brandenburgischen Naturschutzgesetzes ist.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach vorangegangener Ortsbesichtigung durch
Urteil vom 12. Dezember 2007 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Der die
Abgrenzung zum baurechtlichen Außenbereich betreffende Feststellungsantrag sei
wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig. Der das naturschutzrechtliche
Betretungsrecht betreffende Feststellungsantrag sei zwar zulässig. Insbesondere habe
sich das Begehren mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 8 nicht erledigt. Auch
eine Fläche, die im Bereich eines Bebauungsplanes liege, könne freie Landschaft sein.
Der Bebauungsplan selbst vermittle kein Betretungsrecht. Vielmehr bedürften dessen
Festsetzungen der Umsetzung, so z.B. der Verlegung und der Widmung des Uferweges
als öffentliche Straße. Im Übrigen begründe selbst eine wegerechtliche Widmung noch
kein Betretungsrecht für die restlichen Uferflächen. Dieser Feststellungsantrag sei aber
unbegründet, denn die in ihm bezeichnete Fläche sei freie Landschaft i.S.v. § 44 Abs. 1
Satz 1 BbgNatSchG. Dazu zählten ausweislich der Gesetzesbegründung die Gebiete
außerhalb des Waldes und außerhalb der bebauten Ortslagen. Ferner seien nach § 44
Abs. 1 Satz 3 BbgNatSchG Flächen vom Betretungsrecht ausgenommen, die einem
Garten, einem Hofraum oder einer sonstigen zum privaten Wohnbereich gehörenden
Fläche zuzuordnen seien. Der streitgegenständliche Grundstücksteil sei vorliegend so zu
behandeln, wie er sich vor unerlaubten Veränderungen dargestellt habe. In diesem
Zustand habe er nicht am Bebauungszusammenhang teilgenommen. Insbesondere sei
er auch nicht dem privaten Wohnbereich zuzuordnen gewesen. Nach der zum
"Außenbereich" entwickelten Rechtsprechung liege ein Bebauungszusammenhang vor,
soweit die aufeinanderfolgende Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit
(Zusammengehörigkeit) vermittle. Danach könnte der in Rede stehende Uferbereich
nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung zwar möglicherweise an dem durch die
Gebäudebebauung vermittelten Bebauungszusammenhang teilnehmen, weil die
Klägerin begonnen habe, den Uferbereich umzugestalten. Ob diese Veränderungen
bereits ausreichen würden, um den Uferweg in den Hausgarten einzubeziehen, könne
indes dahinstehen, denn die Umgestaltungen könnten der Klage schon deshalb nicht
zum Erfolg verhelfen, weil sie in rechtswidriger Weise vorgenommen worden seien und
die Beklagte dagegen vorgegangen sei. Insoweit folge die Kammer der zu § 34 BauGB
entwickelten Rechtsprechung, wonach es für die Frage, ob ein
Bebauungszusammenhang vorliege, grundsätzlich nicht darauf ankomme, ob die
bestehende Bebauung genehmigt oder illegal errichtet worden sei. Allerdings hätten
illegale Bauten dann außer Betracht zu bleiben, wenn das Verhalten der Behörde
7
8
9
10
11
12
13
14
15
illegale Bauten dann außer Betracht zu bleiben, wenn das Verhalten der Behörde
hinreichend klar erkennen lasse, dass sie den rechtswidrigen Zustand nicht dulden
werde. Der Gedanke, dass begünstigende Umstände, die durch rechtswidriges Tun
entstanden seien, außer Betracht bleiben müssen, komme hier ebenfalls zum Tragen.
Die im Uferbereich vorgenommenen Veränderungen seien rechtswidrig gewesen. Zwar
folge dies nicht, wie die Beklagte meine, bereits aus § 44 Abs. 1 i.V.m. § 46 BbgNatSchG.
Diese Normen sicherten zwar ein Betretungsrecht, vermittelten aber keinen
Bestandsschutz hinsichtlich des Weges und der sonstigen in § 44 Abs. 1 BbgNatSchG
genannten Flächen. Allerdings hätten die verändernden Maßnahmen gegen die
Veränderungssperre vom 2. Februar 2005 verstoßen, weil sie in ihrer Gesamtheit sowohl
als wesentlich wertsteigernde Veränderungen als auch als erhebliche Veränderungen
des Grundstücks einzustufen seien. Folglich sei darauf abzustellen, in welchem Zustand
sich die Flächen vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre befunden hätten. Nach in
den Akten befindlichen Fotos vom Februar 2005 habe sich die in Rede stehende
Uferfläche in einem noch naturbelassenen Zustand befunden und sei optisch und
funktional dem Villengrundstück entzogen gewesen. Sie sei noch nicht Teil des unterhalb
des Wohngebäudes gelegenen Hausgartens geworden. Auch die Tatsache, dass der
ursprüngliche Weg durch einen Unrechtsstaat gegen den Willen der Eigentümer errichtet
worden sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Schließlich sei das Betretungsrecht
nicht unverhältnismäßig.
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung u.a. geltend: Beide
Feststellungsanträge seien zulässig und begründet. Das Grundstück nehme insgesamt
am Bebauungszusammenhang teil und vermittele den Eindruck der Geschlossenheit
und Zusammengehörigkeit. Der Seezugang gehöre zur bauakzessorischen Nutzung des
Villengrundstücks. Damit sei der streitige Uferstreifen elementarer Teil des Garten- und
Seegrundstücks und gleichzeitig Teil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im
Sinne von § 34 BauGB, der durch den Griebnitzsee auf natürliche Art und Weise
eingegrenzt werde. Aus diesen Gründen handele es sich bei dem betreffenden
Grundstücksteil auch nicht um freie Landschaft i.S.v. § 44 BbgNatSchG.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 12. Dezember
2007 - 4 K 1760/07 - festzustellen,
1. dass das Grundstück R. Potsdam, in dem Bereich 50 cm südlich des im
Bebauungsplan Nr. 8 „Griebnitzsee" gekennzeichneten „Weges im Bestand“ bis zur
seeseitigen Grundstücksgrenze nicht dem Betretungsrecht nach § 44 Abs. 1
BbgNatSchG unterliegt,
2. dass der genannte Bereich bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 8
„Griebnitzsee“ am 30. November 2007 nicht Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB
gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.
Vertiefend macht sie u.a. geltend: Eine zulässige Umwandlung von Teilflächen des
Uferstreifens in einen Hausgarten habe weder vor dem vom Verwaltungsgericht
angenommenen Stichtag noch danach stattgefunden. Die Böschung oberhalb des
Weges bilde eine deutliche topographische Zäsur. Vor Inkrafttreten des Bebauungsplans
Nr. 8 habe sich die streitgegenständliche Fläche im Außenbereich befunden. Seit
Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 8 komme es auf die Abgrenzung zwischen § 34
BauGB und § 35 BauGB nicht mehr an. Unabhängig davon könne sich freie Landschaft
auch in einem Gebiet befinden, das nach § 34 BauGB zu beurteilen sei oder in einem
Gebiet, das sich nach § 30 BauGB beurteile. Nach dem gesamten historischen
Sachverhalt seit 1990 bestehe eine rechtliche Schicksalsgemeinschaft zwischen dem 2,8
km langen vormaligen Mauergrundstücksbereich und den Uferflächen, nicht jedoch in
Bezug auf die sich südlich anschließenden Wohngrundstücke. Schließlich stehe der
Beklagten auch die verfassungsrechtliche Pflichtenstellung nach Art. 40 Abs. 3 der
Brandenburgischen Verfassung zur Offenhaltung bzw. Eröffnung der Zugänglichkeit von
Uferflächen zur Seite.
Der Senat hat die Örtlichkeiten im Termin zur mündlichen Verhandlung in Augenschein
genommen. Für das Ergebnis der Augenscheinnahme wird auf die Sitzungsniederschrift
verwiesen. Hinsichtlich des Berufungsantrags zu 2. hat der Senat das Verfahren
abgetrennt.
16
17
18
19
20
21
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Streitakte sowie die zu den gleichzeitig verhandelten Berufungsverfahren OVG 11 B 6.08,
OVG 11 B 7.08 und OVG 11 B 10.08 geführten Beiakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Für den in der Urteilsformel bezeichneten Teil
des klägerischen Grundstücks besteht kein Betretungsrecht nach § 44 Abs. 1
BbgNatSchG.
A. Die Feststellungsklage ist zulässig. Sie zielt auf die Feststellung des Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Darunter sind die sich aus
einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm ergebenden
rechtlichen Beziehungen für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen
untereinander oder zu einer Sache zu verstehen. Dabei kommen als Bezugspersonen
u.a. der Normadressat sowie die Vollzugsbehörde als Normanwender in Betracht.
Rechtliche Beziehungen eines Beteiligten zu einem anderen haben sich dann zu einem
bestimmten Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm
des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist (vgl.
BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 - 7 C 13/06 -, NVwZ 2007, 1311, sowie bei Juris,
dort Rn. 21, Rn. 27, 28, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die zwischen
den Beteiligten streitige Frage des Bestehens eines naturschutzrechtlichen
Betretungsrechts gemäß § 44 Abs. 1 BbgNatSchG betrifft einen konkret bezeichneten
Teil des klägerischen Grundstücks. Sie konkretisiert sich fortwährend neu, weil die
Öffentlichkeit von dem nach Auffassung der Beklagten bestehenden Betretungsrecht
regelmäßig Gebrauch macht und die Beklagte ihre Aufgabe nach § 54 Abs. 1, 2 Satz 1
BbgNatSchG wahrnimmt, als zuständige untere Naturschutzbehörde die Einhaltung der
Rechtsvorschriften über Naturschutz und Landschaftspflege zu überwachen und
gegebenenfalls die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Schon hieraus folgt ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, das auch
die Beklagte, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, nicht in Abrede
stellt. Das Feststellungsinteresse ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil
offensichtlich bereits aus anderen Rechtsgründen ein gleichwertiges Betretungsrecht der
Allgemeinheit bestünde.
Ein solches Betretungsrecht folgt nicht aus dem auf § 14 Abs. 2 des Gesetzes über die
planmäßige Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der DDR vom 14. Mai 1970
(GBl. I, S. 67) in der Fassung des Wassergesetzes vom 2. Juli 1982 (GBl. I, S. 467) -
Landeskulturgesetz - LKG - gestützten Beschluss der Stadtverordnetenversammlung
Potsdam vom 28. Februar 1990, mit dem u.a. der südliche Uferbereich des
Griebnitzsees zu einem Erholungsgebiet zur ausschließlichen Nutzung für Fußgänger
und Radfahrer erklärt wurde. Dieser von der Beklagten angeführte Beschluss war der
Sache nach eine Planungsentscheidung, die der Umsetzung bedurft hätte, aber nicht
mehr umgesetzt wurde. Er enthält den Auftrag an den Rat der Stadt Potsdam, gemäß §
5 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Landeskulturgesetz vom 14. Mai
1970 (GBl. II, S. 336) - 2. DVO/LKG - eine Ordnung für die bezeichneten Erholungsgebiete
zu erlassen und die entsprechenden Maßnahmen unter Beachtung bestehender
Eigentums- und Nutzungsverhältnisse an den betreffenden Grundstücken auf der
Grundlage des § 14 Abs. 5 LKG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 und 2 2. DVO/LKG
einzuleiten sowie die Erarbeitung einer Gestaltungskonzeption zu veranlassen. Gemäß §
8 Abs. 1 2. DVO/LKG wäre der Rat des Kreises, auf dessen Territorium sich das
betreffende Grundstück befand, zuständig gewesen für die Entscheidung über die
Beschränkung oder den Entzug von Nutzungs- und Eigentumsrechten an Grundstücken
oder Grundstücksteilen gemäß § 14 Abs. 5 Landeskulturgesetz. Zu derartigen
Maßnahmen ist es nicht mehr gekommen. Soweit die Beklagte unmittelbar aus § 14
Abs. 4 LKG ein Betretungsrecht herleiten will, scheitert dies schon daran, dass §§ 10 bis
14 LKG gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 2 BbgNatSchG mit Inkrafttreten des BbgNatSchG 1992
am 30. Juni 1992 außer Kraft getreten sind und für den vorliegenden Fall auch aus § 76
Abs. 2 BbgNatSchG nichts anderes folgt.
Nachdem das Verwaltungsgericht Potsdam mit (der Beklagten bekanntem) Urteil vom 5.
Februar 2009 - 10 K 3724/04 - eine gemäß § 48 Abs. 7 BbgStrG übergeleitete
straßenrechtlichen Widmung des ehemaligen Kolonnenweges verneint hat, kann das
Feststellungsinteresse auch insoweit nicht mit der Erwägung abgelehnt werden, es
bestünde offensichtlich ein (straßenrechtliches) Betretungsrecht der Öffentlichkeit.
Ebenso wenig kann angenommen werden, aus der am 5. November 1996 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Stadtverwaltung Potsdam geschlossenen
22
23
24
25
26
27
28
Bundesrepublik Deutschland und der Stadtverwaltung Potsdam geschlossenen
Nutzungsvereinbarung bezüglich Uferflächen am Griebnitzsee sei unstreitig ein
Betretungsrecht der Allgemeinheit herzuleiten, das für die vorliegende Klage das
Feststellungsinteresse beseitige.
Schließlich ist das Feststellungsinteresse nicht durch den Erlass des Bebauungsplans Nr.
8 "Griebnitzsee" entfallen. Dabei ist mit dem Verwaltungsgericht zunächst davon
auszugehen, dass das in § 44 Abs. 1 Satz 1 BbgNatSchG enthaltene Merkmal „frei“
nicht i.S.v. „unbeplant“ zu verstehen ist. Vielmehr kann auch eine Fläche, die im Bereich
eines Bebauungsplans liegt, freie Landschaft sein und einem naturschutzrechtlichen
Betretungsrecht der Allgemeinheit unterliegen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 20. Dezember 1990 - 20 A 2218/89 -, NuR 1993, 240; OVG Brandenburg, Beschluss
vom 14. Oktober 2004 - 3a B 255/03 -, NuR 2005, 110, sowie bei Juris, dort Rn. 12).
Ferner begründet der Bebauungsplan Nr. 8 hinsichtlich der streitbefangenen Fläche
unmittelbar keine Betretungsrechte für die Allgemeinheit. Er enthält sowohl für die darin
vorgesehene Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung (öffentlicher Fußweg mit
eingeschränktem Radverkehr) als auch für die vorgesehene öffentliche Grünfläche
lediglich planerische Festsetzungen, deren Realisierung weitere Akte erfordert. So hat
die Verwirklichung der Festsetzung einer Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung
grundsätzlich durch eine entsprechende straßenrechtliche Widmung zu erfolgen (vgl.
Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl., § 9, Rn. 47). Hinsichtlich der öffentlichen
Grünflächen sieht die Begründung des Bebauungsplans vor, deren Nutzung in einer
gesonderten Parkordnung zu regeln. Im Übrigen wird in der Begründung des
Bebauungsplans unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 22. Februar 1999 - 1 BvR 565/91 -, NVwZ
1999, 979) ausdrücklich zugrunde gelegt, dass der Bebauungsplan keine
enteignungsrechtlichen Vorwirkungen entfalte. Überdies ist die Wirksamkeit des
Bebauungsplan Nr. 8 bislang nicht abschließend geklärt, sondern Gegenstand mehrerer
anhängiger Normenkontrollverfahren.
B. Der Feststellungsantrag ist auch begründet, weil für den streitbefangenen
Grundstücksteil ein - hier allein streitgegenständliches - naturschutzrechtliches
Betretungsrecht nach § 44 Abs. 1 BbgNatSchG nicht besteht.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BbgNatSchG darf jedermann in der freien Landschaft private
Wege und Pfade, Feldraine, Heide-, Öd- und Brachflächen sowie landwirtschaftliche
Nutzflächen außerhalb der Nutzzeit zum Zwecke der Erholung auf eigene Gefahr
betreten oder mit Krankenfahrstühlen befahren, auf Wegen Rad fahren sowie auf Wegen,
die von zwei- oder mehrspurigen Fahrzeugen befahren werden können, reiten oder mit
bespannten Fahrzeugen fahren, soweit sich nicht aus den Bestimmungen dieses
Gesetzes oder aus anderen Rechtsvorschriften Abweichungen ergeben. Von dem
Betretungsrecht ausgenommen sind gem. § 44 Abs. 1 Satz 3 BbgNatSchG Gärten,
Hofräume und sonstige zum privaten Wohnbereich gehörende oder einem gewerblichen
oder öffentlichen Betrieb dienende Flächen. Das Betretungsrecht darf nach § 44 Abs. 1
Satz 4 BbgNatSchG nur so ausgeübt werden, dass die Belange der anderen
Erholungssuchenden und die Rechte der Eigentümer nicht unzumutbar beeinträchtigt
werden.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betretungsrechts nach § 44 Abs. 1
BbgNatSchG sind nicht erfüllt, weil der streitbefangene Grundstücksteil nicht Teil der
freien Landschaft im Sinne von Satz 1 der Vorschrift ist und zum privaten Wohnbereich
nach Satz 3 gehört.
I. Dabei geht der Senat von folgenden Grundsätzen aus:
1. Ausgangspunkt der Auslegung des § 44 Abs. 1 BbgNatSchG ist der
verfassungsrechtliche Kontext der Norm. Die Betretungsbefugnis ist nach der
Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zu § 44 BbgNatSchG in der
Ursprungsfassung von 1992 (LT-Drucks. 1/830, S. 117) eine Inhalts- und
Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG), die angesichts
der "geringen Belastung für die Eigentümer" nicht unverhältnismäßig ist. Sie habe sich in
dieser Form bewährt und sei von der Rechtsprechung gebilligt, Konfliktfälle seien selten.
Sieht der Gesetzgeber das Betretungsrecht als eine ausgleichslos hinzunehmende
Ausformung der Sozialbindung des Eigentums an, die zudem nicht einmal eine
behördliche Abwägung im Einzelfall erfordert, sondern unmittelbar kraft Gesetzes
besteht, so ist die Betretungsbefugnis auf die Fälle zu beschränken, in denen der
Grundstückseigentümer dem Betreten seines Grundstücks durch die Öffentlichkeit
ersichtlich keinerlei anzuerkennende eigene Nutzungsinteressen entgegensetzen kann
und ihm deshalb die Möglichkeit genommen werden soll, allein aufgrund seiner formalen
29
30
31
32
33
und ihm deshalb die Möglichkeit genommen werden soll, allein aufgrund seiner formalen
Eigentümerstellung Dritte von dem Grundstück fernzuhalten. Dies findet seine
Bestätigung in der rahmenrechtlichen Regelung des § 56 Satz 1 BNatSchG, wonach die
Länder das Betreten der Flur auf Straßen und Wegen sowie auf "ungenutzten
Grundflächen" zum Zwecke der Erholung auf eigene Gefahr gestatten, sowie in der in §
44 Abs. 1 Satz 1 BbgNatSchG enthaltenen Einschränkung, dass landwirtschaftliche
Nutzflächen nur „außerhalb der Nutzzeit“ betreten werden dürfen. Maßgebend ist
jeweils, dass die betreffenden Flächen nicht in einer Weise genutzt werden, der das
Betretungsrecht entgegenstünde.
2. Seiner Wortbedeutung nach steht der Begriff der freien Landschaft für ein tendenziell
weitläufiges Areal. Das gilt bereits für den Begriff „Landschaft“, die als ein hinsichtlich
des äußeren Erscheinungsbildes in bestimmter Weise geprägter Bereich der
Erdoberfläche (Duden, Bedeutungswörterbuch), ein charakteristischer, individueller Teil
der Erdoberfläche, bestimmt durch das Wirkungsgefüge der hier vorhandenen
Geofaktoren (Brockhaus) oder ein geographisches Gebiet, das sich durch
unterschiedliche Merkmale von anderen Gebieten abgrenzt (Wikipedia), definiert wird.
Dieses Verständnis wird gestützt durch die in § 44 Abs. 1 Satz 1 BbgNatSchG enthaltene
Beschreibung der einzelnen dem Betretungsrecht unterliegenden Flächen, nämlich
Wege und Pfade, Feldraine, Heide-, Öd- und Brachflächen sowie landwirtschaftliche
Nutzflächen (außerhalb der Nutzzeit). All dies spricht dafür, dass das Gesetz mit dem
Begriff freie Landschaft größere Flächenverbünde außerhalb geschlossener
Siedlungsgebiete meint, die klassischer Weise "auf dem Land" liegen. In die gleiche
Richtung weist der in § 56 BNatSchG verwandte Begriff „Flur“, den der
Bundesgesetzgeber als Synonym zur "freien Landschaft" versteht (vgl. Begründung des
Gesetzentwurfs des Bundesrats zu § 28 BNatSchG a.F., BT-Drucks. 7/3879, S. 28). Die
„Flur“ wird als offenes, unbebautes Kulturland (Duden, Bedeutungswörterbuch), als die
zu einem Ort gehörige landwirtschaftliche Nutzfläche (Äcker, Dauerwiesen, Weiden,
Rebanlagen) auch Feldgemarkung genannt (Brockhaus) oder als nicht bebautes und
nicht waldbestandenes, offenes Gelände (Wikipedia) definiert. Damit impliziert der Begriff
"Flur" als typischen Anwendungsfall des Betretungsrechts die Mitbenutzung von Wegen
zwischen landwirtschaftlichen Flächen, z.B. Äckern und Wiesen.
3. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zu § 44 BbgNatSchG
in der Ursprungsfassung von 1992 (LT-Drs. 1/830) erfasst die "freie Landschaft" die
Gebiete außerhalb des Waldes und der bebauten Ortslagen. Dahinter steht zum einen
die Überlegung, dass das Betretungsrecht für den Wald im LWaldG geregelt ist. Zum
anderen bestimmte § 47 BbgNatSchG 1992 für die im Zusammenhang bebauten
Ortsteile, dass die Gemeinden durch Satzung das Betreten von privaten Wegen sowie
Grünflächen und anderen nicht bebauten Grundstücken in den im Zusammenhang
bebauten Ortsteilen regeln können. Zwar ist § 47 BbgNatSchG mit dem BbgNatSchG
2004 "aus Gründen der Reduzierung von Normen und Standards" entfallen, da die
Gemeinden von ihrer Satzungskompetenz kaum Gebrauch gemacht hätten. Jedoch
kann daraus nicht gefolgert werden, dass sich das Betretungsrecht, nachdem die
Satzungsautonomie der Gemeinden insoweit nicht mehr zum Tragen kommt, nunmehr
auch auf Freiflächen innerhalb bebauter Ortsteile erstreckt. Vielmehr wäre zu erwarten
gewesen, dass der Gesetzgeber eine nach den oben genannten Ausführungen schon
mit der Wortbedeutung des Begriffs der freien Landschaft nicht ohne weiteres vereinbare
Erstreckung des Betretungsrechts auf die zusammenhängend bebauten Ortsteile
entweder im Gesetzestext oder zumindest in der Gesetzesbegründung deutlich
gemacht hätte. Ferner spricht auch der Gesetzeszweck, Natur und Landschaft der
Öffentlichkeit zum Zwecke der Erholung zu öffnen, dafür, als Gegenstand des
Betretungsrechts größere Areale außerhalb bebauter Ortslagen anzusehen, weil
vorwiegend derartige Flächen zu den genannten Erholungszwecken geeignet sein
dürften.
4. Schließlich muss die Beurteilung für den begünstigten Normadressaten handhabbar
sein. § 44 Abs. 1 Satz 1 BbgNatSchG räumt das Betretungsrecht unmittelbar
"Jedermann" zum Zwecke der Erholung ein. Es muss daher für den Erholungssuchenden
ohne weiteres erkennbar sein, dass er sich in der freien Landschaft befindet und dass die
betretenen Flächen nicht dem privaten Wohnbereich oder einem anderen vom
Betretungsrecht nach § 44 Abs. 1 BbgNatSchG ausgenommenen Bereich zugehören,
um das Risiko einer unbeabsichtigten Eigentums- oder Besitzstörung nach Möglichkeit
auszuschließen.
II. Daraus ergibt sich:
1. Eine Zugehörigkeit des streitbefangenen Grundstücksteils zur freien Landschaft
scheitert nicht schon deshalb, weil der diesen Grundstücksteil umfassende Uferstreifen
34
35
36
scheitert nicht schon deshalb, weil der diesen Grundstücksteil umfassende Uferstreifen
insgesamt nur eine geringe Tiefe hat und trotz seiner gesamten Breite von ca. 2,8 km
für sich allein noch nicht die für eine "Landschaft" erforderliche Großräumigkeit aufweisen
würde. Denn der Uferstreifen ist nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit den
angrenzenden Flächenverbünden zu betrachten. Dabei scheidet eine Einbeziehung des
Griebnitzsees und der sich auf Berliner Seite anschließenden Waldflächen auch nicht
etwa von vornherein aus, weil der Gemeingebrauch an diesen Flächen ohnehin anderen
Regimen, nämlich dem Wasserrecht und dem Waldrecht (des Landes Berlin) unterliegt.
Dies zeigt beispielsweise der Vergleich mit einem fernab jeder Bebauung liegenden
Bereich, in dem eine große Waldfläche durch einen ebenfalls nur wenige Meter breiten
und lediglich mit Gras bewachsenen Streifen von einem größeren See getrennt wird.
Dort wäre ohne weiteres von einer zusammenhängenden - aus dem Wald, dem
Uferstreifen und dem angrenzenden See bestehenden - Landschaft auszugehen.
Dementsprechend ist auch der hier in Rede stehende Uferstreifen des Griebnitzsees
einem der angrenzenden Flächenverbünde, nämlich entweder der sich nach Norden
erstreckenden freien Landschaft oder der sich südlich anschließenden, unstreitig
bebauten Ortslage zuzuordnen. Ob insoweit die geringe Tiefe des Uferstreifens dafür
spricht, ihn insgesamt als Ufersaum eines durch den See begrenzten bebauten Ortsteils
anzusehen, der durch das Seeufer als unverrückbaren, natürlichen topographischen
Einschnitt begrenzt wird, kann dahinstehen. Denn nach den tatsächlichen
Gegebenheiten, wie sie sich dem Senat aufgrund der Ortsbesichtigung im Termin zur
mündlichen Verhandlung dargestellt haben, ist jedenfalls die streitbefangene Fläche der
bebauten Ortslage zuzurechnen.
2. Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht darauf an,
ob diese Fläche in einem zusammenhängend bebauten Ortsteil i.S.v. § 34 BauGB liegt,
denn diese bauplanungsrechtliche Abgrenzung ist im vorliegenden
naturschutzrechtlichen Kontext nicht maßgebend.
Zum einen hat der Gesetzgeber selbst keine einheitliche Terminologie verwendet. So ist
zwar in § 47 BbgNatSchG 1992 von "den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen" die
Rede. Nach ihrer Überschrift regelt die Vorschrift die Betretungsbefugnis "in
geschlossenen Ortschaften". In der Begründung zu § 44 BbgNatSchG 1992 ist
ausgeführt, dass der Begriff der freien Landschaft für Gebiete außerhalb des Waldes und
"der bebauten Ortslagen" steht. In der Begründung zu § 47 BbgNatSchG 1992 heißt es
wiederum, dass die Betretungsbefugnis nur für die freie Landschaft außerhalb der
"geschlossenen Ortslagen" und des Waldes gelte. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf
die Regelung des § 34 BauGB ist hingegen nicht erfolgt. Darüber hinaus wird dem
Normadressaten des § 44 Abs. 1 BbgNatSchG die oftmals schwierige Beurteilung, ob
eine Fläche noch zum bauplanungsrechtlichen Innenbereich gehört, nicht möglich sein.
Vor allem jedoch findet die Regelungsintention von § 34 BauGB, außerhalb beplanter
Gebiete die Bebauung auf ihre gewachsenen Strukturen zu konzentrieren und der
Entstehung von Splittersiedlungen entgegen zu wirken, in dem Regelungszweck des
naturschutzrechtlichen Betretungsrechts keine Entsprechung. Ein Ortsteil im Sinne von §
34 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl
der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen
Siedlungsstruktur ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1984 - 4 C 56.79 -, NVwZ
1984, 434; BVerwGE 31, 22; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB; § 34, Rn.
14). Für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 BauGB ist
maßgebend, inwieweit die aufeinander folgende Bebauung trotz etwa vorhandener
Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und
Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch)
diesem Zusammenhang angehört. Bei der Grenzziehung zwischen Innen- und
Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich
aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die
Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise
und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt (vgl. BVerwG; Beschluss vom
18. Juni 1997 - 4 B 238/96 -, NVwZ-RR 1998, 157; Urteil vom 6. November 1968 - IV C
2.66 -, BVerwGE 31, 20). Demgegenüber ist für das naturschutzrechtliche
Betretungsrecht nicht entscheidend, ob und in welcher Weise eine am Ortsrand
gelegene Fläche bebaut werden darf, sondern vielmehr, ob diese Fläche einem (baulich)
genutzten Bereich zuzurechnen ist. So sind gerade Flächen, die sich unmittelbar an den
letzten im Bebauungszusammenhang stehenden Baukörper anschließen, auch dann,
wenn sie nicht mehr zum Innenbereich i.S.v. § 34 BauGB gehören, oftmals dem privaten
Wohnbereich zuzuordnen und damit dem Betretungsrecht der Allgemeinheit entzogen.
Da das Betretungsrecht Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist und dieses
nur geringfügig beeinträchtigen soll, ist die Grenze zwischen den bebauten Ortslagen
und der freien Landschaft im naturschutzrechtlichen Sinne erst dort zu ziehen, wo eine
37
38
39
und der freien Landschaft im naturschutzrechtlichen Sinne erst dort zu ziehen, wo eine
Beeinträchtigung des privaten Wohnbereichs in einer für den Normadressaten eindeutig
erkennbaren Weise ausgeschlossen ist. Folglich ist davon auszugehen, dass jedenfalls
eine sich an die bebaute Ortslage unmittelbar anschließende erkennbare gärtnerische
oder sonstige private Wohnnutzung eines Grundstücksteils die Grenze zwischen Ortslage
und freier Landschaft zu Gunsten der Ersteren verschiebt. Das führt dazu, dass die
private Wohnnutzung eines Grundstücksteils im Ortsrandbereich ein
naturschutzrechtliches Betretungsrecht sowohl nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BbgNatSchG als
auch nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BbgNatSchG ausschließt.
3. Für die Frage, ob die streitbefangene Fläche Teil eines Gartens oder jedenfalls in
sonstiger Weise zum privaten Wohnbereich zu rechnen ist, ist allein auf die tatsächlichen
Gegebenheiten abzustellen, wie sie sich in dem (auch prozessual) maßgeblichen
Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung darstellen.
a) Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass § 44 Abs. 1 i.V.m. § 46
BbgNatSchG hinsichtlich des naturschutzrechtlichen Betretungsrechts keinen
Bestandsschutz garantieren. Zwar bedarf der Grundstückseigentümer oder
Nutzungsberechtigte gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 BbgNatSchG einer vorherigen
Genehmigung, um das dem Betretungsrecht unterliegende Grundstück zu sperren, d.h.,
die Ausübung des Betretungsrechts gemäß § 44 BbgNatSchG zu untersagen oder
tatsächlich auszuschließen, wobei eine Sperre nicht zwingend in der Einzäunung eines
Grundstücks oder Grundstücksteils bestehen muss (vgl. dazu VGH Baden-Württemberg,
Urteil vom 21. April 1994 - 5 S 2157/93 -, NVwZ-RR 1994, 576). Der
Grundstückseigentümer ist jedoch durch die §§ 44 ff. BbgNatSchG nicht gehindert, die
dem Betretungsrecht unterliegenden Flächen umzugestalten und sie in seinen privaten
Wohnbereich einzubeziehen oder etwa auf Brachflächen und anderen landwirtschaftlich
nicht genutzten Flächen erstmals oder erneut eine landwirtschaftliche Nutzung
aufzunehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Dezember 1990 - 20 A
2218/89 -, NuR 1993, 240; Hessischer VGH, Urteil vom 18. März 1975 - II OE 1/75 -, DVBl
1975, 901). Um im Einzelfall abgrenzen zu können, ob ein Grundstückseigentümer Teile
seines Grundstücks zulässigerweise zu seinem privaten Wohnbereich erklärt und dies
entsprechend nach außen hin deutlich macht, oder ob er sein Grundstück oder Teile
davon in genehmigungsbedürftiger Weise für die Öffentlichkeit sperrt, ist wiederum zu
berücksichtigen, dass das - unmittelbar aus dem Gesetz folgende - Betretungsrecht der
Öffentlichkeit Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums ist. Daher sind zwar
Maßnahmen, die nur dazu dienen, das Betretungsrecht der Allgemeinheit durch
faktischen Ausschluss des Zugangs zu unterlaufen, von der nach Art. 14 GG
geschützten Verfügungsbefugnis des Eigentümers nicht gedeckt. Jedoch enthalten
weder §§ 44 ff. BbgNatSchG noch Art. 40 Abs. 3 der Verfassung des Landes
Brandenburg eine unmittelbar geltende Regelung, wonach bei Wassergrundstücken ein
Uferstreifen von der privaten Wohnnutzung ausgenommen wäre. Ebenso wenig lässt sich
dem Brandenburger Landesrecht entnehmen, dass der für private Wohnzwecke
nutzbare Grundstücksbereich auf einen bestimmten - anhand der Flächen eines
Wohngebäudes zu berechnenden - Umgriff beschränkt wäre. Die vom Bayerischen VGH
vertretene Rechtsauffassung, in der Regel werde für einen vom allgemeinen
Betretungsrecht auszunehmenden geschützten Wohnbereich ein Umgriff für
ausreichend zu halten sein, der das Zehnfache der überbauten Fläche nicht
überschreite, bei einer Bebauung mit mehr als zwei Vollgeschossen könne dieser
Umgriff auf das Fünffache der bauplanungsrechtlich zulässigen Geschossfläche mit einer
Obergrenze von 1 ha ausgedehnt werden (vgl. Urteil vom 3. August 1988 - Nr. 9 B
87.01107 -, BayVBl 1989, 47; Urteil vom 14. April 1981, BayVBl 1981, 433), beruht auf
Art. 29 Nr. 2 BayNatSchG. Danach ist bei Wohngrundstücken eine Beschränkung nur für
den Wohnbereich zulässig, der sich nach den berechtigten Wohnbedürfnissen und nach
den örtlichen Gegebenheiten bestimmt. Ein gesetzlicher Anhaltspunkt für den so
genannten zehnfachen Umgriff ergab sich aus § 39 Abs. 2 Nr. 1 NatSchG Baden-
Württemberg in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung, wonach der
Eigentümer oder sonstige Berechtigte unbeschadet sonstiger öffentlich-rechtlicher
Vorschriften der Allgemeinheit das Betreten von Grundstücken in der freien Landschaft
durch Sperren nur verwehren durfte, soweit die nicht überbaute Fläche eines
Grundstücks, das mit einem Gebäude zulässig überbaut war, die überbaute Fläche um
nicht mehr als das Zehnfache überschritt. Diese Vorschrift wurde mit Wirkung vom 1.
Januar 2006 mit der Begründung, dass die bisherige Formulierung zu eng und zu wenig
flexibel gewesen sei (vgl. Baden-Württembergische LT-Drucks. 13/4768, Seite 146,147 zu
§ 53 NatSchG BW) dahin geändert, dass nunmehr auf die "berechtigten
Wohnbedürfnisse" abgestellt wird. §§ 44 ff. BbgNatSchG enthalten keine hiermit
vergleichbaren Einschränkungen.
b) Der Senat folgt hingegen nicht der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung,
39
40
41
42
43
44
45
b) Der Senat folgt hingegen nicht der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung,
dass der tatsächliche Zustand nur dann maßgeblich sei, wenn er (baurechtlich)
rechtmäßig hergestellt worden sei. Das vom Verwaltungsgericht hierzu zitierte Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 1968 (- VI C 31.66 -, BVerwGE 31,22,
sowie bei Juris, dort Rn. 22) betrifft die Frage eines Bebauungszusammenhangs im Sinne
von § 34 BauGB, der, wie dargelegt, im vorliegenden naturschutzrechtlichen Kontext
nicht maßgebend ist. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob der in Rede stehende
Grundstücksteil seine gegenwärtige Gestalt unter Verstoß gegen die
Veränderungssperre vom 2. Februar 2005 oder etwa gegen Nr. 17 der textlichen
Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 8 erhalten hat.
Darüber hinaus lässt sich auch nicht ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts aufstellen,
dass sich ein Grundstückseigentümer im Rahmen von § 44 Abs. 1 BbgNatSchG auf eine
Gestaltung seines Grundstücks dann nicht berufen könnte, wenn er diese rechtswidrig,
etwa durch einen unzulässigen Eingriff in Natur und Landschaft, herbeigeführt hat. Denn
sollte dies geschehen sein, bliebe der zuständigen Behörde die Möglichkeit, ihm mit
ordnungsrechtlichen Mitteln aufzugeben, dies rückgängig zu machen und den
ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Erst danach stellte sich die Frage, ob eine
erfolgte „Renaturierung“ dem betreffenden Grundstücksteil nunmehr zugleich die
Zugehörigkeit zur freien Landschaft vermittelt.
Vor allem jedoch ist auch hier zu berücksichtigen, dass es dem Adressaten des § 44
Abs. 1 BbgNatSchG ohne weiteres möglich sein muss, zu beurteilen, ob ein Grundstück
dem Betretungsrecht unterliegt oder nicht. Es ist einem erholungssuchenden Passanten
schlechterdings nicht möglich zu beurteilen, ob beispielsweise die gärtnerische
Gestaltung eines Grundstücks vor Inkrafttreten oder während der Geltungsdauer einer
baurechtlichen Veränderungssperre vorgenommen wurde oder sich als
naturschutzrechtlich unzulässiger Eingriff darstellt.
III. In Anwendung dieser Grundsätze ist der Senat aufgrund der Augenscheinnahme der
Örtlichkeiten zu der Überzeugung gelangt, dass der streitbefangene Grundstücksteil
dem privaten Wohnbereich zuzuordnen und nicht Teil der freien Landschaft ist.
Dieser war im maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats
erkennbar in die private Wohnnutzung einbezogen. Der zwischen dem Uferweg und dem
Seeufer befindliche, lediglich wenige Meter breite Grundstücksteil war, wenngleich
naturnah, so doch eindeutig erkennbar gärtnerisch gestaltet. Dort fanden sich u.a.
Rasenbewuchs und angepflanzte Büsche. Der südlich des Uferweges gelegene bebaute
Teil des Grundstücks und der zum Seeufer hin gelegene Teil des Grundstücks machten
nach ihrer konkreten Gestaltung den visuellen Eindruck der Zusammengehörigkeit. Es
drängte sich hier für einen unvoreingenommenen Betrachter auf, dass das
Wohngrundstück nicht vor dem Uferweg endet, sondern über diesen hinaus bis an das
Ufer des Griebnitzsees heranreicht. In der Mitte des hausseitigen Grundstücksteils lief
eine Rasenfläche mit leichtem Gefälle auf den Uferweg und das dahinter liegende
Seeufer zu, die nur durch einen niedrigen Metallzaun gegen den Uferweg abgegrenzt
war. Im Übrigen waren die Grundstücksteile zwar hausseitig durch eine Steinmauer mit
aufgesetztem Metallgitterzaun und seeseitig durch einen einfachen Drahtzaun mit
Holzpfählen vom Uferweg abgetrennt. Jedoch befand sich an der westlichen Seite des
bebauten Grundstücksteils in der Hanglage eine Treppe, über die durch eine Gartentür
der Uferweg zu erreichen war. Genau auf der gegenüberliegenden Seite des Uferweges
wies der Zaun einen lediglich durch zwei abnehmbare Ketten gesicherten Durchlass auf,
der den Zugang zum uferseitigen Grundstücksteil ermöglichte. Hier setzte sich quasi in
direkter Verlängerung der von der Treppe herabführende Weg fort und wurde seeseitig
über gartentypisch verlegte Steinplatten zu einer ebenfalls ersichtlich zum
Hausgrundstück gehörenden Einzelsteganlage geführt. Insoweit läuft der Uferweg dem
optischen Eindruck nach nicht zwischen zwei voneinander unabhängigen Flächen
hindurch, sondern vielmehr über ein zusammenhängendes, einheitlich Wohnzwecken
dienendes Grundstück hinweg.
Soweit die Klägerin den seeseitigen Teil des Grundstücks zum Weg und seitwärts durch
Zäune eingefriedet hat, führt das allein zwar noch nicht zur Einbeziehung des
betreffenden Grundstücksteils in den privaten Wohnbereich. Ist die Einbeziehung in die
Wohnnutzung jedoch, wie hier, bereits in anderer Weise durch die konkrete Gestaltung
des Grundstücks erkennbar begründet worden, hat dies zur Folge, dass das
Betretungsrecht entfällt und die Einfriedung keine ungenehmigte Sperrung i.S.d. § 46
BbgNatSchG ist, sondern dazu dient, den privat genutzten Grundstücksteil gegen das
Betreten durch Unbefugte zu schützen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen
45 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht
vorliegen.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum