Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 26.08.2008

OVG Berlin-Brandenburg: versetzung, aufschiebende wirkung, teilzeitbeschäftigung, bedürfnis, beamter, besoldung, dienstort, behandlung, amtsführung, unabhängigkeit

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 4.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 4 S 38.08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 86 Abs 1 BG BB, Art 3 Abs 1
GG, Art 33 Abs 5 GG, § 80 Abs
5 VwGO
Gleichbehandlungsverstoß bei pauschaler
Nichtberücksichtigung teilzeitbeschäftigter Beamter im Rahmen
von Versetzungen
Leitsatz
Parallelentscheidung zu OVG 4 S 42.08
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. August 2008 wird mit
Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid
des Staatlichen Schulamtes Frankfurt (Oder) vom 28. Juli 2008 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben. Der Antrag auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit dem angefochtenen Bescheid
ausgesprochene Versetzung der Antragstellerin vom Staatlichen Schulamt Frankfurt
(Oder) zum Staatlichen Schulamt Brandenburg an der Havel hat Erfolg. Dem privaten
Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt
auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung (§ 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG)
Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung zu, weil sich der
Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen
summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Die Antragstellerin hat mit
Erfolg dargelegt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), dass die Versetzung unter einem
durchgreifenden Ermessensfehler leidet.
Rechtsgrundlage der Versetzung ist § 86 Abs. 1 Satz 1 und 2 LBG Bbg. Danach kann ein
Beamter in ein anderes Amt einer Laufbahn, für die er die Befähigung besitzt, versetzt
werden, wenn er es beantragt oder ein dienstliches Bedürfnis besteht; die Versetzung
bedarf nicht der Zustimmung des Beamten, wenn das neue Amt zum Bereich desselben
Dienstherrn gehört, derselben Laufbahn angehört wie das bisherige Amt und mit
mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist.
Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Versetzung erfüllt. Das
dienstliche Bedürfnis hat der Antragsgegner nachvollziehbar mit dem im Bereich des
Staatlichen Schulamtes Frankfurt (Oder) bestehenden Personalüberhang begründet.
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 9. Juli 2007 - OVG 4 S 9.07 -
BA S. 3) kann sich dieses Bedürfnis auch allein mit Blick auf die Ablösung vom bisherigen
Dienstposten ergeben, so dass es nicht auf den Bedarf der aufnehmenden Stelle,
sondern allein auf deren Aufnahmekapazität ankommt.
Jedoch hat der Antragsgegner von dem ihm eröffneten Ermessen nicht fehlerfrei
Gebrauch gemacht. Die Ausübung des Ermessens unterliegt im Hinblick auf § 114 VwGO
einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Zu prüfen ist lediglich, ob die Behörde von
ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch
gemacht und sich in den gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens gehalten hat. Die auf
der Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat zur Versetzung von Lehrkräften in
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der Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat zur Versetzung von Lehrkräften in
den Schuljahren 2008/09 und 2009/10 vom 23. Januar 2008 beruhende Privilegierung
teilzeitbeschäftigter Beamter ist mit dem Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar
und überschreitet damit die gesetzlichen Grenzen des Ermessens. Der
Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im
Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden
Gruppen keine Unterscheide von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie
die ungleiche Behandlung rechtfertigen (stRspr., vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 10.
November 1992 - 10 C 2.91 - juris Rn. 24; s. auch Sachs, in: Stelkens/ Bonk/Sachs,
VwVfG, 7. Auflage 2008, § 40 Rn. 91 ff.). Diese Schranken hat der Antragsgegner nicht
hinreichend beachtet.
Auf der Grundlage seiner Zielsetzung, den Personalüberhang im Bereich des Staatlichen
Schulamtes Frankfurt (Oder) nach Maßgabe des § 86 LBG durch Versetzung von
Lehrkräften zu aufnahmefähigen Schulämtern abzubauen, hat der Antragsgegner ein
Auswahlverfahren durchgeführt, in das zunächst alle dort beschäftigten (verbeamteten)
Lehrkräfte einbezogen und sodann nach unterschiedlichen Kriterien, auch dem
Arbeitszeitstatus, Ausnahmen gebildet worden sind. So sind nach § 3 Abs. 1 1.
Spiegelstrich in Verbindung mit § 2 Abs. 2 der vorbezeichneten Dienstvereinbarung
Lehrkräfte von Versetzungen ausgenommen, deren Beschäftigungsumfang im
Staatlichen Schulamt Frankfurt (Oder) 23,5/26 bzw. 25,5/28 Stunden nicht überschreitet;
dies gilt für Vollbeschäftigte, die freiwillig eine entsprechende Teilzeitbeschäftigung
beantragen bzw. vereinbaren, sowie für Teilzeitbeschäftigte, für die bereits ein
entsprechender Beschäftigungsumfang besteht bzw. vereinbart ist. Die Regelung hat zur
Folge, dass sich die Auswahl der zu versetzenden Lehrkräfte auf den Kreis der (nicht
anderweitig privilegierten) Vollbeschäftigten beschränkt, während Teilzeitbeschäftigte
schon bei minimaler Reduzierung des Beschäftigungsumfangs von nicht einmal 10 %
(um 2,5 von 26 bzw. 28 Stunden) vor nicht freiwilligen Versetzungen generell geschützt
sind. Zwischen vollbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Beamten bestehen jedoch
keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass der völlige Ausschluss
jener teilzeitbeschäftigten Beamten aus dem Auswahlverfahren gerechtfertigt wäre.
Die Argumentation des Antragsgegners, Teilzeitbeschäftigte seien von einer Versetzung
finanziell regelmäßig stärker betroffen, da ihr Einkommen - bei gleich hohen
versetzungsbedingten Mehrausgaben - geringer sei als das von Vollbeschäftigten,
überzeugt schon vor dem Hintergrund nicht, dass bereits eine geringfügige Ermäßigung
der Arbeitszeit und dementsprechend der Besoldung Schutz vor Versetzung bieten soll,
zumal die Reduzierung der Besoldung regelmäßig teilweise durch einen geringeren
Steuersatz aufgefangen werden dürfte. Vor allem jedoch ist der Hinweis auf
versetzungsbedingte Mehrausgaben nicht ohne weiteres schlüssig, da einem Beamten,
der aus dienstlichen Gründen an einen anderen Ort als den bisherigen Dienstort versetzt
wird, Umzugskostenvergütung bzw. Trennungsgeld nach Maßgabe des § 54 LBG und der
für Bundesbeamte jeweils geltenden Rechtsvorschriften zusteht (vgl. auch
Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2005 - OVG 4 S 61.05 - BA S. 6). Soweit die
Voraussetzungen für die Zusage der Umzugskostenvergütung nicht vorliegen - etwa weil
der neue Dienstort weniger als 50 Kilometer von der Wohnung entfernt ist (§ 54 Abs. 3
Satz 1 Nr. 1 LBG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c Bundesumzugskostengesetz) -, sieht
der Gesetzgeber etwaige Mehrbelastungen durch einen längeren Weg zur Arbeit
unabhängig vom Arbeitszeitstatus als zumutbar an.
Ebenso wenig kann sich ein sachlicher Grund für die Differenzierung daraus ergeben,
dass alle im Versetzungsverfahren befindlichen Lehrkräfte die Möglichkeit hatten, durch
Beantragung einer Teilzeitbeschäftigung Schutz vor Versetzung zu erlangen, da sich die
Verknüpfung beider Aspekte als sachwidrig erweist. Der durch die Dienstvereinbarung
aufgebaute faktische Druck, die Arbeitszeit zu reduzieren, ist mit den hergebrachten
Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), insbesondere dem
Alimentationsgrundsatz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 -
juris Rn. 70 ff.), unvereinbar. In Anbetracht der Alternative, anderenfalls voraussichtlich
mit weitreichenden Konsequenzen für die persönlichen Lebensumstände den Dienstort
wechseln zu müssen, kann unter den hier gegebenen Umständen von einer allein durch
den freien Willen getragenen Einschränkung der amtsangemessenen Besoldung (vgl.
BVerfG, a.a.O. Rn. 78) nicht mehr die Rede sein. Eine Absenkung der Bezüge, die sich als
potentielle Gefährdung der Unabhängigkeit der Amtsführung des Beamten darstellen
kann, ist jedoch nur unter der Voraussetzung der Freiwilligkeit als Ausdruck einer
eigenverantwortlichen Entscheidung des Beamten verfassungsrechtlich hinnehmbar
(BVerfG, a.a.O. Rn. 75). Der vom Antragsgegner geschilderte Ablauf des
Versetzungsverfahrens verdeutlicht, dass ein großer Teil der für eine Versetzung in
Betracht kommenden verbeamteten vollbeschäftigten Lehrkräfte - angestellte
Lehrkräfte waren von einer Versetzung ohnehin ausgenommen, weil ihre Arbeitszeit
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Lehrkräfte waren von einer Versetzung ohnehin ausgenommen, weil ihre Arbeitszeit
durch Tarifvertrag auf 75 v.H. abgesenkt war - den vom Antragsgegner mit Nachdruck
propagierten Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung allein deshalb vollzogen hat, um
„Schutz“ vor Versetzung zu erlangen. Schon im Januar 2008 wurden die für eine
Versetzung in Betracht kommenden 2.367 Lehrkräfte unter Übermittlung eines
entsprechenden Antragsformulars auf diesen „Schutz“ hingewiesen. Auch im
nachfolgenden gestuften Anhörungsverfahren wurde nochmals diese Möglichkeit
aufgezeigt. Bis zum 25. April 2008 hatten 1.682 Lehrkräfte Teilzeitanträge gestellt.
Zahlreiche weitere Beamte suchten später um Teilzeitbeschäftigung nach, sobald sie
konkret für eine Versetzung in Betracht gezogen wurden. So verblieben etwa von 66
Lehrkräften, denen im Rahmen der Sozialauswahl 8 Punkte zugebilligt worden waren,
letztlich nur zwei im Versetzungsverfahren, nachdem - nach Ausscheiden von 14 aus
anderen Gründen privilegierten Lehrkräften - 50 Lehrkräfte eine Teilzeitbeschäftigung
beantragt hatten. Letztlich standen für die an sich erforderlichen 27 Versetzungen nur
noch 19 versetzbare Lehrkräfte zur Verfügung.
Die generelle Privilegierung von Teilzeitbeschäftigten ist auch nicht aus anderen Gründen
gerechtfertigt. Der Gesichtspunkt des betrieblichen Interesses, die Auswirkungen einer
größeren Versetzungsaktion im Interesse der pädagogischen Arbeit zu begrenzen (so
VG Cottbus, Beschluss vom 26. August 2005 - 5 L 180/05 - BA S. 22 f.), ist hier von
vornherein nicht tragfähig, da er sich bei den von der Dienstvereinbarung festgelegten
Obergrenzen (Ermäßigung der Arbeitszeit um weniger als 10 v.H.) nicht relevant
auswirken könnte. Ob bestimmte Gruppen von Teilzeitbeschäftigten - etwa bei
familienpolitischer Teilzeitbeschäftigung (§ 39 c LBG) - ausgenommen werden könnten,
kann dahinstehen, da sich die einschlägige Regelung auf alle Formen der
Teilzeitbeschäftigung erstreckt.
Ob die Versetzungspraxis des Antragsgegners darüber hinaus auch gegen das
Diskriminierungsverbot des § 39 f 2. Halbsatz LBG verstößt, das eine unterschiedliche
Behandlung von Beamten mit ermäßigter Arbeitszeit gegenüber Beamten mit
regelmäßiger Arbeitszeit vom Vorliegen zwingender sachlicher Gründe abhängig macht,
bedarf keiner Erörterung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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