Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 07.07.2005

OVG Berlin-Brandenburg: gerichtshof für menschenrechte, ddr, dienstzeit, eigentum, vorrang, form, ruhegehalt, sammlung, quelle, link

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 4.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 4 N 177.05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 124 VwGO, § 12b BeamtVG,
Art 33 Abs 5 GG, Art 3 Abs 1
GG, Art 14 Abs 1 GG
Berücksichtigung der zu Zeiten der DDR erlangten
beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften nach der
Wiedervereinigung
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Juli 2005 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für die
erste Rechtsstufe und für die zweite Rechtsstufe auf je 26.144,06 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 und 4 VwGO sind auf der für den Senat
allein maßgeblichen Grundlage der Darlegungen in der Zulassungsbegründung (vgl. §
124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht gegeben.
1. Mit den vom Kläger angeführten Gründen sind keine besonderen rechtlichen
Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) aufgezeigt. Die
Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf
versorgungsrechtliche Berücksichtigung seiner Beschäftigungszeit an einer Hochschule
der DDR als ruhegehaltfähige Dienstzeit weist keine besonderen Schwierigkeiten auf,
sondern ergibt sich, wie schon das Verwaltungsgericht dargelegt hat, aus der Regelung
des § 12 b BeamtVG und der hierzu bereits ergangenen höchstgerichtlichen
Rechtsprechung. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. November 2000
– 2 C 23.99 – (ZBR 2001, 210) eingehend begründet, dass § 12 b Abs. 1 BeamtVG im
Einklang mit höherrangigem Recht steht, insbesondere mit den hergebrachten
Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Artikel 33 Abs. 5 GG und dem
Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Abs. 1 GG). Das Bundesverfassungsgericht hat die
hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 24. März 2003 – 2 BvR
192/01 – (www.bverfg.de) nicht zur Entscheidung angenommen. Es hat dabei die
Ausführungen der beiden Vorinstanzen zur Verfassungsmäßigkeit von § 12 b Abs. 1
BeamtVG als zutreffend bestätigt und ausgeführt, eine Verletzung von Artikel 33 Abs. 5
GG, von Artikel 2 Abs. 1 GG sowie von Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 1
GG sei nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung dem folgend
darauf gestützt, dass sich eine Nichtberücksichtigung der vor dem 3. Oktober 1990
erbrachten Dienstzeit aus § 12 b Abs. 1 BeamtVG ergebe, die dort genannten
tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt seien und die Regelung verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden sei.
Die hiergegen vom Kläger erhobenen Einwände zeigen keine besonderen
Schwierigkeiten auf, die die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderten.
a) Soweit der Kläger seiner Zulassungsbegründung Vorbemerkungen und Ausführungen
zu seinem Grundanliegen voranstellt, genügt sein Vorbringen nach der Art der dortigen
Ausführungen schon nicht dem Darlegungsgebot und ist auch sonst nicht geeignet,
Schwierigkeiten der Sache aufzuzeigen, die nicht bereits durch die zu der Frage
ergangene Rechtsprechung ausgeräumt sind.
b) Seine Rüge, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts finde seine vor dem 3.
Oktober 1990 erbrachte Dienstzeit keine „volle rentenrechtliche Berücksichtigung“ (III.1.
der Zulassungsbegründung), setzt sich ebenfalls nicht hinreichend mit der
erstinstanzlichen Argumentation auseinander. Das Verwaltungsgericht hat nicht auf eine
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erstinstanzlichen Argumentation auseinander. Das Verwaltungsgericht hat nicht auf eine
solche „volle“ rentenrechtliche Berücksichtigung abgestellt, sondern darauf, dass die
Dienstzeit überhaupt rentenrechtlich berücksichtigungsfähig ist. Dieser rechtliche Ansatz
ist zutreffend, weil § 12 b Abs. 1 BeamtVG den Vorrang des Rentenrechts für vor dem 3.
Oktober 1990 im Beitrittsgebiet zurückgelegte Dienstzeiten nicht an die Höhe der
jeweiligen Rente, sondern allein an die Berücksichtigungsfähigkeit als rentenrechtliche
Zeiten knüpft. Der Begriff der „rentenrechtlichen Zeiten“ im Sinne des § 12 b BeamtVG
ist dem Rentenrecht zu entnehmen; hiernach sind rentenrechtliche Zeiten alle Zeiten,
die sich auf den Rentenanspruch und die Rentenhöhe auswirken können (vgl. Strötz in:
GKÖD, BeamtVG, Stand: Juni 2007, O § 12 b Rn. 18). Vor diesem Hintergrund ist das
Vorbringen des Klägers, dass die Überleitung von Renten- und Versorgungsansprüchen
aus der DDR in das Rentensystem der Bundesrepublik ihn unverhältnismäßig
benachteilige, weil über die gesetzliche Rente hinausgehende Ansprüche, die er in der
DDR erworben habe und die ihm ein lebensstandardwahrendes Alterseinkommen hätten
gewährleisten sollen, nicht berücksichtigt würden (III.1.a. der Zulassungsbegründung),
nicht entscheidungserheblich. Gleiches gilt für seine Ausführungen zu einer
gleichberechtigten versorgungsrechtlichen Berücksichtigung seines gesamten
beruflichen Lebenslaufs (III.1.b. der Zulassungsbegründung). Die Höhe seiner Rente ist
nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
c) Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe die Nichtberücksichtigung der von ihm in
der DDR zurückgelegten Dienstzeiten nicht mit der gefestigten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts als verfassungsrechtlich unbedenklich ansehen dürfen, weil
diese Nichtberücksichtigung mit dem Einigungsvertrag, dem Grundgesetz und der
Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar sei (III.2. der
Zulassungsbegründung), zeigt ebenfalls keine besonderen Schwierigkeiten auf. Das
Vorbringen genügt bereits nicht dem Darlegungsgebot, weil es sich auf allgemein
gehaltene Erwägungen zum Eigentums-, Bestands- und Vertrauensschutz beschränkt,
ohne auf die konkrete Argumentation des Verwaltungsgerichts einzugehen. Der Kläger
wiederholt an dieser Stelle wie auch sonst in der Zulassungsbegründung und durch die
Anlagen und Bezugnahmen im Grunde nur seine These, durch die Höhe seiner
Altersbezüge in seinem Eigentum verletzt zu sein.
2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund liegt nur vor, wenn in der Rechtssache eine klärungsfähige und
klärungsbedürftige Frage aufgeworfen wird, deren Beantwortung in einem künftigen
Berufungsverfahren zur Wahrung der Einheitlichkeit oder zur Fortentwicklung des Rechts
geboten ist. Das ist hier nicht der Fall. Die vom Kläger für grundsätzlich gehaltenen
Fragen (vgl. S. 7 der Zulassungsbegründung) würden sich in einem Berufungsverfahren
in dieser Form nicht stellen. Sie sind viel zu allgemein gehalten und haben keinen
konkreten Bezug zu dem hier zu entscheidenden Fall. Die fallrelevanten Fragen sind
durch die höchstrichterliche Rechtsprechung im Übrigen geklärt.
3. Die behauptete Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nicht hinreichend
dargelegt. Eine die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO eröffnende Divergenz ist
nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Zulassungsbegründung einen inhaltlich
bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem
die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten
Gerichte aufgestellten tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift
widersprochen hat (vgl. zum Revisionsrecht BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7
B 261.97 – Juris Rn. 3). Diesen Maßstäben genügt die Zulassungsbegründung (siehe dort
IV.) nicht. Mit seinem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe mit seinem Urteil „im
Ergebnis festgestellt“, dass es nach dem Besamtenversorgungsgesetz keine als
Eigentum in der DDR erworbenen Renten- und Versorgungsansprüche gebe, die in der
Bundesrepublik in ihrem Wert weiter wirkten und nun als Eigentum geschützt seien,
benennt der Kläger schon keinen die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz,
sondern fasst lediglich das Ergebnis der Entscheidung aus seiner Sicht zusammen.
Im Übrigen ist für eine Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO auch sonst
nichts ersichtlich. Der vom Kläger angeführte Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte zählt nicht zu den Gerichten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
Außerdem sind dessen Entscheidungen zum so genannten Bodenreformland und seiner
Restitution, auf die der Kläger abstellt, hier nicht einschlägig. Ergänzend sei angemerkt,
dass die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit Urteil
vom 30. Juni 2005 (Rechtssache Jahn, www.coe.int) das vom Kläger angeführte
Kammerurteil desselben Gerichts vom 22. Januar 2004 (Rechtssache Jahn, www.coe.int)
nicht bestätigt hat. Soweit der Kläger auf das Bundesverfassungsgericht abstellt, hat das
Gericht in der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 11. Mai 2005 – 1 BvR 368/97 u.a. –
(Juris, Rn. 86) ausdrücklich ausgeführt, rentenrechtliche Ansprüche und Anwartschaften,
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(Juris, Rn. 86) ausdrücklich ausgeführt, rentenrechtliche Ansprüche und Anwartschaften,
die in der DDR begründet wurden, seien von Artikel 14 Abs. 1 GG nur in der Form
geschützt, die sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrags erhalten hätten. Der
Einigungsvertrag hat insoweit einen Vorrang des Rentenrechts für Vordienstzeiten im
Beitrittsgebiet vorgesehen (vgl. Strötz, a.a.O., Rn. 2). Dass der Kläger am 3. Dezember
1992 und damit wenige Wochen vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 2 Nr. 6
BeamtVÜV mit der Zweiten Beamtenversorgungs-Übergangs-Änderungsverordnung
vom 22. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2427) zum Beamten ernannt worden ist, hat das
Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten. Danach
kommt dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes neben der Garantie
des Artikels 33 Abs. 5 GG keine selbstständige Bedeutung für die Sicherung der
hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu, und Artikel 33 Abs. 5 GG
wiederum hindert den Gesetzgeber nicht, das Besoldungs- und Versorgungsrecht
dergestalt zu verändern, dass Ansprüche für die Zukunft verkürzt werden oder entfallen
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2003, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG, wobei der Senat den zweifachen
Jahresbetrag der Differenz zwischen dem ab Zurruhesetzung (Ende September 2002)
begehrten (fiktiven) Ruhegehalt, unter Anrechnung einer Rente von 1.093,60 EUR ab
dem 1. September 2002 nach § 55 BeamtVG (mithin 2.137,39 EUR), und dem dem
Kläger ab diesem Zeitpunkt tatsächlich gewährten Ruhegehalt (1.048,03 EUR) zu Grunde
gelegt hat. Eine weitere Anrechnung nach § 14 Abs. 5 BeamtVG kam nicht in Betracht,
da dessen tatbestandliche Voraussetzungen (Mindestversorgung) auf der Grundlage des
vom Kläger begehrten (fiktiven) Ruhegehaltes (in Höhe von 2.907,08 EUR bei einem
Ruhegehaltssatz von 67,50) nicht erfüllt sind.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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