Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

OVG Berlin-Brandenburg: anhörung, öffentliches recht, verwaltungsakt, künftige nutzung, karte, malus, flugverkehr, bekanntgabe, mangel, beschränkung

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 2 B 10.08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 2 Abs 2 GG, Art 14 GG, Art
19 Abs 4 GG, Art 28 Abs 2 GG,
Art 87a Abs 1 S 1 GG
(Luft-Boden-Schießplatz Wittstock)
Leitsatz
1. Bei der "Verwaltungsentscheidung" des Bundesministeriums der Verteidigung, der zufolge
ein Truppenübungsplatz gemäß einem bestimmten Betriebskonzept als Luft-Boden-
Schießplatz genutzt wird, handelt es sich um einen der Anfechtung durch private Dritte
unterliegenden Verwaltungsakt.
2. Vor Erlass der planerischen Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung über
ein raum- und umweltrelevantes Großvorhaben wie die Nutzung eines Truppenübungsplatzes
als Luft-Boden-Schießplatz bedarf es der Durchführung eines Verfahrens, das durch eine
rechtzeitige und sachangemessene Beteiligung der von dem Vorhaben Betroffenen sowie der
in ihren Aufgabenbereichen berührten Träger öffentlicher Belange die vollständige und
zutreffende Ermittlung der abwägungserheblichen Belange sicherstellt und seinen Abschluss
in einer Gesamtabwägung findet, die dem Grundsatz der Problembewältigung Rechnung
trägt. .
3. Dem sich unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Gebot, alle von der
Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander
gerecht abzuwägen, korrespondiert ein Abwägungsanspruch der betroffenen Privaten und
Gemeinden, der sich jedenfalls dann auch auf die Durchführung einer planerischen
Gesamtabwägung erstreckt, wenn eine solche Gesamtabwägung bislang vollständig
unterblieben ist.
4. Im Rahmen der planerischen Entscheidung über die Zulassung der Nutzung eines Luft-
Boden-Schießplatzes bedarf es im Hinblick auf die Besonderheiten des militärischen
Tieffluglärms regelmäßig einer besonderen lärmmedizinischen Begut-achtung.
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Verwaltungsentscheidung der Beklagten, mit der
die Nutzung eines ehemals von den sowjetischen Streitkräften als Schieß- und
Bombenabwurfplatz genutzten Geländes als Truppenübungs- und Luft-Boden-
Schießplatz für die Bundeswehr zugelassen wird.
Die Klägerin bewirtschaftet seit 1991 im Landkreis Ostprignitz-Ruppin einen Betrieb zur
Zucht und Brüterei von Puten. Zu dem Betrieb gehören 20 Farmen und 92 Hallen mit
einer Produktionsfläche von etwa 185.500 m², verteilt auf mehrere Betriebsstandorte im
Süden, Westen und Osten des Truppenübungsplatzes. Einzelne Betriebsteile waren
bereits in der ehemaligen DDR als Putenvermehrungsanlage genutzt worden. Das
umstrittene Gelände umfasst eine Gesamtfläche von knapp 12.000 ha. Der nördliche
Teil wurde seit Ende der 40er-Jahre von der Westgruppe der sowjetischen Truppen - WGT
- als Ausbildungszentrum mit Schießplatz für Panzer, Artillerie und Infanterie genutzt.
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- als Ausbildungszentrum mit Schießplatz für Panzer, Artillerie und Infanterie genutzt.
Seit den 60er-Jahren fanden im südlichen Bereich Luftwaffenübungen statt. Bei den
täglich bis zu 450 Einsätzen wurden u.a. scharfe Bomben abgeworfen. Im Juni 1992
wurde seitens der Beklagten erstmals die Absicht geäußert, das Gelände als
Truppenübungsplatz für Artillerie und Luft-Boden-Schießübungen zu nutzen. Im Januar
1993 stimmte der Deutsche Bundestag einem Truppenübungsplatzkonzept zu, in dem
der „Truppenübungsplatz Wittstock“ als einer der 12 Truppenübungsplätze in den neuen
Bundesländern genannt wurde. In der Zeit von Mai bis August 1993 wurde das Areal von
den sowjetischen Streitkräften an die Beklagte übergeben. Ende Dezember 1993 teilte
der Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung dem Chef der Staatskanzlei
des Landes Brandenburg mit, dass ab Januar 1994 Einsätze der Luftwaffe geplant seien.
Aufgrund von Klagen zweier in der Nachbarschaft des Truppenübungsplatzes gelegener
Gemeinden stellte das Verwaltungsgericht Potsdam mit Urteilen vom 29. August 1996
fest, „dass für die militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock durch die
Beklagte zu militärischen Zwecken ein förmliches Planungsverfahren nach § 1 Abs. 2, 3
des Landbeschaffungsgesetzes erforderlich ist". Mit Urteilen vom 24. März 1999 änderte
das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) die erstinstanzlichen Urteile und verurteilte
die Beklagte, „eine Nutzung des Geländes des früheren Truppenübungsplatzes Wittstock
auf dem Gemeindegebiet der Klägerin als Truppenübungsplatz oder Luft-Boden-
Schießplatz, einschließlich einer dieser Nutzung dienenden Durchführung von Tiefflügen,
zu unterlassen". Die Revision der Beklagten wies das Bundesverwaltungsgericht jeweils
mit Urteil vom 14. Dezember 2000 zurück. Zur Begründung führte das
Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass zwar mit Art. 21 und 19 des
Einigungsvertrages (EV) eine gesetzliche Grundlage für die Inanspruchnahme des
Gebietes der jeweiligen Klägerin durch den Truppenübungs- und Luft-Boden-Schießplatz
Wittstock dem Grunde nach vorhanden sei. Trotz dieser rechtlichen Ausgangslage sei die
Bundeswehr jedoch derzeit daran gehindert, die militärische Nutzung des Geländes ohne
weiteres fortzusetzen. Die Beklagte habe hierüber „eine dem materiellen Recht
entsprechende Entscheidung nach Anhörung der in ihrer Planungshoheit betroffenen
Klägerin zu treffen“. Der Bund sei, auch soweit er in Ausübung von Aufgaben der
Landesverteidigung auf Positionen Dritter treffe, an das materielle Recht gebunden.
Hierzu gehöre insbesondere das Immissionsschutzrecht. Aus den eigenen Angaben der
Beklagten erhelle, dass sie sich nicht allein von dem Gedanken der Nutzungskontinuität
habe leiten lassen, der den Art. 21 und 19 EV zugrunde liege. Sie habe vielmehr
unabhängig von diesen Regelungen über die militärische Weiternutzung des Geländes
eine Entscheidung getroffen, die planerische Elemente einschließe. Bei dieser
Entscheidung habe sie die Belange der klagenden Gemeinde, insbesondere deren
Betroffenheit in Bezug auf die vorhandene Ortslage und die Möglichkeiten weiterer
städtebaulicher Entwicklung, nicht in der gebotenen Weise ermittelt und die klagende
Gemeinde überdies nicht in der gebotenen Weise angehört. Solange diesen
Anforderungen nicht genügt sei, könne die klagende Gemeinde die Beschränkung ihrer
Planungshoheit abwehren.
In der Folgezeit führte das Land Brandenburg im Wege der Amtshilfe für das
Bundesministerium der Verteidigung eine Anhörung durch. In das Beteiligungsverfahren
wurden verschiedene in den damaligen Ämtern Wittstock/Land, Rheinsberg und Temnitz
gelegene Gemeinden sowie die Städte Neuruppin und Wittstock einbezogen. Ferner
wurden der Landkreis Ostprignitz-Ruppin und die Regionale Planungsgemeinschaft
Prignitz-Oberhavel beteiligt. Unter dem 9. Juli 2003 erließ das Bundesministerium der
Verteidigung die – hier streitgegenständliche - „Verwaltungsentscheidung ... zur
künftigen militärischen Nutzung des Truppenübungsplatzes und Luft-Boden-
Schießplatzes Wittstock“. Nach dem Tenor dieser Entscheidung wird der
Truppenübungsplatz „gemäß dem auf der Grundlage der Anhörung modifizierten
Betriebskonzept (…) weiterhin als Luft-Boden-Schießplatz für ca. 1700 Einsätze pro Jahr“
sowie als „Standortübungsplatz für die Ausbildung von Bodentruppen“ und für eine
„Standortschießanlage mit vier Schießständen für Handfeuerwaffen“ genutzt. Als Anlage
ist der Verwaltungsentscheidung ein „Betriebskonzept“ beigefügt. Danach sind derzeit
„maximal 1700 Einsätze mit durchschnittlich 5 Zielanflügen pro Jahr“ geplant. Hiervon
werden pro Jahr ca. 240 Einsätze in der Nacht durchgeführt, wobei in diesen Fällen
grundsätzlich nur ein Zielanflug pro Einsatz erfolgt. In der Regel werden die
Luftfahrzeuge der Typen Tornado, Eurofighter, A-10, Mirage und F-16 das Gelände in
„Vierer-Formation“, am Tage überwiegend „in engem Verbandsflug“ anfliegen. Die An-
und Abflüge werden am Tage gemäß den in Deutschland geltenden
Tiefflugbestimmungen in der Regel in und oberhalb einer Flughöhe von 1.000 Fuß (ca.
300 m) über Grund durchgeführt. In bestimmten Fällen können sie im Rahmen eines
vom Bundesminister der Verteidigung genehmigten Tiefflugkontingentes auch in 500
Fuß (ca. 150 m) über Grund durchgeführt werden. Die Flugzeugbesatzungen sind
gehalten, die Flüge auf wechselnden Strecken zu planen, um Belastungskonzentrationen
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gehalten, die Flüge auf wechselnden Strecken zu planen, um Belastungskonzentrationen
zu vermeiden. Zusätzlich sind alle für Flughöhen unterhalb 1.500 Fuß (ca. 450 m) über
Grund festgelegten Überflugverbote von Ortschaften, die einzeln aufgezählt werden,
einzuhalten. Die An- und Abflüge sind außerhalb der Platzgrenzen in Richtung auf die
"festgelegten Einflugpunkte/-bereiche" bzw. nach Verlassen der "entsprechenden
Ausflugpunkte/-bereiche" frei wählbar. Die Anflüge bei Nacht erfolgen innerhalb des in
Deutschland eingerichteten Nachttiefflugsystems, der Einflug erfolgt stets über den in
der Karte zur fliegerischen Nutzung mit einem grünen Rechteck gekennzeichneten
Einflugpunkt. Die Einflüge am Tage erfolgen abhängig von der Einsatzart. Im so
genannten Standardverfahren erfolgt der Einflug grundsätzlich über einen Einflugpunkt
im Norden des Platzes, der in der Karte zur fliegerischen Nutzung durch ein schwarzes
Rechteck gekennzeichnet ist. Im Rahmen der so genannten taktischen Einsatzverfahren
kann der Einflug über jeden der vier in der Karte zur fliegerischen Nutzung violett oder
orange gekennzeichneten Bereiche durchgeführt werden, von denen ein violett
gekennzeichneter Bereich im Norden des Platzes liegt. Bei den Standardverfahren
werden auf dem Truppenübungsplatz mittels festgelegter „Platzrunden“ mehrere
Zielendanflüge auf zwei Bombenabwurfziele und einen Bordkanonenzielbereich
durchgeführt, wobei für bestimmte Flugverfahren (Zielanflug mittels Bordradar und sog.
Loft-Verfahren) aus technischen Gründen eine Verlagerung der Platzrunde außerhalb der
(westlichen) Platzgrenze vorgesehen ist. Der Ausflug erfolgt bei den Standardverfahren
und während des Nachtflugs über den in der Karte zur fliegerischen Nutzung als
schwarzer Kreis gekennzeichneten Ausflugpunkt im Süden des Platzes. Bei den
taktischen Einsatzverfahren kann der Ausflug über jeden der in der Karte zur
fliegerischen Nutzung violett oder orange gekennzeichneten Bereiche durchgeführt
werden. Als Betriebszeiten werden für den Tagflug Montag bis Donnerstag von 09.00 Uhr
bis 11.30 Uhr und von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr sowie Freitag von 09.00 Uhr bis 12.00
Uhr, für den Nachtflug Montag bis Donnerstag von 30 Minuten nach Sonnenuntergang
bis spätestens 23.30 Uhr festgelegt. An Wochenenden und Feiertagen, von Weihnachten
bis einschließlich Neujahr, während der Sommerferien des Landes Brandenburg sowie
am letzten Freitag im Monat findet kein Flugbetrieb statt. Darüber hinaus enthält das
Betriebskonzept Einzelheiten zur sonstigen Nutzung des Truppenübungsplatzes,
insbesondere hinsichtlich der Ausbildung von Bodentruppen und des Baus einer
Standortschießanlage im Norden des Luft-Boden-Schießplatzes.
In den Gründen der Verwaltungsentscheidung wird im Einzelnen ausgeführt, dass die
weitere militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock erforderlich und auch
unter Berücksichtigung der Planungshoheit der betroffenen Gemeinden verhältnismäßig
sei und zudem im Einklang mit sonstigem materiellem Recht stehe. Im Hinblick auf die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts seien die Gemeinden beteiligt worden,
deren Gemarkungsgrenzen Flächen des Truppenübungsplatzes einschlössen oder die
durch die zu erwartende Fluglärmbelastung in rechtlich relevanter Weise in ihrer
Planungshoheit hätten beeinträchtigt sein können. Im Rahmen der Abwägung hätten nur
solche Belange Berücksichtigung finden können, die rechtlich der Planungshoheit der
Gemeinden zuzuordnen seien. Ungeachtet dessen seien keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass durch die spezielle Art der beabsichtigten militärischen Nutzung auf
dem Truppenübungsplatz Wittstock Gefahren einer Schädigung von Natur und Umwelt
begründet würden, die solchen Schutzgütern den Vorrang vor den durch die
beabsichtigte militärische Nutzung verfolgten Belangen der Verteidigung gäben. Weiter
bestehe kein Anlass zur Annahme einer Negativbeeinflussung der wirtschaftlichen
Entwicklung in der Region. Aufgrund der ermittelten Lärmwerte sei auch nicht von
zukünftigen Gesundheitsbeeinträchtigungen der Bevölkerung auszugehen. Die Nutzung
durch die Bundeswehr gemäß dem Betriebskonzept stelle eine wesentliche Verringerung
im Vergleich zu der ehemaligen Nutzung des Platzes durch die sowjetischen Streitkräfte
dar. Um die verbleibenden Auswirkungen für die Menschen und die Umwelt noch weiter
zu verringern, seien bei der Art und dem Umfang der verbleibenden militärischen
Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock im Hinblick auf die gemeindlichen Belange
verschiedene Maßnahmen zur Belastungsreduzierung ergriffen worden.
Gegen die ihr nicht amtlich bekannt gegebene Verwaltungsentscheidung hat die Klägerin
am 27. August 2003 Klage erhoben. Nachdem der Senat mit Beschluss vom 20.
September 2005 - OVG 2 S 99.05 - die aufschiebende Wirkung der Klage mit der
Begründung bestätigt hatte, dass die (auch) gegenüber der Klägerin als Verwaltungsakt
zu qualifizierende Verwaltungsentscheidung die Klägerin in ihrem Recht auf fehlerfreie
Abwägung verletze, hat die Beklagte im Dezember 2005 ein vom 16. Dezember 2005
datierendes Schriftstück mit dem Titel „Nachträgliche Abwägung der Belange der K.
GmbH im Verfahren der Verwaltungsentscheidung des Bundesministeriums der
Verteidigung vom 9. Juli 2003“ vorgelegt. Danach hat die Beklagte zur Aufklärung des
abwägungserheblichen Sachverhalts verschiedene von ihr in Auftrag gegebene
Gutachten der E. herangezogen. In der „Abwägung“ wird ausgeführt, dass es zwar an
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Gutachten der E. herangezogen. In der „Abwägung“ wird ausgeführt, dass es zwar an
den Betriebsteilen der Klägerin zu Spitzenpegeln von über 100 dB(A) komme, die jedoch
nur am Betreibsteil B 1 täglich aufträten. Auch die damit verbundene Lärmbelastung sei
indes zumutbar, da die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle – bis auf den
Betriebsteil B 1 – deutlich unterschritten würde und eine erhebliche plangegebene und
tatsächliche Vorbelastung der Betriebsstätten der Klägerin zu berücksichtigen sei. Die
Klägerin habe die einzelnen Betriebsteile erst in den Jahren 1998 bis 2001 und damit zu
einem Zeitpunkt eingerichtet, als der bestandsgeschützte Luft-Boden-Schießplatz
Wittstock bereits militärisch durch die Bundeswehr genutzt worden sei. Die von der
Klägerin nunmehr befürchteten Lärm- und Sichtbelastungen für die aufzubauende Zucht
von Puten seien erkennbar gewesen. Zudem könne eine Beeinträchtigung der Tiere
durch den militärischen Flugverkehr selbst am lärmbelasteten Betriebsteil B 1 nicht
festgestellt werden. Es bestehe ein dringendes öffentliches Interesse, den
Truppenübungsplatz Wittstock in der im Betriebskonzept dargestellten Art und Weise für
militärische Zwecke zu nutzen. Der Truppenübungsplatz sei der für die Belange der
Luftwaffe am besten geeignete Übungsplatz in Deutschland, da nur hier das notwendige
Ausbildungsspektrum vollständig und kontinuierlich abgedeckt werden könne.
Insbesondere aufgrund seiner Größe biete dieser Platz einmalige
Ausbildungsmöglichkeiten zur Durchführung realitätsnaher Einsätze, auch im Verbund
mit bodengebundenen Kräften. Hinzu komme, dass durch die Nutzung des
Truppenübungsplatzes Wittstock eine ausgewogenere Verteilung der Belastung auf alle
drei Luft-Boden-Schießplätze erfolge. Während der am 1. Januar 2006 beginnenden 6-
monatigen Bereitschaftszeit für den deutschen Anteil der NATO RESPONSE FORCE
unterlägen die „Module der fliegenden Einsatzkräfte“ überdies höchsten Bereitschafts-
und Verfügbarkeitsanforderungen. Eine Verlegung zur Durchführung von
Übungsvorhaben in das Ausland sei während dieser Zeit nicht möglich. Zur Abdeckung
des gesamten Einsatzspektrums sei die Nutzung des Übungsplatzes Wittstock ab 1.
Januar 2006 zwingende militärische Notwendigkeit.
Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2007 hat die Beklagte u.a. ein von der A. erstelltes
„Schalltechnisches Teilgutachten über die durch die geplante Nutzung des Luft-Boden-
Schießplatzes Wittstock in der Gemeinde Lärz, am Seehotel I. und an den Stallanlagen
der M. zu erwartende Fluglärmbelastung“, eine Studie „Gesundheitliche Wirkungen des
Tieffluglärms“ von Ising u.a. von August 1991, eine Veröffentlichung des
Umweltbundesamtes „Qualitätsziele zur Vermeidung von Beeinträchtigungen und
Belästigungen von Fluglärm“, Stand 14. August 2001 (Online-Fassung), sowie einen im
September 1985 im Auftrag des Bundesministeriums der Verteidigung erstellten
„Forschungsbericht aus der Wehrmedizin“ von Stephan u.a. zu den „Einflüssen von
strahlgetriebenen Luftfahrzeugen auf Leistung und Verhalten von Wirbeltieren“
vorgelegt. Nach dem genannten Lärmgutachten erreicht der energieäquivalente
Dauerschallpegel an keinem der Nachweisorte den Pegelwert von 60 dB(A). An
bestimmten Nachweisorten könnten Maximalpegel von bis zu 106 dB(A) auftreten, wobei
die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse im Bereich von weniger als einem Ereignis in
100 Tagen liege. Die rechnerisch ermittelte Pegelanstiegsgeschwindigkeit liege bei
maximal 13 dB/s. In dem Schriftsatz vom 25. Juni 2007 wird unter der Überschrift
„Ergänzende Abwägung“ ausgeführt, dass sich die mit der nunmehr ermittelten
Fluglärmbelastung auf den „Grundstücken der Kläger“ verbundene Beeinträchtigung
ihrer jeweiligen Belange im Hinblick auf die dringenden öffentlichen Interessen an einer
Fortnutzung des Luft-Boden-Schießplatzes Wittstock als planungsrechtlich zumutbar
erweise, und zwar auch ohne Berücksichtigung einer etwaigen Vorbelastung. Die
Spitzenschallpegelbelastung sei nach dem Stand der Lärmwirkungsforschung zumutbar,
wenn die Spitzenschallpegel unterhalb einer Grenze von 115 dB(A) und einer
Pegelanstiegsgeschwindigkeit von weniger als 60 dB/s lägen bzw. vor allem im Hinblick
auf extraaurale Gefährdungen die Häufigkeit von 19 Pegeln oberhalb von 99 dB(A) pro
Tag nicht überschritten. Die Betrachtung der Lärmwerte „an den Orten der Kläger“
zeige, dass die Fluglärmbelastung in allen Fällen die Zumutbarkeitsschwellen weder
hinsichtlich des Dauerschallpegels noch des Spitzenschallpegels oder der dabei zu
berücksichtigenden Pegelanstiegsgeschwindigkeit erreichten. Tatsächlich lägen die
Dauerschallpegel in vielen Fällen sogar noch unterhalb der abwägungserheblichen
Beachtlichkeitsschwelle von 52 dB(A) Leq(3). Die Spitzenpegel lägen nicht nur in allen
Fällen weit unterhalb der Grenze von 115 dB(A), sondern mit wenigen Ausnahmen auch
unterhalb eines Spitzenschallpegels von 105 dB(A), der in diesen Fällen überdies nur
unwesentlich überschritten werde. Die geringfügige Überschreitung eines
Spitzenschallpegels von 105 dB(A) erweise sich jedoch selbst dann als zumutbar, wenn
man solche Pegel bei Mehrfachüberflügen bzw. Überflügen mit hoher
Pegelanstiegsgeschwindigkeit in dichter Folge für unzumutbar hielte. Denn solche Flüge
seien nach dem Betriebskonzept ausgeschlossen. Tatsächlich werde der Platz zwar zum
Teil im Formationsflug angeflogen, diese Formationen lösten sich jedoch
nutzungsbedingt in einer Entfernung von etwa 15 km vor dem Platz auf, um dann in allen
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nutzungsbedingt in einer Entfernung von etwa 15 km vor dem Platz auf, um dann in allen
Fällen zum Zweck der Durchführung der jeweiligen Übungen einzeln in den Platz
einzufliegen und nach Durchführung der Übungen ihn auch wieder einzeln zu verlassen.
Überdies handele es sich bei den Formationen nicht um enge Formationen, bei denen
die Flugzeuge nebeneinander flögen, sondern um so genannte taktische Formationen,
bei denen die Flugzeuge einer Formation im Formationsflug einen Abstand von etwa 2
bis 3 km einhielten. Die einzelnen Fluglärmereignisse erfolgten hierbei zeitlich in einem
Abstand von etwa 20 Sekunden. Die Spitzenpegel erwiesen sich auch unter
Berücksichtigung der Pegelanstiegsgeschwindigkeit als zumutbar, da diese nach dem
Gutachten der A. in allen Fällen bei höchstens 13 bis 14 dB/s und damit weit unter einer
gesundheitsgefährdenden Grenze von 60 dB/s lägen. Schließlich träten
Spitzenschallpegel von über 100 dB(A) nach dem Gutachten der A. statistisch weniger
als einmal in 100 Tagen auf. Die Lärmbelastung erweise sich auch im Hinblick auf die
gewerbliche Nutzung der Klägerin in jeder Hinsicht als zumutbar, da negative
Auswirkungen auf die Putentiere der Klägerin nach der Studie von Stephan u.a. vom
September 1985 nicht zu erwarten seien.
Durch Urteil vom 31. Juli 2007 hat das Verwaltungsgericht Potsdam die angefochtene
Verwaltungsentscheidung aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt: Prüfungsgegenstand sei die Verwaltungsentscheidung in ihrer
ursprünglichen Form. Die im gerichtlichen Verfahren übersandte nachträgliche
Abwägung vom 16. Dezember 2005 habe gegenüber der Klägerin nicht wirksam
Bestandteil der Verwaltungsentscheidung werden können, da diese selbst der Klägerin
gegenüber nicht durch Bekanntgabe nach § 43 Abs. 1 VwVfG wirksam geworden sei. Die
nachträgliche Abwägung entfalte - anders als die ursprüngliche
Verwaltungsentscheidung - auch objektiv keine Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin
als Drittbetroffener. Ebenso wenig hätten die im Schriftsatz der Beklagten vom 25. Juni
2007 nachgeschobenen Erwägungen den Inhalt der Verwaltungsentscheidung verändert.
Es handele sich um bloßen Parteivortrag, da die Ausführungen mit Beweisantritten
unterlegt seien, was mit dem Charakter einer planerischen Entscheidung nicht vereinbar
sei. Im Übrigen erfülle auch diese ergänzende Abwägung nicht die dargestellten
formellen Anforderungen an eine Einbeziehung in die Verwaltungsentscheidung.
Die Verwaltungsentscheidung zur Nutzung des Truppenübungsplatzes unterliege den
Anforderungen des Abwägungsgebots. Aus der Pflicht zur unbeschränkten
Berücksichtigung materiellen Rechts folge auch die Notwendigkeit, die An- und Abflüge
militärischer Maschinen unter Beachtung privater Belange zu regeln. Die Belange der
Klägerin seien abwägungserheblich. Ihre nachvollziehbaren Lärmschutzinteressen seien
in der Verwaltungsentscheidung fehlerhaft nicht berücksichtigt worden, obwohl nach den
vorliegenden Unterlagen für die sechs an unterschiedlichen Orten in der Nachbarschaft
des Truppenübungsplatzes gelegenen Teile des klägerischen Betriebs davon
auszugehen sei, dass durch die geplanten An- und Abflüge und die Radarplatzrunde eine
erhebliche Lärmbelastung entstehen werde. Der bei einem äquivalenten
Dauerschallpegel von 52 dB(A) anzusetzende Schwellenwert für die
Abwägungserheblichkeit werde nach dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen
Gutachten der E. vom 24. Februar 2003 an allen Betriebsteilen, nach dem Gutachten der
A. vom 24. Juni 2007 jedenfalls an den Betriebsteilen 1, 2 und 5 erreicht.
Selbst wenn die ergänzenden Abwägungen vom 16. Dezember 2005 und 25. Juni 2007
formal als Bestandteil der Verwaltungsentscheidung zu berücksichtigen wären, genügten
sie nicht den an eine Ergänzung der Verwaltungsentscheidung zu stellenden materiellen
Anforderungen. Die ergänzenden Ausführungen erfüllten nicht die Voraussetzungen des
§ 114 Satz 2 VwGO, da sie die bisherige Planung insgesamt in Frage stellten. Wegen der
geänderten Berechnungsgrundlagen des A.-Gutachtens sei davon auszugehen, dass die
Lärmentwicklung für die gesamte Umgebung des Truppenübungsplatzes anders
ausfallen werde als die Beklagte bei dem Erlass der Verwaltungsentscheidung
angenommen habe. Darüber hinaus habe die Beklagte die tragenden Gründe der
Abwägung nicht nur ergänzt, sondern unzulässigerweise ausgetauscht. In der
nachträglichen Abwägung vom 16. Dezember 2005 habe sie fehlerhaft nur isoliert die
Belange der Klägerin gegen die für das Vorhaben sprechenden Umstände abgewogen.
Insoweit sei eine gesamtplanerische Entscheidung nicht mehr erkennbar. Auf diesen
Mangel könne sich die Klägerin auch berufen. Die nachträgliche Abwägung erweise sich
zudem als fehlerhaft, weil die Zumutbarkeitsschwelle von 65 dB(A) Leq (3) für den
äquivalenten Dauerschallpegel überschritten werde und die Beklagte ohne nähere
Ermittlungen von einer schutzmindernden Vorbelastung ausgegangen sei. Die Annahme
der Beklagten, dass die Lärmbelastung keine Auswirkungen auf die Putenzucht habe, sei
nicht hinreichend belegt. Die Ergebnisse der von ihr herangezogenen Untersuchungen
seien auf die von der Klägerin betriebene Massentierhaltung nicht übertragbar. Dass es
aufgrund des Fluchtverhaltens einzelner Tiere in großen Tiergruppen zu Panikreaktionen
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aufgrund des Fluchtverhaltens einzelner Tiere in großen Tiergruppen zu Panikreaktionen
in der gesamten Gruppe und in deren Folge zu Verletzungen oder zum Verenden einer
größeren Anzahl von Tieren komme, erscheine zumindest möglich. Zudem seien auch
geringere Auswirkungen wie beispielsweise die Legeleistung abwägungserheblich. Die
festgestellten Mängel seien auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, da
die Beklagte bei einer fehlerfreien Ermittlung und Bewertung der Belange der Klägerin
die konkrete Möglichkeit einer anderen Planung in Betracht gezogen hätte. Die Klägerin
habe einen Anspruch auf Aufhebung der Verwaltungsentscheidung und könne nicht im
Hinblick auf die festgestellten Abwägungsfehler auf einen Anspruch auf bloße
Planergänzung verwiesen werden, da hierdurch die Ausgewogenheit der Planung
insgesamt in Frage gestellt würde.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 26. Mai 2008 - OVG 2 N
164.07 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, weil die
Rechtssache wegen des Fehlens unmittelbar einschlägiger gesetzlicher Vorgaben
jedenfalls besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweise.
Im Berufungsverfahren macht die Beklagte im Wesentlichen geltend: Die Klage sei
mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Das vom Bundesverwaltungsgericht in der
Entscheidung vom 14. Dezember 2000 entwickelte Abwägungsgebot beschränke sich
bewusst auf die betroffenen Gemeinden. Zudem sei die Einbeziehung privater Dritter in
den Entscheidungsprozess und die individuelle Abwägung ihrer Belange nicht geboten.
Die Beklagte könne die Auswirkungen von Fluglärm auf private Dritte selbst beurteilen
und für die Einhaltung der einschlägigen materiell-rechtlichen Anforderungen Sorge
tragen. Bei gesundheitsgefährdendem Lärm könnten Anwohner
Unterlassungsansprüche geltend machen. Verfahrensrechte der Klägerin seien nicht
verletzt, da an die Änderung der Nutzung des Truppenübungsplatzes bei richtigem
Verständnis der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000
keine strengeren Anforderungen als nach dem militärischen Landsbeschaffungsrecht
gestellt werden könnten. Die Beklagte habe daher ein Verfahren sui generis in
Anlehnung an § 1 Abs. 3 LBG durchgeführt. Für die Heranziehung verfahrensrechtlicher
Vorgaben aus dem Planfeststellungsrecht bestehe keine Grundlage.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei für die gerichtliche
Abwägungskontrolle die Verwaltungsentscheidung in Gestalt der nachträglichen bzw.
ergänzenden Abwägungen vom 16. Dezember 2005 und 25. Juni 2007 maßgeblich.
Insbesondere könne sich die Klägerin nicht mehr darauf berufen, dass der
Verwaltungsakt mangels Bekanntgabe ihr gegenüber nicht wirksam geworden sei. Durch
die nachträgliche Abwägung werde die bisherige Planung nicht in Frage gestellt, sondern
vielmehr bestätigt, da es nach den Berechnungen des Gutachtens der A. zu einer
insgesamt geringeren Lärmbelastung in der Umgebung des Truppenübungsplatzes
komme. Mit der Auffassung, dass ein Anspruch auf eine planerische Gesamtabwägung
bestehe und die Beklagte die klägerischen Belange unzulässigerweise isoliert
abgewogen habe, setze sich das Verwaltungsgericht in Widerspruch zur Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats, wonach dem
planbetroffenen Bürger lediglich ein subjektives öffentliches Recht auf gerechte
Abwägung seiner eigenen Belange zustehe. Die Beklagte habe die Belange der Klägerin,
insbesondere die Lärmschutzbelange zutreffend ermittelt und sei fehlerfrei zu dem
Ergebnis gelangt, dass die durch den militärischen Flugbetrieb entstehende
Lärmbelastung auf den Grundstücken der Klägerin zumutbar sei. Entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts sei allein der Dauerschallpegel, in dessen
Ermittlung auch die Einzelereignisse mit ihren Spitzenpegeln einflössen, geeignet, ein
Gesamtbild der Lärmbelastung wiederzugeben. Gleichwohl seien auch die Maximalpegel,
Pegelanstiegsgeschwindigkeiten und Pegelhäufigkeiten betrachtet worden. Das von der
Beklagten eingeholte Gutachten der A. beruhe auf einem realistischen
Flugbetriebsszenario und sei auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Der Gutachter
habe die Berechnungen der Lärmbelastungen zulässigerweise nach der neuen Anleitung
zur Berechnung von Lärmschutzbereichen (AzB) vorgenommen, die zwischenzeitlich mit
der 1. Fluglärmschutzverordnung vom 27. Dezember 2008 in Kraft gesetzt worden sei.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe die Beklagte auch die
Auswirkungen auf den Putenbestand der Klägerin hinreichend untersucht. Das Entstehen
von Panikattacken sei wissenschaftlich nicht belegt. Bei Zweifeln an der Vergleichbarkeit
der Situation, die dem von der Beklagten herangezogenen Forschungsbericht zugrunde
gelegen habe, mit derjenigen auf den Grundstücken der Klägerin hätte das
Verwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Im Fall eines
Abwägungsdefizits hinsichtlich einzelner Lärmschutzbelange seien die Grundsätze der
Planergänzung anzuwenden. Diese gälten für das Fachplanungsrecht unabhängig von
einer gesetzlichen Normierung allgemein. Die Ausgewogenheit der Planung wäre nicht
berührt, wenn zur Lärmreduzierung z.B. zusätzliche Überflugbeschränkungen
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berührt, wenn zur Lärmreduzierung z.B. zusätzliche Überflugbeschränkungen
vorgesehen würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 31. Juli 2007 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts. Unter Bezugnahme auf
eine von ihr eingereichte gutachterliche Stellungnahme des geschäftsführenden
Direktors der Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim, Prof. Dr. W.,
macht sie u.a. geltend, dass bei der Gewichtung ihrer privaten Belange im Rahmen der
Abwägung die für ihren Betrieb möglicherweise existenzbedrohenden und nicht durch
einen Entschädigungsanspruch kompensierten Auswirkungen der Tiefflüge auf die Puten-
Elterntiere besonders zu berücksichtigen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und der vorangegangenen Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes (OVG 2 S 99.05 und OVG 2 S 19.06) sowie auf die zu diesen
Verfahren geführten Beiakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die
Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 zu Recht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufgehoben, weil die angefochtene
Verwaltungsentscheidung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
I. Die Anfechtungsklage gegen die Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 ist
zulässig.
Zwar ist die Verwaltungsentscheidung der Klägerin nicht bekanntgegeben worden, doch
ist dieser Mangel spätestens dadurch geheilt worden, dass die Klägerin gegen die ihr
bekannt gewordene Verwaltungsentscheidung die vorliegende Klage erhoben hat, mit
der sie nicht die Bekanntgabe des Verwaltungsakts an sich selbst verlangt, sondern sich
in der Sache gegen die Verwaltungsentscheidung wendet. In einem solchen Fall, der bei
Verwaltungsakten mit Doppelwirkung, zu denen – wie noch auszuführen sein wird – die
vorliegende Verwaltungsentscheidung gehört, typischerweise vorliegt, können sich weder
Klägerin noch Beklagte im Rahmen der Anfechtungsklage darauf berufen, dass der
Verwaltungsakt mangels Bekanntgabe noch nicht wirksam geworden sei.
Es fehlt der Klägerin nicht an der nötigen Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO), da eine
solche erst zu verneinen ist, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner
Betrachtungsweise subjektive Rechte der Klägerin verletzt sein können (vgl. zu diesem
Maßstab etwa BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 -, BVerwGE 111,
276, 279 f., m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung
davon aus, dass der von einer Planung Betroffene ein Recht darauf hat, dass seine
beachtlichen Belange in der Abwägung fehlerfrei behandelt werden und die
fachplanungsrechtlichen Abwägungsvorschriften insoweit drittschützende Wirkung haben
(BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2005 - 4 VR 2000/05 -, NVwZ 2005, 940, 942). Im Fall
der Klägerin erscheint auf der Grundlage ihres Vorbringens eine Verletzung
abwägungserheblicher Belange insbesondere im Hinblick auf den Lärmschutz zumindest
als möglich, weil ihre Betriebsanlagen in unmittelbarer Nähe zum Truppenübungsplatz
und insbesondere zu dessen südlichem Ein- und Ausflugbereich liegen.
1. Soweit die Beklagte geltend macht, der Klägerin stehe ein drittschützendes Recht auf
gerechte Abwägung bereits deshalb nicht zu, weil es an einer gesetzlichen Regelung
fehle und es sich bei der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 nicht um einen der
Anfechtung durch private Dritte unterliegenden Verwaltungsakt handele, vermag der
Senat dieser Auffassung auch nach erneuter Prüfung im Hauptsacheverfahren nicht zu
folgen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse des Senats vom 20. September 2005 - OVG 2 S
99.05 - und vom 21. September 2005 - OVG 2 S 100.05 -, LKV 2006, 317). Denn die
Verwaltungsentscheidung ist ihrem objektiven Erklärungsgehalt nach dazu bestimmt,
alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und den von der
geplanten Nutzung des Truppenübungsplatzes Betroffenen rechtsgestaltend zu regeln
und damit auch im Verhältnis zu den privaten Betroffenen Rechtswirkungen zu entfalten.
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und damit auch im Verhältnis zu den privaten Betroffenen Rechtswirkungen zu entfalten.
Insbesondere soll die Verwaltungsentscheidung als rechtliche Grundlage dafür dienen,
dass die Beklagte Lärm und andere Emissionen in dem geplanten und vorhersehbaren
Umfang erzeugen darf und insoweit keinen Unterlassungsansprüchen Dritter ausgesetzt
ist. Für diese Auslegung spricht schon, dass die gegenteilige Auffassung dem eigenen
wohlverstandenen Interesse der Beklagten widersprechen würde; denn ohne eine
bestandskräftige Entscheidung, mit der auch die aufgeworfenen Immissionsprobleme
abschließend geregelt werden, könnte die Beklagte keine Planungssicherheit für ihr
Vorhaben erreichen.
Für eine Regelungswirkung der Verwaltungsentscheidung auch gegenüber privaten
Betroffenen spricht weiter der Umstand, dass die Verwaltungsentscheidung dazu dient,
die vom Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 14. Dezember 2000 (- 4 C 13.99 -,
BVerwGE 112, 274, 285 f.) für die militärische Weiternutzung des Geländes aufgestellte
Voraussetzung einer „dem materiellen Recht entsprechenden Entscheidung“, die
„planerische Elemente einschließt“, zu erfüllen. Dieses Erfordernis ergibt sich nach den
Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts daraus, dass der Bund, auch soweit er in
Ausübung von Aufgaben der Landesverteidigung auf Positionen Dritter trifft, an das
materielle Recht gebunden ist. Die Annahme, dass auch die Belange privater Dritter im
Rahmen der planerischen Entscheidung zu ermitteln und zu berücksichtigen sind, ist
insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil zu den materiellrechtlichen Anforderungen, die
die Beklagte nach dem Urteil vom 14. Dezember 2000 bei der Entscheidung zu
beachten hat, insbesondere das Immissionsschutzrecht gehört, zu dessen Einhaltung
sie „bei Nichtbeachtung von den dadurch in ihren Rechten verletzten Betroffenen im
Gerichtswege gezwungen werden“ kann (BVerwG, a.a.O.). Geht man davon aus, dass die
Entscheidung über die militärische Weiternutzung des Geländes planerische Elemente
einschließt und jedenfalls immissionsschutzrechtlich geschützte Belange Privater zu
berücksichtigen hat, gibt es keinen nachvollziehbaren Grund für die Annahme, dass sie
gegenüber den privaten Dritten keinen Verwaltungsaktscharakter hat. Denn eine
Ausklammerung der Belange privater Dritter aus der nach dem Urteil vom 14.
Dezember 2000 zu treffenden planerischen Entscheidung würde dem Gebot der
Konfliktbewältigung widersprechen, das seine Wurzel in dem planerischen
Abwägungsgebot hat und besagt, dass die durch die Planungsentscheidung berührten
Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden müssen. Die Planung darf nicht
dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener
letztlich offen bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE
125, 116, 285, Rn. 465, m.w.N.).
Eine Einschränkung dahingehend, dass als „Positionen Dritter“ nur Belange der
Gemeinden zu verstehen wären, ist dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu entnehmen. Zwar werden darin im
Zusammenhang mit dem aus einer gebotenen Anhörung zu gewinnenden
Erkenntnissen nur die betroffenen Gemeinden und die Einstellung der gemeindlichen
Belange in die Fortnutzungsentscheidung genannt. Dies lässt sich jedoch ohne weiteres
damit erklären, dass es sich bei der Klägerin in dem genannten Verfahren um eine
Gemeinde handelte und deshalb kein Anlass bestand, sich mit der Frage zu befassen,
ob auch die Belange privater Dritter zu berücksichtigen sind. Jedenfalls rechtfertigen die
Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts bei dieser Sachlage nicht den Schluss der
Beklagten, dass sich die in Rede stehende Verwaltungsentscheidung nicht auch auf
Belange Dritter erstrecke.
Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung darauf hinweist, dass es für die
Beachtung der einschlägigen materiell-rechtlichen Anforderungen nicht zwingend
notwendig sei, die Belange einzelner privater Dritter auch ausdrücklich und individuell in
der Verwaltungsentscheidung abzuwägen, da bei gesundheitsgefährdendem Lärm
Unterlassungsansprüche gegeben sein könnten, rechtfertigt dies keine andere
Beurteilung. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14.
Dezember 1994 (- 11 C 18.93 -, BVerwGE 97, 203, 211), wonach es für die Durchführung
militärischer Tiefflüge auch aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit keines besonderen
Verwaltungsverfahrens bedürfe, sondern hinreichender Rechtsschutz im Falle der
Betroffenheit von Rechten insbesondere aus den Art. 2 Abs. 2, 14 GG im Wege der
Unterlassungsklage bestehe, können hier nicht herangezogen werden. Bei den in Rede
stehenden An- und Abflügen handelt es sich nicht um allgemeinen Tiefflug, wie ihn das
Bundesverwaltungsgericht beurteilt hat. Vielmehr bilden die Flüge über den
Truppenübungsplatz mit den dazu notwendigen An- und Abflügen einen andersartigen
Sachverhalt, der auch in rechtlicher Hinsicht anders als in dem vom
Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall zu beurteilen ist, weil sich die Beklagte
hier zur Feststellung der mit dem Tiefflug verbundenen militärischen Nutzung durch
Verwaltungsakt entschieden hat. Dass die Betroffenen darauf beschränkt wären, sich
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Verwaltungsakt entschieden hat. Dass die Betroffenen darauf beschränkt wären, sich
gegebenenfalls - wie beim Tiefflug - im Wege der Unterlassungsklage gegen die von dem
Truppenübungsplatz ausgehenden Immissionen zur Wehr zu setzen, nicht jedoch
zugleich die Berücksichtigung ihrer Belange im Rahmen der Entscheidung über die
Fortnutzung des militärischen Geländes beanspruchen können sollen, lässt sich auch
nicht dem in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000
erwähnten Urteil vom 23. Mai 1991 (- 7 C 19.90 - BVerwGE 88, 210) entnehmen, in dem
es - soweit hier von Interesse - lediglich um den Maßstab dafür ging, was ein
Grundstückseigentümer an Schießlärm von einem benachbarten Truppenübungsplatz
hinzunehmen hat. Vielmehr ergeben die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts
im Urteil vom 14. Dezember 2000 zu den zu beachtenden materiellrechtlichen
Anforderungen, insbesondere des Immissionsschutzrechts nur dann einen Sinn, wenn
man davon ausgeht, dass die planerische Entscheidung über die militärische
Weiternutzung des Geländes gerade auch dazu dient, derartigen Konflikten frühzeitig
Rechnung zu tragen.
Für ihre Auffassung, das vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 14. Dezember
2000 entwickelte Abwägungsgebot beschränke sich bewusst auf die betroffenen
Gemeinden und schließe die Berücksichtigung der Belange Privater aus, kann sich die
Beklagte weiter nicht auf das Argument stützen, eine auf die privaten Nachbarn
bezogene Anwendung der §§ 72 ff. VwVfG über das Planfeststellungsverfahren habe
ausscheiden müssen, da es an der von § 72 Abs. 1 VwVfG verlangten Anordnung durch
fachplanungsrechtliche oder sonstige Rechtsvorschriften oder jedenfalls deren Ersatz
durch einen Akt höchstrichterlicher Rechtsfortbildung fehle. Dies überzeugt schon
deshalb nicht, weil die Beachtung des Abwägungsgebots unter Berücksichtigung privater
Belange zwar konstituierend für das Planfeststellungsverfahren ist, aber umgekehrt nicht
notwendig von der Anwendbarkeit der Vorschriften über das Planfeststellungsverfahrens
abhängt. Fachplanung ist nicht auf Planfeststellungsverfahren beschränkt. Entgegen der
Auffassung der Beklagten sprechen auch die vom Bundesverwaltungsgericht für eine
Einbeziehung der Gemeinden in den Entscheidungsprozess angeführten Erwägungen
nicht dagegen, auch die Belange betroffener Privater in die Abwägung einzustellen. Das
Bundesverwaltungsgericht hat zwar die typischerweise beträchtlichen Auswirkungen auf
vorhandene Ortsteile sowie auf die weitere städtebauliche Entwicklung benachbarter
Gemeinden hervorgehoben und von der Beklagten die Prüfung verlangt, ob die mit der
Inanspruchnahme des Truppenübungsplatzes verbundene Schmälerung der
gemeindlichen Zukunftsperspektiven außer Verhältnis zum militärischen Nutzen steht.
Inwiefern sich aus diesen Ausführungen ergeben soll, dass individuelle Belange privater
Dritter damit „nicht vergleichbar“ und deshalb in der Abwägung nicht zu berücksichtigen
seien, ist indes nicht erkennbar. Verfehlt erscheint in diesem Zusammenhang die
weitere Überlegung der Beklagten, die Nichteinbeziehung privater Dritter in den
Entscheidungsprozess „bei Verteidigungsbelangen“ sei vor dem Hintergrund
gerechtfertigt, dass zu den gemeindlichen Belangen auch eventuelle Auswirkungen von
Fluglärm auf die weitere städtebauliche Entwicklung sowie auf die vorhandenen Ortsteile,
die vorhandenen bauplanungsrechtlichen Nutzungsstrukturen, die gewachsene
Gliederung der Baugebiete und insbesondere die Wohngebiete gehörten, was
insbesondere Lärmschutzbelange der Anwohner und von Gewerbetreibenden als private
Dritte mit einschlösse. Eine derartige Mediatisierung der Belange privater Dritter durch
die Gemeinden hätte zur Folge, dass sie bei der Abwägungsentscheidung vollständig
ausgeblendet werden dürften, solange sie nicht unter städtebaulichen Gesichtspunkten
durch eine Gemeinde geltend gemacht werden. Dies erscheint aus rechtsstaatlichen
Gründen jedenfalls dann nicht hinnehmbar, wenn es nicht um eine höherstufige Planung
geht, die ohne weitere Umsetzungsakte in nachgeordneten Planungs- oder
Genehmigungsverfahren keine unmittelbaren Auswirkungen auf private Dritte hat,
sondern – wie hier – um einen Verwaltungsakt, durch den die Nutzung einer
(militärischen) Anlage zugelassen und damit unmittelbar eine Duldungspflicht privater
Dritter in Bezug auf die durch den Betrieb der Anlage verursachten Immissionen
begründet werden soll.
Ebenso wenig überzeugt das Argument der Beklagten, nur eine Beschränkung der
Klagebefugnis auf die Gemeinden gewährleiste das zur Wahrnehmung des
Verteidigungsauftrags (Art. 87a GG) notwendige Mindestmaß an Beschleunigung und
Effizienz des Verfahrens. Das Fehlen ausdrücklicher Präklusionsvorschriften i.S.d. § 74
Abs. 4 Satz 3 VwVfG wird dadurch ausgeglichen, dass nach der Rechtsprechung in den
Fällen, in denen es ein Betroffener unterlassen hat, seine Betroffenheit vorzutragen, eine
solche Interessenbeeinträchtigung nur dann abwägungsbeachtlich ist, wenn sie sich der
planenden Stelle aufdrängen musste (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. November 1979 -
4 N 1.78, 4 N 2-4.79 - BVerwGE 59, 87,104). Insbesondere ist auch die Dauer der
gerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit der militärischen Weiternutzung des
Truppenübungsplatzes Wittstock und der hierzu ergangenen Verwaltungsentscheidung
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Truppenübungsplatzes Wittstock und der hierzu ergangenen Verwaltungsentscheidung
vom 9. Juli 2003 kein Beleg für die Behauptung der Beklagten, da gerade auch
Gemeinden um Rechtsschutz gegen die Verwaltungsentscheidung nachgesucht haben
und die Verfahrensdauer jedenfalls auch auf die – im Folgenden näher dargestellte -
unzureichende Beteiligung der Betroffenen und die unangemessene
Verfahrensgestaltung durch die Beklagte zurückzuführen ist.
Gegen die Annahme, dass auch die Belange privater Dritter im Rahmen der
planerischen Entscheidung zu ermitteln und zu berücksichtigen sind, spricht schließlich
nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den
Bezeichnungsverfahren mit dem Ziel militärischer Landbeschaffung. Zwar hat das
Bundesverwaltungsgericht zunächst die Auffassung vertreten (Urteil vom 11. April 1986 -
4 C 51.83 - BVerwGE 74, 124, 130), dass die „Bezeichnung“ eines
Verteidigungsvorhabens nach § 1 Abs. 3 des Landbeschaffungsgesetzes (LBG) nicht
auch im Verhältnis zu den einzelnen Bürgern als Verwaltungsakt anzusehen sei. In einer
späteren Entscheidung (Urteil vom 14. April 1989 - 4 C 21.99 - NVwZ 1990, 260, 261)
hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch offen gelassen, ob an dieser Position im
Hinblick auf die damit verbundenen Rechtsschutzdefizite, die „zumindest in großer
Nähe“ zu der „verfassungsrechtlichen Schwelle“ des Art. 19 Abs. 4 GG lägen, weiterhin
festzuhalten sei. Zugleich hat es darauf hingewiesen, dass mit fortschreitendem
Zeitablauf die Notwendigkeit der richterlichen Rechtsfortbildung wachse, wenn der
Gesetzgeber den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Auftrag, dem Bürger einen Anspruch
auf möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle einzuräumen, nur unzulänglich erfülle.
Steht mithin entgegen der Annahme der Beklagten nicht einmal mehr fest, dass das
Bezeichnungsverfahren mit dem Ziel militärischer Landbeschaffung gemäß § 1 Abs. 3
LBG gegenüber privaten Dritten keinen der Drittanfechtung unterliegenden
Verwaltungsakt darstellt (vgl. hierzu auch Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Oktober 2008, § 42 Abs. 1 Rn. 64), lassen sich aus dem
erwähnten Urteil vom 11. April 1986 erst recht keine Rückschlüsse für die vorliegend zu
beantwortende Frage ziehen, ob die Verwaltungsentscheidung über die militärische
Weiternutzung des Geländes im Verhältnis zu privaten Dritten als Verwaltungsakt
anzusehen ist. Der Annahme, dass die „Bezeichnung des Vorhabens“ nach § 1 Abs. 3
LBG auch im Verhältnis zu den betroffenen Bürgern als Verwaltungsakt anzusehen sei,
stand nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nämlich (nur) der in der
Ersetzung des Wortes „bestimmt“ durch das Wort „bezeichnet“ zum Ausdruck
kommende Wille des historischen Gesetzgebers entgegen. Der in den
Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers des
Landbeschaffungsgesetzes kann jedoch mangels Anwendbarkeit dieses Gesetzes im
vorliegenden Fall ersichtlich nicht ausschlaggebend sein. Während im Übrigen bei der
Bezeichnung eines Vorhabens nach § 1 Abs. 3 LBG die Besonderheit besteht, dass
jedenfalls in einem späteren Verfahrensstadium, bei der Enteignung, ein Verwaltungsakt
auch gegen die Grundeigentümer ergeht (vgl. Pietzcker, a.a.O.), bedarf die
angefochtene Verwaltungsentscheidung der Beklagten keiner weiteren Umsetzungsakte,
die gegebenenfalls Gegenstand einer Anfechtungsklage der in ihrer Rechtssphäre
Betroffenen sein könnten.
Die gegen die Annahme, dass die Verwaltungsentscheidung auch im Verhältnis zu
privaten Betroffenen als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, gerichteten Einwände der
Beklagten überzeugen nach alledem nicht. Soweit sie sich für ihre Auffassung auch auf
ein Urteil des VGH Kassel vom 8. März 2005 (- 11 UE 166/04 -, NVwZ-RR 2006, 315, 316)
stützt, dem zufolge den vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 14.
Dezember 2000 entwickelten Rechtsgrundsätzen nicht zu entnehmen sei, dass private
Nachbarn eines Truppenübungsplatzes wie eine Gemeinde wegen der Beeinträchtigung
ihres Rechts auf Planungshoheit gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG einen Anspruch auf
Anhörung vor einer Entscheidung der Beklagten über die Übernahme und Weiternutzung
eines Truppenübungsplatz hätten, vermag der Senat dieser engen Auslegung nicht zu
folgen.
2. Eine Verletzung abwägungserheblicher Belange der Klägerin durch die
Verwaltungsentscheidung der Beklagten ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie
- soweit ersichtlich - nicht durch die auf dem Truppenübungsplatz selbst entstehenden
Immissionen beeinträchtigt wird, sondern vor allem durch die über ihre
Betriebsgrundstücke führenden An- und Abflüge zu bzw. von dem Gelände. Denn die An-
und Abflüge sind nicht nur in tatsächlicher Hinsicht dem Vorhaben zuzurechnen, sondern
darüber hinaus auch Regelungsgegenstand der angefochtenen
Verwaltungsentscheidung.
Dass sich die Regelungen der Verwaltungsentscheidung nicht auf das Gelände des
Truppenübungsplatzes beschränken, sondern auf die An- und Abflüge der
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Truppenübungsplatzes beschränken, sondern auf die An- und Abflüge der
Kampfflugzeuge zum bzw. vom Gelände erstrecken, ergibt sich aus dem
Betriebskonzept, auf das die Verwaltungsentscheidung verweist und das allgemein zu
den An- und Abflügen sowie zu den Ein- und Ausflugbereichen unter anderem Folgendes
bestimmt: Die An- und Abflüge am Tage außerhalb der Platzgrenzen sind in Richtung auf
die "festgelegten Einflugpunkte/-bereiche" bzw. nach Verlassen der "entsprechenden
Ausflugpunkte/-bereiche" frei wählbar. Die Anflüge bei Nacht erfolgen innerhalb des in
Deutschland eingerichteten Nachttiefflugsystems stets über den in der Karte zur
fliegerischen Nutzung mit einem grünen Rechteck gekennzeichneten Einflugpunkt. Die
Einflüge am Tage finden abhängig von der Einsatzart statt. Im Standardverfahren erfolgt
der Einflug grundsätzlich über einen Einflugpunkt im Norden des Platzes, der in der Karte
zur fliegerischen Nutzung durch ein schwarzes Rechteck gekennzeichnet ist. Im Rahmen
der taktischen Einsatzverfahren kann der Einflug über jeden der vier in der Karte zur
fliegerischen Nutzung violett oder orange gekennzeichneten Bereiche durchgeführt
werden, von denen ein violett gekennzeichneter Bereich im Norden des Platzes liegt. Der
Ausflug erfolgt bei dem Standardverfahren und während des Nachtflugs über den in der
Karte zur fliegerischen Nutzung als schwarzen Kreis gekennzeichneten Ausflugpunkt im
Süden des Platzes. Bei den taktischen Einsatzverfahren kann der Ausflug über jeden der
in der Karte zur fliegerischen Nutzung violett oder orange gekennzeichneten Bereiche
durchgeführt werden. Zu den Flughöhen lässt sich dem Betriebskonzept unter anderem
Folgendes entnehmen: Die An- und Abflüge werden am Tage gemäß den in Deutschland
geltenden Tiefflugbestimmungen in der Regel oberhalb einer Flughöhe von 1.000 Fuß
(ca. 300 m) über Grund durchgeführt. In bestimmten Fällen können sie im Rahmen eines
vom Bundesminister der Verteidigung genehmigten Tiefflugkontingentes auch in 500
Fuß (ca. 150 m) über Grund durchgeführt werden. Die Flugzeugbesatzungen sind
gehalten, die Flüge auf wechselnden Strecken zu planen, um Belastungskonzentrationen
zu vermeiden. Zusätzlich sind alle für Flughöhen unterhalb 1.500 Fuß (ca. 450 m) über
Grund festgelegten Überflugverbote von Ortschaften, die einzeln aufgezählt werden,
einzuhalten.
Der Einbeziehung der An- und Abflüge in das zur Verwaltungsentscheidung gehörende
Betriebskonzept steht nicht die Überlegung der Beklagten entgegen, dass es an einer
ausdrücklichen Bestimmung fehlt, bis zu welchem Punkt bzw. welcher Entfernung An-
und Abflüge einbezogen sein sollen. Auf der zum Betriebskonzept für den
Truppenübungsplatz gehörenden topografischen Karte zur fliegerischen und sonstigen
Nutzung des Geländes werden die Gebiete, die von Überflugbeschränkungen betroffen
sind, dargestellt. Hieraus lässt sich mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, bis zu
welcher Entfernung An- und Abflüge in die Verwaltungsentscheidung einbezogen sind.
Jedenfalls hinsichtlich der einzelnen Betriebsteile der Klägerin steht die Einbeziehung der
An- und Abflüge in die Verwaltungsentscheidung außer Frage.
II. Die Klage ist begründet. Die Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 ist gemäß §
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, weil sie rechtswidrig ist, die Klägerin in ihren
Rechten verletzt und die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung nicht durch den
Grundsatz der Planerhaltung ausgeschlossen ist.
1. Der angefochtene Verwaltungsakt ist allerdings nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil
ihm die rechtskräftige Verurteilung der Beklagten zum Unterlassen der militärischen
Nutzung des Truppenübungsplatzes durch die Urteile des Oberverwaltungsgerichts
Frankfurt (Oder) vom 24. März 1999 (3 A 55/97 und 3 A 60/97) entgegenstünde und die
Beklagte die Rechtskraftwirkung dieser Urteile nur im Wege einer
Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 167 VwGO, 767 ZPO beseitigen könnte.
Zwar hat das Gericht den Verwaltungsakt umfassend auf seine Vereinbarkeit mit der
Rechtsordnung zu prüfen, wozu auch Gerichtsurteile nach Maßgabe ihrer
Bindungswirkung (§ 121 VwGO) gehören (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 113 Rn. 20). Die Klägerin kann sich jedoch nicht gemäß § 121
Nr. 1 VwGO auf die Rechtskraftwirkung der genannten Urteile berufen, weil sie an den
betreffenden Verfahren weder beteiligt war noch Rechtsnachfolgerin einer der Parteien
ist. Im Übrigen kann das tenorierte Unterlassungsgebot der Verwaltungsentscheidung
vom 9. Juli 2003 auch in der Sache nicht entgegengehalten werden. Nach § 121 Nr. 1
VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden
worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Die Vorschrift will verhindern, dass
die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein
Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, zwischen denselben Parteien (oder ihren
Rechtsnachfolgern) wiederholt zum Gegenstand eines Verfahrens gemacht wird. Die
materielle Rechtskraft endet jedoch, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche
Sach- oder Rechtslage ändert (vgl. BVerwG, Urteile vom 30. August 1962 - I C 161.58 -,
BVerwGE 14, 359, 362, und vom 8. Dezember 1992 - 1 C 12.92 -, NVwZ 1993, 672, 673)
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BVerwGE 14, 359, 362, und vom 8. Dezember 1992 - 1 C 12.92 -, NVwZ 1993, 672, 673)
und deshalb ein neuer Streitgegenstand anzunehmen ist (vgl. Clausing, in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 121 Rn. 68).
Im vorliegenden Fall haben sich die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse seit den
Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 wesentlich geändert.
Streitgegenstand der in den genannten Verfahren erhobenen Klagen war der auf einen
bestimmten Sachverhalt gestützte prozessuale Anspruch auf die Verurteilung der
Beklagten, die Nutzung des Geländes des früheren Truppenübungsplatzes auf den
Gemeindegebieten der klagenden Gemeinden als Truppenübungsplatz oder Luft-Boden-
Schießplatz, einschließlich einer dieser Nutzung dienenden Durchführung von Tiefflügen
zu unterlassen. Zur Ermittlung der Reichweite der materiellen Rechtskraft der - vom
Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis bestätigten - stattgebenden Urteile des
Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. März 1999 (3 A 55/97 und 3 A 60/97)
sind ergänzend der – den Streitgegenstand mitbestimmende - Tatbestand und die
Urteilsgründe heranzuziehen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist in diesem
Zusammenhang, dass der Unterlassungsanspruch der klagenden Gemeinden nach der
Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 14. Dezember 2000,
a.a.O.) seine Grundlage darin fand, dass die Beklagte noch keine dem materiellen Recht
entsprechende Entscheidung nach Anhörung der in ihrer Planungshoheit betroffenen
Gemeinden getroffen hatte. Mit der Durchführung eines Anhörungsverfahrens und dem
Erlass der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 hat die Beklagte indes diverse
Verfahrensschritte unternommen, deren Fehlen nach den Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts ausschlaggebend für die Annahme eines
Unterlassungsanspruchs waren. Bereits in der Durchführung des Anhörungsverfahrens
und dem Erlass einer das Verfahren abschließenden Entscheidung ist eine Änderung der
Sach- und Rechtslage zu sehen, die eine erneute Prüfung der streitigen
Rechtsbeziehung rechtfertigt. Darauf, ob die Durchführung des Anhörungsverfahrens im
Ergebnis den nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu stellenden
Anforderungen entspricht und ob die das Verfahren abschließende Entscheidung frei von
Rechtsfehlern ist, kann es nicht ankommen; denn dies ist im vorliegenden Verfahren zu
prüfen.
2. Die Zulassung des Vorhabens durch die angefochtene Verwaltungsentscheidung
scheitert nicht bereits am Fehlen einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage.
Das Bundesverwaltungsgericht ist in der Entscheidung, die den Ausgangspunkt für das
von der Beklagten durchgeführte Verwaltungsverfahren bildet, davon ausgegangen,
dass sich aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 19 des Einigungsvertrages (EV) die Befugnis der
Beklagten ergibt, die vormals sowjetisch genutzten Liegenschaften und damit auch das
streitgegenständliche Gelände weiterhin für militärische Zwecke zu nutzen (vgl. BVerwG,
Urteil vom 14. Dezember 2000, a.a.O., S 280 ff.). Hieraus folgt die Befugnis zum Erlass
von Verwaltungsakten, mit denen die näheren Einzelheiten der militärischen
Weiternutzung festgelegt werden. Zwar erscheint es nicht von vornherein
ausgeschlossen, dass eine planerische Entscheidung ohne Verwaltungsaktcharakter
getroffen wird. Im Ergebnis ist in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 19 EV jedoch nicht nur die
Befugnis zur tatsächlichen Weiternutzung des streitgegenständlichen Geländes für
militärische Zwecke, sondern auch eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung zum
Erlass der streitgegenständlichen Verwaltungsentscheidung zu sehen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es keiner ausdrücklichen
Regelung, sondern es genügt auch eine gesetzliche Grundlage, die im Wege der
Auslegung ermittelt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 1990 - 1 B 131.90 -,
NVwZ 1991, 267) und sich hier aus Art. 21 und 19 EV ergibt. Ob es sich dabei um eine
„Annex-Kompetenz“ im eigentlichen Sinne handelt, bedarf keiner Entscheidung. Denn
das Bundesverwaltungsgericht setzt eine solche Befugnis offenbar voraus. Dies folgt
daraus, dass in der bereits erwähnten Entscheidung nicht etwa bemängelt wird, dass die
Beklagte eine planerische Elemente einschließende Entscheidung über die militärische
Weiternutzung des Geländes getroffen hat, sondern nur, dass sie dies ohne Anhörung
der betroffenen Gemeinden und Abwägung ihrer Belange getan hat. Etwas anderes folgt
auch nicht aus der Feststellung des Gerichts, dass die Beklagte selbst nicht davon
ausgehe, dass die Übernahme des Geländes südöstlich von Wittstock durch die
Bundeswehr als schlichte Fortsetzung der zu einem früheren Zeitpunkt aufgenommenen
Nutzung für Verteidigungszwecke zu werten sei und aus ihren eigenen Angaben erhelle,
dass sie sich nicht allein von dem Gedanken der Nutzungskontinuität habe leiten lassen,
der den Art. 21 und 19 EV zugrunde liege. Diese Formulierung des
Bundesverwaltungsgerichts kann nicht dahingehend verstanden werden, dass eine
gegenüber der früheren Nutzung veränderte militärische Nutzung den von Art. 21 und
19 EV gesetzten Rahmen überschreitet. Denn auch seinerzeit stand bereits fest, dass
sich die künftige Nutzung des Platzes von der bis 1993 ausgeübten Nutzung deutlich
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sich die künftige Nutzung des Platzes von der bis 1993 ausgeübten Nutzung deutlich
unterscheiden würde. Ausweislich der Gründe der Urteile vom 14. Dezember 2000 sollte
der Truppenübungsplatz nämlich bereits nach seiner damaligen Konzeption in der Weise
als Luft-Boden-Schießplatz der Luftwaffe genutzt werden, dass u.a. grundsätzlich von
Norden her ein- und nach Süden hin ausgeflogen werden sollte, während die Westgruppe
der sowjetischen Truppen lediglich den südlichen Bereich des Platzes für
Luftwaffenübungen genutzt hatte. Die sich hieraus ergebenden Folgerungen betreffen
bei richtigem Verständnis des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nicht einen
Mangel der rechtlichen Grundlage, sondern führen zu einer Verpflichtung der Beklagten
zur Durchführung eines planungsrechtlichen Verwaltungsverfahrens, dessen Grundzüge
- wie weiter unten ausgeführt - richterrechtlich zu konkretisieren sind.
Zwar sprechen gewichtige Argumente für die Auffassung, dass die
Eingriffsvoraussetzungen gesetzlich geregelt werden müssten. So ist davon
auszugehen, dass durch die wesentliche Änderung des Truppenübungsplatzes eine
Vielzahl von Anwohnern und Gemeinden erstmals in ihren Grundrechten, insbesondere
aus Art. 14 Abs. 1 GG, bzw. in ihrer kommunalen Planungshoheit (Art. 28 Abs. 1 GG)
betroffen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichten
Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot den Gesetzgeber, die für die
Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen
und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen
(vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 -, BVerfGE 83,
130, 142, m.w.N.). Auch die Erwägung, dass bei zivilen und militärischen Flugplätzen
nach § 71 Abs. 1 LuftVG nur der am Stichtag zugelassene Betrieb, nicht eine Änderung
dieses Betriebs bestandsgeschützt ist (vgl. hierzu OVG Frankfurt(Oder), Urteil vom 9.
Juni 2004 - 3 D 29/01.AK -, LKV 2005, 271 f.), und daher auch den „fiskalischen
Zuordnungsnormen“ der Art. 19 und 21 EV keine weitergehende gesetzliche
Ermächtigung für eine wesentliche Änderung der Nutzung eines Luft-Boden-
Schießplatzes entnommen werden könne, ist nicht ohne Überzeugungskraft. Schließlich
ist auch die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass weitere zukünftige wesentliche
Änderungen der Nutzung auf Art. 19 und 21 EV gestützt werden könnten, wodurch das
Spannungsverhältnis zu den Anforderungen des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts
und der Wertungswiderspruch zu dem begrenzten Bestandsschutz, dem vergleichbare
Anlagen wie etwa Flugplätze unterliegen und der sich nicht auf nach 1990 durchgeführte
wesentliche Änderungen erstreckt, noch vertieft wird. Dennoch folgt der Senat dem
Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts, das Art. 19 und 21 EV auch für die geplante
Nutzungsänderung als ausreichende gesetzliche Ermächtigung angesehen hat. Hierzu
würde sich der Senat in Widerspruch setzen, wenn er - wie bereits das
Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) - das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage
beanstanden würde. Für eine solche Abweichung von der zu dem streitgegenständlichen
Truppenübungsplatz ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt
es jedenfalls dann an einem zwingenden Grund, wenn sich die inhaltlichen und
verfahrensmäßigen Anforderungen letztlich im Wege der Rechtsfortbildung aus dem
Verfassungsrecht und allgemeinen fachplanungsrechtlichen Grundsätzen herleiten
lassen (vgl. hierzu sogleich unter 3.).
3. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung der Beklagten ist allerdings
verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil die aus dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 in Verbindung mit allgemeinen
planungsrechtlichen Grundsätzen abzuleitenden Vorgaben (a) nicht beachtet worden
sind (b). Diese Verfahrensfehler sind weder gemäß § 45 Abs. 1 VwVfG geheilt worden (c)
noch nach § 46 VwVfG unbeachtlich (d). Die Klägerin kann sich im vorliegenden Einzelfall
hierauf auch berufen (e).
a) Vor Erlass der angefochtenen Verwaltungsentscheidung bedurfte es der Durchführung
eines planungsrechtlichen Verfahrens, das durch eine rechtzeitige und
sachangemessene Beteiligung der von dem Vorhaben Betroffenen sowie der in ihren
Aufgabenbereichen berührten Träger öffentlicher Belange die vollständige und
zutreffende Ermittlung der abwägungserheblichen Belange sicherstellt und seinen
Abschluss in einer Gesamtabwägung der öffentlichen und privaten Belange
gegeneinander und untereinander findet. Dies ergibt sich aus den folgenden
Erwägungen:
Hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens für die Verwaltungsentscheidung des
Bundesministeriums der Verteidigung über die militärische Fortnutzung des
Truppenübungsplatzes bestehen - abgesehen von den allgemein für die öffentlich-
rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Bundes geltenden Vorschriften des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) - keine besonderen
gesetzlichen Regelungen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die
45
46
gesetzlichen Regelungen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die
Bestimmungen über das Planfeststellungsverfahren gemäß §§ 72 bis 78 VwVfG hier
jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar sind, da ein Planfeststellungsverfahren nicht
gemäß § 72 Abs. 1 VwVfG durch Rechtsvorschrift angeordnet ist. Dass das Fehlen
inhaltlicher und verfahrensmäßiger Anforderungen in einer gesetzlichen Vorschrift im
vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Ausführungen des
Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 14. Dezember 2000 nicht dazu führt, dass
der Beklagten bis zum Erlass eines entsprechenden Gesetzes eine Regelung zur
Weiternutzung des Truppenübungsplatzes verwehrt und die Verwaltungsentscheidung
allein schon mangels gesetzlicher Grundlage aufzuheben wäre, wurde bereits ausgeführt
(vgl. oben zu 2.). Bei dieser Ausgangslage kann indes nicht davon ausgegangen werden,
dass die Beklagte bei der Gestaltung des Verfahrens über einen nicht weiter
beschränkten Spielraum verfügt. Denn die geplante Nutzung des Truppenübungsplatzes
als Luft-Boden-Schießplatz berührt - wie bereits dargelegt -, insbesondere wegen der
hiervon ausgehenden Lärmbelastung eine Vielzahl von Anwohnern erstmals in ihren
Grundrechten, insbesondere in ihrem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beeinflussen die Grundrechte
nicht nur die Ausgestaltung des materiellen Rechts, sondern setzen zugleich auch
Maßstäbe für eine den Grundrechtsschutz effektuierende Verfahrensgestaltung und für
eine grundrechtsfreundliche Anwendung der bestehenden Verfahrensvorschriften
(BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, BVerfGE 69, 315, 355;
Beschluss vom 17. April 1991 - 419/81 und 213/83 -, BVerfGE 84, 34, 45 f.; Papier, in:
Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand: Oktober 2008, Art. 14 Rn. 48; Dreier, in:
ders., Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 105, jew. m.w.N.). Hiervon
ausgehend hätte auch das der Verwaltungsentscheidung über die militärische
Fortnutzung des Truppenübungsplatzes vorausgehende Verfahren so ausgestaltet
werden müssen, dass es die Geltendmachung grundrechtlich geschützter Belange der
betroffenen Anwohner ermöglicht.
Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft es nicht zu, dass nur ein Verfahren sui
generis in Anlehnung an § 1 Abs. 2 und 3 LBG durchgeführt werden musste, weil bei
„pragmatischem“ Verständnis der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom
14. Dezember 2000 (a.a.O.) an das durchzuführende Verfahren keine strengeren
Anforderungen als nach dem militärischen Landbeschaffungsrecht zu stellen seien. Zwar
ist dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 als
ausdrückliche Anforderung an das Verfahren zunächst lediglich zu entnehmen, dass eine
Anhörung der in ihrer Planungshoheit betroffenen Gemeinden zu erfolgen hatte. Dies
könnte zunächst tatsächlich so verstanden werden, als verlange das
Bundesverwaltungsgericht lediglich die Durchführung derjenigen Verfahrensschritte, die
auch bei der Beschaffung von Grundstücken für Zwecke der Verteidigung bzw. die
anderen in § 1 Abs. 1 LBG genannten (Neben-)Zwecke zu beachten sind. Nach § 1 Abs.
2 Satz 1 LBG ist in diesen Fällen die Landesregierung zu hören, die nach Anhörung der
betroffenen Gemeinde (Gemeindeverband) unter angemessener Berücksichtigung der
Erfordernisse der Raumordnung, insbesondere der landwirtschaftlichen und
wirtschaftlichen Interessen sowie der Belange des Städtebaus und des Naturschutzes
und der Landschaftspflege, zu dem Vorhaben Stellung nimmt. Die Stellungnahme hat
sich auch darauf zu erstrecken, ob das Vorhaben aus Grundbesitz der öffentlichen Hand,
der in angemessener Entfernung gelegen und für das Vorhaben geeignet ist, unter
Berücksichtigung der Grundsätze in Satz 1 der Vorschrift befriedigt werden kann (§ 1
Abs. 2 Satz 2 LBG). Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 LBG bezeichnet der zuständige
Bundesminister im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern die Vorhaben, für
die Grundstücke nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu beschaffen sind, und sorgt in
geeigneten Fällen für öffentliche Bekanntmachung; will der zuständige Bundesminister
von der Stellungnahme der Landesregierung abweichen, so unterrichtet er die
betreffende Landesregierung vor seiner Entscheidung (§ 1 Abs. 3 Satz 2 LBG).
Gegen die von der Beklagten angenommene Beschränkung der
Verfahrensvoraussetzungen auf die nach § 1 Abs. 2 LBG erforderliche Anhörung der
betroffenen Gemeinden spricht jedoch, dass auch die „Bezeichnung des Vorhabens“
gemäß § 1 Abs. 3 LBG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer
rechtlichen Prüfung nur standhalten kann, wenn sie den rechtsstaatlichen (Mindest-
)Anforderungen genügt, die an staatliche Planungsentscheidungen zu stellen sind.
Hierzu gehört, dass sie auf einer gerechten Abwägung der für und gegen das Vorhaben
streitenden öffentlichen und privaten Belange beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April
1986 - 4 C 51.83 -, BVerwGE 74, 124, 133). Dass dies grundsätzlich eine Ausgestaltung
des Verfahrens voraussetzt, die über die Regelungen des 1957 erlassenen
Landbeschaffungsgesetzes hinausgeht, folgt aus den Anforderungen an den
Abwägungsvorgang, insbesondere im Hinblick auf die vollständige Ermittlung des
Abwägungsmaterials. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies in dem bereits erwähnten
47
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Abwägungsmaterials. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies in dem bereits erwähnten
Urteil vom 11. April 1986 (a.a.O., S. 129 f.) zum Ausdruck gebracht und in einer späteren
Entscheidung nachdrücklich bekräftigt (Urteil vom 14. April 1989 - 4 C 21/88 -, NVwZ
1990, 260, 261). Zwar handelt es sich bei dem darin enthaltenen Hinweis des Gerichts,
„angesichts der bisherigen Rechtslage bestehe Anlass zu Überlegungen, ob es nicht –
zugleich auch im Interesse einer besseren Akzeptanz in der Bevölkerung sowie einer
höheren Effektivität der Planungen – zweckmäßig wäre, für raumbeanspruchende
Verteidigungsvorhaben ein Planverfahren nach dem Vorbild moderner
Fachplanungsgesetze einzuführen“, in erster Linie um eine rechtspolitische Äußerung.
Zugleich hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch klargestellt, dass „mit
fortschreitendem Zeitablauf die Notwendigkeit der richterlichen Rechtsfortbildung“
wachse, wenn der Gesetzgeber den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Auftrag, dem
Bürger einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle einzuräumen,
nur unzulänglich erfülle (a.a.O.). Diese - bereits vor nunmehr 20 Jahren –
hervorgehobene Bedeutung des weiteren Zeitablaufs für die verfassungsrechtliche
Beurteilung der gesetzlichen Regelung gibt Anlass zu der Feststellung, dass es die
Beklagte selbst im Fall der unmittelbaren Anwendbarkeit des Landbeschaffungsgesetzes
bei einem raum- und umweltrelevanten Großvorhaben wie dem geplanten Luft-Boden-
Schießplatz nicht mit der in § 1 Abs. 2 LBG vorgesehenen Anhörung der betroffenen
Gemeinde hätte bewenden lassen dürfen, sondern durch eine entsprechende
Verfahrensausgestaltung die Ermittlung aller abwägungserheblichen Belange hätte
sicherstellen und dabei insbesondere auch eine Beteiligung betroffener Privater hätte
ermöglichen müssen.
Vor diesem Hintergrund kann auch die vom Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil
vom 14. Dezember 2000 (a.a.O., S. 285 f.) für die militärische Weiternutzung des
streitgegenständlichen Geländes aufgestellte Voraussetzung einer „dem materiellen
Recht entsprechenden Entscheidung“, die „planerische Elemente einschließt“, nur so
verstanden werden, dass auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung aus
rechtsstaatlichen Gründen weitere verfahrensrechtliche Mindestanforderungen zu
beachten sind. Mit der Kennzeichnung der zu treffenden Entscheidung als einer
„planerischen“ Entscheidung nimmt das Bundesverwaltungsgericht erkennbar Bezug auf
seine seit Jahrzehnten gefestigte planungsrechtliche Rechtsprechung. Ausgangspunkt
dieser Rechtsprechung ist die Feststellung, dass es bei der Planung durchweg um einen
Ausgleich mehr oder weniger zahlreicher, in ihrem Verhältnis zueinander komplexer
Interessen geht, die überdies meist in eigentümlicher Weise miteinander verschränkt
sind, so dass dem einen Interesse nichts zugestanden werden kann, ohne in einer Art
Kettenreaktion zahlreiche andere Interessen zu berühren (BVerwG, Urteil vom 30. April
1969 - IV C 6.68 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 12). Zielt Planung - mit anderen
Worten - auf den Ausgleich von Interessen und die Koordination von Aktivitäten in einem
Gefüge abgestimmter, miteinander zu einem Konzept verflochtener Maßnahmen (vgl.
Schmidt-Assmann, Planung als administrative Handlung und Rechtsinstitut, in:
Berkemann u.a., Planung und Plankontrolle, 1995, S. 4), beinhaltet dies insbesondere,
dass der Planungsprozess durch seine prinzipielle Ergebnisoffenheit gekennzeichnet ist
und das Bestehen mehrerer denkbarer Möglichkeiten einschließt (vgl. Kühling/Herrmann,
Fachplanungsrecht, 2. Aufl. 2000, Rn. 4). Die wichtigste materiellrechtliche Bindung, in
deren Rahmen sich jede planende Verwaltungsbehörde bei Ausübung jener
Gestaltungsfreiheit halten muss, ist das sich unabhängig von einer gesetzlichen
Positivierung unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Gebot, alle von der
Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander
gerecht abzuwägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975 - IV C 21.74 -, BVerwGE
48, 56, 63; Urteil vom 7. Juli 1978 - IV C 79.76 -, BVerwGE 56, 110, 116 f., 122 f.; Urteil
vom 26. Juli 1989 - 4 C 35/88 -, BVerwGE 82, 246, 249). Da jede planerische
Entscheidung notwendig einen Gestaltungsspielraum der zur Entscheidung aufgerufenen
Behörde voraussetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975, a.a.O., S. 59; Urteil vom
7. Juli 1978, a.a.O., S. 116), bedarf es zum Ausgleich der fehlenden ausschließlichen
Bindung an gesetzliche Vorschriften der konsequenten Beachtung von Verfahrensregeln,
die allen betroffenen Belangen eine Einflussmöglichkeit auf den planenden und
gestaltenden Entscheidungsprozess sichern und die Planungsgerechtigkeit
gewährleisten (vgl. Kirchberg, in: Ziekow, Praxis des Fachplanungsrechts, 2004, Rn. 5 ff.).
Für die vorstehende Interpretation der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
sprechen die bereits genannten verfassungsrechtlichen Gründe. Denn die
Verwaltungsentscheidung über die Fortnutzung des Truppenübungsplatzes als Luft-
Boden-Schießplatz berührt - wie bereits ausgeführt - eine Vielzahl von Anwohnern und
Gemeinden erstmals in ihren Grundrechten, insbesondere aus Art. 14 Abs. 1 GG, bzw. in
ihrer durch Art. 28 Abs. 1 GG geschützten kommunalen Planungshoheit. Hält man mit
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die im Hinblick auf
Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot prinzipiell gebotene gesetzliche Regelung des
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Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot prinzipiell gebotene gesetzliche Regelung des
Verfahrens in dem vorliegenden Einzelfall ausnahmsweise für entbehrlich, weil die
planerische Entscheidung der Beklagten über die Art und den Umfang der militärischen
Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock auf Art. 19 und 21 EV gestützt werden
kann, ist im Gegenzug zumindest zu fordern, dass die Exekutive der
Grundrechtsrelevanz des geplanten Vorhabens durch eine hieran ausgerichtete
Gestaltung des Verfahrens Rechnung trägt. Der Einwand der Beklagten, die
planungsrechtlichen Verfahrensgrundsätze seien lediglich einfachgesetzlich und - mit
Ausnahme des Atomrechts, bei dem es um die Bewältigung besonderer Risiken gehe -
nicht verfassungsrechtlich fundiert, überzeugt daher nicht.
Da sich den Bestimmungen der Art. 19 und 21 EV keine weiteren Vorgaben dazu
entnehmen lassen, in welchem Verfahren die dem materiellen Recht entsprechende
Entscheidung zu treffen ist, besteht die Notwendigkeit, die Rechte und sonstigen
erheblichen Belange der von der Verwaltungsentscheidung Betroffenen durch eine
richterrechtliche Ausgestaltung des Verfahrens zu sichern. Anhaltspunkte hierfür sind
den im Wesentlichen übereinstimmenden Verfahrensvorschriften der
Fachplanungsgesetze und des Verwaltungsverfahrensgesetzes zu entnehmen. Sind die
Bestimmungen über das Planfeststellungsverfahren der §§ 72 bis 78 VwVfG nicht
unmittelbar anwendbar, kann ihnen doch ein Minimum an Verfahrensanforderungen
entnommen werden, das bei fachplanerischen Entscheidungen aus rechtsstaatlichen
Gründen jedenfalls nicht unterschritten werden darf.
Zentrale Verfahrensvoraussetzung ist hiervon ausgehend in jedem Fall die Durchführung
eines ordnungsgemäßen Beteiligungsverfahrens, in dem sowohl Behörden als auch
Private, deren Aufgabenbereiche bzw. Belange durch das Vorhaben berührt werden,
Gelegenheit erhalten, innerhalb einer zu setzenden angemessenen Frist zu dem
Vorhaben Stellung zu nehmen. Die Anhörung ist ein wesentliches und unverzichtbares
Element jeglicher planerischen Entscheidung. Nur auf diese Weise ist die Feststellung der
öffentlichen und privaten Belange gewährleistet. Auch dort, wo entsprechende
gesetzliche Vorschriften nicht bestehen, wird durch die Konkretheit der planerischen
Regelungssituation, die die Komplexität und die Gegensätzlichkeit der Interessen
besonders hervortreten lässt, eine Beteiligung der Öffentlichkeit jedenfalls „besonders
nahegelegt“ (vgl. Schmidt-Assmann, a.a.O., S. 16). Zwar hat die Beklagte zu Recht
darauf hingewiesen, dass der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil
vom 14. Dezember 2000 Einschränkungen hinsichtlich der Modalitäten der Beteiligung
zu entnehmen sind. Hierzu gehört, dass den Gemeinden nicht die Gelegenheit gegeben
werden muss, sich unmittelbar gegenüber der Beklagten zu äußern. Eine mittelbare
Anhörung durch das Land reicht aus. Dies wird damit begründet, dass § 1 Abs. 2 LBG es
mit einer solchen Art der Beteiligung selbst für den Fall bewenden lasse, dass die
Beklagte für Zwecke der Verteidigung Grundstücke beschaffen muss, und die
Anforderungen nicht strenger sein könnten, wenn sich der Bund auf die bloße
Überprüfung beschränke, ob sich das Nutzungsregime, dem in der Vergangenheit für
eine militärische Nutzung in Anspruch genommene Grundstücke unterliegen,
modifizieren lässt. Darüber hinaus musste den Gemeinden nach der Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts nicht die Möglichkeit gegeben werden, unter Beachtung
bestimmter Förmlichkeiten zum Truppenübungsplatzkonzept der Beklagten Stellung zu
nehmen, da die Anhörung durch das Land nicht an bestimmte Formen gebunden
gewesen sei. Die vom Bundesverwaltungsgericht akzeptierte Formlosigkeit der Anhörung
gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Denn die erforderliche Anhörung setzt nach den
weiteren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, die zwar lediglich auf
Gemeinden bezogen, aber verallgemeinerungsfähig sind, mehr voraus, als dass die
Betroffenen in beliebiger Weise über bestimmte Absichten informiert werden und
Gelegenheit erhalten, hierzu Erklärungen abzugeben. Erforderlich ist zumindest, dass
ihnen ein zeitlicher Rahmen zugebilligt wird, der es ihnen ermöglicht, sich nach einer der
Materie angemessenen Prüfung und Würdigung zu den aus ihrer Sicht maßgeblichen
Punkten sachgemäß zu äußern. Erforderlich ist weiter, dass die eingeholte
Stellungnahme zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung in Erwägung gezogen
wird.
Ein dem dargestellten Zweck entsprechendes Anhörungsverfahren setzt zwingend
voraus, dass ein Plan ausgelegt wird, der aus Zeichnungen und Erläuterungen besteht,
die das Vorhaben, seinen Anlass und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke
und Anlagen erkennen lassen (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Die Unterlagen, auf deren
Grundlage die Anhörung erfolgt, müssen so vollständig und klar sein, dass die
Betroffenen und die zu beteiligenden Behörden dazu sachgemäß Stellung nehmen
können. Notwendig ist die Darlegung aller wesentlichen Aspekte des Vorhabens,
besonders der baulichen und technischen Erfordernisse sowie etwaiger Auswirkungen auf
die Umgebung, insbesondere in Bezug auf Lärm und sonstige Immissionen, ohne deren
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die Umgebung, insbesondere in Bezug auf Lärm und sonstige Immissionen, ohne deren
Kenntnis eine sachgerechte Beurteilung der zu erwartenden oder möglichen
Veränderungen, insbesondere auch der Art und des Ausmaßes der Betroffenheit und
der zu erwartenden Nachteile, Gefahren oder Belästigungen nicht möglich ist (vgl.
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 73 Rn. 18; Bonk/Neumann, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, 7. Aufl. 2008, § 73 Rn. 18). Aus den Unterlagen muss sich jeder
durch Einsichtnahme darüber unterrichten können, ob und inwieweit seine Belange durch
das Vorhaben möglicherweise berührt werden können, insbesondere mit welchen
Gefährdungen oder sonstigen Nachteilen er rechnen muss (Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn.
19). Bei Vorhaben, mit denen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden sind oder sein
können, sind gegebenenfalls Unterlagen nach § 6 des Gesetzes über die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) beizufügen. Berechtigten
Geheimhaltungsinteressen, die naturgemäß bei Vorhaben, welche
Verteidigungsbelangen dienen, bestehen können, kann Rechnung getragen werden,
solange das Informationsinteresse der Betroffenen nicht mehr als unbedingt notwendig
eingeschränkt wird (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 20). Dabei dürfte es zweckmäßig
sein, die Auslegung in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben auswirkt,
durchzuführen (vgl. § 73 Abs. 2 VwVfG). Hierbei ist nicht nur auf die unmittelbar
betroffenen Grundstücke und Einrichtungen abzustellen, sondern auch auf mittelbare
Auswirkungen des Vorhabens (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 41). Hinsichtlich der
Dauer der Auslegung erscheint es wiederum sachgerecht, sich an der in § 73 Abs. 3 Satz
1 VwVfG geregelten Monatsfrist zu orientieren. Ort und Zeit der Planauslegung sind mit
dem Hinweis auf die Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen ortsüblich bekannt zu
machen (vgl. § 73 Abs. 5 Satz 1 und 2 Nr. 1 und 2 VwVfG). Die Bekanntmachung muss
dabei die Anstoßfunktion erfüllen, d.h. in einer Weise geschehen, die geeignet ist, dem
an der Planung interessierten Bürger sein Interesse an Information und Beteiligung
durch Abgabe einer Stellungnahme bewusst zu machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom
17. September 2008 - 4 BN 22.08 -, BauR 2009, 75, zu § 3 Abs. 2 BauGB). Eine
Benachrichtigung nicht ortsansässiger Betroffener sollte erfolgen, wenn dies mit
vertretbarem Aufwand möglich erscheint (vgl. § 73 Abs. 5 Satz 3 VwVfG). Die
Durchführung eines Erörterungstermins (vgl. § 73 Abs. 6 VwVfG) könnte zur besseren
Erreichung des Ziels der Feststellung und Klärung aller für die Entscheidung erheblichen
Tatsachen und Gesichtspunkte sowie auch im Hinblick auf die mögliche
Befriedungsfunktion ebenfalls angezeigt erscheinen, dürfte aber nicht bereits aus
rechtsstaatlichen Gründen geboten sein.
Darüber hinaus folgt aus der vom Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 14.
Dezember 2000 (a.a.O., S. 285 f.) für die militärische Weiternutzung des Geländes
verlangten Anforderung einer „dem materiellen Recht entsprechenden Entscheidung“,
die „planerische Elemente einschließt“, dass die Entscheidung dem Gebot einer
umfassenden Problembewältigung Rechnung tragen muss. Danach sind in die Planung
eines konkreten Vorhabens in umfassender Weise schlechthin alle planerischen
Gesichtspunkte einzubeziehen, die zur möglichst optimalen Verwirklichung der
gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe, aber auch zur Bewältigung der von dem
Planungsvorhaben in seiner räumlichen Umgebung erst aufgeworfenen Probleme von
Bedeutung sind. Dies macht eine einheitliche Planungsentscheidung für das Vorhaben
unerlässlich (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Januar 1991 - 4 C 51/89 -, BVerwGE 87, 332,
341, und vom 23. Januar 1981 - 4 C 68.78 -, BVerwGE 61, 307, 311). Dies bedeutet zum
einen, dass unabhängig von den Stellungnahmen der sich im Beteiligungsverfahren
äußernden Bürger auch alle sonstigen - öffentlichen und privaten - Belange, die sich
aufdrängen, einzustellen sind. Hierzu gehören bei einem Vorhaben des hier fraglichen
Zuschnitts etwa die umweltrechtlichen Auswirkungen. Um für die planerische
Bewältigung der aufgeworfenen Probleme eine ausreichende Tatsachengrundlage zu
gewährleisten, ist deshalb eine sachgerechte Beteiligung der Behörden und sonstigen
Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird
(vgl. § 73 Abs. 2 VwVfG, § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB), unerlässlich. Zum anderen setzt die
von der Beklagten vor einer Nutzung des Truppenübungsplatzes als Luft-Boden-
Schießplatz zu treffende „planerische Entscheidung“ eine umfassende
Problembewältigung im Rahmen einer einheitlichen Abwägungsentscheidung voraus.
b) Die dargestellten, unter Berücksichtigung der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 aus dem Erfordernis einer den
Grundrechtsschutz effektuierenden Verfahrensgestaltung folgenden Anforderungen sind
vorliegend nicht erfüllt:
Ein Beteiligungsverfahren, welches den dargelegten Minimalanforderungen genügt, die
bei fachplanerischen Entscheidungen aus rechtsstaatlichen Gründen jedenfalls nicht
unterschritten werden dürfen, hat nicht stattgefunden. Zwar wurde durch das Land
Brandenburg aufgrund einer entsprechenden Bitte des Bundesministeriums der
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Brandenburg aufgrund einer entsprechenden Bitte des Bundesministeriums der
Verteidigung im Wege der Amtshilfe eine Anhörung durchgeführt. Hierbei wurden jedoch
lediglich über das damalige Amt Wittstock/Land die Gemeinden Berlinchen, Dossow,
Dranse, Flecken Zechlin, Fretzdorf, Gadow, Goldbeck, Groß Haßlow, Rossow, Schweinrich,
Sewekow, Zempow und Zootzen, über das damalige Amt Rheinsberg die Gemeinden
Basdorf, Dorf Zechlin und Wallitz, über das Amt Temnitz die Gemeinden Frankendorf und
Temnitzquell, sowie die Städte Neuruppin und Wittstock einbezogen. Ferner wurden der
Landkreis Ostprignitz-Ruppin und die Regionale Planungsgemeinschaft Prignitz-
Oberhavel beteiligt. Die Anhörung beschränkte sich darauf, dass das Ministerium für
Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung (MLUR) des Landes Brandenburg den
genannten Stellen verschiedene vom Bundesministerium der Verteidigung
zusammengestellte Unterlagen übersandte. Eine Beteiligung anderer Gemeinden in der
Umgebung des Truppenübungsplatzes oder eine Beteiligung betroffener Dritter
unterblieb. Auch ein Auslegungsverfahren wurde nicht durchgeführt. Das Vorhaben
wurde nicht öffentlich bekannt gemacht. Die damit verbundene erhebliche Beschränkung
des Kreises der anzuhörenden Gemeinden, Behörden und privaten Dritten wird dem
Zweck der Anhörung nicht gerecht.
Darüber hinaus waren die im Anhörungsverfahren übersandten Unterlagen nicht so
vollständig und klar, dass die Betroffenen und die zu beteiligenden Behörden dazu
sachgemäß hätten Stellung nehmen können. Diese Unterlagen setzten sich ausweislich
der Darstellung in der Verwaltungsentscheidung zusammen aus einer „Beschreibung
des Gesamtvorhabens Luft-Boden-Schießplatz Wittstock mit Grundkarte“, einem
„Betriebskonzept für den Luft-Boden-Schießplatz Wittstock mit Karte zur militärischen
Nutzung“, einer „Beschreibung der Einrichtung einer Standortschießanlage und eines
Standortübungsplatzes“, eines „Gutachten(s) der Fa. E. zur Ermittlung der
Fluglärmbelastung mit Karte“, einer „Beschreibung der Infrastruktureinrichtungen“ sowie
„Planungen im Bereich der bundeseigenen Straße auf dem Truppenübungsplatz
Wittstock zwischen Schweinrich und Flecken Zechlin“. Ausweislich der Darstellung des
Verfahrens in der Verwaltungsentscheidung wurde seitens der beteiligten Gemeinden
und Ämter insbesondere gerügt, dass das vorliegende Betriebskonzept u.a. zu den
Flugrouten und Flugzeiten unverbindlich und unklar bleibe. Auch sei die Standortwahl und
der Umfang des Vorhabens unter dem Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung
nicht begründet worden. Mangelhaft sei ebenfalls die Erörterung der
Immissionsschutzproblematik. Es fehlten die Auswirkungsanalysen für die Bereiche
Tourismus, Siedlungswesen und Verkehr. Dass diese Kritik im Kern zutrifft, ergibt sich
schon daraus, dass weder dem Betriebskonzept noch dem ursprünglich vorgelegten
Gutachten der E. vom 14. September 2001 zu entnehmen war, welche konkreten
Auswirkungen der Flugbetrieb auf die in der Umgebung gelegenen Gemeinden und
sonstigen Betroffenen hat. Das genannte Gutachten befasst sich lediglich mit den
Lärmbelastungen, die bei einem zukünftigen Betrieb für die dem Platz benachbarten
Gemeinden entstehen werden. Methodisch beschränkt sich das Gutachten darauf, für
den Truppenübungsplatz den „zu erwartenden Lärmschutzbereich mit den Zonen der
äquivalenten Dauerschallpegel von 75 dB(A) und 67 dB(A) nach gegenwärtiger
Gesetzeslage“ sowie den „Verlauf der Kontur mit Leq(4) > 62 dB(A)“ auf der Basis der in
Form des DES-MIL Wittstock 08/01 zur Verfügung gestellten Flugbetriebsdaten zu
berechnen. Aus den Ergebnissen dieses Gutachtens ist nicht ansatzweise zu erkennen,
mit welchen Lärmimmissionen außerhalb der dargestellten Zonen, insbesondere unter
Berücksichtigung der Spitzenschallpegel, zu rechnen ist. Dass auch die
Berechnungsgrundlage nicht den Anforderungen entsprach, hat die Beklagte inzwischen
selbst eingeräumt, indem sie die Berechnung in dem im gerichtlichen Verfahren
vorgelegten A.-Gutachten vom 24. Juni 2007 auf eine völlig neue Grundlage gestellt hat.
Hinzu kommt, dass dem Betriebskonzept einschließlich der Karte zur fliegerischen
Nutzung nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit zu entnehmen ist, auf welchen
konkreten Flugrouten, in welcher Flughöhe und mit welcher Geschwindigkeit die
Luftfahrzeuge den Truppenübungsplatz anfliegen und nach den Zielanflügen wieder von
dort abfliegen, wie stark die einzelnen Flugrouten frequentiert werden und welcher Anteil
auf Nachtflüge entfällt. Derartige Informationen, die für eine Einschätzung der
Lärmbelastung an den von den Überflügen betroffenen Orten unerlässlich sind, hat die
Beklagte erstmals mit dem A.-Gutachten vom 24. Juni 2007 unmittelbar vor der
erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vorgelegt. Zu den sonstigen Emissionen des
Flugbetriebs, etwa zu schädlichen Luftverunreinigungen, war offenkundig weder dem
Betriebskonzept für den Luft-Boden-Schießplatz Wittstock mit der Karte zur militärischen
Nutzung noch dem Gutachten der E. zur Ermittlung der Fluglärmbelastung oder den
sonstigen im Anhörungsverfahren übersandten Unterlagen etwas zu entnehmen.
Insgesamt fehlte es daher an zentralen Informationen, ohne deren Kenntnis bei einem
derartig raum- und umweltrelevanten Vorhaben wie der von der Beklagten geplanten
Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock als Luft-Boden-Schießplatz ein
verständiges Urteil über die zu erwartenden oder möglichen Veränderungen,
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verständiges Urteil über die zu erwartenden oder möglichen Veränderungen,
insbesondere über Art und Ausmaß der Betroffenheit sowie der zu erwartenden
Nachteile, Gefahren oder Belästigungen, nicht möglich ist. Dafür, dass der
Zurverfügungstellung dieser Informationen berechtigte Geheimhaltungsinteressen der
Beklagten entgegengestanden haben könnten, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Weiterhin hat keine ausreichende Beteiligung anderer Behörden oder Träger öffentlicher
Belange stattgefunden. Der Begründung der Verwaltungsentscheidung (S. 11) ist zu
entnehmen, dass sich die Beklagte auf eine zusammenfassende Bewertung der „in den
einzelnen Stellungnahmen der anzuhörenden Gemeinden und Ämter angeführten
Bedenken und Belange“ beschränkt hat. Weitere Behörden oder Träger öffentlicher
Belange - wie vor allem das Landesumweltamt - sind trotz der sich aufdrängenden
Auswirkungen des Vorhabens, insbesondere hinsichtlich der im Rahmen zahlreicher
früherer gerichtlicher Auseinandersetzungen offensichtlich gewordenen
Immissionskonflikte, ebenso wenig beteiligt worden wie z.B. Naturschutz- oder
Wirtschaftsverbände. Davon, dass in der Planung in umfassender Weise alle planerischen
Gesichtspunkte einbezogen worden wären, die zur möglichst optimalen Verwirklichung
der Planungsaufgabe sowie zur Bewältigung der von dem Planungsvorhaben in seiner
räumlichen Umgebung erst aufgeworfenen Probleme von Bedeutung sind, kann nach
alledem keine Rede sein.
Schließlich fehlt es an einer einheitlichen Abwägungsentscheidung, die dem Grundsatz
der Problembewältigung gerecht wird. Dass eine umfassende Problembewältigung im
Rahmen einer einheitlichen Abwägungsentscheidung nicht stattgefunden hat, ist daraus
zu ersehen, dass die Beklagte von vornherein lediglich die Belange der angehörten
Gemeinden in der unmittelbaren Nachbarschaft des Truppenübungsplatzes einbezogen
und die Belange anderer Gemeinden sowie die Lärmbelastungen betroffener Privater
ausgeklammert hat. Zu diesen Belangen haben erst im Laufe der Gerichtsverfahren
schrittweise und jeweils isoliert Teilabwägungen stattgefunden, so z.B. auch in Bezug auf
die Klägerin des vorliegenden Verfahrens mit Schriftsätzen vom 19. Dezember 2005 und
25. Juni 2007 (vgl. hierzu im Einzelnen weiter unten zu 4.). Eine objektive Rechtfertigung
dafür, dass die Abwägung der Belange privater Betroffener und anderer Gemeinden
faktisch einem späteren Verfahren vorbehalten geblieben ist, ist nicht erkennbar. Dass
die Abweichung von dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Planungsentscheidung auf
einer unzutreffenden Rechtsauffassung der Beklagten beruht, die ihren Grund in einem
zu engen Verständnis der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.
Dezember 2000 findet, lässt den Verfahrensfehler nicht entfallen.
c) Die Verletzung der im Hinblick auf den planerischen Charakter der
Verwaltungsentscheidung aus rechtsstaatlichen Gründen geltenden
Mindestanforderungen an das Verfahren ist nicht gemäß § 45 Abs. 1 und 2 VwVfG
unbeachtlich.
Gemäß § 45 Abs. 1 VwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften,
die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die in
Nr. 1 bis 5 genannten Verfahrenserfordernisse nachträglich erfüllt werden. Gemäß § 45
Abs. 2 VwVfG können Handlungen nach Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten
Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
Hinsichtlich der Durchführung eines umfassenden Anhörungsverfahrens in Form einer
öffentlichen Auslegung, der Beteiligung von Behörden oder sonstigen Trägern
öffentlicher Belange sowie des Abschlusses des Verfahrens mit einer einheitlichen
Abwägungsentscheidung, die dem Grundsatz der Problembewältigung gerecht wird,
kommt eine Heilung in entsprechender Anwendung von § 45 Abs. 1 VwVfG danach schon
deshalb nicht in Betracht, weil eine Nachholung dieser Verfahrenshandlungen bis zum
jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgt ist.
Selbst wenn man hier lediglich darauf abstellt, ob eine Anhörung der Klägerin nachgeholt
worden ist, kommt eine Unbeachtlichkeit gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG nicht in
Betracht. Denn dies setzt voraus, dass der mit dem Verfahrenserfordernis verfolgte
Zweck auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, d.h. ohne Aufhebung oder
jedenfalls Feststellung der Nichtvollziehbarkeit der Verwaltungsentscheidung, erreicht
werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, NVwZ 2008, 1349,
1350, Rn. 24). Hierfür ist es erforderlich, dass die zuständige Behörde ein etwaiges
Vorbringen der Betroffenen zur Kenntnis nimmt und bei ihrer Entscheidung ernsthaft in
Erwägung zieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 1982 - 1 C 22/81 -, BVerwGE 66,
111, 114). Ohne eine derartige Begrenzung der Möglichkeit zur Nachholung im
gerichtlichen Verfahren würde die Funktion der Anhörung, etwa entgegenstehende,
abwägungserhebliche Interessen möglichst frühzeitig in den Planungsvorgang einfließen
zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988 - 4 C 40.86 -, BVerwGE 81, 95,
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zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988 - 4 C 40.86 -, BVerwGE 81, 95,
107), leerlaufen. Die mit Schriftsatz der Beklagten vom 19. Dezember 2005 eingereichte
„Nachträgliche Abwägung“ vom 16. Dezember 2005 und die im Schriftsatz der
Beklagten vom 25. Juni 2007 vorgenommene „ergänzende Abwägung“ haben hiervon
ausgehend nicht zu einer Heilung der Anhörungsmängel geführt. Zwar geht daraus
hervor, dass die in der Klagebegründung angegebenen Gesichtspunkte zur Kenntnis
genommen worden sind und eine Abwägung zwischen den privaten Belangen der
Klägerin und den für das Vorhaben der Beklagten sprechenden öffentlichen Belangen
erfolgt ist. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass die Anhörung zu diesem Zeitpunkt ihre
Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde noch uneingeschränkt erreichen
konnte. Dass die Beklagte von vornherein nicht bereit war, ihre bereits getroffene
Standortentscheidung aufgrund der in der nachträglichen Anhörung geltend gemachten
Belange noch einmal zu überdenken oder auch nur zu prüfen, ob sich etwa durch eine
Verlegung der vorgesehenen An- und Abflugrouten oder eine andere Anordnung der
Überflugbeschränkungen die von dem Vorhaben insgesamt ausgehenden Belastungen
reduzieren lassen, geht aus den Ausführungen in der nachträglichen Abwägung vom 16.
Dezember 2005 deutlich hervor. Danach seien die im Betriebskonzept festgelegten Ein-
und Ausflugbereiche sowie die Überflugbeschränkungen „maßgeblich unter Betrachtung
und Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit benachbarter Ortschaften und der
Verhältnisse in der gesamten Umgebung des Luft-Boden-Schießplatzes gerade im
Hinblick auf die Vielzahl der in den jeweiligen Ortslagen Betroffenen fehlerfrei festgelegt
worden“. Dies gelte „ebenso für die Flugverfahren insgesamt, die als Ergebnis der
Anhörung nochmals eingehend geprüft und schließlich unter größtmöglicher
Berücksichtigung der geltend gemachten Belange zugunsten der im Umfeld des
Truppenübungsplatzes Wittstock lebenden Bevölkerung umfangreich modifiziert worden“
seien. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass eine Überprüfung der Ein- und
Ausflugbereiche, Überflugbeschränkungen oder Flugverfahren lediglich unter
Berücksichtigung der in dem der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003
vorausgegangenen Anhörungsverfahren geltend gemachten Belange erfolgt ist. Die
nachträglichen Anhörungen auf der Grundlage der in den einzelnen Klageverfahren
geltend gemachten Belange haben der Beklagten demnach gerade keinen Anlass zu
einer erneuten Prüfung der Ein- und Ausflugbereiche, Überflugbeschränkungen oder
Flugverfahren gegeben, obwohl die von diesen Betroffenen geltend gemachten Belange
nicht einmal ansatzweise in die Planungsentscheidung eingegangen sein konnten.
d) Der Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung wegen des fehlerhaften
Anhörungsverfahrens steht nicht § 46 VwVfG entgegen.
Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44
VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von
Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande
gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der
Sache nicht beeinflusst hat. Zwar entspricht es allgemeiner Ansicht, dass bei
Ermessens-, Beurteilungs- und Planungsentscheidungen wegen des ihnen immanenten
Entscheidungsspielraums die von § 46 VwVfG vorausgesetzte Alternativlosigkeit der
Sachentscheidung in der Regel nicht gegeben ist (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 46 Rn.
32 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für Planungsverfahren, bei denen die abschließende
Entscheidung auf einer Abwägung unterschiedlicher Belange beruht (vgl. BVerwG, Urteil
vom 31. Oktober 1990 - 4 C 7/88 -, NVwZ 1991, 163, 164). Allerdings wird gleichwohl im
Einzelfall eine entsprechende Prüfung verlangt. Der insoweit erforderliche
Kausalzusammenhang setzt die konkrete Möglichkeit voraus, dass die angegriffene
behördliche Entscheidung ohne den Verfahrensfehler anders, d.h. für die Betroffenen
günstiger, ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 6 C 38/07 -,
Juris, Rn. 42, m.w.N.).
So liegt der Fall hier. Dass die Beklagte die privaten Interessen der Klägerin und die
öffentlichen Interessen an der Nutzung des Truppenübungsplatzes als Luft-Boden-
Schießplatz bei rechtzeitiger Anhörung anders bewertet hätte, ergibt sich aus der bereits
zitierten Passage in der nachträglichen Abwägung vom 16. Dezember 2005. Danach hat
die Beklagte nämlich grundsätzlich einen Ausgleich öffentlicher und privater Belange
durch Modifikationen des Betriebskonzepts im Rahmen der Planungsentscheidung für
möglich gehalten, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb nicht auch die Belange der
Klägerin - sowie der anderen nachträglich angehörten Betroffenen - im Rahmen eines
planerischen Interessenausgleichs insbesondere zu einer modifizierten Festlegung der
An- und Abflugstrecken hätten führen können, wenn sie von der Beklagten rechtzeitig
zur Kenntnis genommen worden wären.
e) Die Klägerin kann sich auf die festgestellten Verfahrensfehler berufen.
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Zwar hat die Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur Erfolg, soweit der
Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird.
Die angefochtene Verwaltungsentscheidung ist deshalb nur an Vorschriften zu messen,
die zumindest auch dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt sind. Die Einhaltung
von Verfahrensvorschriften dient dem Schutz potentiell betroffener Dritter grundsätzlich
nur insofern, als das Verfahrensrecht gewährleisten soll, dass die materiellrechtlichen
Schutzvorschriften eingehalten sind. Die auf einen Fehler des Verwaltungsverfahrens
gestützte Klage hat deshalb nur Erfolg, wenn der Dritte dartut, dass und inwieweit sich
die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschrift auf seine materiellrechtliche Position
ausgewirkt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1980 - 7 C 84.78 -, BVerwGE 61,
256, 275; Urteil vom 5. Oktober 1990 - 7 C 55 und 56.89 -, NVwZ 1991, 369, 371). Da
private Dritte sich nicht zum Sachwalter fremder Interessen machen dürfen, sondern auf
die Verteidigung eigener Rechte beschränkt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai
2005 - 4 VR 2000.05 -, NVwZ 2005, 940, 942), haben sie im Regelfall auch keinen
Anspruch auf Durchführung eines bestimmten Verwaltungsverfahrens (vgl. BVerwG,
Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, 181 f., Rn. 196). Eine
Ausnahme ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar für diejenigen
Fälle anerkannt, in denen ein Planfeststellungsbeschluss die Entziehung von
Grundeigentum im Wege der Enteignung zulässt und sich der Betroffene unmittelbar auf
den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GG
berufen kann. In diesen Fällen hat der Einzelne ein klagefähiges Abwehrrecht auch
insoweit, als sich die Rechtswidrigkeit des Vorhabens aus der Verletzung objektiv-
rechtlicher Vorschriften ergibt und die Inanspruchnahme seines Grundeigentums in
einem Ursachenzusammenhang mit dem rechtlichen Mangel steht (vgl. BVerwG, Urteil
vom 18. März 1983 - 4 C 80.79 -, BVerwGE 67, 74, 76). Die angefochtene
Verwaltungsentscheidung sieht indes keinen unmittelbaren Zugriff auf Eigentum der
Klägerin vor und entfaltet daher keine enteignungsrechtlichen Vorwirkungen zu ihren
Lasten. Die Klägerin ist auch nicht deshalb enteignend betroffen, weil ihre Grundstücke
unzumutbaren Lärmbelastungen ausgesetzt werden sollen. Mittelbare
Beeinträchtigungen, also solche, durch die - wie vorliegend - das Eigentum nicht
vollständig oder teilweise entzogen wird, bestimmen unabhängig von ihrer Intensität
Inhalt und Schranken des Eigentums i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und stellen keine
Enteignung i.S. des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai
2005, a.a.O., S. 940, m.w.N.).
Trotz dieser rechtlichen Ausgangslage ist jedenfalls unter den Umständen des
vorliegenden Einzelfalls davon auszugehen, dass das Fehlen eines den oben dargelegten
Anforderungen entsprechenden Beteiligungsverfahrens und einer umfassenden
Problembewältigung in einer einheitlichen Abwägungsentscheidung zu einem
erheblichen Verfahrensfehler führt, der von der Klägerin auch geltend gemacht werden
kann. Denn zum einen berührt der Verfahrensfehler das materielle Recht der Klägerin
auf Abwägung ihrer Belange im Rahmen einer Gesamtabwägung (aa). Zum anderen
kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall auf „absolute“ Verfahrensrechte berufen
(bb).
aa) Die vom Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 14. Dezember 2000 (a.a.O., S.
285 f.) für die militärische Weiternutzung des streitgegenständlichen Geländes
aufgestellte Voraussetzung einer „dem materiellen Recht entsprechenden
Entscheidung“, die „planerische Elemente einschließt“, beinhaltet - wie bereits
ausgeführt - die materiellrechtliche Bindung der Beklagten an das sich unmittelbar aus
dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Gebot, alle von der Planung berührten öffentlichen
und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Diesem
Abwägungsgebot korrespondiert ein Abwägungsanspruch der betroffenen Privaten und
Gemeinden, der sich auch auf eine planerische Gesamtabwägung erstreckt, bei der das
gesamte Entscheidungsgeflecht aller Belange in Betracht zu ziehen und abzuwägen ist.
Soweit die Beklagte hierin einen Widerspruch zur Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und zu der vom erkennenden Senat noch im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren vertretenen Auffassung sieht, wonach dem planbetroffenen
Bürger lediglich ein subjektives öffentliches Recht auf gerechte Abwägung seiner eigenen
Belange zustehe, wird diese Betrachtungsweise bei der im Hauptsacheverfahren
gebotenen eingehenderen Prüfung der Besonderheit des vorliegenden Falles nicht
gerecht. Diese besteht darin, dass nicht nur die Interessen der Klägerin, sondern auch
diejenigen aller anderen privaten Betroffenen sowie der nicht in der unmittelbaren
Umgebung des Truppenübungsplatzes gelegenen Gemeinden in der ursprünglichen
Verwaltungsentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt worden sind, sondern erst
später im Rahmen der diversen nachträglichen und ergänzenden Abwägungen jeweils
einzeln den für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belangen gegenübergestellt
wurden. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die von einer Planung
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wurden. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die von einer Planung
Betroffenen wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht beanspruchen können, dass zu ihren
Gunsten auch die vorhabenfeindlichen öffentlichen Belange oder die gegen das
Vorhaben sprechenden privaten Belange Dritter berücksichtigt werden, selbst wenn
diese den ihrigen gleichartig oder zumindest vergleichbar sind, und eine „Anreicherung
des Gewichts der gegen einen Plan vorgebrachten eigenen Belange durch die
Summierung mit dem Gewicht entsprechender fremder Belange“ nicht in Betracht
komme (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2005, a.a.O., S. 942), bezieht sich
demgegenüber auf den fachplanungsrechtlichen „Normalfall“, dass in einem
Planfeststellungsverfahren eine zumindest annähernd umfassende Ermittlung
abwägungserheblicher Belange stattgefunden hat und auf dieser Grundlage eine
einheitliche, dem Grundsatz der Problembewältigung jedenfalls ansatzweise gerecht
werdende Gesamtabwägung sämtlicher für und gegen das geplante Vorhaben
sprechender Belange unter- und gegeneinander durchgeführt worden ist. In einem
solchen Fall wäre es in der Tat nicht gerechtfertigt, jedem einzelnen Planbetroffenen,
dessen abwägungserhebliche Belange in der Planungsentscheidung möglicherweise
unzureichend berücksichtigt worden sind, einen Anspruch auf eine (erneute)
Gesamtabwägung einzuräumen.
Im vorliegenden Fall hat die gebotene Gesamtabwägung bisher jedoch nicht
stattgefunden, weil die Planungsbehörde - aufgrund eines Rechtsirrtums hinsichtlich ihrer
Verfahrenspflichten - von vornherein nur einen begrenzten Ausschnitt der gegen das
Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange in den Blick genommen und die privaten
Belange ausgeblendet hat. Da es mithin nicht nur um die fehlende oder unzureichende
Berücksichtigung einzelner Belange in der Abwägungsentscheidung geht, sondern eine
einheitliche, dem Grundsatz der Problembewältigung zumindest ansatzweise gerecht
werdende Gesamtabwägung sämtlicher für und gegen das geplante Vorhaben
sprechender Belange vollständig fehlt, kann die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts keine Anwendung finden. Würde man das von der Beklagten
gewählte Verfahren, die vorhabenfeindlichen Belange im Wesentlichen erst nach der
bereits getroffenen Entscheidung zu ermitteln und jeweils einzeln gegen die für das
Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange abzuwägen, für zulässig halten, könnte das
Abwägungsgebot seine rechtsstaatliche Funktion, den Ausgleich von Interessen und die
Koordination von Aktivitäten in einem Gefüge abgestimmter, miteinander zu einem
Konzept verflochtener Maßnahmen zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen und würde
letztlich leerlaufen. Da das Gewicht individueller und kommunaler Belange in einer
unauflöslichen Wechselbeziehung zu dem Gewicht der für das Planvorhaben angeführten
Gründe steht (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 -, BVerwGE 48, 56,
66 f., und vom 20. April 2005 - 4 C 18.03 -, BVerwGE 123, 261, 267 f.), ist es gerade bei
raum- und umweltrelevanten Großvorhaben mit zahlreichen mittelbar Betroffenen
nahezu ausgeschlossen, dass die Belange eines einzelnen betroffenen Anwohners oder
einer einzelnen betroffenen Gemeinde im Rahmen der Abwägung den Ausschlag zu
Lasten der für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen geben können. Im
vorliegenden Fall ist das bei einer jeweils isolierten Abwägung der Einzelbelange im
Verhältnis zu den für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen nahezu
zwangsläufig entstehende Gewichtungsgefälle durch die besonders eindringliche, durch
zahlreiche Unterstreichungen und Wiederholungen geprägte Darstellung des Gewichts
des öffentlichen Interesses an einer militärischen Fortnutzung des
Truppenübungsplatzes Wittstock als Luft-Boden-Schießplatz in den nachträglichen
Abwägungen besonders ausgeprägt. Denn es liegt auf der Hand, dass sich im Verhältnis
zu dem von der Beklagten geltend gemachten überragenden öffentlichen Interesse an
einer optimalen Einsatzfähigkeit der Luftwaffe die entgegenstehenden privaten Belange
bei jeweils nur isolierter Betrachtung kaum durchsetzen können.
Die Verfahrensweise der Beklagten, die Abwägung gleichsam zu „atomisieren“, indem
die abwägungserheblichen Belange jeweils nur isoliert in den Blick genommen und im
Verhältnis zu den für das Vorhaben sprechenden - zweifellos besonders gewichtigen -
öffentlichen Interessen „weggewogen“ werden, verkennt die grundlegenden
Voraussetzungen des für jede Planungsentscheidung wesentlichen Abwägungsvorgangs.
Wie bereits oben ausgeführt, geht es bei der Planung durchweg um einen Ausgleich
mehr oder weniger zahlreicher, in ihrem Verhältnis zueinander komplexer Interessen.
Die einzelnen betroffenen Belange gehen im Abwägungsvorgang in die von der
Planungskonzeption her bestimmte planerische Gesamtschau ein und schlagen insoweit
durch die Summierung mit den ihnen entsprechenden Belangen anderer Betroffener in
dem insgesamt zu berücksichtigenden Abwägungsmaterial zu Buche (vgl. BVerwG, Urteil
vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 -, BVerwGE 56, 110, 128). Gerade weil der einzelne
Planbetroffene in aller Regel keinen Anspruch auf ein bestimmtes Abwägungsergebnis
hat, verbleibt als wesentlicher Inhalt des Anspruchs auf gerechte Abwägung in diesen
Fällen die bloße Chance, das Gewicht der gegen das Vorhaben sprechenden Belange -
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Fällen die bloße Chance, das Gewicht der gegen das Vorhaben sprechenden Belange -
wenn auch möglicherweise nur geringfügig - verstärken und den Abwägungsvorgang
derart mit beeinflussen zu können, dass im Abwägungsergebnis aufgrund des
Zusammenwirkens aller abwägungserheblichen Belange ein anderer, dem jeweiligen
Betroffenen möglicherweise günstigerer Ausgleich der Interessen getroffen wird. Dies
klingt auch in der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an,
wonach eine Vielzahl inhaltsgleicher („paralleler“) Einwendungen Betroffener zu einer
qualitativen Veränderung führen und den privaten Belangen in ihrer Gesamtheit die
Qualität eines öffentlichen Belangs von Gewicht verleihen kann (vgl. in diesem
Zusammenhang auch: BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125,
116, 142, Rn. 82). Durch das Vorgehen der Planungsbehörde, die Belange nur jeweils
einzeln zu ermitteln und den für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Interessen
gegenüberzustellen, wird die sich in der Gesamtabwägung realisierende Chance auf
inhaltliche Beeinflussung der Planungsentscheidung im Ergebnis in unzulässiger Weise
vereitelt und der Anspruch auf gerechte Abwägung verkürzt. Würde in einem solchen Fall
jedem Planbetroffenen mit Rücksicht auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO jeweils lediglich ein
Anspruch auf isolierte Abwägung seiner eigenen Belange zustehen, hätte im Ergebnis
niemand die Möglichkeit, diese Art von - besonders schwerwiegenden -
Abwägungsfehlern gerichtlich geltend zu machen.
bb) Dass die Klage schon wegen der aufgezeigten objektiven Fehler im
Planungsverfahren Erfolg haben muss, ergibt sich zudem daraus, dass der Beachtung
der dargelegten verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen eine besondere
Bedeutung zukommt, die ausnahmsweise die Annahme „absoluter“ Verfahrensrechte
rechtfertigt.
Anders als im sonstigen Fachplanungsrecht besteht im vorliegenden Fall die
Besonderheit, dass die verfahrensmäßigen Anforderungen an die zu treffende
Planungsentscheidung keiner gesetzlichen Regelung entnommen werden können. Der
aus diesem Regelungsdefizit eigentlich zu ziehenden Konsequenz, dass der Beklagten
bis zum Erlass eines entsprechenden Gesetzes eine Regelung zur Weiternutzung des
Truppenübungsplatzes als Luft-Boden-Schießplatz verwehrt und die
Verwaltungsentscheidung allein schon mangels gesetzlicher Grundlage aufzuheben
wäre, steht jedoch die bereits mehrfach erwähnte Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2000 entgegen, der zufolge es keiner
über Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 19 EV hinausreichenden Rechtsgrundlage bedürfe. Fehlt
mithin ein - im Regelfall schon aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotener -
gesetzlicher Rahmen, der die sachgerechte Ermittlung aller planerisch relevanten
Belange sicherstellt, bedarf der dadurch entstehende weitreichende Spielraum der
Behörde bei der Gestaltung des Verfahrens einer Kompensation durch erweiterte
Möglichkeiten der Planbetroffenen, die Rechtmäßigkeit des Planungsverfahrens unter
Rückgriff auf richterrechtlich zu entwickelnde Vorgaben verwaltungsgerichtlich überprüfen
zu lassen. Die Anwendung der im Zusammenhang mit gesetzlich geregelten
Fachplanungsverfahren entwickelten Grundsätze bedarf deshalb in diesem Sonderfall
einer Modifizierung dahingehend, dass der Stellenwert der Einhaltung der
verfahrensmäßigen Anforderungen demjenigen nahe kommt, der bei sog. absoluten
Verfahrensrechten besteht, deren Verletzung zum Klageerfolg ohne konkrete Prüfung
der materiell-rechtlichen Auswirkungen führt (vgl. hierzu Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 113 Rn. 14). Das Ergebnis, dass die Nichtbeachtung der im
Hinblick auf die zu treffende planerische Entscheidung gebotenen
Verfahrensanforderungen jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falles von
der Klägerin geltend gemacht werden kann, wird durch eine Folgenbetrachtung unter
dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gestützt. Denn
der im Zusammenhang mit gesetzlich geregelten Fachplanungsverfahren in der
Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz, dass Betroffene im Regelfall keinen Anspruch
auf Durchführung eines bestimmten Verwaltungsverfahrens haben, würde hier zu der
rechtsstaatlich schwer erträglichen Folge führen, dass ungeachtet der Vielzahl der von
der Beklagten bei der Entscheidung über das Ob und Wie der militärischen Fortnutzung
des Truppenübungsplatzes übergangenen abwägungserheblichen Belange keiner der
Betroffenen die Möglichkeit hätte, das Fehlen eines sachangemessenen
Beteiligungsverfahrens und einer planerischen Gesamtabwägung mit der Klage geltend
zu machen.
4. Selbst wenn nicht schon das von der Beklagten in Anlehnung an § 1 Abs. 2 und 3 LBG
durchgeführte Verfahren - vor allem wegen der Beschränkung der Anhörung auf
ausgewählte Gemeinden und des Verzichts auf eine umfassende Problembewältigung im
Rahmen einer Gesamtabwägung - zu einer Aufhebung der Verwaltungsentscheidung
führen würde, wäre die angefochtene Verwaltungsentscheidung jedenfalls materiell
rechtswidrig. Unter Berücksichtigung der Präzisierungen im gerichtlichen Verfahren ist
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rechtswidrig. Unter Berücksichtigung der Präzisierungen im gerichtlichen Verfahren ist
die Verwaltungsentscheidung zwar ausreichend bestimmt (a). Auch ist eine
Planrechtfertigung vorhanden (b) und kein Verstoß gegen drittschützende Vorschriften
des Raumordnungsrechts festzustellen (c). Die Verwaltungsentscheidung leidet jedoch
unter erheblichen Abwägungsfehlern (d), auf die sich die Klägerin auch berufen kann (e).
a) Unter Berücksichtigung der Präzisierungen im gerichtlichen Verfahren ist die
Verwaltungsentscheidung der Beklagten vom 9. Juli 2003 im Sinne des § 37 Abs. 1
VwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt.
Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts bedeutet, dass der Inhalt der
getroffenen Regelung, der Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und
den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen für die
Beteiligten gemäß § 13 VwVfG, insbesondere für die Adressaten des Verwaltungsakts so
vollständig klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach
richten können, und dass auch die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit der
Angelegenheit befassten Behörden und deren Organe den Inhalt etwaigen
Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen
können. Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten gehen zu Lasten der Behörde (vgl.
Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 5).
Ob die angefochtene Verwaltungsentscheidung bereits in ihrer ursprünglichen Fassung
vom 9. Juli 2003 ausreichend bestimmt gewesen ist, erscheint allerdings zweifelhaft. Die
Verwaltungsentscheidung regelt nicht nur allgemein die Zulassung des Vorhabens der
Beklagten, sondern enthält auch eine Betriebsregelung. Nach dem Tenor der
Verwaltungsentscheidung wird der Truppenübungsplatz „gemäß dem auf der Grundlage
der Anhörung modifizierten Betriebskonzept vom 20. Januar 2003 (…) weiterhin als Luft-
Boden-Schießplatz für ca. 1700 Einsätze pro Jahr“ sowie als „Standortübungsplatz für
die Ausbildung von Bodentruppen“ und für eine „Standortschießanlage mit vier
Schießständen für Handfeuerwaffen“ genutzt. Das als Anlage 2 der
Verwaltungsentscheidung beigefügte „Betriebskonzept für den Luft/Boden-Schießplatz
auf dem Truppenübungsplatz Wittstock“ ist für sich genommen nicht geeignet, den
Flugbetrieb einschließlich der An- und Abflüge und damit die Merkmale des Vorhabens,
deren genaue Festlegung erforderlich ist, um unzumutbare Lärmbelastungen für die
Umgebung des Truppenübungsplatzes auszuschließen, ausreichend zu beschreiben.
Zwar wird die Zahl der Einsätze – anderes als im Tenor der Verwaltungsentscheidung
(„ca. 1700 Einsätze pro Jahr“) – mit „maximal 1700 Einsätzen“ angegeben. Es fehlt
jedoch an mehreren Parametern, die für die Einschätzung der Lärmauswirkungen, die
bei Bestandskraft der Verwaltungsentscheidung von den Anwohnern zu dulden sind,
entscheidend sind. Insbesondere enthalten weder die Verwaltungsentscheidung noch
das Betriebskonzept nähere Angaben zu den Flugrouten. Auch fehlt es an jeglichen
Vorgaben zu der Zahl der taktischen Verfahren mit einer An- und Abflughöhe von nur
150 m. Dass gerade diesen Flugverfahren eine besondere Bedeutung zukommen soll,
ergibt sich aus dem wiederholt hervorgehobenen Vortrag der Beklagten, dass sich der
Bedarf für die Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock als Luft-Boden-Schießplatz
vor allem daraus ergebe, dass die taktischen Verfahren nicht auf den vorhandenen Luft-
Boden-Schießplätzen in Nordhorn und Siegenburg geübt werden könnten. Weiter fehlen
in dem Betriebskonzept Angaben zu der einzuhaltenden Fluggeschwindigkeit. Dass die
Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 diesbezüglich erhebliche Unklarheiten
aufwies, lässt sich insbesondere daran erkennen, dass erstmals in dem von der
Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 25. Juni 2007 vorgelegten
A.-Teilgutachten vom 24. Juni 2007 die zahlenmäßige Verteilung des von der
Bundeswehr geplanten Flugaufkommens auf die einzelnen Flugverfahren und die dabei
eingesetzten Luftfahrzeuge detailliert angegeben und auf den dem Gutachten als
Anlage beigefügten Plänen eine detaillierte Zuordnung der Flugbewegungen zu den
einzelnen Flugverfahren erfolgt ist. Die in dem Gutachten enthaltenen Präzisierungen
lassen die Verwaltungsentscheidung jedoch nunmehr als ausreichend bestimmt
erscheinen, denn sie ermöglichen eine hinreichend zuverlässige Prognose der
Lärmbelastungen. Dass diese Präzisierungen nicht förmlich in den Text der
Verwaltungsentscheidung oder des Betriebskonzepts aufgenommen worden sind, ist
unschädlich; es genügt, wenn der Inhalt der Regelung aufgrund einer Auslegung des
Verwaltungsakts unter Berücksichtigung der weiteren Umstände sowie nach Treu und
Glauben erkennbar ist. Schriftsätzliche Erklärungen in einem gerichtlichen Verfahren sind
zur Auslegung des Regelungsgehalts heranzuziehen. Anders als bei einer
Baugenehmigung, deren Inhalt in der Regel durch die Bauvorlagen abschließend
bestimmt wird, bestehen im vorliegenden Fall keine gesetzlichen Vorschriften, die das
Gericht daran hindern, zur Bestimmung des Regelungsgehalts des Verwaltungsakts
ergänzend auf schriftsätzliche Erklärungen der Behörde im gerichtlichen Verfahren
abzustellen.
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b) Die Verwaltungsentscheidung ist auch nicht wegen fehlender Planrechtfertigung
aufzuheben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Planrechtfertigung ein
ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und eine Ausprägung des Prinzips der
Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, das mit Eingriffen in Rechte Dritter verbunden
ist. Dabei kann die in der Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärte Frage, ob
das fachplanungsrechtliche Erfordernis der Planrechtfertigung auch zu prüfen ist, wenn
die Planung zwar keine enteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltet, aber andere
Rechtspositionen der Klägerin betroffen sind (so z.B. BVerwG, Beschluss vom 17. Juni
1998 - 11 VR 9.97 -, LKV 1999, 144), hier offen bleiben (so auch BVerwG, Beschluss vom
19. Mai 2005 - 4 VR 2000.05 -, NVwZ 2005, 940, 941). Denn es kann jedenfalls nicht
festgestellt werden, dass der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 die
Planrechtfertigung fehlt. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn für das beabsichtigte
Vorhaben gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes
einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein Bedürfnis besteht, die
Maßnahme unter diesem Blickwinkel also objektiv erforderlich ist. Das ist nicht erst bei
Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern wenn es vernünftigerweise geboten
ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, 177, Rn.
182, m.w.N.).
Nach diesem Maßstab besteht für das Vorhaben der Beklagten eine ausreichende
Planrechtfertigung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verfassungsgeber mit Art. 87
a Abs. 1 Satz 1 GG, wonach der Bund Streitkräfte zur Verteidigung aufstellt, zugleich
eine Grundentscheidung für die militärische Landesverteidigung getroffen hat. Welche
Maßnahmen zur Konkretisierung dieses Verfassungsauftrags erforderlich sind, haben
nach der gewaltenteilenden Verfassungsordnung des Grundgesetzes der Gesetzgeber
und die für das Verteidigungswesen zuständigen Organe des Bundes zu entscheiden.
Dabei handeln sie weitgehend nach politischen Erwägungen und in eigener
Verantwortung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 18.93 -, BVerwGE 97,
203, 209). Die Einschätzung, dass die militärische Nutzung des streitgegenständlichen
Geländes als Luft-Boden-Schießplatz notwendig sei, hält sich innerhalb des der
Beklagten zustehenden verteidigungspolitischen Beurteilungsspielraums. Angesichts der
ausführlichen und schlüssigen Darstellung der Beklagten in der Begründung der
angefochtenen Verwaltungsentscheidung sowie insbesondere in der nachträglichen
Abwägung und im gerichtlichen Verfahren ist das Vorhaben vernünftigerweise geboten,
zumal es mit dem Truppenübungsplatzkonzept im Einklang steht, dem der Deutsche
Bundestag im Januar 1993 zugestimmt hat. Hiervon ist auch bereits das
Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 14. Dezember 2000 ausgegangen,
wenn dort ausgeführt wird, die Beklagte könne „gewichtige Gründe dafür anführen, den
Truppenübungsplatz Wittstock weiterhin militärisch zu nutzen“. Lasse sich der von der
Beklagten geltend gemachte „dringende Bedarf an Flächen (…), die als Luft-Boden-
Schießplatz verwendbar sind“, „an einem Standort decken, der, wie das Gelände bei
Wittstock, für diesen Zweck, bereits seit Jahrzehnten erprobt ist, so widerspräche es
jeder Vernunft, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen und stattdessen
einen Übungsplatz an anderer Stelle einzurichten (vgl. BVerwGE 112, 274, 292).
c) Die Verwaltungsentscheidung ist weiter nicht wegen Verstößen gegen Vorschriften
des Raumordnungsrechts aufzuheben.
Insbesondere ist § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Brandenburgischen Landesplanungsgesetzes
(BbgLPlG), wonach die bisher militärisch genutzten Flächen und Einrichtungen für zivile
Zwecke nutzbar zu machen sind (Satz 1) und dabei vorrangig den räumlichen Interessen
der Kommunen und des Landes Rechnung zu tragen ist (Satz 2), hier nicht einschlägig,
da es bereits an der Voraussetzung einer „bisher“ militärisch genutzten Fläche fehlt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat insofern klargestellt, dass die der Beklagten durch
Art. 21 und 19 EV ermöglichte Nutzung der vormals sowjetisch genutzten
Liegenschaften weder durch das Gesetz zum Vertrag vom 12. Oktober 1990 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen
Abzugs der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
(BGBl. II S. 258) noch durch Entwidmung ausgeschlossen oder eingeschränkt worden ist
(vgl. Urteil vom 14. Dezember 2000, a.a.O., S. 281 ff.). Das streitgegenständliche
Gelände unterfiel damit zu keinem Zeitpunkt dem Anwendungsbereich von § 3 Abs. 1
Nr. 4 BbgLPlG. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass die Festlegung des § 3 Abs. 1
Nr. 4 BbgLPlG nicht ausschließlich öffentlichen Interessen, sondern gerade auch dem
Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt ist und ihr ein Abwehrrecht gegen eine sie
belastende Fachplanung einräumen soll.
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d) Die Verwaltungsentscheidung der Beklagten ist jedoch wegen Abwägungsfehlern
rechtswidrig.
Aus den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 14. Dezember
2000 (a.a.O.) folgt - wie oben dargelegt -, dass die Beklagte über die militärische
Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock eine planerische Entscheidung zu treffen
hat. Planungsentscheidungen unterliegen grundsätzlich den rechtlichen Anforderungen
des fachplanerischen Abwägungsgebots (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007 - 4
C 9.06 -, BVerwGE 130, 83, 104, Rn. 58). Das Gebot gerechter Abwägung aller von der
Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ergibt sich, wie das
Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, unabhängig
von einer gesetzlichen Positivierung aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung und
gilt dementsprechend allgemein (vgl. z.B. Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 u.a. -,
BVerwGE 56, 110, 116, m.w.N.). Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine
Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen
eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass -
drittens - weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange
verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur
objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (ständige
Rechtsprechung seit dem Urteil vom 12. Dezember 1969 – 4 C 105.66 -, BVerwGE 34,
301, 309). Diese Anforderungen richten sich grundsätzlich sowohl an den
Abwägungsvorgang als auch an das im Plan zum Ausdruck gekommene
Abwägungsergebnis (vgl. Urteil vom 5. Juli 1974 – 4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 309, 315).
In Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall ist zwar davon auszugehen dass
eine Abwägung vor Erlass der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 grundsätzlich
stattgefunden hat. In diese Abwägung ist jedoch nicht an Belangen eingestellt worden,
was nach Lage der Dinge in sie hätte eingestellt werden müssen, da die Belange der
Klägerin nicht ermittelt worden sind (aa). Selbst unter Berücksichtigung der
nachträglichen Abwägung vom 16. Dezember 2005 und der ergänzenden Abwägung
vom 25. Juni 2007 fehlt es an einer vollständigen und zutreffenden Ermittlung der
abwägungserheblichen Belange (bb). Auf das Abwägungsdefizit kann sich die Klägerin im
vorliegenden Fall auch berufen (cc).
aa) Die Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 leidet - bei isolierter Betrachtung -
schon deshalb an einem gravierenden Abwägungsdefizit, weil die Belange der Klägerin
nicht ermittelt worden sind.
Insbesondere bei der Festlegung der An- und Abflugstrecken in dem zur
Verwaltungsentscheidung gehörenden Betriebskonzept sind die Lärmschutzinteressen
der betroffenen Privaten sowie der außerhalb der unmittelbaren Umgebung des
Truppenübungsplatzes, aber unterhalb der An- und Abflugkorridore liegenden
Gemeinden nicht einmal im Wege einer generalisierenden Betrachtung in die gebotene
Abwägung eingestellt worden (vgl. bereits Beschlüsse des Senats vom 20. September
2005 - 2 S 99.05 - und vom 21. September 2005 - 2 S 100.05 -); denn ausweislich der
Begründung der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 (S. 21) haben nur solche von
den Gemeinden vorgetragenen Belange Berücksichtigung gefunden, die rechtlich der
Planungshoheit der (angehörten) Gemeinden zuzuordnen seien. Unter den Belangen,
die diese Voraussetzung nicht erfüllten, werden u.a. „Gesundheitsbeeinträchtigungen
der Bürger“ aufgeführt (S. 24 f. der Verwaltungsentscheidung). Im Anschluss hieran wird
zwar „dessen ungeachtet“ ausgeführt, dass durch die Nutzung des Luft-Boden-
Schießplatzes Wittstock aufgrund der ermittelten Lärmwerte nicht von zukünftigen
Gesundheitsbeeinträchtigungen der Bevölkerung i.S.d. Art. 2 Abs. 2 GG auszugehen sei.
Zur Begründung wird darauf verwiesen, es sei in der Rechtsprechung ungeklärt, ob
unterhalb der in der Rechtsprechung anerkannten Anhaltswerte für
Eigentumsbeeinträchtigungen eine eigenständige Schwelle zur Gesundheitsgefährdung
zu ziehen sei. Auch die Lärmwirkungsforschung liefere hierfür keine verbindlichen
Anhaltspunkte, da im Bereich der gesundheitlichen Schäden, die nicht das Gehör als
solches beträfen, keine ausschließlich durch Lärm verursachten Gesundheitsschäden
anerkannt seien. Lärm sei vielmehr regelmäßig nur mitwirkende, mit einer
unbestimmten Wahrscheinlichkeit zu Erkrankungen beitragende Ursache neben anderen
Schädigungsquellen. Vor diesem Hintergrund verlange die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2
GG nicht, dass auf wissenschaftlich ungeklärter Tatsachengrundlage Grenzwerte definiert
würden, weil nachteilige Auswirkungen von Immissionen auf die menschliche Gesundheit
nicht ausgeschlossen werden könnten. Mit diesem Ansatz wird der für die Ermittlung der
Abwägungserheblichkeit relevante Maßstab jedoch verfehlt (vgl. Beschlüsse des Senats
vom 20. September 2005 - 2 S 99.05 - und vom 21. September 2005 - 2 S 100.05 -).
Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfasst das
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Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfasst das
Abwägungsgebot grundsätzlich alle Rechtspositionen und sonstigen rechtlich
geschützten Interessen, unabhängig davon, ob diese Belange auch verfassungsrechtlich
abgesichert sind. Unbeachtlich sind nur solche Interessen, die entweder objektiv
geringfügig oder nicht schutzwürdig sind (vgl. Urteil vom 27. März 1992 - 7 C 18.91 -,
BVerwGE 90, 96, 101). Auch unterhalb der Schwelle der Unzumutbarkeit ist die (erhöhte)
Fluglärmbelastung mithin in die Abwägung einzubeziehen, sofern die Belastung mehr als
geringfügig ist und die betreffenden Belange schutzwürdig sind. Es ist ferner geklärt,
dass die durch Fluglärm Betroffenen ein subjektiv-öffentliches Recht darauf haben, dass
ihre Belange angemessen abgewogen werden. Die fachplanerischen
Abwägungsvorschriften entfalten insoweit zu ihren Gunsten drittschützende Wirkung (vgl.
BVerwG, Urteile vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, 205, Rn. 279,
vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 u.a., - BVerwGE 56, 110, 123, vom 29. Januar 1991 - 4 C
51.89 -, BVerwGE 87, 332, 342, und vom 27. Oktober 1998 - 11 A 1.97 -, BVerwGE 107,
313, 322). Dies muss auch für die streitgegenständliche planerische
Verwaltungsentscheidung über die militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes als
Luft-Boden-Schießplatz gelten.
bb) Selbst wenn - entgegen dem Ansatz des erkennenden Senats (vgl. oben zu 3.) -
unterstellt wird, dass nicht bereits das Fehlen einer Gesamtabwägung als
Verfahrensfehler zur Rechtswidrigkeit der Verwaltungsentscheidung führt und in die
Prüfung auch die nachträgliche Abwägung vom 16. Dezember 2005 und die ergänzende
Abwägung vom 25. Juni 2007, in deren Rahmen erstmals auch Belange der Klägerin
berücksichtigt werden, einzubeziehen sind, leidet die angefochtene
Verwaltungsentscheidung an beachtlichen Abwägungsfehlern.
Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die ergänzenden
Abwägungen vom 16. Dezember 2005 und 25. Juni 2007 – anders als das
Verwaltungsgericht meint – nicht bereits mit dem Hinweis auf das Fehlen einer den
Anforderungen der § 43 Abs. 1 und § 41 Abs. 1 VwVfG entsprechenden Bekanntgabe
ausgeblendet werden können. Zum einen ist schon fraglich, ob es an einer den
genannten Anforderungen entsprechenden Bekanntgabe der Abwägung vom 16.
Dezember 2005 überhaupt fehlt. Das Verwaltungsgericht weist insoweit selbst darauf
hin, dass der Klägerin die nachträgliche Abwägung vom 16. Dezember 2005 mit deren
Übersendung durch die Beklagte an das Gericht bekannt gegeben worden ist, da die
Beklagte mit einer Weiterleitung an die Klägerin rechnen musste. Der Ansatz des
Verwaltungsgerichts, die wirksame Bekanntgabe der nachträglichen Abwägung
gegenüber der Klägerin gleichwohl mit der Begründung zu verneinen, dass die
ursprüngliche Verwaltungsentscheidung ihr gegenüber nicht durch Bekanntgabe nach §
43 Abs. 1 VwVfG wirksam geworden sei, ist nicht schlüssig. Zwar trifft es zu, dass die
Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 der Klägerin nicht mit Wissen und Wollen der
Beklagten eröffnet worden ist. Dieser Bekanntmachungsmangel ist jedoch - wie bereits
bei der Zulässigkeit der Klage ausgeführt - spätestens dadurch geheilt worden, dass die
Klägerin gegen die ihr bekannt gewordene Verwaltungsentscheidung die vorliegende
Klage erhoben hat, mit der sie nicht die Bekanntgabe des Verwaltungsakts an sich selbst
verlangt, sondern sich in der Sache gegen die Verwaltungsentscheidung wendet. In
einem solchen Fall, der bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung, zu denen auch die
vorliegende Verwaltungsentscheidung zu zählen ist, typischerweise vorliegt, kann sich
die Klägerin im Rahmen der Anfechtungsklage nicht mehr darauf berufen, dass der
Verwaltungsakt mangels Bekanntgabe noch gar nicht wirksam geworden sei.
Aber selbst bei Annahme einer fehlerhaften Bekanntgabe der nachträglichen
Abwägungen, dürften die nachgeschobenen Erwägungen deshalb nicht unberücksichtigt
bleiben. Denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts setzt die
Berücksichtigung einer nachträglichen Abwägung nicht voraus, dass es sich um einen
eigenständigen Verwaltungsakt handelt, der nach §§ 41, 43 VwVfG bekannt zu geben
wäre. Vielmehr sind derartige Erwägungen von Amts wegen mit einzubeziehen, soweit es
sich materiell um eine Ergänzung der Ermessensbegründung im Sinne des § 114 Satz 2
VwGO handelt. In welcher Form die Behörde ihre ergänzenden Ermessenserwägungen
einbringt, ist nicht bestimmt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
a.a.O., § 114 Rn. 12 e). Die Beachtung der für den Verwaltungsakt vorgeschriebenen
Formen ist nur erforderlich, wenn die Behörde die ergänzenden Erwägungen außerhalb
des Prozesses dem Adressaten des Verwaltungsakts gegenüber erklärt. Hierauf ist sie
jedoch nicht beschränkt. Vielmehr kann sie die Erwägungen auch unmittelbar
schriftsätzlich oder sogar in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift erklären (vgl.
Rennert, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 114 Rn. 92; Gerhardt, a.a.O.). Ebenso
wenig vermag das weitere Argument des Verwaltungsgerichts zu überzeugen, es
handele sich um bloßen Parteivortrag, was insbesondere dadurch deutlich werde, dass
die Ausführungen mit Beweisantritt unterlegt seien. Die Beklagte weist zu Recht darauf
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die Ausführungen mit Beweisantritt unterlegt seien. Die Beklagte weist zu Recht darauf
hin, dass angesichts des Doppelcharakters sowohl als Ergänzung der
Verwaltungsentscheidung als auch als prozessuale Erklärung ein Beweisantritt
unschädlich ist.
Ob die ergänzenden Abwägungen vom 16. Dezember 2005 und 25. Juni 2007 die
materiellen Voraussetzungen des § 114 Satz 2 VwGO erfüllen, bedarf jedoch keiner
Entscheidung. Auch bei Berücksichtigung der nachgeschobenen Erwägungen leidet die
Verwaltungsentscheidung an beachtlichen Abwägungsfehlern, denn es fehlt weiterhin an
einer vollständigen und zutreffenden Ermittlung der abwägungserheblichen Belange. Ein
Ermittlungsfehler ist insbesondere darin zu sehen, dass die Fluglärmbelastung für die
Klägerin nicht zutreffend ermittelt worden ist (1); darüber hinaus weist die Abwägung
etwa auch hinsichtlich der Luftverunreinigungen (2), der naturschutzrechtlichen Belange
(3), der wirtschaftlichen Einbußen (4) sowie der Vorbelastung (5) Ermittlungsdefizite auf.
(1) Die abwägungserheblichen Lärmschutzinteressen der Klägerin sind nicht hinreichend
ermittelt worden, da es an der gebotenen lärmmedizinischen Begutachtung fehlt.
(a) Die Lärmschutzinteressen der Klägerin sind abwägungserheblich.
Wie bereits ausgeführt, erfasst das Abwägungsgebot nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich alle Rechtspositionen und sonstigen rechtlich
geschützten Interessen, unabhängig davon, ob diese Belange verfassungsrechtlich
abgesichert sind. Auch unterhalb der Schwelle der Unzumutbarkeit ist die (erhöhte)
Fluglärmbelastung mithin in die Abwägung einzubeziehen, sofern die Belastung mehr als
geringfügig ist und die betreffenden Belange schutzwürdig sind. Die auf den
Grundstücken der Klägerin durch den Flugbetrieb voraussichtlich entstehenden
Lärmbelastungen sind nicht als so geringfügig anzusehen, dass sie unterhalb der
Schwelle der Abwägungserheblichkeit bleiben. Dies gilt selbst dann, wenn das von der
Beklagten mit Schriftsatz vom 25. Juni 2007 vorgelegte „Schalltechnische Teilgutachten
über die durch die geplante Nutzung des Luft-Boden-Schießplatzes Wittstock in der
Gemeinde Lärz, am Seehotel I. und an den Stallanlagen der M.G.K. zu erwartende
Fluglärmbelastung“ der A. vom 24. Juni 2007 zugrunde gelegt wird, das generell deutlich
niedrigere Lärmwerte ermittelt als die zuvor von der Beklagten eingeholten Gutachten
der E. Denn auch nach dem ... Gutachten (vgl. Tabelle 4.2.1) ergeben sich an einigen
Stallanlagen der Klägerin äquivalente Dauerschallpegel von 57,3 dB(A), 57,7 dB(A), 58,4
dB(A bzw. 55,6 dB(A) Leq(3), die die - vom Verwaltungsgericht bei einem äquivalenten
Dauerschallpegel von 52 dB(A) Leq (3) angenommene - Erheblichkeitsschwelle eindeutig
überschreiten.
Dass die Lärmauswirkungen des geplanten Flugbetriebs für die Betroffenen hier
zumindest die Schwelle der Abwägungserheblichkeit erreichen, wäre wegen der
Besonderheiten des Tieffluglärms und der Ergebnisunsicherheiten bei der Berechnung
allerdings selbst bei einem geringfügigen Unterschreiten eines äquivalenten
Dauerschallpegels von 52 dB(A) Leq (3) an den maßgeblichen Immissionsorten
anzunehmen. Wie der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 20. September 2005 -
OVG 2 S 99.05 - und vom 21. September 2005 - OVG 2 S 100.05 - ausgeführt hat, ist die
Abwägungserheblichkeit der Beeinträchtigung durch Fluglärm in Abhängigkeit von der
Lage des Grundstücks, der Art und Dauer der Schalleinwirkung sowie von der Nutzung
des Grundstücks zu bestimmen. Dieser Ausgangspunkt ist sachgerecht, weil nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 29. April 2002 - 9 B
10.02 -, Juris) die Zumutbarkeitsgrenze für Fluglärmbeeinträchtigungen im Sinne des § 9
Abs. 2 LuftVG nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen
Verhältnisse durch tatrichterliche Würdigung bestimmt werden kann, wobei die
Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse die Schutzbedürftigkeit der
jeweiligen Umgebung bestimmen. Nur unter Würdigung der konkreten Gegebenheiten
des Einzelfalls kann auch die - in aller Regel unterhalb der Schwelle der Unzumutbarkeit
liegende - Grenze bestimmt werden, bei deren Überschreitung die Belange der vom
Fluglärm betroffenen Einwohner in die Abwägung einzustellen sind. Eine Anlehnung an
Prüfungsmaßstäbe für die Bewertung von Fluglärm, die zwar nicht unmittelbar für
Entscheidungen der vorliegenden Art über den Betrieb von Luft-Boden-Schießplätzen
entwickelt worden sind, sich aber zu vergleichbaren Fragen im Zusammenhang mit dem
in der Rechtsprechung eingehend behandelten Betrieb von Flughäfen verhalten, ist
mangels unmittelbar einschlägiger Normen und fehlender obergerichtlicher und
höchstrichterlicher Rechtsprechung für Luft-Boden-Schießplätze zwar grundsätzlich
sachgerecht, da es sowohl bei Flugplätzen als auch bei Luft-Boden-Schießplätzen, auf
denen - wie hier - nur Übungsmunition eingesetzt wird, im Schwerpunkt um die
Bewertung von Fluggeräuschen geht. Allerdings muss zugleich im Blick behalten werden,
dass es sich aufdrängende Unterschiede zwischen Flugplätzen und Luft-Boden-
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dass es sich aufdrängende Unterschiede zwischen Flugplätzen und Luft-Boden-
Schießplätzen gibt, die einer unbesehenen Übertragung von in der Rechtsprechung
entwickelten Schwellenwerten entgegenstehen.
Die wesentliche Besonderheit bei Luft-Boden-Schießplätzen ist nach den vorliegenden
Erkenntnissen darin zu sehen, dass sie durch tief fliegende militärische Kampfflugzeuge
genutzt werden, deren Schallemissionen sich grundlegend von dem Lärm bei der
Landung oder dem Start eines zivilen oder militärischen Flugzeuges unterscheiden.
Hierzu gehören insbesondere hohe Spitzenpegel und Pegelanstiegsgeschwindigkeiten.
Weitere Besonderheiten des Tieffluglärms sind nach der von der Beklagten vorgelegten
Studie „Gesundheitliche Wirkungen des Tieffluglärms“ von Ising u.a., August 1991 (im
Folgenden: Ising-Studie), S. 15, darin zu sehen, dass das Spektrum und damit das
Klangbild während des Überfluges stark variiert und das Maximum der spektralen
Energieverteilung des Tieffluglärms um mehr als eine Oktave höher als beim zivilen
Fluglärm liegt und mit dem Maximum der spektralen Empfindlichkeit des menschlichen
Ohres zusammenfällt. Hinzu kommt nach der genannten Studie, dass der einzelne
Überflug hinsichtlich seines Zeitpunkts und des Maximalpegels des durch ihn
verursachten Lärms prinzipiell unvorhersehbar ist und für die Einschätzung der Effekte
von Überflügen – bei zusätzlicher visueller Wahrnehmung – auch das mit dem Überflug
verbundene „sehr eindrucksvolle“ Erscheinungsbild eines tief fliegenden, sich schnell
nähernden Kampfflugzeugs von Bedeutung sein kann, das ein „zusätzliches
angstauslösendes Moment“ darstellt.
Da wegen der dargestellten Besonderheiten die Belästigung durch Tieffluglärm bei
gleichem energieäquivalentem Dauerschallpegel höher ist als die durch anderen Lärm,
z.B. Fluglärm in der Flughafenumgebung, und die lineare Beziehung zwischen
Belästigung und energieäquivalentem Dauerschallpegel im Fall von Tieffluglärm einen
steileren Anstieg als bei anderem Fluglärm hat, wird in der von der Beklagten
vorgelegten Ising-Studie (S. 346, 355 f.) bei der Festlegung von Richtwerten eine
Bezugnahme auf „bereits bewährte Richtlinien des Lärmschutzes“, wozu auch die in der
Rechtsprechung zu Verkehrsflughäfen entwickelten Schwellenwerte gehören dürften,
nicht ohne weiteres für möglich gehalten. Vielmehr soll eine solche Bezugnahme
voraussetzen, dass durch die Festlegung eines „Tieffluglärmmalus … quantitative
Wirkungsrelationen zwischen Tieffluglärm und anderem Lärm“ hergestellt werden. Für die
definitive Angabe eines „tieffluglärmspezifischen Malus“ werden allerdings weitere
Untersuchungen mit spezieller Methodik für erforderlich gehalten. Ein Anhaltspunkt für
die mögliche Größenordnung eines solchen Malus dürfte darin zu sehen sein, dass nach
den Angaben der Ising-Studie der äquivalente Dauerschallpegel, bei dem ein
bestimmter hoher Anteil lärmbelästigter Personen zu beobachten sei, in sehr hoch
belasteten Tieffluggebieten etwa 20 dB niedriger als z.B. in der Nähe ziviler Flughäfen
liege (S. 346). Dass der militärische Fluglärm möglicherweise mit einem Malus von 20
dB(A) zu beaufschlagen ist, geht auch aus der Studie des Umweltbundesamtes
(Ortscheid/Wende) zu „Wirkungen von zivilem und militärischem Fluglärm“, März 2001,
S. 7 f., hervor, die in diesem Zusammenhang auf eine weitere Quelle verweist (Miedema
und Vos, Demographic and attitudinal factors that modify annoyance from
transportation noise, J. Acoust. Soc. Am. 105, S. 3336-3344, 1999).
Die Beklagte weist in der Berufungsbegründung (S. 29) im Übrigen selbst darauf hin,
dass in der lärmmedizinischen Literatur bei militärischem Fluglärm die Berücksichtigung
eines Malus im Hinblick auf die mit Tieffluglärm einhergehende Belästigung diskutiert
wird, wobei die Grenzen zwischen Belästigung und Gesundheitsbeeinträchtigung fließend
seien. Das Umweltbundesamt habe hier allgemein einen Malus von 5 dB(A)
vorgeschlagen, wobei es insoweit noch weiterer Untersuchungen bedürfe
(Umweltbundesamt, Wirkungen von militärischem und zivilem Fluglärm, S. 7 f.). Für
militärischen Tiefflug werde unter Bezugnahme auf die Studie von Ising ein höherer
Malus erwogen, eine eindeutige Aussage hierzu jedoch nicht getroffen. Ising habe in
seiner Studie seinerzeit festgestellt, dass bei hoher Tieffluglärmbelastung der
Tieffluglärm zu einem hohen Anteil als so belästigend empfunden werde wie
vergleichsweise ziviler Fluglärm mit seinem um etwa 20 dB(A) höheren Leq (Kurzbericht
S. 4; Hauptstudie S. 313). Ein bestimmter konkreter Malus werde jedoch nicht
vorgeschlagen. Ising weise vielmehr darauf hin, dass für die Angabe eines solchen Malus
weitere spezielle Untersuchungen erforderlich wären (Ising 1991, a.a.O.). Soweit die
Beklagte die von ihr selbst zutreffend wiedergegebenen Ergebnisse der Ising-Studie als
nicht auf den Luft-Boden-Schießplatz Wittstock übertragbar bezeichnet, weil die jener
Studie zugrunde gelegten Tieffluggebiete mit einer Vielzahl täglicher Flugbewegungen in
einer Höhe von 75 m über Grund mit dem nach dem Betriebskonzept für den Luft-
Boden-Schießplatz Wittstock vorgesehenen Betriebskonzept nicht vergleichbar seien,
überzeugt dies nicht. In der Ising-Studie wurden gerade nicht nur die Wirkungen des
Tieffluglärms in sog. 75 m-Tieffluggebieten untersucht, sondern auch in den sog. 150 m-
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Tieffluglärms in sog. 75 m-Tieffluggebieten untersucht, sondern auch in den sog. 150 m-
Tieffluggebieten. Es wird im Rahmen der Darstellung der „Messergebnisse der
Tieffluglärmbelastung“ (S. 17, 27) vielmehr sogar etwa festgestellt, dass Häufigkeiten
von Überfluglärm mit Pegeln bis 114 dB(A) in hochbelasteten Gebieten mit 150 m-
Tiefflug größer sein können als im Mittel in 75 m-Gebieten. Soweit die Beklagte ferner
unter Bezugnahme auf die Studie des Umweltbundesamtes von 2001 darauf verweist,
dass militärischer Flugverkehr bei engem Rahmen und relativ geringer Häufigkeit
durchaus mit zivilem Flugverkehr vergleichbar sei, so dass vorliegend kein Grund für die
Annahme eines militärflugspezifischen Malus vorliege, bleibt sie eine Begründung dafür
schuldig, inwieweit bei dem Flugbetrieb auf dem Luft-Boden-Schießplatz mit immerhin
1700 jährlichen Einsätzen und mehrstündiger täglicher Nutzung die Voraussetzungen
des „engen zeitlichen Rahmens“ und der „relativ geringen Häufigkeit“ erfüllt sind.
Der Senat verkennt nicht, dass die generelle Annahme eines Malus zur Berücksichtigung
der Besonderheiten des militärischen Tieffluglärms mit der Wertung des Gesetzgebers
möglicherweise nicht in Einklang steht. Die Beklagte hat insoweit zutreffend darauf
hingewiesen, dass nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm in der seit
dem 7. Juni 2007 geltenden Fassung (BGBl. I S. 2550) – im Folgenden: FluglärmG - in den
Tagschutzzonen nicht etwa ein Malus, sondern ein Bonus von 3 dB(A) vorgesehen ist.
Selbst wenn fraglich erscheinen mag, ob diese Wertung auch für Luft-Boden-
Schießplätze gelten kann, die sich sowohl von zivilen als auch von militärischen
Flugplätzen dadurch unterscheiden, dass sie praktisch ausschließlich durch
Kampfflugzeuge in geringer Höhe angeflogen werden, dürfte die generelle Annahme
eines Malus im Sinne eines konkret bezifferten Zuschlags bei der Lärmberechnung
angesichts der in § 2 FluglärmG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung
zumindest problematisch sein. Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang
jedoch nicht die Frage, ob ein errechneter Dauerschallpegel um einen konkreten Wert -
den Malus - zu erhöhen ist, sondern dass bei der Übertragung der in der
Rechtsprechung zu Flugplätzen entwickelten Schwellenwerte den Besonderheiten von
Luft-Boden-Schießplätzen Rechnung getragen werden muss. Hierbei sind nicht nur die
auralen, d.h. das Gehör betreffenden, sondern insbesondere auch die so genannten
extraauralen Auswirkungen des Tieffluglärms, d.h. die durch den Stresseinfluss
ausgelösten physiologischen und psychologischen Beeinträchtigungen (vgl. zu dieser
Definition das Umweltgutachten 2002 "Für eine neue Vorreiterrolle" des Rates von
Sachverständigen für Umweltfragen, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/8792 S. 272)
in den Blick zu nehmen. Soweit in der von der Beklagten herangezogenen Ising-Studie
„zur Vermeidung akuter gesundheitlicher Beeinträchtigungen“, insbesondere einer
Innenohrschädigung, Richtwerte für den Maximalpegel von 115 dB(A) und die
Pegelanstiegsgeschwindigkeit von 60 dB/s vorgeschlagen werden (S. 3, 148), wird
zugleich darauf hingewiesen, dass diese „Pegelrichtwertabschätzungen“ in erster Linie
auf der Grundlage auraler Tieffluglärmwirkungen getroffen worden seien, da für diesen
Funktionsbereich hinreichend detaillierte Kenntnisse zur Lärmwirkung vorlägen, so dass
Pegel angegeben werden könnten, bei denen das Risiko einer Gehörschädigung
tatsächlich gering sei. Andere „Funktionssysteme“, auf die der Lärm nicht unmittelbar
einwirke, reagierten weniger einheitlich, so dass Richtwerte nur recht unscharf
anzugeben seien. Bei Beachtung des zur Vermeidung auraler Folgewirkungen
vorgeschlagenen Richtwertes des Maximalpegels von 115 dB(A) würden aber – wenn
zusätzlich die Pegelanstiegsgeschwindigkeit auf 60 dB/s limitiert werde –
„wahrscheinlich“ gleichzeitig extreme vegetative Irritationen gemindert, die der
Herausbildung psychosomatischer Störungen und von Herz-Kreislauf- Erkrankungen
Vorschub leisten könnten.
Schon aufgrund dieser Zusammenhänge kann jedenfalls an der vom Senat in den
vorläufigen Rechtsschutzverfahren auf die „Ergebnisse der neueren Lärmforschung“
gestützten These, dass die Erheblichkeitsschwelle, bei deren Erreichen die
Lärmbeeinträchtigung abwägungserheblich ist, bei einem neuen Vorhaben in einem
nicht vorbelasteten Gebiet generell bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 52
dB(A) anzusetzen ist (vgl. Beschlüsse vom 20. und 21. September 2005, a.a.O., sowie
bereits Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder), Beschluss vom 27. Dezember 2004 – 3
B 337/03 -, LKV 2005, 316, 321), nicht mehr uneingeschränkt festgehalten werden. Denn
den dargestellten Besonderheiten des Tieffluglärms wird mit einer derartigen
schematischen Anwendung eines Dauerschallpegels nicht angemessen Rechnung
getragen. Den methodischen Schwierigkeiten bei der Feststellung, bei welchem
Grenzwert für den militärischen Flugverkehr hinreichende Anhaltspunkte für den
möglichen Eintritt von Gesundheitsschäden sprechen, muss mit einer erweiterten
Prüfungs- und Abwägungspflicht im jeweiligen Einzelfall Rechnung getragen werden.
Hierfür sprechen nicht zuletzt auch die Hinweise in dem von der Beklagten eingereichten
A.-Gutachten vom 24. Juni 2007 zu den „Ergebnisunsicherheiten“ der
Fluglärmuntersuchungen (S. 17). Zu den hierfür ausschlaggebenden Faktoren sollen
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Fluglärmuntersuchungen (S. 17). Zu den hierfür ausschlaggebenden Faktoren sollen
nach den Angaben des Gutachters die Vorschriften des Berechnungsmodells bezüglich
der Anzahl der Unterteilung eines Flugkorridors einer Flugbahn in 15 Flugwege und
dadurch entstehende nicht der Realität entsprechende mögliche Abstände zu den
Nachweisorten bei einer sehr großen Korridorbreite sein, wie dies im vorliegenden Fall bei
den Einflügen aus Norden und bei allen Ausflügen zu verzeichnen sei, ferner die fehlende
Zuverlässigkeit der Prognose der Flugbewegungszahlen und deren Zuordnung zu den
Flugstrecken, die Genauigkeit der Modellierung der Flugverfahren, vor allem
Abweichungen von der Idealflugbahn, und der gemäß Flughandbuch möglichen
Toleranzen bei den der Flugstreckenbeschreibung zugrunde liegenden Höhen- und
Geschwindigkeitsmanövern, Abweichungen der physikalisch-technischen Daten der den
Luft-Boden-Schießplatz nutzenden Flugzeuge, da auch bei Flugzeugen gleichen Typs
merkliche Differenzen bei den leistungsabhängigen Schallemissionen auftreten könnten,
sowie schließlich auch der Einfluss der meteorologischen Bedingungen (Windrichtung und
–stärke, Temperatur) auf die Schallausbreitung, die Geschwindigkeit und den Steigwinkel
über Grund. Dass die durch die geringe Anzahl von Teilkorridoren in den Ein- und
Ausflugsektoren bei dem dargestellten Öffnungswinkel des Flugkorridors von 120°
bedingten Ergebnisunsicherheiten verringert worden sein mögen, indem diese Sektoren
nach den Angaben des Gutachters nochmals in insgesamt 75 Flugwege unterteilt
worden sind, beseitigt nicht die übrigen Faktoren, auf die die Ergebnisunsicherheiten
zurückzuführen sind.
Unabhängig von dem maßgeblichen äquivalenten Dauerschallpegel folgt die
Abwägungserheblichkeit der Fluglärmbeeinträchtigungen darüber hinaus aus den an den
Betriebsteilen der Klägerin zu erwartenden Spitzenpegeln. Dass Fluglärm nicht nur nach
dem äquivalenten Dauerschallpegel, sondern zusätzlich nach den einwirkenden
Maximalpegeln zu bewerten ist, hat der Senat unter Bezugnahme auf allgemein
zugängliche Quellen wie insbesondere die auch von der Beklagten herangezogene
„Fluglärmsynopse“ (Griefahn/Jansen/Scheuch/Spreng, Fluglärmkriterien für ein
Schutzkonzept bei wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen von
Flughäfen/Flugplätzen, ZfL 2002, 171, 172) sowie die Gutachten des Rates von
Sachverständigen für Umweltfragen (Sondergutachten "Umwelt und Gesundheit",
"Risiken richtig einschätzen", Deutscher Bundestag Drucksache 14/2300, S. 201;
Umweltgutachten 2002, a.a.O.) bereits festgestellt (vgl. Beschlüsse vom 20. und 21.
September 2005, a.a.O., sowie bereits Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder),
Beschluss vom 27. Dezember 2004, a.a.O.). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat
hervorgehoben, dass es der intermittierende Charakter des Fluglärms nahelege, neben
der Betrachtung des Dauerschallpegels gerade auch dem Maximalpegelkriterium
besondere Bedeutung beizumessen (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -,
BVerwGE 125, 116, 195 f., Rn. 254). Erst recht muss dies gelten, wenn es sich - wie hier -
um den Fluglärm tief fliegender militärischer Düsenflugzeuge handelt. Das
Verwaltungsgericht weist zudem zutreffend auf den Wertungswiderspruch hin, der darin
läge, wenn in den genannten lärmmedizinischen Stellungnahmen der Ising-Studie, der
Fluglärmsynopse und des Umweltbundesamtes (Ortscheid/Wende) übereinstimmend
eine verfassungsrechtliche, nicht durch Abwägung zu überwindende
Zumutbarkeitsschwelle für Spitzenpegel von 115 dB(A) angenommen wird, da es bei
Pegeln oberhalb dieses Wertes zu auralen Gesundheitsschädigungen kommen kann,
andererseits Spitzenpegel unterhalb dieser Schwelle für die Abwägungserheblichkeit von
vornherein ohne Relevanz sein sollen.
Spitzenpegel sind bei militärischem Tieffluglärm jedenfalls dann abwägungserheblich,
wenn sie den Wert von 95 dB(A) erreichen, da dies dem präventiven Richtwert entspricht,
von dem die lärmmedizinische Einschätzung in der Fluglärmsynopse
(Griefahn/Jansen/Scheuch/ Spreng, a.a.O., S. 173) zur Vermeidung von Hörschäden
ausgeht. Wenn es sich bei diesem Wert definitionsgemäß um einen Vorsorgewert
handelt, bei dessen Einhaltung Gesundheitsgefährdungen weitgehend ausgeschlossen
sind, Störungen allerdings bei sensiblen Gruppen auftreten können, kann schlechthin
nicht angenommen werden, dass die jedenfalls für bestimmte Personengruppen
verbleibenden Risiken in der Abwägung völlig außer Betracht bleiben dürfen. Sofern es
sich nicht nur um nicht planbare „Ausreißer“ handelt, sondern um Lärmereignisse, die
im Rahmen des zugelassenen Flugbetriebs regelmäßig auftreten, können
Lärmereignisse, die den präventiven Richtwert von 95 dB(A) überschreiten, im Rahmen
einer planerischen Abwägungsentscheidung deshalb nicht außer Betracht gelassen
werden. Die genannte Erheblichkeitsschwelle von 95 dB(A) ist hier erreicht. Denn die
Beklagte räumt in der ergänzenden Abwägung vom 25. Juni 2007 selbst ein, dass auch
nach dem A.-Gutachten jedenfalls bei einer Absenkung der Mindestflughöhen auf 150 m
über Grund (500 ft) an bestimmten Nachweisorten maximale A-Schallpegel von über
105 dB(A) auftreten können und an einzelnen Stallanlagen der Klägerin Maximalwerte
von bis zu 106,2 dB(A) erreicht werden. Dass die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse
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von bis zu 106,2 dB(A) erreicht werden. Dass die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse
im Bereich von weniger als einem Ereignis in 100 Tagen liegen soll, ändert nichts an der
Abwägungsrelevanz, da es sich jedenfalls um Lärmereignisse handelt, die im Rahmen
des zugelassenen Flugbetriebs regelmäßig auftreten und den zur Vermeidung von
Hörschäden anzunehmenden präventiven Richtwert von 95 dB(A) überschreiten. Im
Zusammenhang mit der Abwägungserheblichkeit der Spitzenpegel ist im Übrigen -
ebenso wie bereits bei der Bewertung der Dauerschallpegel - zu berücksichtigen, dass
die Berechnung der Lärmbelastung auch nach Auffassung des Gutachters der Beklagten
mit zahlreichen „Ergebnisunsicherheiten“ behaftet ist (S. 17 des A.-Gutachtens vom 24.
Juni 2007). Unterschiede zwischen berechneten und durch Messungen ermittelten
Ergebnissen sollen sich sogar gerade bei der Bestimmung des maximalen Schallpegels
ergeben können, da sich Abweichungen durch meteorologische Einflüsse und
Abweichungen von der Flugstrecke nicht - wie bei den Mittelungspegeln - aufgrund der
Mittelung über einen langen Zeitraum ausgleichen.
(b) Ist die Lärmbelastung für die Klägerin abwägungserheblich, bestand für die Beklagte
das Erfordernis, das Ausmaß der entstehenden Fluglärmbelastung ausreichend zu
ermitteln. Dies ist jedenfalls hinsichtlich der lärmmedizinischen Bewertung der
lärmphysikalisch ermittelten Daten nicht in der erforderlichen Weise geschehen.
Planerische Entscheidungen, die auf Grund einer prognostischen Einschätzung
zukünftiger tatsächlicher Entwicklungen getroffen werden müssen, sind hinsichtlich ihrer
Prognose nur dann rechtmäßig, wenn diese unter Berücksichtigung aller verfügbaren
Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise
erarbeitet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 u.a. -, BVerwGE 56,
110, 121). Die gerichtliche Kontrolle für die Überprüfung fachplanerischer Prognosen ist
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings eingeschränkt; sie
erstreckt sich darauf, ob die Prognose auf der Grundlage fachwissenschaftlicher
Maßstäbe methodengerecht erstellt wurde. Die Prognose ist fehlerhaft, wenn sie auf
willkürlichen Annahmen oder offensichtlichen Unsicherheiten beruht, in sich
widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht nachvollziehbar ist (vgl. BVerwG, Urteil
vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, 191, Rn. 243).
Hiervon ausgehend ist der methodische Ansatz der lärmphysikalischen Berechnungen
des der ergänzenden Abwägung der Beklagten zugrunde gelegten Lärmgutachtens der
A. vom 24. Juni 2007 nicht zu beanstanden. Das Gutachten weist jedenfalls keine
erheblichen Mängel auf, die es im gerichtlichen Verfahren zur Sachverhaltsfeststellung
ungeeignet erscheinen lassen. Dem Gutachten liegt ein hinreichend realistisches, der
Verwaltungsentscheidung und dem Betriebskonzept entsprechendes
Flugbetriebsszenario zugrunde. Dabei ist davon auszugehen, dass bei der Ermittlung
des zu erwartenden Fluglärms nicht bloß theoretisch denkbare Beeinträchtigungen
maßgeblich sind, sondern auf das „tatsächliche Verkehrsaufkommen“, das in einem
überschaubaren Zeitraum zu erwarten ist, abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.
März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, 240, Rn. 354, m.w.N.). In Bezug auf die
Planfeststellung für einen Verkehrsflughafen hat das Bundesverwaltungsgericht überdies
ausgeführt, dass für die dem Flughafen zuzurechnenden Lärmbeeinträchtigungen auf
den Zustand abzustellen ist, wie er nach seinem planentsprechenden Ausbau zu
erwarten ist (vgl. Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 u.a. -, BVerwGE 56, 110, 130). Dabei
kann auch von Bedeutung sein, dass der Flughafen aus anderen Gründen, als sie sich
unmittelbar aus dem Planfeststellungsbeschluss und der Genehmigung ergeben,
Betriebsbeschränkungen unterworfen ist. Ihre Berücksichtigung setzt allerdings die vor §
86 Abs 1 VwGO standhaltende Feststellung voraus, dass mit der Aufrechterhaltung
solcher Beschränkungen nach Lage der Dinge auf Dauer gerechnet werden kann (vgl.
BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978, a.a.O., m.w.N.). Da auf dem Truppenübungsplatz
Wittstock kein allgemeiner Verkehr stattfindet, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht
auf eine gegebenenfalls gutachterlich zu erstellende „Verkehrsprognose“ abzustellen,
sondern - soweit die Vorgaben der Verwaltungsentscheidung und des Betriebskonzepts
Spielräume enthalten - auf die Ergänzungen, Erläuterungen und Erklärungen der
Beklagten zum Umfang der beabsichtigten Nutzung des Geländes. Erst wenn diese den
Vorgaben der Verwaltungsentscheidung und des Betriebskonzepts widersprechen,
können sie bei der Ermittlung des zu erwartenden Fluglärms nicht berücksichtigt werden.
Als derartige lückenfüllende Ergänzung sind grundsätzlich die auf der Grundlage des
DES-MIL 12/02 erarbeiteten Flugstreckenbeschreibungen und Pläne der Anlage 1 des
Fluglärmgutachtens der A. anzusehen, die im gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden
sind. In die Berechnungen zur Ermittlung der Fluglärmbelastung wurden als
Eingabedaten die im Datenerfassungssystem DES-MIL 12/02 enthaltenen
Ausgangsangaben zur Beschreibung des am Luft-Boden-Schießplatz vorgesehenen
Flugbetriebes eingestellt. Hierbei wurden die Flugzeuggruppen S-MIL 3 (Kampfflugzeuge
vom Typ Tornado), S-MIL 4 (Kampfflugzeuge vom Typ F-16 Fighting Falcon) und S-MIL
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vom Typ Tornado), S-MIL 4 (Kampfflugzeuge vom Typ F-16 Fighting Falcon) und S-MIL
(Kampfflugzeuge vom Typ A-10 Thunderbolt) berücksichtigt. Nicht zu beanstanden ist
es, wenn das Gutachten hinsichtlich der im Betriebskonzept erwähnten Luftfahrzeuge
des Typs Eurofighter (Flugzeuggruppe
S-MIL 6) ausführt, dass diese in der bisherigen Planung nicht berücksichtigt worden
seien, da sie vor dem Jahr 2012 nicht für den Luft-Boden-Einsatz zur Verfügung stünden
und deshalb zuverlässige Angaben über den erforderlichen Übungsbetrieb noch nicht
hätten getroffen werden können. Derartige Ungewissheiten hinsichtlich einzelner
Ausgangsangaben können im Rahmen der zu treffenden Prognose hingenommen
werden.
Das A.-Gutachten ist auch methodengerecht auf der Grundlage der geltenden
Berechnungsvorschriften erstellt worden. Dass sich der Gutachter bei der Ermittlung der
Fluglärmbelastung auf Berechnungen gestützt und hierbei an das Gesetz zum Schutz
gegen Fluglärm angeknüpft hat, ist nicht zu beanstanden. Unter Ziffer 1. des
Gutachtens (Veranlassung und Aufgabenstellung) wird zur Methode ausgeführt: „Da das
neue Fluglärmgesetz vom 01.06.2007 am 07.06.2007 in Kraft getreten ist, erfolgten die
Berechnungen zur Ermittlung der Fluglärmbelastung auf der Grundlage der hierzu
ergangenen Berechnungsvorschriften, die noch nicht veröffentlicht sind.“ Zwar hat der
Senat in den vorläufigen Rechtsschutzverfahren festgestellt, dass das Gesetz zum
Schutz gegen Fluglärm, das zum damaligen Zeitpunkt noch in der Fassung vom 30.
März 1971 (BGBl. I S. 282), zuletzt geändert durch die Siebente
Zuständigkeitsanpassungs-Verordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785, 2794),
galt, im vorliegenden Zusammenhang keine taugliche Grundlage zur Ermittlung der
Lärmbelastung darstellt (vgl. insoweit bereits Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder),
Beschluss vom 27. Dezember 2004, a.a.O., S. 319 f.), da es nach der Vorschrift über
seinen Geltungsbereich Regelungen für bestimmte Arten von Flugplätzen trifft (vgl. § 1
FluglärmG) und daher im Fall des Betriebs eines Luft-Boden-Schießplatzes nicht
unmittelbar anzuwenden ist. Zudem dient der im Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm
vorgesehene äquivalente Dauerschallpegel der Festlegung eines regionalen
Lärmschutzbereichs, nicht aber der Beurteilung individueller Lärmbeeinträchtigungen.
Aus den Dauerpegeln lässt sich allenfalls entnehmen, dass eine Fluglärmbelastung über
75 dB(A) bzw. über 67 dB(A) so groß ist, dass für die Zukunft die Wohnbebauung eines
Grundstücks - abgesehen von Ausnahmen - überhaupt bzw. ohne bestimmte
Schallschutzeinrichtungen ausgeschlossen sein soll.
Die Beklagte hat indes im Rahmen der ergänzenden Abwägung - anders als noch in der
angefochtenen Verwaltungsentscheidung (S. 41 ff. der Verwaltungsentscheidung) - dem
Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm weder eine Lärmgrenze noch eine Vorgabe dazu
entnommen, welche Lärmpegel in welcher Weise in die Bewertung einzustellen sind,
sondern lediglich die auf der Grundlage des Gesetzes erarbeiteten
Berechnungsvorschriften angewandt. Dies ist nicht zu beanstanden. In Ermangelung
anderer gesetzlicher Vorgaben bietet es sich vielmehr an, zur Ermittlung der
Lärmbelastung im konkreten Fall § 3 FluglärmG i.V.m. der Anlage zu dieser Bestimmung
heranzuziehen; denn auch im vorliegenden Zusammenhang ist die Zielrichtung
ausschlaggebend, die Allgemeinheit vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und
erheblichen Belästigungen durch Fluglärm zu bewahren. Unterschiedliche
Berechnungsmethoden wären nicht bloß unzweckmäßig, sondern sachwidrig (vgl.
BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, 237, Rn. 345).
Nach § 3 FluglärmG wird der äquivalente Dauerschallpegel unter Berücksichtigung von
Art und Umfang des voraussehbaren Flugbetriebs auf der Grundlage des zu erwartenden
Ausbaus des Flugplatzes ermittelt. Zur Konkretisierung verweist der Gesetzgeber auf die
dem Gesetz beigefügte Anlage, in der die Grundzüge des Berechnungsverfahrens
festgelegt werden.
Hiervon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass der von der Beklagten beauftragte
Sachverständige die Lärmbelastung anhand derjenigen Berechnungsvorschriften
ermittelt hat, die auf der Grundlage des am 8. Juni 2007 in Kraft getretenen
Fluglärmschutzgesetzes erarbeitet worden sind, nämlich der „Anleitung zur Berechnung
von Lärmschutzbereichen (AzB)“ und des „Datenerfassungssystems für die Ermittlung
von Lärmschutzbereichen (DES)“. Zwar lagen diese technischen Regelwerke zum
Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens nach den Angaben im Gutachten nur in einer
Entwurfsfassung mit Stand vom Mai 2007 vor. Die „Anleitung zur Berechnung von
Lärmschutzbereichen (AzB)“ vom 19. November 2008 ist jedoch inzwischen mit
geringfügigen Änderungen im Bundesanzeiger vom 23. Dezember 2008 bekannt
gemacht worden. Ferner ist im Bundesanzeiger vom 23. Dezember 2008 eine „Anleitung
zur Datenerfassung über den Flugbetrieb (AzD)“ bekannt gemacht worden, die inhaltlich
weitgehend dem im A.-Gutachten erwähnten „Datenerfassungssystem für die Ermittlung
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weitgehend dem im A.-Gutachten erwähnten „Datenerfassungssystem für die Ermittlung
von Lärmschutzbereichen (DES)“ entspricht. Der Schallgutachter, Dipl.-Ing. B., hat in der
mündlichen Verhandlung auf Befragen des Gerichts klargestellt, dass die
Rechenoperationen des Schallgutachtens tatsächlich nach der Fassung der AzB
durchgeführt worden seien, die im Dezember 2008 verabschiedet und veröffentlicht
worden sei. Es sei also bei Gutachtenerstellung nicht die seinerzeit vorliegende Fassung
der AzB verwendet worden, sondern es sei die nachfolgende Veränderung des
Regelwerks in Bezug auf die hier maßgeblichen Faktoren vorweggenommen worden. Der
Senat hat keinen Anlass, an diesen Ausführungen des Gutachters zu zweifeln, denen
auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten ist.
Es sind auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die AzB in der im
Dezember 2008 veröffentlichten Fassung zur Ermittlung der Lärmbelastung im
konkreten Fall ungeeignet ist. Bei der dargestellten gesetzlichen Ausgangssituation
kommt es nicht darauf an, ob es Berechnungsverfahren gibt, die sich im Vergleich mit
der AzB unter diesem oder jenem Aspekt als vorzugswürdig erweisen mögen.
Entscheidend ist vielmehr, ob die AzB, die in Ergänzung zu den gesetzlichen Regelungen
Einzelheiten des Berechnungsverfahrens festlegt und von daher ausweislich ihrer Nr. 1.1
„zur Sicherung der einheitlichen Berechnung (dient)“, mit den Anforderungen
übereinstimmt, die sich aus der Anlage zu § 3 FluglärmG ergeben. Von diesem
gesetzlich festgeschriebenen Standard abzuweichen, ließe sich allenfalls dann
rechtfertigen, wenn es gesicherter Erkenntnis entspräche, dass die normativen
Vorgaben gemessen an dem inzwischen erreichten Stand der Wissenschaft und der
Technik zur Erreichung des ihnen zugedachten Zwecks nicht mehr geeignet sind (vgl.
BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 346). Die von den Klägern der
Parallelverfahren OVG 2 B 8.08 und 9.08 vorgebrachte Kritik an der Heranziehung der
AzB als lärmphysikalischer Berechnungsmethode hält der Senat indes im Ergebnis nicht
für durchgreifend. Für die These, dass die AzB zur schallphysikalischen Begutachtung
eines Projekts wie des hier streitgegenständlichen Vorhabens - insbesondere im Hinblick
auf die Berechnung der Pegelanstiegsgeschwindigkeit - nur bedingt tauglich sei und es
andere Verfahren zur Berechnung der Lärmimmissionen gebe, hat der Schallgutachter
Prof. S. als Beistand der Kläger der Parallelverfahren OVG 2 B 8.08 und 9.08 in der
gemeinsamen mündlichen Verhandlung zwar beachtliche Argumente vorgetragen. Der
erkennende Senat hat hieraus jedoch unter Berücksichtigung der in der mündlichen
Verhandlung vorgetragenen Erläuterungen des Gutachters Dipl.-Ing. B. nicht den
Eindruck gewinnen können, dass es – im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts – bereits gesicherter Erkenntnis entspricht, dass die
Vorgaben der AzB gemessen an dem Stand der Wissenschaft und der Technik zur
Erreichung des ihnen zugedachten Zwecks, die durch das geplante Vorhaben der
Beklagten ausgelöste Lärmbelastung hinreichend aussagekräftig zu ermitteln, nicht
geeignet sind.
Gelangt der Senat damit zu dem Zwischenergebnis, dass die lärmphysikalischen
Berechnungen der Beklagten auf der Grundlage des dargestellten
Flugbetriebsprogramms nicht zu beanstanden sind, so gehen die von der Beklagten in
der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge Nr. 2 und 3 ins Leere. Von der
Richtigkeit der darin von der Beklagten unter Beweis gestellten tatsächlichen Umstände
geht der Senat ohnehin aus, was auch in den Erörterungen mit den Beteiligten in der
mündlichen Verhandlung klar zum Ausdruck gebracht worden ist.
Als Abwägungsfehler zu beanstanden ist jedoch, dass die Beklagte davon abgesehen
hat, die Ergebnisse der lärmphysikalischen Berechnungen in dem A.–Gutachten vom 24.
Juni 2007 einer ausreichenden lärmmedizinischen Begutachtung unter Berücksichtigung
der Besonderheiten des Tieffluglärms zu unterziehen.
Den dargestellten Unsicherheiten, die bei der Ermittlung der Lärmbelastung im Hinblick
auf die Unterschiede zwischen Flugplätzen und Luft-Boden-Schießplätzen zweifellos
bestehen, ist auf der Ebene der lärmmedizinischen Beurteilung der ermittelten Werte
Rechnung zu tragen. Dies beinhaltet insbesondere auch eine besonders sorgfältige
Prüfung, ob die auf der Grundlage der Lärmwirkungsforschung angenommenen
Schwellenwerte für die Abwägungserheblichkeit und die Unzumutbarkeit der
Lärmbelastung trotz der festgestellten Besonderheiten des Tieffluglärms der Beurteilung
ohne weiteres zugrunde gelegt werden können. Darüber hinaus ist stets zu
berücksichtigen, dass die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze kein
naturwissenschaftlicher Erkenntnisakt ist, sondern eher die Merkmale einer
„pragmatisch-politischen Entscheidung“ aufweist, bei der wirtschaftliche und soziale
Faktoren zulässigerweise mit berücksichtigt werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.
März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, 248, Rn. 371, unter Bezugnahme auf das
Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, a.a.O., S. 164,
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113
Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen, a.a.O., S. 164,
sowie Ortscheid/Wende, Fluglärmwirkungen, Umweltbundesamt 2000, S. 26). Dass
mangels anderweitiger Erkenntnisse, die sich als Beurteilungsposten heranziehen
lassen, letztlich freilich doch den Aussagen der Lärmmedizin und der
Lärmwirkungsforschung als Orientierungshilfe bei der Abgrenzung maßgebliche
Bedeutung beizumessen ist (vgl. BVerwG, a.a.O.), unterstreicht das Erfordernis einer
besonderen lärmmedizinischen Begutachtung im jeweiligen Einzelfall, soweit auf
hinreichend zuverlässige allgemein gültige Aussagen – wie im Fall der durch Tieffluglärm
an Luft-Boden-Schießplätzen verursachten Beeinträchtigungen – nicht zurückgegriffen
werden kann. Begrenzt ist die Ermittlungspflicht allerdings insoweit, als es aus
lärmmedizinischer Sicht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne
konkrete Anhaltspunkte oder wenigstens Verdachtsmomente rechtlich nicht geboten ist,
jeglichem Risiko vorzubeugen. Fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse müssen im
Rahmen von Erheblichkeitserwägungen nicht durch einen Bonus zugunsten der
Lärmbetroffenen ausgeglichen werden. Der Planungsträger braucht keine Vorsorge
gegen rein hypothetische Gefährdungen zu treffen oder Schutzziele festzulegen, deren
Erforderlichkeit mangels verlässlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse noch nicht
abschätzbar ist. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse sind einer Planungs- oder
Zulassungsentscheidung in der Regel erst dann zugrunde zu legen, wenn sie sich in der
wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt und allgemeine Anerkennung - nicht
notwendig einhellige Zustimmung - gefunden haben. Ein neuer Stand der Wissenschaft
ist aber nicht erreicht, solange bisher anerkannte wissenschaftliche Aussagen kritisch
hinterfragt und kontrovers diskutiert werden, ohne dass sich in der Forschung bereits ein
neuer Grundkonsens abzeichnet (vgl. Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., S. 221 f., Rn.
308, m.w.N.).
Hiervon ausgehend ist ein Mangel bei der Ermittlung der abwägungserheblichen Belange
darin zu sehen, dass die Beklagte kein lärmmedizinisches Gutachten auf der Grundlage
der Daten des A.-Lärmgutachtens eingeholt, sondern sich in der ergänzenden
Abwägung vom 25. Juni 2007 bei ihrer Bewertung, dass die lärmphysikalisch ermittelte
Fluglärmbelastung u.a. auf den Grundstücken der Klägerin zumutbar sei und weitere
Schutzmaßnahmen zugunsten der Klägerin nicht erforderlich seien, im Wesentlichen auf
ältere Untersuchungen bezogen und im Übrigen die Einholung eines
Sachverständigengutachtens „zum Beweis“ in das Ermessen des Gerichts gestellt hat.
Dass sich die planende Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht durch den Verweis auf ein
gegebenenfalls vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten entziehen kann,
liegt auf der Hand, denn ein solches Gutachten kann offensichtlich nicht Grundlage der
zu überprüfenden Abwägungsentscheidung sein. Auch die von der Beklagten unter
Bezugnahme auf § 86 Abs. 1 VwGO angenommene „Nachermittlungspflicht“ des
Tatsachengerichts kann im Rahmen der Abwägungskontrolle nur in Betracht kommen,
soweit das Abwägungsmaterial für eine sachgerechte Problembewältigung hinreichend
konkret ist (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 114 Rn. 41).
Dies ist hier hinsichtlich der lärmmedizinischen Bewertung nicht der Fall, denn die von
der Beklagten als Grundlage ihrer Abwägungsentscheidung herangezogenen
Untersuchungen enthalten lediglich in der Lärmwirkungsforschung entwickelte
allgemeine Kriterien für die Bewertung des Fluglärms, haben jedoch nicht die durch das
konkret geplante Vorhaben aufgeworfenen lärmmedizinischen Probleme zum Gegen-
stand.
Der Auffassung der Beklagten, dass eine gesonderte lärmmedizinische Bewertung nicht
erforderlich sei, weil keine kritischen Werte erreicht würden, vermag der Senat nicht zu
folgen. Die Beklagte führt in der ergänzenden Abwägung vom 25. Juni 2007 aus, dass
nach den Ergebnissen der Studie „Gesundheitliche Wirkungen des Tieffluglärms“ von
Ising u.a. von August 1991 bis zu einem Maximalpegel von 115 dB(A) und einer
Pegelanstiegsgeschwindigkeit von höchstens 60 dB/s sowohl aurale als auch extraaurale
Gesundheitsbeeinträchtigungen vermieden würden. Bestätigt werde dies auch durch die
Untersuchung des Umweltbundesamtes (Ortscheid und Wende) über „Wirkungen von
zivilem und militärischem Fluglärm“, März 2001, sowie die Veröffentlichung des
Umweltbundesamtes „Qualitätsziele zur Vermeidung von Beeinträchtigungen und
Belästigungen von Fluglärm“, Stand 14. August 2001, die ebenfalls von einem Grenzwert
für Gehörschädigungen von 115 dB(A) und einer Pegelanstiegsgeschwindigkeit von 60
dB/s sowie davon ausgingen, dass nur bei Mehrfachüberflügen mit hoher
Pegelanstiegsgeschwindigkeit die Maximalpegel einen Wert von 105 dB(A) nicht
überschreiten sollten. Die Betrachtung der Lärmwerte „an den Orten der Kläger“ zeige,
dass die Fluglärmbelastung in allen Fällen die Zumutbarkeitsschwellen weder hinsichtlich
des Dauerschallpegels noch des Spitzenschallpegels oder der dabei zu
berücksichtigenden Pegelanstiegsgeschwindigkeit erreichten. Tatsächlich lägen die
Dauerschallpegel in vielen Fällen sogar noch unterhalb einer abwägungserheblichen
Beachtlichkeitsschwelle von 52 dB(A) Leq(3). Die Spitzenpegel lägen nicht nur in allen
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Beachtlichkeitsschwelle von 52 dB(A) Leq(3). Die Spitzenpegel lägen nicht nur in allen
Fällen weit unterhalb der Grenze von 115 dB(A), sondern mit wenigen Ausnahmen auch
unterhalb eines Spitzenschallpegels von 105 dB(A), der in diesen Fällen überdies nur
unwesentlich und insbesondere nicht im Rahmen von Mehrfachüberflügen überschritten
werde. Die Spitzenpegel erwiesen sich auch unter Berücksichtigung der
Pegelanstiegsgeschwindigkeit als zumutbar, da diese nach dem Gutachten der A.C. in
allen Fällen bei höchstens 13 bis 14 dB/s und damit weit unter einer
gesundheitsgefährdenden Grenze von 60 dB/s lägen. Schließlich träten
Spitzenschallpegel von über 100 dB(A) nach dem Gutachten der A. statistisch weniger
als einmal in 100 Tagen auf. Die Lärmbelastung erweise sich auch im Hinblick auf die
gewerbliche Nutzung der Klägerin in jeder Hinsicht als zumutbar, da negative
Auswirkungen auf die Putentiere der Klägerin nach der Studie von Stephan und anderen
vom September 1985 nicht zu erwarten seien.
Diese Ausführungen nehmen lediglich einen Ausschnitt der durch die ermittelte
Lärmbelastung entstehenden Beeinträchtigungen in den Blick. Sie berücksichtigen zum
Beispiel nicht die besonderen Belastungen, die durch die mit dem Betriebskonzept
ermöglichte Konzentration der Flüge auf einzelne Flugtage entstehen. Neben den rein
akustischen Phänomenen - insbesondere den hohen Spitzenpegeln und
Pegelanstiegsgeschwindigkeiten - wird in der von der Beklagten vor allem
herangezogenen Ising-Studie besonders auf den Umstand hingewiesen, dass der
einzelne Überflug hinsichtlich seines Zeitpunkts und des Maximalpegels des durch ihn
verursachten Lärms prinzipiell unvorhersehbar ist und für die Einschätzung der Effekte
von Überflügen – bei zusätzlicher visueller Wahrnehmung – auch das mit dem Überflug
verbundene „sehr eindrucksvolle“ Erscheinungsbild eines tief fliegenden, sich schnell
nähernden Kampfflugzeugs von Bedeutung sein kann, das ein „zusätzliches
angstauslösendes Moment“ darstelle. Diese Besonderheiten finden in den
fachwissenschaftlich erörterten Schwellenwerten keinen Niederschlag. Vielmehr wird
auch in der Ising-Studie darauf hingewiesen, dass die „zur Vermeidung akuter
gesundheitlicher Beeinträchtigungen“, insbesondere einer Innenohrschädigung,
angegebenen „Pegelrichtwertabschätzungen“, d.h. ein Maximalpegel von 115 dB(A) und
eine Pegelanstiegsgeschwindigkeit von 60 dB/s, in erster Linie auf der Grundlage auraler
Tieffluglärmwirkungen getroffen worden seien, da für diesen Funktionsbereich
hinreichend detaillierte Kenntnisse zur Lärmwirkung vorlägen, so dass Pegel angegeben
werden könnten, bei denen das Risiko einer Gehörschädigung tatsächlich gering sei.
Ausdrücklich wird in der Studie bemerkt, dass andere „Funktionssysteme“, auf die der
Lärm nicht unmittelbar einwirke, weniger einheitlich reagierten, so dass Richtwerte nur
recht unscharf anzugeben seien. Bei Beachtung des zur Vermeidung auraler
Folgewirkungen vorgeschlagenen Richtwertes, des Maximalpegels von 115 dB(A), würden
aber – wenn zusätzlich die Pegelanstiegsgeschwindigkeit auf 60 dB/s limitiert werde –
„wahrscheinlich“ gleichzeitig extreme vegetative Irritationen gemindert, die der
Herausbildung psychosomatischer Störungen und von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Vorschub leisten könnten. Diese äußerst vorsichtigen Formulierungen rechtfertigen
jedenfalls nicht den von der Beklagten gezogenen Schluss, dass die
Spitzenschallpegelbelastung auch „im Hinblick auf extraaurale Gefährdungen“ immer
dann zumutbar sei, wenn die Spitzenschallpegel unterhalb einer Grenze von 115 dB(A)
und einer Pegelanstiegsgeschwindigkeit von weniger als 60 dB/s liegen und die
Häufigkeit von 19 Pegeln oberhalb von 99 dB(A) pro Tag nicht überschritten wird. Bei
dieser Sachlage hätte sich angesichts der zu erwartenden Spitzenschallpegel, die zwar
nach den vorliegenden lärmphysikalischen Berechnungen des A.-Gutachtens unterhalb
der angenommenen Zumutbarkeitsgrenze von 115 dB(A), aber mit Werten von bis zu
106,2 dB(A) an den maßgeblichen Nachweisorten weit über der Geringfügigkeitsschwelle
liegen, aufgedrängt, den lärmmedizinischen Auswirkungen des mit der Nutzung des Luft-
Boden-Schießplatzes verbundenen Tiefflugbetriebs, insbesondere im Hinblick auf
extraaurale Gefährdungen, näher nachzugehen. Fehlt es – wie hier – an verwertbaren
lärmmedizinischen Erkenntnissen zu den Auswirkungen bestimmter Fluglärmereignisse,
kann die Planungsbehörde in der Abwägung nicht ohne weiteres von der
Unbedenklichkeit ausgehen, sondern muss, zumindest wenn Anhaltspunkte für eine
unzumutbare Belastung vorliegen, eine weitergehende Aufklärung veranlassen.
In diesem Zusammenhang kommt insbesondere auch dem Umstand Bedeutung zu,
dass nach dem insoweit maßgeblichen Betriebskonzept (S. 2) der Anflug in der Regel in
Viererformationen tagsüber überwiegend im engen Verbandsflug erfolgt. Denn durch die
dichte Aufeinanderfolge ist eine Steigerung der extraauralen Wirkungen und
insbesondere des in der Ising-Studie beschriebenen „angstauslösenden“ Eindrucks der
tief fliegenden Kampfflugzeuge zu erwarten. Diese Wirkungen werden auch nicht durch
das Vorbringen der Beklagten relativiert, wonach sich die Formationen nach dem
Betriebskonzept angeblich etwa 15 km vor dem Platz auflösen und die Kampfflugzeuge
einzeln in einem Abstand von mehreren Kilometern in den Platz einfliegen. Denn selbst
116
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einzeln in einem Abstand von mehreren Kilometern in den Platz einfliegen. Denn selbst
wenn - wie die Beklagte vorträgt - die einzelnen Fluglärmereignisse hierbei nicht - wie bei
Überflügen in dichter Folge - in einem zeitlichen Abstand von 1 bis 3 Sekunden, sondern
von etwa 20 Sekunden erfolgen, handelt es sich ohne Zweifel noch um eine von den
Betroffenen als zusammengehörig empfundene enge Aufeinanderfolge der Flüge in
einem zeitlichen Abstand, durch den der „angstauslösende“ Eindruck eher noch
verstärkt wird. Zu den lärmmedizinischen Wirkungen einer derartigen Häufung von
Tiefflugereignissen in engem zeitlichem Zusammenhang ist den vorliegenden
fachwissenschaftlichen Stellungnahmen nichts zu entnehmen; dies hätte deshalb im
Planungsverfahren näher geklärt werden müssen.
(2) Ein Ermittlungsdefizit ist ferner darin zu sehen, dass weder die
Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 noch die nachträglichen Abwägungen vom 16.
Dezember 2005 und 25. Juni 2007 irgendwelche Feststellungen zu den von dem
militärischen Flugbetrieb ausgehenden Luftverunreinigungen enthalten.
Zu den Folgen, die im Rahmen der planungsrechtlich gebotenen
Abwägungsentscheidung zu bewältigen sind, gehören auch die mit dem Flugbetrieb
zwangsläufig verbundenen Luftverunreinigungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006,
a.a.O., S. 270, Rn. 424, zu § 8 Abs. 2 Satz 2 LuftVG). Von den durch den Flugbetrieb
freigesetzten Schadstoffen sind wegen ihrer toxikologischen Wirkungen insbesondere
Stickstoffoxide (NO
2
), Schwebstäube, Benzol und polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe relevant (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn. 425).
Dass die Beklagte hierzu auch nur ansatzweise Ermittlungen unternommen und sich
hierzu insbesondere an der aufgrund des § 48a Abs. 1 und 3 BImSchG zur Umsetzung
u.a. der Richtlinien 1999/30/EG vom 22. April 1999 (ABl EG Nr. L 163 S. 41) und
2000/69/EG vom 16. November 2000 (ABl EG Nr. L 313 S. 12) erlassenen 22.
Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – BImSchV - in
der zum Zeitpunkt der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung noch geltenden
Fassung vom 11. September 2002 (BGBl I S. 3626) oder in der zum Zeitpunkt der
ergänzenden Abwägung vom 25. Juni 2007 geltenden Fassung vom 4. Juni 2007 (BGBl I
S. 1006) orientiert hätte, die u.a. Grenzwerte für Stickstoffdioxid (§ 3), (Schwebstaub-
)Partikel PM10 (§ 4) und Benzol (§ 6) enthält, ist nicht erkennbar. Weder die
Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 noch die nachträglichen Abwägungen
enthalten hierzu irgendwelche Ausführungen. Ermittlungen, ob etwa die zum Schutz der
menschlichen Gesundheit ab dem 1. Januar 2010 einzuhaltenden über ein Kalenderjahr
gemittelten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (§ 3 Abs. 4 der 22. BImSchV: 40
μg/m³) und Benzol (§ 6 Abs. 1 der 22. BImSchV: 5 μg/m³) in bewohnten Bereichen
überschritten werden (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., Rn.
425), sind nicht erfolgt. Für Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) fehlten
zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung zwar europarechtliche und innerstaatliche
Vorgaben. Dieses Regelungsdefizit entbindet den Planungsträger vor dem Hintergrund
des Art. 2 Abs. 2 GG indes nicht von der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass
Planungsbetroffene keinen PAH-Belastungen ausgesetzt werden, die die Schwelle der
Gesundheitsgefährdung erreichen oder dieser Grenze auch nur nahe kommen (vgl.
BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O.). Im Übrigen ist durch die zur Umsetzung der
Richtlinie 2004/107/EG vom 15. Dezember 2004 (ABl. EU Nr. L 23 S. 3) ergangene
Änderungsverordnung vom 27. Februar 2007 (BGBl. I S. 241) noch vor der ergänzenden
Abwägung vom 25. Juni 2007 auch für Benzo(a)pyren als Marker für polyzyklische
aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft ein Zielwert festgelegt worden (§ 15 der 22.
BImSchV). Hierzu sind keinerlei Untersuchungen der Beklagten erkennbar. Auch
hinsichtlich der freigesetzten Schwebstaub-Partikel fehlt es an jeglichen Ermittlungen. Ob
der für Partikel (PM10) geltende - über ein Kalenderjahr gemittelte -
Immissionsgrenzwert, der nach § 4 Abs. 4 der 22. BImSchV 40 μg/m³ beträgt,
eingehalten wird, ist ungeklärt.
Soweit sich die Beklagte in den bereits erwähnten Parallelverfahren OVG 2 B 8.08 und
9.08 (vgl. die dortigen Schriftsätze vom 2. Februar 2009) mit dem Gesichtspunkt der
Luftverunreinigungen auseinandersetzt, fehlen entsprechende Ausführungen in den von
ihr im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsätzen. Selbst wenn man wegen des
in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten gestellten gemeinsamen
Beweisantrages Nr. 1 zum Problem der Luftverunreinigung davon ausgeht, dass sich die
Beklagte diese nachgeschobenen Erwägungen auch im vorliegenden Verfahren zu eigen
machen wollte, können diese nicht berücksichtigt werden, da sie keinen Eingang in die
maßgebliche Abwägungsentscheidung gefunden haben, und zwar unabhängig davon, ob
man auf die ursprüngliche Verwaltungsentscheidung abstellt oder auf die nachträglichen
bzw. ergänzenden Abwägungen. Im Übrigen sind die Ausführungen der Beklagten, nach
denen infolge des Betriebes des Luft-Boden-Schießplatzes auch keine erheblichen
Luftverunreinigungen zu gewärtigen seien, nicht geeignet, die gebotene Ermittlung und
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Luftverunreinigungen zu gewärtigen seien, nicht geeignet, die gebotene Ermittlung und
Abwägung der Luftverunreinigungen nachzuholen. Soweit die Beklagte darauf hinweist,
dass das Gefährdungspotential des bei den den Luft-Boden-Schießplatz anfliegenden
Luftfahrzeugen eingesetzten Treibstoffes JP8 chemikalienrechtlich nicht anders
eingestuft sei als das des weltweit in der zivilen Luftfahrt eingesetzten
Flugturbinenkraftstoffes Jet A-1, ist nicht erkennbar, weshalb eine weitere Ermittlung der
zu erwartenden Luftverunreinigungen entbehrlich sein soll. Erstens ist schon unklar,
welche Rolle die „chemikalienrechtliche Einstufung“ in diesem Zusammenhang
überhaupt spielen soll; und zweitens ist bei den Luftverunreinigungen nicht spezifisch auf
den militärischen Charakter des Flugbetriebs abzustellen. Dass gerade durch den zivilen
Luftverkehr zahlreiche Schadstoffe freigesetzt werden, von denen - wie bereits erwähnt -
wegen ihrer toxikologischen Wirkungen Stickstoffoxide, Schwebstäube, Benzol und
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe besonders relevant sind, ist in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt (vgl. BVerwG, a.a.O, S. 270 Rn. 425).
Die Notwendigkeit der Feststellungen zu den von dem militärischen Flugbetrieb
ausgehenden Luftverunreinigungen entfällt auch nicht, soweit die Beklagte ferner
geltend macht, dass bei einer Überprüfung der Verwendung des Kraftstoffs JP8 im Jahre
2002 anlässlich eines Änderungsverfahren für den Militärflugplatz Spangdahlem u.a. die
Emissionen von Kerosinverbrennungsprodukten auf der Grundlage des dortigen DES-
MIL-Datensatzes mit einem Szenario vom gut 15.000 Flugbewegungen in den sechs
verkehrsreichsten Monaten bewertet worden seien, wobei sich gezeigt habe, dass weder
aus den einzelnen untersuchten Luftschadstoffen noch aus den Kombinationswirkungen
aller Luftschadstoffe zusätzliche Risiken zu vergleichbaren Gebieten ohne Flugverkehr
bestünden. Die von der Beklagten erwähnte - aber nicht eingereichte - Untersuchung
kann schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil nicht erkennbar ist, dass die
Ausgangssituation mit derjenigen am Luft-Boden-Schießplatz Wittstock vergleichbar ist.
Die Auffassung der Beklagten, dass unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich
bei dem Luft-Boden-Schießplatz Wittstock um ein wesentlich größeres Gebiet als bei
einem Militärflugplatz handele und die Flugbewegungen mit höchstens 1.700 Einsätzen
im Jahr gegenüber einem Militärflugplatz verhältnismäßig gering seien, das Entstehen
nennenswerter Luftverunreinigungen vorliegend ausgeschlossen sei, ersetzt nicht die
konkrete Begutachtung, ob die Situation - insbesondere im Hinblick auf die
zugelassenen Tiefflüge - überhaupt vergleichbar ist. Das weitere Argument der
Beklagten, dass der Schadstoffeintrag in die Atmosphäre durch militärischen Flugbetrieb
in Deutschland weit unterhalb von einem Prozent liege und damit im Vergleich zum
zivilen Flugbetrieb zu vernachlässigen sei, hat keine Aussagekraft, da Bezugspunkt für
die Prüfung der Erheblichkeit der Luftverunreinigungen nur die jeweilige örtliche Situation
sein kann.
Nachdem die Beklagte – wie dargestellt – die erforderlichen Ermittlungen zum Problem
der Luftverunreinigung in dem von ihr durchgeführten Verwaltungsverfahren sui generis
gerade nicht angestellt hat, muss der von ihr in der mündlichen Verhandlung gestellte
Beweisantrag Nr. 1, mit dem behauptet wird, der geplante Flugverkehr werde am Ort der
Kläger keinerlei Schadstoffimmissionen verursachen, die zusätzliche Risiken gegenüber
vergleichbaren Gebieten ohne Flugverkehr zur Folge hätten, als
Ausforschungsbeweisantrag angesehen werden. Damit sollen Ermittlungen des Gerichts
veranlasst werden, zu denen die Beklagte im Verwaltungsverfahren verpflichtet gewesen
wäre. Bei den unter Beweis gestellten tatsächlichen Umständen handelt es sich damit
um Behauptungen, für die tatsächliche Grundlagen bezogen auf die Orte, an denen sich
die Betriebsteile der Klägerin befinden, nicht genannt worden sind und bisher tatsächlich
nicht bestehen. Eine solche Handhabung des Beweisantragsrechts ist unzulässig.
(3) Auch naturschutzrechtliche Belange hat die Beklagte nicht ausreichend ermittelt und
in die der Verwaltungsentscheidung zugrunde liegende Abwägung eingestellt.
In der angefochtenen Verwaltungsentscheidung wird im Wesentlichen lediglich in
allgemeiner Weise ausgeführt, dass sich mit den Belangen des Naturschutzes einerseits
und den Belangen der militärischen Nutzung andererseits zwei geschützte Rechtsgüter
gegenüberstünden, die im Falle einer Konkurrenz im Einzelfall unter Berücksichtigung
ihrer Art und Wertigkeit sowie ihrer Betroffenheit gegeneinander abzuwägen seien. Diese
Abwägung führe zu dem Ergebnis, dass hier die Belange der Verteidigung und die
Belange von Natur- und Landschaftsschutz im Hinblick auf die militärische Nutzung des
Truppenübungsplatzes grundsätzlich nicht im Widerstreit stünden. Es seien keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass durch die spezielle Art der beabsichtigten
militärischen Nutzung auf dem Truppenübungsplatz Wittstock Gefahren einer
Schädigung von Natur und Umwelt begründet würden, die solchen Schutzgütern den
Vorrang vor den durch die beabsichtigte militärische Nutzung verfolgten Belangen der
Verteidigung gäben. Hinsichtlich der außerhalb des Truppenübungsplatzes liegenden
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Verteidigung gäben. Hinsichtlich der außerhalb des Truppenübungsplatzes liegenden
Natur- und Landschaftsschutzgebiete seien ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine
Beeinträchtigung durch die militärische Nutzung des Übungsplatzes ersichtlich. Welche
tatsächlichen Ermittlungen die Beklagte unternommen hat, die diese Behauptung
stützen, ist nicht ersichtlich. Unabhängig davon, dass sich die Klägerin grundsätzlich
nicht auf die fehlende Abwägung naturschutzrechtlicher Belange berufen kann (s.u.),
sind die entsprechenden Ausführungen der Beklagten in der angefochtenen
Verwaltungsentscheidung ein Ausdruck dafür, dass eine planerische
Abwägungsentscheidung, die diesen Namen verdient, nicht stattgefunden hat.
(4) Die Verwaltungsentscheidung hat darüber hinaus das Problem der
vorhabenbedingten wirtschaftlichen Einbußen für die Klägerin und andere private
Betroffene bei der Nutzung ihres Grundeigentums nicht - wie im Rahmen des
allgemeinen Abwägungsgebots erforderlich - ausreichend berücksichtigt.
Zwar lässt sich aus dem Gewährleistungsgehalt der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1
GG) kein Recht auf bestmögliche Nutzung des Eigentums ableiten; eine Minderung der
Wirtschaftlichkeit ist grundsätzlich ebenso hinzunehmen wie eine Verschlechterung der
Verwertungsaussichten (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 558/91
u.a. -, BVerfGE 105, 252, 277 ff.). Gleichwohl müssen planbedingte Wertverluste und
wirtschaftliche Einbußen als private Belange im Rahmen der Abwägungsentscheidung
berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., S. 261, Rn. 404).
Die danach erforderlichen Ermittlungen zu der Frage, ob der Klägerin unzumutbare
wirtschaftliche Einbußen aufgebürdet werden, hat die Beklagte nicht einzelfallbezogen
durchgeführt. In der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 wird zu den
„wirtschaftlichen Auswirkungen“ lediglich in allgemeiner, auf die angehörten Gemeinden
bezogener Weise ausgeführt (S. 23 f.), dass „fehlende Chancen der Gemeinden bzw. von
regionalen Unternehmen bei der Ausschreibung von Leistungen durch den Bund“ nicht
berücksichtigt und eventuelle Beeinträchtigungen der kommunalen Wirtschaftsstruktur
durch den Betrieb des Truppenübungsplatzes grundsätzlich nicht unter Berufung auf Art.
28 Abs. 2 Satz 1 GG geltend gemacht werden könnten. Es bestehe im Übrigen auch kein
Anlass zur Annahme einer Negativbeeinflussung der wirtschaftlichen Entwicklung in der
Region wegen des Truppenübungsplatzes. Vielmehr werde durch die Stationierung eines
Luftwaffenausbildungsbataillons erhebliche Kauf- und Wirtschaftskraft in die Region
getragen. Diese Einschätzung teile auch das Ministerium für Wirtschaft des Landes
Brandenburg, das sich in seiner Stellungnahme für die Pläne der Bundeswehr
ausgesprochen und ausgeführt habe, dass es sich hier um eine sehr strukturschwache
Region handele und bei realistischer Bewertung nicht erwartet werden könne, dass es in
den nächsten Jahren zu strukturverbessernden Projekten, wie z.B. größeren
Industrieansiedlungen, komme, die im Hinblick auf Arbeitsplatzeffekte und Investitionen
mit der militärischen Nutzung vergleichbar seien. Unter der Überschrift „Wertminderung
von Grundstücken“ wird anschließend ausgeführt, dass auch der Hinweis der Gemeinden
auf eine mögliche Entwertung von Grundstücken im Rahmen der Abwägung der für und
gegen den Luft-Boden-Schießplatz Wittstock sprechenden militärischen und
gemeindlichen Belange außer Betracht bleiben müsse. Im Zusammenhang mit der
Planungshoheit der Gemeinden seien diese nicht Sachwalter der Rechte der
Gemeindemitglieder als Grundstückseigentümer. Im Übrigen gewähre die
Rechtsprechung einen Entschädigungsanspruch für die Wertminderung eines
Wohngrundstückes in der Folge einer Beeinträchtigung durch Fluglärm erst dann, wenn
die Lärmbelastung die Grenze dessen überschreite, was dem Eigentümer aufgrund der
Sozialpflichtigkeit des Eigentums zugemutet werden könne. Diese Grenze werde bei den
hier ermittelten Werten bezüglich der Lärmbelastung im Umfeld des
Truppenübungsplatzes nicht überschritten.
Auch in der nachträglichen Abwägung vom 16. Dezember 2005 finden sich nur
rudimentäre Erwägungen zu den durch das Vorhaben ausgelösten wirtschaftlichen
Folgen für die Klägerin und andere Betroffene. Im Rahmen der „Ermittlung der Belange“
wird hierzu lediglich das Vorbringen der Klägerin im gerichtlichen Verfahren geschildert,
wonach der Überflug zu einer Lärm- und gegebenenfalls auch Sichtbelastung der
Putentiere führe, die erhebliche Schreckreaktionen der Tiere hervorrufen würde, so dass
damit zu rechnen sei, dass Tiere in erheblichem Umfang verenden würden. Nach einer
von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme über die Stressbelastung der Putentiere
führe insbesondere ein unregelmäßiger Flugverkehr ohne feste Rhythmen zu
physiologischen Störungen und panikartigen Reaktionen, die schon als solches, für die
Klägerin aber vor allem auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zumutbar
seien. In der „Abwägung“ wird neben dem Hinweis auf die deutliche Unterschreitung der
fachplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle und die „ganz erhebliche plangegebene
und tatsächliche Vorbelastung“ hierzu ausgeführt, dass eine Beeinträchtigung der Tiere
durch den militärischen Flugbetrieb nicht festgestellt werden könne. Nach einer
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durch den militärischen Flugbetrieb nicht festgestellt werden könne. Nach einer
Stellungnahme des Amtes für Wehrgeophysik vom 2. Oktober 2000 zur Beeinträchtigung
von Vögeln durch militärische Überflüge könne eine Störung oder Beeinträchtigung von
Tieren in der Folge militärischen Flugverkehrs bei Einhalten einer Mindestflughöhe von
1000 ft (300 m) weitgehend ausgeschlossen werden. Ein Überflug in einer Höhe von nur
150 m über den Betriebsteilen der Klägerin komme praktisch nicht vor. Damit könne
auch eine Eigentumsbeeinträchtigung ausgeschlossen werden. Ungeachtet dessen
gewähre die Eigentumsgarantie in einem eingereichten und ausgeübten Gewerbebetrieb
allenfalls eine Art Bestandsschutz, nicht aber einen Erwerbsschutz im Hinblick auf
äußere Umstände. Eine Beeinträchtigung der Existenz des Betriebes könne von
vornherein aufgrund der zu erwartenden Dauerschallpegel ausgeschlossen werden. Eine
Beeinträchtigung sei nur im Hinblick auf die bei der Betriebsstätte B 1 zu erwartenden
Lärmwerte denkbar, bei der es sich jedoch nur um eine von insgesamt sechs
Betriebsstätten handele. Da die Klägerin die Betriebsstätten in der Zeit von 1998 bis
2001 an dem seinerseits bestandsgeschützten Truppenübungsplatz errichtet habe,
handele es sich nicht um bestandsgeschützte Anlagen.
Diese Erwägungen werden der Bedeutung der von der Klägerin geltend gemachten
wirtschaftlichen Einbußen nicht gerecht. Die Klägerin beanstandet zu Recht, dass sich die
Beklagte mit den Auswirkungen der Fluglärmbelastung auf das Produktions- und
Brutverhalten der Zuchttiere nicht hinreichend auseinandergesetzt hat. Die in der
nachträglichen Abwägung vom 16. Dezember 2005 erwähnte (nur im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes 3 L 917/03 – VG Potsdam –, nachgehend OVG 2 S 99.05,
eingereichte) Stellungnahme des Amtes für Wehrgeophysik vom 2. Oktober 2000 ist zur
Ermittlung der Belange der Klägerin offensichtlich ungeeignet. Sie befasst sich nur mit
der Frage der von einer Einzelperson geforderten Einstellung militärischer Flüge über den
international bedeutenden Gänserastplätzen am Niederrhein während der Monate
Oktober bis einschließlich März. Der lediglich zweieinhalbseitigen, auf „ornithologische,
störungsökologische und Vogelschlag-Gesichtspunkte“ bezogenen Stellungnahme
lassen sich keine im vorliegenden Zusammenhang auch nur ansatzweise verwertbaren
Informationen entnehmen. Untersuchungen im Winter 1996/97 hätten danach gezeigt,
dass der Flugverkehr Verursacher von nur 10 % der Störreize auf die überwinternden
Gänse gewesen sei; ferner könne von Hubschrauberüberflügen, wie im Winter 1994/95
geschehen, eine erheblich höhere Beunruhigung ausgehen. Dies bedeute, dass nicht der
Lärm der primäre Auslöser für die Reaktionen der Tiere sei, als vielmehr
Fluggeschwindigkeit und Silhouette, die bei Hubschraubern und Kleinflugzeugen eher als
bei Jets dem angegebenen Feindschema der Gänse entsprächen. Eine Mindestflughöhe
von 1000 ft werde für ausreichend erachtet, um Störungen weitgehend auszuschließen.
Gegen die Verwertbarkeit der Stellungnahme des Amtes für Wehrgeophysik vom 2.
Oktober 2000 bestehen gravierende methodische Bedenken. Das Verwaltungsgericht
hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die in der genannten Untersuchung
festgestellten Auswirkungen von Lärm auf sich in ihrem natürlichen Lebensraum
aufhaltende Wildgänse nicht übertragbar auf Putenzuchttiere in der hier zu beurteilenden
Massentierhaltung sind. Es ist offensichtlich, dass aufgrund der Haltungsbedingungen
der Abbau möglicher Angst- oder Schreckreaktionen erschwert wird, dass in der Folge
Stressreaktionen heftiger als bei einem sich in freier Wildbahn aufhaltenden Tier
ausfallen können und dass Schreckreaktionen auch nur vereinzelter Tiere bei einer
Haltung von mehreren tausend Tieren in einem Stall schnell zu deren Ausbreitung und
damit zu einer Überreaktion auch der anderen Tiere führen können. Hinzu kommt, dass
die Tatsachengrundlage für die Stellungnahme des Amtes für Wehrgeophysik vom 2.
Oktober 2000 völlig unklar bleibt. Welcher Art die Untersuchungen im Winter 1996/97
gewesen sind, über welchen konkreten Zeitraum sie sich erstreckt haben, wer im
Einzelnen mit ihnen befasst war und auf welche Weise die Beobachtungen erfasst und
aufbereitet worden sind, wird nicht erläutert. Der mitgeteilte Umstand, dass der
Flugverkehr Verursacher von nur 10 % der die überwinternden Gänse erreichenden
„Störreize“ gewesen sei, während die Landwirtschaft 32 % und die Naherholung
(„Gänsetourismus“) 17 % der Störreize verursacht hätten, ist ohne jeglichen
erkennbaren Informationswert, zumal auch der Begriff der „Störung“ nicht definiert wird.
Hinzu kommt, dass weder die Art der die Gänse „störenden“ Ereignisse noch die
Intensität der beobachteten „Störreize“ oder die konkreten Auswirkungen auf den
Bestand oder das Verhalten der Bläß- und Saatgänse näher beschrieben werden. Ob der
beobachtete Flugverkehr mit dem geplanten (Tief-)Flugbetrieb am Luft-Boden-
Schießplatz Wittstock vergleichbar ist, erscheint schon deshalb äußerst zweifelhaft, weil
nicht einmal zwischen militärischem und zivilem Anteil unterschieden wurde. Die
angegebenen Prozentzahlen sind für den vorliegenden Fall völlig belanglos, weil sie das
Verhältnis zwischen der Zahl und Art der Flugbewegungen, insbesondere der
beobachteten Luftfahrzeuge sowie ihrer Flugstrecke, Flughöhe und Fluggeschwindigkeit,
auf der einen Seite und den Störwirkungen auf der anderen Seite nicht zum Ausdruck
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auf der einen Seite und den Störwirkungen auf der anderen Seite nicht zum Ausdruck
bringt. Dass die Stellungnahme des Amtes für Wehrgeophysik vom 2. Oktober 2000 nur
eine äußerst schmale Tatsachengrundlage hat, ist auch deshalb anzunehmen, weil die
Feststellung, dass von Hubschrauberüberflügen eine erheblich höhere Beunruhigung
ausgehen könne, offenbar auf ein einzelnes Ereignis, nämlich den Überflug durch eine
britische Hubschrauberstaffel im Winter 1994/95 gestützt wird. Schließlich ist auch die
Schlussfolgerung, dass eine Mindestflughöhe von 1000 ft für ausreichend erachtet
werde, um Störungen weitgehend auszuschließen, nur von sehr begrenzter Relevanz für
die Ermittlung der Belange der Klägerin, deren Betriebsteile von Kampfflugzeugen
jedenfalls teilweise auch in einer Mindestflughöhe von nur 150 m überflogen werden
sollen.
Die schon im Ansatz unzureichende Ermittlung der Belange der Klägerin konnte auch
nicht dadurch geheilt werden, dass sich die Beklagte nunmehr auch auf die Erkenntnisse
des im Beschwerdeverfahren OVG 2 S 19.06 (vorgehend 3 L 797/05 – VG Potsdam) von
ihr vorgelegten Forschungsberichts aus der Wehrmedizin von Stephan und anderen vom
September 1985 zu den Einflüssen von strahlgetriebenen Luftfahrzeugen auf Leistung
und Verhalten von Wirbeltieren (Kurztitel: Fluglärm und Wirbeltiere) stützt, wonach
Putentiere keinen erheblichen Beeinträchtigungen von Tieffluglärm ausgesetzt seien.
Denn dieser Forschungsbericht ist nicht Grundlage der Abwägungsentscheidung
gewesen, und zwar weder der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003
noch der der nachträglichen Abwägung vom 25. Dezember 2005 zugrunde liegenden
Abwägung. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass das
Tatsachengericht nicht nur befugt, sondern im Rahmen der ihm nach § 86 Abs. 1 VwGO
obliegenden Aufklärungspflicht auch verpflichtet ist zu prüfen, ob die behördliche
Ermessensentscheidung auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruht (vgl.
BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 C 29.85 -, BVerwGE 78, 285, 296), und dass
das Gericht nach allgemeinen Grundsätzen klärt, ob die Belange so, wie sie die Behörde
ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat, der Wirklichkeit entsprechen (vgl. Gerhardt, in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Oktober 2008, § 114 Rn. 8), kann dies
für Art und Umfang der Tatsachenerfassung bei Abwägungsentscheidungen nur
eingeschränkt gelten. Die gerichtliche „Nachermittlungspflicht“ (vgl. Gerhardt, a.a.O)
darf nicht dazu führen, dass auch eine von vornherein völlig ungeeignete
Tatsachenermittlung der Behörde im Ergebnis durch das Gericht „geheilt“ wird, denn
dieser Fall unterscheidet sich im Ergebnis nicht von einer gänzlich unterbliebenen
Ermittlung der abwägungserheblichen Belange. Die gegenteilige Auffassung würde die -
dem planerischen Gestaltungsspielraum korrespondierende - Pflicht der Behörde zur
Ermittlung des Abwägungsmaterials, bei der es sich um einen elementaren Bestandteil
des Abwägungsvorgangs handelt, letztlich ihrer Substanz berauben. Wie bereits oben im
Zusammenhang mit der lärmmedizinischen Bewertung ausgeführt, kann eine
„Nachermittlungspflicht“ des Tatsachengerichts im Rahmen der Abwägungskontrolle nur
in Betracht kommen, soweit das Abwägungsmaterial für eine hinreichende
Problembewältigung hinreichend konkret ist (vgl. Gerhardt, a.a.O., Rn. 41). Dies gilt
insbesondere auch für von der Behörde herangezogene Gutachten. Planung, die das
Gebot rationaler Entscheidungsfindung erfüllen will, muss fachwissenschaftlichem Niveau
genügen (vgl. Berkemann, Horizonte rechtsstaatlicher Planung, in: ders. u.a., Planung
und Plankontrolle, 1995, S. 27, 52). Ein Gutachten, das zur sachgerechten
Tatsachenermittlung bereits im Ansatz ungeeignet ist, kann keine
„Nachermittlungspflicht“ des Gerichts auslösen. Zu Recht weist die Klägerin deshalb in
der Berufungserwiderung darauf hin, dass die Einholung eines
Sachverständigengutachtens im Rahmen der Amtsermittlung zu der Frage, ob die von
der Beklagten geplante Nutzung des Truppenübungsplatzes die Mitarbeiter und Tiere
bzw. die Produktion beeinträchtigt, dazu führen würde, dass das Gericht statt der
Beklagten erst die Entscheidungsgrundlage herstellt. Für die Feststellung, dass jedenfalls
die allgemeinen Feststellungen zum Einfluss von Lärm auf Wirbeltiere, Mastgeflügel und
Wildvögel, die die Beklagte als Entscheidungsgrundlage benannt hat, keine ausreichende
Bewertungsgrundlage darstellen, bedarf es demgegenüber keines
Sachverständigengutachtens.
Dem hier vertretenen Ansatz, dass die unzureichende Ermittlung der Auswirkungen des
Tieffluglärms auf die Puten in den Betriebsteilen der Klägerin nicht durch die Vorlage des
im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Forschungsberichts von Stephan und anderen
geheilt werden kann, steht nicht entgegen, dass der Senat in seinem - im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren ergangenen - Beschluss vom 1. Dezember 2006 - OVG 2 S 19.06
- noch davon ausgegangen ist, dass dem Forschungsbericht im Zusammenhang mit der
Frage der Auswirkungen der ermittelten Lärmwerte auf den Putenzucht- und -brutbetrieb
der Klägerin im Hauptsacheverfahren Bedeutung zukomme und im
Hauptsacheverfahren näher zu prüfen sei, ob die Unterschiede zwischen der dem
Forschungsbericht zugrunde liegenden Versuchsanordnung und den Bedingungen, unter
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132
Forschungsbericht zugrunde liegenden Versuchsanordnung und den Bedingungen, unter
denen die Puten der Klägerin gehalten werden, der Heranziehung der Ergebnisse
entgegenstehen. In dieser im Rahmen einer summarischen Prüfung geäußerten Ansicht
ist keine Festlegung des Senats dahingehend zu sehen, dass der Forschungsbericht
ungeachtet dessen, dass die Auswirkungen auf die Puten zum Zeitpunkt der
Abwägungsentscheidung nicht ansatzweise ermittelt worden waren, in jedem Fall
berücksichtigt werden müsste.
Darüber hinaus ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auch
der Forschungsbericht von Stephan und anderen den von der Beklagten in ihrer
Abwägung gezogenen Schluss, dass der Flugbetrieb keine beeinträchtigenden
Auswirkungen auf den Betrieb der Klägerin haben werde, nicht rechtfertigt. Dem
Forschungsbericht ist zwar zu entnehmen, dass Tiefflüge im Versuchszeitraum weder zu
einer höheren Mortalität noch zu Beeinträchtigungen bei der Futteraufnahme und
Gewichtsentwicklung der untersuchten Mastputen geführt haben. Ob diese Ergebnisse
auf die Situation in den Betriebsteilen der Klägerin übertragen werden können, ist jedoch
zweifelhaft. Diese Situation ist gegenüber der dem Forschungsbericht zugrunde
liegenden Versuchsanordnung nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin dadurch
geprägt, dass die Puten teilweise in offenen Stallungen mit Sichtkontakt zu den
Flugobjekten gehalten werden und dass es sich bei den Tieren nicht um Mast- sondern
um Zuchtputen handelt, die sich länger in den Stallungen aufhalten. Ein wesentlicher
Unterschied liegt insbesondere darin, dass in dem Betrieb der Klägerin mehrere
hunderttausend Tiere gehalten werden, während im Rahmen des Forschungsberichts
lediglich Populationen von 64 bis 114 Tieren je Gruppe untersucht worden sind. Der
Senat hat bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (Beschluss vom 1. Dezember
2006 - 2 S 19.06 -) darauf hingewiesen, dass im Hauptsacheverfahren gegebenenfalls zu
prüfen sein werde, ob diese Unterschiede die Verwertbarkeit des von der Beklagten
vorgelegten Gutachtens im Rahmen der Abwägung beeinträchtigen, zumal die
Besatzdichte sowohl nach dem Forschungsbericht von Stephan (S. 275) als auch nach
dem von der Klägerin mit Schriftsatz vom 1. November 2006 vorgelegten Auszug (S. 23)
aus der im Jahr 1985 verfassten Dissertation von Granacher, die dem Forschungsbericht
von Stephan zugrunde gelegen hat, ein eigener leistungsmindernder Stressor sein kann
und ein Sichtkontakt zu den Flugobjekten aufgrund der in dem Forschungsbericht
beschriebenen Aufstallungsbedingungen (S. 13, 277, 302) nicht gegeben gewesen ist.
Zwar hat der Senat zugleich klargestellt, dass die in der Dissertation beschriebenen
negativen Lärmwirkungen auf Tiere, insbesondere plötzliches Schreckverhalten,
Erhöhung der Herzfrequenz, Einwirkungen auf das Brutverhalten sowie eine
Beeinträchtigung der Legeleistung als Beleg für die Annahme der Klägerin, dass es
aufgrund der von der Beklagten geplanten Tiefflüge zu erheblichen stressbedingten
panikartigen Schreckreaktionen unter den Puten kommen werde mit der möglichen
Folge des Verendens einer großen Zahl von Tieren, nicht ausreichen dürften.
Nach erneuter Prüfung im Hauptsacheverfahren ist jedoch davon auszugehen, dass
allein schon die erheblichen Unterschiede zwischen den im Rahmen des
Forschungsberichts von Stephan untersuchten Populationen von lediglich 64 bis 114
Tieren je Gruppe und der von der Klägerin betriebenen Haltung von mehreren
hunderttausend Tieren in ihren Stallungen deutlich gegen eine ungeprüfte Übertragung
der Ergebnisse des Forschungsberichts sprechen, denn die vorliegende Situation ist
darin gerade ausgeklammert und weitergehenden Untersuchungen vorbehalten worden.
Dies ergibt sich daraus, dass in dem Forschungsbericht von Stephan und anderen
ausdrücklich darauf hingewiesen wird (S. 369 ff.), dass es unter Versuchsbedingungen
nicht möglich sei, die zuweilen vorhandene Tierhaltung in großen Beständen
(Massentierhaltung) originalgetreu nachzuahmen, und dass Tiere, welche unter
bekanntermaßen ungünstigen Umweltbedingungen gehalten werden, gegenüber
zusätzlich auf sie einwirkenden Reizen in nicht exakt vorhersehbarer Weise besonders
gefährdet seien. Insofern besitze nur ein Teil der in dem Forschungsbericht vorgestellten
Untersuchungen Modellcharakter. Spezielle Haltungsbedingungen, welche zwar aus
biologischer Sicht nicht ideal, vom Gesetzgeber aber zugelassen seien, wie z.B. die
Haltung von Tieren in großen Beständen, seien noch nicht untersucht worden. Nach
Auffassung der Verfasser des Forschungsberichts wäre es deshalb „aus Gründen der
Rechtssicherheit durchaus sinnvoll, mögliche Einwände wegen des Fehlens von
Untersuchungen über Fluglärmwirkungen in wirklich großen Beständen z.B. von
Mastputen vorwegzunehmen und vielleicht mit einem für tiefe Überflüge von der Lage
her geeigneten Betrieb einen von neutraler Seite begleiteten Versuch zu vereinbaren“
(S. 371).
Angesichts dieser deutlich zum Ausdruck gebrachten Einschränkungen des
Aussagegehalts des von der Beklagten vorgelegten Gutachtens, das die hier
vorliegenden Besonderheiten der Haltungsbedingungen gerade nicht mit erfasst, ist es
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vorliegenden Besonderheiten der Haltungsbedingungen gerade nicht mit erfasst, ist es
nicht Sache des Gerichts, entsprechende „Nachermittlungen“ vorzunehmen. Da es
nach dem Forschungsbericht und dem Auszug aus der Dissertation von Granacher
zumindest als möglich erscheint, dass es aufgrund des beschriebenen Fluchtverhaltens
einzelner Tiere in großen Tiergruppen zu Panikreaktionen in der gesamten Gruppe und in
deren Folge zu Verletzungen oder zum Verenden einer größeren Anzahl von Tieren
kommt, hätte es der Beklagten oblegen, spätestens im Rahmen der „ergänzenden
Abwägung“ weitere Ermittlungen durchzuführen und etwa die von den Verfassern des
Forschungsberichts angeregte Untersuchung über die Wirkungen tiefer Überflüge in
großen Beständen von Mastputen nachzuholen. Die bloße Behauptung der Beklagten,
die größere Zahl der Tiere führe nicht zu einem maßgeblichen Unterschied, sofern den
Anforderungen artgerechter Haltung Rechnung getragen werde, vermag derartige
Ermittlungen nicht zu ersetzen. In diesem Zusammenhang dürfen auch nicht die
negativen Einflüsse auf die Legeleistung unberücksichtigt bleiben, mit denen nach dem
von der Klägerin mit Schriftsatz vom 1. November 2006 vorgelegten Auszug aus der
Dissertation von Granacher, die dem Forschungsbericht zugrunde gelegen hat, zu
rechnen ist. Zwar ist es weiterhin zweifelhaft, ob allein der von der Klägerin befürchteten
geringeren Legeleistung der Zuchttiere um wenige Prozent in der Abwägung
ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann, da es insoweit nicht um die Gefahr
einer Zerstörung bestehenden Eigentums in Form des Putenbestands, sondern nur um
die Beeinträchtigung von Erwerbschancen geht, die dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG
grundsätzlich nicht unterfallen (vgl. Beschluss des Senats vom 1. Dezember 2006 - 2 S
19.06 -). Auch mehr als nur geringfügige Beeinträchtigungen der Legeleistung können
sich jedoch auf die betriebswirtschaftliche Rentabilität auswirken und dürfen deshalb
nicht einfach übergangen werden, sondern müssen zumindest als abwägungserhebliche
Belange der Klägerin berücksichtigt und in die planerische Problembewältigung
eingestellt werden.
Hat die Beklagte es mithin versäumt, in dem von ihr durchgeführten
Verwaltungsverfahren sui generis bzw. spätestens im Rahmen der ergänzenden
Abwägung die Auswirkungen des Tieffluglärms auf die Puten in den Betriebsteilen der
Klägerin unter Berücksichtigung der konkreten Haltungsbedingungen ausreichend zu
ermitteln, war auch der von ihr in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag
Nr. 4. als unzulässig zurückzuweisen. Auch mit diesem Beweisantrag sollen Ermittlungen
des Gerichts veranlasst werden, zu denen die Beklagte im Verwaltungsverfahren
verpflichtet gewesen wäre. Für die von der Beklagten unter Beweis gestellte Behauptung,
dass durch den nach der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 in Verbindung mit
dem dieser zugrunde liegenden Betriebskonzept zugelassenen Flugbetrieb an den Orten
der Klägerin keinerlei Belastungen, insbesondere Lärm- und Sichtbelastungen
verursacht würden, die zu negativen Auswirkungen auf die Putentiere der Klägerin,
insbesondere hinsichtlich Mortalität, Futteraufnahme, Gewichtszunahme und
Futterverwertung führten, so dass eine Beeinträchtigung des Putenbestandes der
Klägerin nicht zu gewärtigen sei, sind bisher keine hinreichend konkreten tatsächlichen
Grundlagen genannt worden, da - wie ausgeführt - der von der Beklagten vorgelegte
Forschungsbericht von Stephan und anderen die hier vorliegenden Besonderheiten der
Haltungsbedingungen nach eigener Aussage nicht mit erfasst.
(5) Schließlich ist ein Ermittlungsdefizit in der Abwägung darin zu sehen, dass die Frage
der Vorbelastung nicht geklärt worden ist.
Im Rahmen der vollständigen Zusammenstellung des Abwägungsmaterials sind
Ermittlungen zur Vorbelastung grundsätzlich auch dann erforderlich, wenn sich die
planende Behörde hierauf nicht beruft. Ein solcher Fall liegt hier vor, da die Beklagte in
der ergänzenden Abwägung vom 25. Juni 2007 „die mit der nunmehr ermittelten
Fluglärmbelastung auf den Grundstücken der Kläger verbundene Beeinträchtigung ihrer
jeweiligen Belange“ im Hinblick auf die dringenden öffentlichen Interessen an einer
Fortnutzung des Luft-Boden-Schießplatzes Wittstock ohne weiteres, d.h. „auch ohne
Berücksichtigung einer etwaigen Vorbelastung, die deshalb ausdrücklich außer Acht
gelassen“ werde, für „planungsrechtlich zumutbar“ hält. Geht man mit der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 29. April 2002 - 9 B
10.02 -, Juris, zu § 9 Abs. 2 LuftVG) davon aus, dass die Zumutbarkeitsgrenze für
Fluglärmbeeinträchtigungen nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten
örtlichen Verhältnisse durch tatrichterliche Würdigung bestimmt werden kann, wobei die
Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse die Schutzbedürftigkeit der
jeweiligen Umgebung bestimmen, ist im Rahmen der Abwägung die Klärung einer
bestehenden Vorbelastung des betreffenden Gebietes unabhängig davon erforderlich,
ob sich die planende Behörde auf die geminderte Schutzwürdigkeit des Gebietes
ausdrücklich beruft. Dies gilt insbesondere in einem Bereich, in dem es – wie beim
militärischen Tieffluglärm – an gesicherten Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung zu
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militärischen Tieffluglärm – an gesicherten Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung zu
den relevanten Grenz- und Schwellenwerten bislang fehlt.
Ausreichende Ermittlungen zu diesem Punkt sind nicht erfolgt. Zu den tatsächlichen
Lärmvorbelastungen am Standort der Betriebsanlagen der Klägerin fehlen substantiierte
Ausführungen. Der Hinweis der Beklagten auf die frühere Nutzung des
Truppenübungsplatzes durch die Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte und später
durch die Bundeswehr lässt unberücksichtigt, dass es im vorliegenden Zusammenhang
trotz der Nähe der Betriebsstätten der Klägerin zu dem Gelände des
Truppenübungsplatzes nicht in erster Linie um die auf dem Gelände selbst entstehenden
Lärmimmissionen geht, sondern um diejenigen Lärmbelastungen, von denen die
Klägerin aufgrund der in dem Betriebskonzept vorgesehenen An- und Abflüge zu bzw.
von dem Gelände betroffen ist. Es fehlt jedenfalls an nachvollziehbaren Angaben dazu, in
welchem Umfang bereits früher regelmäßig An- und Abflüge zu bzw. von dem
Übungsgelände im Bereich der Standorte der Betriebsanlagen der Klägerin stattfanden
und welche Intensität die damit verbundenen Lärmbelastungen erreichten. Diese
Angaben sind zur Beurteilung der tatsächlichen Vorbelastung der Betriebsanlagen der
Klägerin erforderlich.
Im Zusammenhang mit der Annahme einer „plangegebenen Vorbelastung“ der
Grundstücke der Kläger hätte die Beklagte im Rahmen der Abwägung jedenfalls klären
müssen, welche konkreten, bereits verfestigten Planungen hinsichtlich der weiteren
militärischen Nutzung des Truppenübungsplatzes zum maßgeblichen Zeitpunkt der
Errichtung bzw. Übernahme und Modernisierung der einzelnen Betriebsteile der Klägerin
bestanden hatten und mit welchen Belastungen diese daher realistischerweise rechnen
mussten. Hierzu finden sich in der Begründung der Abwägungsentscheidung indes
keinerlei Ausführungen. Diese sind auch nicht im Hinblick auf den in der nachträglichen
Abwägung nicht erwähnten, jedoch aus den vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen
Verfahren bekannten Umstand entbehrlich, dass der Truppenübungsplatz Wittstock
bereits in dem am 14. Januar 1993 vom Deutschen Bundestag gebilligten
Truppenübungsplatzkonzept als Luft-Boden-Schießplatz vorgesehen war. Zwar mag die
damalige Planung insoweit verfestigt gewesen sein, als die künftige Nutzung wie folgt
umschrieben wurde: „Üben und Schießen, zwei Schießbahnen ab 20 mm,
Artillerieschießen, Luftwaffe als Hauptnutzer, ca. 3000 Einsätze im Jahr, Verwendung von
Übungsmunition“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2000, a.a.O., S. 288).
Angesichts der Entfernung der Grundstücke der Klägerin von dem Truppenübungsplatz
und des Umstandes, dass die ihr drohenden Lärmbeeinträchtigungen weniger durch die
auf dem Platz entstehenden Lärmimmissionen, sondern ganz wesentlich durch die
konkrete Lage des erst im Betriebskonzept festgelegten südlichen Ein- und
Ausflugbereichs bedingt sind, hätte das Maß der Lärmbeeinträchtigungen, das die
Klägerin wegen der Situationsgebundenheit ihres Grundeigentums gegebenenfalls
hinzunehmen hat, nicht ungeklärt bleiben dürfen.
cc) Die Klägerin kann sich auf die festgestellten Abwägungsmängel gemäß § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO allerdings nur teilweise berufen; denn das planfeststellungsrechtliche
Abwägungsgebot verleiht nach gefestigter Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ein subjektives Recht auf gerechte Abwägung allein im
Hinblick auf rechtlich geschützte eigene Belange des Betroffenen (vgl. BVerwG, Urteil
vom 14. Februar 1975 - IV C 21.74 -, BVerwGE 48, 56, 65 ff.). Eine Berufung auf fremde
Belange hat das Bundesverwaltungsgericht bisher nur denjenigen Planbetroffenen
zugestanden, deren Grundstücke zur Planverwirklichung im Wege der Enteignung
herangezogen werden sollen und die sich folglich auf die besonderen
Eingriffsvoraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 GG berufen können. Hiervon
ausgehend kann sich die Klägerin zwar nicht darauf berufen, dass die Beklagte
öffentliche Belange - wie hier etwa des Naturschutzes - nicht ausreichend ermittelt und
in die Abwägung eingestellt hat. Bei den Lärmschutzbelangen und den wirtschaftlichen
Interessen handelt es sich jedoch um eigene Belange der Klägerin, die diese gemäß §
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend machen kann.
5. Die festgestellten Verfahrensfehler führen zur Aufhebung der
Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003 (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ohne dass die
Grundsätze der Planerhaltung dem entgegenstehen (a). Hält man entsprechend der
selbständig tragenden Hilfsbegründung das von der Beklagten durchgeführte Verfahren
grundsätzlich für zulässig und nur die Ermittlung der abwägungserheblichen Belange für
defizitär, bestünde allerdings die Möglichkeit eines ergänzenden Verfahrens (b).
a) Die Grundsätze der Planerhaltung finden keine Anwendung, soweit die angefochtene
Verwaltungsentscheidung wegen der Beschränkung der Anhörung auf ausgewählte
Gemeinden und des Verzichts auf eine umfassende Problembewältigung im Rahmen
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Gemeinden und des Verzichts auf eine umfassende Problembewältigung im Rahmen
einer Gesamtabwägung verfahrensfehlerhaft ist. Denn es handelt sich nicht nur um
Fehler im materiellrechtlichen Abwägungsvorgang, sondern um die Verletzung einer -
richterrechtlich entwickelten - verfahrensbezogenen Pflicht, und die Voraussetzungen
der unmittelbar anwendbaren und insoweit spezielleren Vorschriften der §§ 45, 46 VwVfG
sind nicht erfüllt (vgl. oben zu 3.). Unabhängig hiervon geht der Gedanke der
Planerhaltung auch deshalb ins Leere, weil die angefochtene Verwaltungsentscheidung
mangels einer – wenigstens ansatzweise – umfassenden Problembewältigung im
Rahmen einer Gesamtabwägung nicht die materiellen Voraussetzungen eines „Planes“
erfüllt. Die Beklagte weist in der Berufungsbegründung selbst darauf hin, dass die
„Komplexität von Planungsentscheidungen“ der ausschlaggebende Grund für die
Rechtsprechung ist, dass bei Abwägungsfehlern in der Regel nicht die Aufhebung der
Planungsentscheidung, sondern nur eine Planergänzung beansprucht werden kann.
Diese Rechtsprechung hat indes zur Voraussetzung, dass überhaupt eine „komplexe
Planungsentscheidung“ stattgefunden hat. Hieran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.
Eine Ermittlung der maßgeblichen öffentlichen und privaten Belange aufgrund eines
Beteiligungsverfahrens hat vor Erlass der Verwaltungsentscheidung - wie ausgeführt -
lediglich äußerst rudimentär - durch Anhörung einiger ausgewählter Gemeinden -
stattgefunden. Die Belange weiterer betroffener Gemeinden und Privatpersonen sind
lediglich in die „nachträglichen“ bzw. „ergänzenden“ Abwägungen eingeflossen, wobei
auch insoweit nur diejenigen Belange Berücksichtigung gefunden haben, die in den
diversen gerichtlichen Verfahren schriftsätzlich formuliert worden sind. Eine einheitliche
planerische Abwägungsentscheidung, bei der die öffentlichen und privaten Belange
gegeneinander und untereinander abzuwägen gewesen wären, hat nicht stattgefunden.
Ein „Interessengeflecht der Planung“, auf das durch die Beschränkung auf eine
Planergänzung Rücksicht zu nehmen wäre, ist daher nicht erkennbar.
b) Hält man das von der Beklagten in Anlehnung an § 1 Abs. 2 und 3 LBG durchgeführte
Verfahren entgegen der Ansicht des Senats jedoch grundsätzlich für zulässig, käme
hinsichtlich des festgestellten Defizits bei der Ermittlung der abwägungserheblichen
Belange auch der - in den bau- und fachplanungsrechtlichen Planerhaltungsvorschriften
(vgl. z.B. § 214 BauGB, § 10 Abs. 8 LuftVG oder § 75 Abs. 1a VwVfG) gesetzlich
konkretisierte - Gedanke der Planerhaltung zum Tragen. Dieser findet seinen Ausdruck
vor allem in der Beschränkung der Beachtlichkeit von Abwägungsmängeln auf solche
Fehler, die offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (vgl.
etwa § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG). Außerdem ist eine Aufhebung der planerischen
Entscheidung wegen eines erheblichen Mangels ausgeschlossen, wenn die Behörde den
Mangel durch Planergänzung oder in einem ergänzenden Verfahren beheben kann (vgl.
§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG). Der Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall
stünde nicht entgegen, dass eine entsprechende fachgesetzliche Regelung für die hier
zu treffende planerische Entscheidung über die militärische Fortnutzung eines
Truppenübungsplatzes als Luft-Boden-Schießplatz nicht existiert. Denn nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich um einen für das
Fachplanungsrecht allgemein geltenden Grundsatz, dessen Anwendung nicht von einer
ausdrücklichen gesetzlichen Normierung oder ihrer entsprechenden Anwendung
abhängt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 9 B 63/01 -, NVwZ 2002, 1235,
1236 f., m.w.N.).
Die Anwendung der Planerhaltungsgrundsätze würde im konkreten Fall allerdings nicht
zur Unbeachtlichkeit des Abwägungsfehlers einer unzureichenden Ermittlung der
abwägungserheblichen (insbesondere Lärmschutz-)Belange der Klägerin führen, denn
dieser Abwägungsfehler ist offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss
gewesen. Die Offensichtlichkeit des Abwägungsfehlers folgt bereits daraus, dass der
Fehler die Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials betrifft und
ohne weiteres aus den Begründungen der Verwaltungsentscheidung vom 9. Juli 2003
sowie der nachträglichen Abwägung vom 16. Dezember 2005 und der ergänzenden
Abwägung vom 25. Juni 2007 hervorgeht (vgl. zu dieser Auslegung des Merkmals der
„Offensichtlichkeit“ im Fachplanungsrecht etwa BVerwG, Urteil vom 12. April 2000 - 11 A
18.98 -, BVerwGE 111, 108, 116, zu § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG). Der Mangel im
Abwägungsvorgang ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der baurechtlichen
Planerhaltungsvorschrift des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB setzt dies voraus, dass nach
den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit eines solchen Einflusses
besteht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich an Hand der Planunterlagen oder sonst
erkennbarer oder nahe liegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel
im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann (vgl.
BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 -, BVerwGE 64, 33, 39 f.; Beschlüsse
vom 29. Januar 1992 - 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662, 663, und vom 20. Januar 1992 - 4
B 71.90 -, NVwZ 1992, 663, 664). Es kommt also einerseits nicht auf den positiven
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B 71.90 -, NVwZ 1992, 663, 664). Es kommt also einerseits nicht auf den positiven
Nachweis eines Einflusses an; auf der anderen Seite genügt aber auch nicht die (wohl
stets zu bejahende) abstrakte Möglichkeit, dass ohne den Mangel anders geplant
worden wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 4 BN 47/03 -, BRS 66 Nr.
65). Ausgeschlossen ist der Einfluss eines Fehlers z.B. dann, wenn die Behörde es
unterlassen hat, den Umfang einer behaupteten Beeinträchtigung weiter aufzuklären,
die tatsächlich objektiv aber ein so geringes Gewicht hat, dass sie vernachlässigt werden
konnte. Ist die Planungsentscheidung teilbar, so kommt außerdem nur die Aufhebung
desjenigen Teils in Betracht, auf den sich der Fehler ausgewirkt hat (vgl. Kopp/Ramsauer,
a.a.O., § 75 Rn. 17).
Nach diesen Maßstäben lässt sich nicht feststellen, dass die Verwaltungsentscheidung
einschließlich des Betriebskonzepts bei einer ausreichenden Ermittlung der
abwägungserheblichen Belange der Klägerin, insbesondere im Hinblick auf den
Lärmschutz, genau in der geschehenen Weise getroffen worden wäre. Selbst wenn
angesichts der von der Beklagten sowohl in der Verwaltungsentscheidung selbst als
auch in den nachträglichen Abwägungen zum Ausdruck gebrachten großen Bedeutung
der Nutzung des Truppenübungsplatzes als Luft-Boden-Schießplatz für die
Einsatzfähigkeit der Luftstreitkräfte mit einem völligen Verzicht auf das Vorhaben nicht
zu rechnen gewesen wäre, haben die - hier nicht ausreichend aufgeklärten -
Beeinträchtigungen privater und kommunaler Belange durch die von dem Flugbetrieb
ausgehenden Lärmimmissionen andererseits nicht - jedenfalls in ihrer Gesamtheit - ein
so geringes Gewicht, dass sie vernachlässigt werden konnten. Dies ergibt sich schon
daraus, dass in der Verwaltungsentscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass
bei der Art und dem Umfang der verbleibenden militärischen Nutzung des
Truppenübungsplatzes Wittstock im Hinblick auf die gemeindlichen Belange
verschiedene Maßnahmen zur Belastungsreduzierung ergriffen worden seien, „um die
verbleibenden Auswirkungen für die Menschen und die Umwelt noch weiter zu
verringern“. Insbesondere seien die Abwurfziele so modifiziert worden, dass die
Platzrunden für die Standardverfahren nahezu vollständig innerhalb des Platzbereichs
lägen; weiterhin sei die Platzrunde für Radar-Einsatzverfahren (sog. Radarplatzrunde),
die u.a. auch außerhalb der Platzgrenzen erfolgt, nach Osten verschoben und im
nördlichen Bereich verkürzt worden, was zur Folge habe, dass sie sich in einem größeren
Abstand als bisher zu den Ortschaften Sewekow, Berlinchen, Groß Haßlow, Babitz und
Goldbeck befinde, die Gemeinde Dossow im Rahmen der Radarplatzrunde nach deren
Verlegung nicht mehr überflogen werde und alle Flugwege zusätzlich mindestens 1,5
Kilometer von den Ortsrändern der Gemeinden Rossow, Fretzdorf, Gadow, Zootzen und
Dossow entfernt seien. Hat die Beklagte mithin aufgrund des Vorbringens der
angehörten Gemeinden das Betriebskonzept überprüft und jedenfalls partiell auch
geändert, kann ohne weiteres unterstellt werden, dass sie bei rechtzeitiger und
vollständiger Ermittlung der abwägungserheblichen Belange anderer Gemeinden und
betroffener Privater - wie u.a. der Klägerin - die Frage, welche Gestaltung des
Flugbetriebs sich insbesondere unter Lärmschutzgesichtspunkten bestmöglich in die
vorhandene Siedlungsstruktur einpasst und wie die unvermeidbaren Beeinträchtigungen
der betroffenen privaten und kommunalen Belange minimiert werden können,
möglicherweise anders beantwortet hätte. Auf welche Weise die Beklagte einen
umfassenderen Ausgleich der Interessen in der Umgebung des Luft-Boden-
Schießplatzes konkret herbeigeführt hätte, bedarf keiner Klärung. Entscheidend ist, dass
eine Veränderung der Lage der Ein- und Ausflugbereiche, die Anordnung weiterer
Überflugbeschränkungen oder andere Modifikationen bei der Ausgestaltung des
Betriebskonzepts zumindest möglich erscheinen und nicht durch den Zweck des
Vorhabens oder die flugbetrieblichen Anforderungen ausgeschlossen werden.
Der Aufhebung der Verwaltungsentscheidung wegen des Abwägungsdefizits stünde
allerdings der vom Gesetzgeber z.B. in § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG geregelte Grundsatz
entgegen, dass erhebliche Mängel bei der Abwägung nur dann zur Aufhebung der
planerischen Entscheidung führen, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein
ergänzendes Verfahren behoben werden können. Im ergänzenden Verfahren heilbar sind
alle Abwägungsfehler, bei denen die Möglichkeit besteht, dass die
Planfeststellungsbehörde nach erneuter Abwägung an der getroffenen Entscheidung
festhält und hierzu im Rahmen ihres planerischen Ermessens auch berechtigt ist, bei
denen sie also nicht von vornherein darauf verwiesen ist, die planerische Entscheidung
aufzuheben oder zu ändern. Hierzu können auch Mängel bei der Alternativenprüfung
oder Fehler gehören, die darauf beruhen, dass die planende Behörde durch Abwägung
nicht überwindbare Schranken des strikten Rechts verletzt hat. Im ergänzenden
Verfahren nicht behoben werden können hingegen Mängel bei der Abwägung, die von
solcher Art und Schwere sind, dass sie die Planung als Ganzes von vornherein in Frage
stellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 -, BVerwGE 120, 276, 283 f.,
und vom 17. Mai 2002 - 4 A 28.01 -, BVerwGE 116, 254, 268). Ausgehend davon muss
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und vom 17. Mai 2002 - 4 A 28.01 -, BVerwGE 116, 254, 268). Ausgehend davon muss
von vornherein ausgeschlossen sein, dass die Behörde diese Mängel unter
Aufrechterhaltung ihrer planerischen Entscheidung beheben kann (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 9 B 28/08 -, NVwZ 2009, 320, 322). Gründe, die
gegen die Übertragung dieser Grundsätze auf die vorliegende Verwaltungsentscheidung
sprechen, sind - soweit das von der Beklagten in Anlehnung an § 1 Abs. 2 und 3 LBG
durchgeführte Verfahren entgegen der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich als
zulässig angesehen wird - nicht erkennbar. Da nicht ausgeschlossen erscheint, dass der
Inhalt der Verwaltungsentscheidung einschließlich des Betriebskonzepts Ergebnis eines
fehlerfreien Abwägungsprozesses sein könnte, sofern sich bei einer vergleichenden
Betrachtung der denkbaren An- und Abflugrouten herausstellen sollte, dass es sich um
die unter Lärmschutzaspekten schonendste Variante handelt und keine unzumutbaren
Lärmimmissionen entstehen, ist davon auszugehen, dass die festgestellten
Abwägungsfehler durch ein ergänzendes Verwaltungsverfahren behoben werden
könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wäre in diesem Fall
lediglich die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung mit der
Rechtsfolge ihrer Nichtvollziehbarkeit bis zur Fehlerbehebung festzustellen (vgl. BVerwG,
Urteil vom 21. März 1996 - 4 C 19.94 -, BVerwGE 100, 370, 371; Urteil vom 12.
Dezember 1996 - 4 C 19.95 -, BVerwGE 102, 358, 365 f.).
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr.
10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat. Die Klärung der für die Beurteilung des Streitfalles
maßgeblichen Rechtsfrage, welche verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen an eine
nicht dem Anwendungsbereich des Landbeschaffungsgesetzes unterfallende und auch
anderweitig nicht gesetzlich geregelte planerische Entscheidung für ein
raumbeanspruchendes Militärvorhaben zu stellen sind, hat über ihre Bedeutung für den
zu entscheidenden konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche
Auslegung und Anwendung des Rechts oder für die Fortbildung des Rechts.
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