Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 10.11.2016

historische auslegung, altersgrenze, universität, mitbestimmungsrecht

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 10.11.2016, PL 15 S 2083/15
Mitbestimmungspflicht der Verlängerung eines unbefristeten Arbeitsvertrages über die
Regelaltersgrenze hinaus durch Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes
Leitsätze
Die Verlängerung eines unbefristeten Arbeitsvertrags über die Regelaltersgrenze hinaus durch Hinausschieben
des Beendigungszeitpunktes gemäß § 41 Satz 3 SGB VI ist nicht mitbestimmungspflichtig.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. August
2015 - PL 11 K 4153/14 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Verlängerung eines unbefristeten Arbeitsvertrags über die
Regelaltersgrenze hinaus durch Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes gemäß § 41 Satz 3 SGB VI
mitbestimmungspflichtig ist.
2 Mit Arbeitsvertrag vom 19.11.1999 zwischen dem Land, vertreten durch die Universität T., sowie der am
18.07.1949 geborenen Frau C. wurde diese zunächst mit der Vergütungsgruppe BAT VII, angehoben durch
Änderungsvertrag vom 03.11.2005 auf BAT VI b und ab 01.11.2006 übergeleitet in TVL-E 6, von der
Universität T. auf unbestimmte Zeit angestellt und dort zuletzt als Sekretärin in der Mathematisch-
Naturwissenschaftlichen Fakultät beschäftigt. Mit Erreichen der abschlagsfreien Regelaltersgrenze hätte das
Arbeitsverhältnis eigentlich gemäß § 33 Abs. 1 lit. a TV-L am 31.10.2014 geendet.
3 Da Frau C. aufgrund von Kindererziehungszeiten nur eine verhältnismäßig geringe Altersrente
erwirtschaftet hatte, beantragte sie am 05.05.2014 bei der universitären Personalabteilung, gemäß § 33
Abs. 5 TV-L im Wege der Wiedereinstellung weiterarbeiten zu dürfen. Dieses Anliegen wurde von den
beiden Professoren unterstützt, denen sie zuarbeitete. Aufgrund organisatorischer Probleme in ihren
Abteilungen regten die beiden Professoren bei der Personalabteilung an, dass die erfahrene Frau C.
idealerweise einen neuen Vollzeitarbeitsvertrag bis zum 31.01.2017 erhalten solle.
4 Die Personalabteilung leitete diesen Antrag an den Antragsteller weiter, der die Wiedereinstellung von Frau
C. mit Schreiben vom 27.06.2014 ablehnte. Im Gegenzug wurde vorgeschlagen, die Stelle intern für
aufstockungswillige Beschäftigte oder Auszubildende auszuschreiben. Auch Frau C. könne sich dann ja auf
diese Stelle bewerben und gegebenenfalls im Rahmen der Bestenauslese ausgewählt werden. Frau C.
äußerte sich mit Mail vom 04.06.2014 zu dieser „Hiobsbotschaft“; sie sei „100%ig davon überzeugt, dass sie
als Gewerkschaftsmitglied diese Probleme jetzt nicht hätte.“ Man habe ihr gesagt, dass man sie „noch nie
auf einer Demo gesehen hätte“ und sie auch „kein Mitglied bei Verdi sei“. Im Übrigen sei sie zu „30%
schwerbehindert mit Gleichstellung“.
5 Mit Wirkung zum 01.07.2014 wurde dem § 41 SGB VI durch das Bundesgesetz über
Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (BGBl. I 2014 S. 787) folgender Satz 3
angefügt: „
Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der
Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des
Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.“ Unter
Berufung hierauf beantragte Frau C. am 17.07.2014 nunmehr die Verlängerung ihres unbefristeten
Arbeitsvertrags über die Regelaltersgrenze hinaus und zwar bis zum 31.10.2016, da das
Wissenschaftsministerium eine Weiterbeschäftigung von maximal zwei Jahren ansetze.
6 Die universitäre Personalabteilung befasste den Antragsteller am 22.07.2014 erneut mit der Angelegenheit
und beantragte dessen Zustimmung gemäß § 71 Abs. 1 Ziff. 10 LPVG a.F. („Eingeschränkte Mitbestimmung
bei … wesentlicher Änderung des Arbeitsvertrags, ausgenommen der Änderung der arbeitsvertraglich
vereinbarten Arbeitszeit“). Nach Klärung verschiedener Fragen teilte der Antragsteller mit, dass der
Personalrat bei seiner grundsätzlichen Einschätzung verbleibe. Auf der Sitzung vom 13.08.2014 sei die
Zustimmung zur Weiterbeschäftigung von Frau C. erneut abgelehnt worden. Die Dienststelle habe nicht
hinreichend dargelegt, dass ein dringendes dienstliches Interesse an der verlängerten Mitarbeit von Frau C.
bestehe. Vielmehr liege keine oder eine nur unzureichende Personalplanung vor. Nachvollziehbare sachliche
Gründe im Sinne der Ausführungsbestimmungen des Finanzministeriums zur Weiterbeschäftigung gemäß §
43 Satz 3 SGB VI seien nicht erkennbar. Andere Sekretärinnen müssten derzeit an der Universität befristet
arbeiten bzw. sogar ihre Arbeitszeit und ihr Einkommen halbieren. Zur Einarbeitung einer Nachfolge halte
der Personalrat im Sinne eines Kompromisses eine Weiterbeschäftigung von Frau C. für allenfalls sechs
Monate sinnvoll.
7 Mit Schreiben vom 28.08.2014 leitete die Universität daraufhin beim Wissenschaftsministerium das
Stufenverfahren ein. Aufgrund der aktuellen besonderen Situation in den Universitätsabteilungen, in denen
Frau C. arbeite, liege ein dringendes dienstliches Interesse für eine nicht nur sechsmonatige, sondern eine
zweijährige Weiterbeschäftigung vor. Mit Schreiben vom 16.09.2014 teilte das Ministerium mit, dass ein
Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung lediglich (analog) § 71 Abs. 2 Nr. 14 LPVG a.F. („Der
Personalrat bestimmt in Personalangelegenheiten der Beschäftigten nur auf deren Antrag mit bei …
Ablehnung des Antrags auf Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand wegen Erreichens der
Altersgrenze“) bestehe. Da ein entsprechender Antrag von Frau C. nicht vorliege, könne die Maßnahme
ohne Zustimmung des Antragstellers durchgeführt werden.
8 Nachdem Frau C. ihren Rentenantrag bei der Deutschen Rentenversicherung zurückgenommen hatte,
wurde von der Universität mit ihr am 29./30.09.2014 folgende „Vereinbarung zum Arbeitsvertrag“
geschlossen: „Gemäß § 41 Satz 3 SGB VI wird der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsvertrages bis zum
31.10.2016 hinausgeschoben.“
9 Der Antragsteller hat am 04.11.2014 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen - Fachkammer für
Personalvertretungssachen (Land) - das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Auf
die Anhörung vom 10.08.2015 lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom selben Tag den Antrag ab.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der aufgrund anzunehmender Wiederholungsfälle
zulässige Feststellungsantrag unbegründet sei, weil die Vereinbarung über das Hinausschieben des
Beendigungszeitpunktes des Arbeitsvertrags bis zum 31.10.2016 kein Mitbestimmungsrecht des
Antragstellers verletzt habe. Ein solches Mitbestimmungsrecht ergebe sich entgegen der Rechtsauffassung
des Antragstellers auch bei Auslegung im Lichte der für Beamte geltenden Mitbestimmungsregel des § 75
Abs. 3 Nr. 14 LPVG und bei Berücksichtigung, dass ein durch Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze
nach § 33 Abs. 1 lit. a TV-L zweckbefristeter Vertrag vorliege weder aus Nr. 2 noch Nr. 10 des neugefassten
§ 75 Abs. 1 LPVG. Es liege auch keine Nebenabrede im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 2 LPVG n.F. vor und § 75
Abs. 1 Nr. 10 LPVG n.F. greife hier nicht ein.
10 Gegen den ihm am 28.09.2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 21.10.2015 Beschwerde
eingelegt und diese am 26.11.2015 begründet. Er macht geltend, nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts könne der Betriebsrat nicht nur vor Abschluss eines Arbeitsvertrags mitbestimmen,
sondern beispielsweise auch bei Beschäftigung über die tarifliche Altersgrenze hinaus. Auch im Rahmen des
LPVG sei unbestritten, dass die Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses als Neueinstellung gelte.
Der Begriff der „Einstellung“ in § 75 Abs. 1 Nr. 2 LPVG n.F. sei mithin nicht anders auszulegen als bei § 99
Abs. 1 BetrVG. Dogmatisch könne das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts eines Arbeitsvertrags
gemäß § 41 Satz 3 SGB VI nur als Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags im Anschluss an das bisher
zweckbefristete Arbeitsverhältnis gesehen werden, sodass eine neue Befristungsabrede vorliege, die, wie im
Arbeitsrecht, mitbestimmungspflichtig sei. Im Hinblick auf die für Beamte geltende Mitbestimmungsregelung
des § 75 Abs. 3 Nr. 14 LPVG n.F. sei auf die Gesetzesbegründung Bezug zu nehmen. Der Gesetzgeber gehe
gemäß Landtagsdrucksache Nr. 14/6694 vom 20.07.2010 (S. 569) ausdrücklich davon aus, dass bei
Beschäftigung von Arbeitnehmern über die Altersgrenze hinaus ein neuer Arbeitsvertrag zu schließen sei,
der nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 LPVG der Mitbestimmung unterliege. Für gegenläufige systematische Erwägungen
verbleibe deshalb kein Raum. Da die Laufzeit eines Arbeitsvertrags zu den wesentlichen
Vertragsbestandteilen gehöre, sei zudem Mitbestimmungspflichtigkeit gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 10 LPVG n.F.
anzunehmen.
11 Der Antragsteller beantragt,
12 den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. August 2015 - PL 11 K 4153/14 - zu ändern
und festzustellen, dass die Verlängerung des unbefristeten Arbeitsvertrags von Frau C. über die gesetzliche
Regelaltersgrenze hinaus durch Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes mitbestimmungspflichtig war.
13 Der weitere Beteiligte beantragt,
14 die Beschwerde zurückzuweisen.
15 Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht ergänzend geltend, im vorliegenden Fall gehe es nicht
um eine Wiedereinstellung nach Erreichen der Altersgrenze gemäß § 33 Abs. 5 TV-L, deren Ablehnung am
27.06.2014 durch den Personalrat die Universität akzeptiert habe. Hier gehe es vielmehr um ein
Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes des unbefristeten Arbeitsvertrags nach dem neuen § 41 Satz 3
SGB VI. In dieser Konstellation werde gerade kein neues befristetes Arbeitsverhältnis begründet, weswegen
auch keine „Einstellung“ im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 2 LPVG vorliege. Die Interessenlage sei hier auch
anders als bei der Verlängerung befristeter Arbeitsverträge. Zudem könne insoweit nicht auf die
Landesgesetzesbegründung vom 20.07.2010 abgehoben werden, weil der Bundesgesetzgeber am
01.07.2014 durch den neuen § 41 Satz 3 SGB VI in Gleichstellung mit Beamten diese
Verlängerungsmöglichkeit geschaffen habe, um auch für Arbeitnehmer die Altersgrenze flexibler zu
gestalten. Mit denselben Erwägungen ergebe sich auch keine Mitbestimmung des Personalrates nach § 75
Abs. 1 Nr. 10 LPVG.
16 Dem Senat liegen die Akten des Verwaltungsgerichts und der Universität vor. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sachverhalts wird hierauf und auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze
Bezug genommen.
II.
17 Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
18 1. Die Beschwerde ist nach § 92 Abs. 2 LPVG in der nach den Grundsätzen des intertemporalen
Prozessrechts (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.03.2010 - 4 CN 3.09 -, NVwZ 2010, 782; Senatsbeschluss vom
02.07.2015 - PL 15 S 2013/15 -; OVG Bremen, Beschluss vom 18.11.2015 - 2 B 221/15 u.a. -, Juris) hier
anzuwendenden Fassung der Neubekanntmachung vom 12.03.2015 (GBl. S. 221 ) i.V.m. § 87
Abs. 1 ArbGG statthaft, in der nach § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG vorgeschriebenen Form und nach § 87 Abs. 2
Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG fristgerecht erhoben und begründet worden und auch sonst zulässig.
19 2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den zulässigen Antrag des
Antragstellers zu Recht abgelehnt.
20 a) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht den Antrag als zulässig erachtet und insbesondere das
Rechtsschutzinteresse für die begehrte Feststellung bejaht. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, ist das Rechtsschutzinteresse für die
Durchführung eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens nach Erledigung des konkreten
Streitfalles dann weiter zu bejahen, wenn eine Entscheidung nicht nur über einen konkreten Vorgang,
sondern außerdem über die dahinterstehende (abstrakte) personalvertretungsrechtliche Frage begehrt wird.
Antrag und Sachvortrag des Rechtsmittelführers müssen in diese Richtung weisen (BVerwG, Beschluss vom
02.11.1994 - 6 P 28.92 -, Juris Rn. 21). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Dem Antragsteller geht es
nach Abschluss der Vereinbarung zum Arbeitsvertrag von Frau C. vom 29./30.09.2014 und dem Auslaufen
ihres hierdurch verlängerten Arbeitsvertrags am 31.10.2016 im Wesentlichen um die abstrakte
personalvertretungsrechtliche Frage, ob eine solche Verlängerung eines unbefristeten Arbeitsvertrags über
die Regelaltersgrenze hinaus mitbestimmungspflichtig ist. Er trägt ergänzend vor, dass ihm seit dem
verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 10.08.2015 von der universitären Personalabteilung kaum
Informationen mehr darüber übermittelt werden, ob solche Weiterbeschäftigungsanträge gestellt bzw.
genehmigt werden. Er halte diese Praxis im Hinblick auf seine Mitbestimmungsrechte aus dem LPVG für
rechtswidrig.
21 b) Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit überzeugenden Argumenten zu Recht als unbegründet
bewertet. Auch der Senat ist der Auffassung, dass die hier im Streit stehende Verlängerung eines
unbefristeten Arbeitsvertrags über die Regelaltersgrenze hinaus durch Hinausschieben des
Beendigungszeitpunktes gemäß § 41 Satz 3 SGB VI nicht mitbestimmungspflichtig ist. Durch Abschluss der
Vereinbarung zum Arbeitsvertrag von Frau C. vom 29./30.09.2014 gegen den erklärten Willen des
Personalrats sowie den Abbruch des diesbezüglichen Stufenverfahrens durch das Wissenschaftsministerium
wurde deshalb kein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt. Ein solches Mitbestimmungsrecht
ergab und ergibt sich auch weder aus § 71 Abs. 1 Nr. 2 LPVG a.F./§ 75 Abs. 1 Nr. 2 LPVG n.F. noch aus § 71
Abs. 1 Nr. 10 LPVG a.F./§ 75 Abs. 1 Nr. 10 LPVG n.F.
22 aa) Nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 LPVG n.F. (= § 71 Abs. 1 Nr. 2 LPVG a.F.) hat der Personalrat mitzubestimmen in
Personalangelegenheiten der Beschäftigten, die voraussichtlich länger als zwei Monate Beschäftigte sein
werden, bei Einstellung von Arbeitnehmern, Übertragung der auszuübenden Tätigkeit bei der Einstellung,
Nebenabreden zum Arbeitsvertrag, Zeit- oder Zweckbefristung des Arbeitsverhältnisses. In der hier
streitbefangenen Konstellation des § 41 Satz 3 SGB VI liegt in diesem Sinne insbesondere weder eine
„Einstellung“ noch eine „Nebenabrede“ oder eine „Zeit- oder Zweckbefristung“ vor.
23 Die Verlängerung eines unbefristeten Arbeitsvertrags über die Regelaltersgrenze hinaus durch
Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes stellt keine „Einstellung“ eines Arbeitnehmers im Sinne von Nr.
2 dar. Schon nach dem üblichen Wortsinn kann beim Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes des
Arbeitsvertrags eines wohl in aller Regel seit Jahren in der Dienststelle beschäftigten Arbeitnehmers keine
„Einstellung“ vorliegen, weil hier das bisherige Arbeitsverhältnis mit allen Haupt- und Nebenpflichten ohne
Zäsur fortgesetzt und nicht irgendwie neu begründet wird. Das Hinausschieben des
Beendigungszeitpunktes geschieht durch vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses. Der Beschäftigte ist in keiner Weise neu in der
Dienststelle, sondern arbeitet einfach noch einige Zeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weiter. Aber auch
nach der herrschenden Auslegung des Begriffes der Einstellung, nach der die tatsächliche Eingliederung
eines Beschäftigten in der Dienststelle maßgebend ist (vgl. Flintrop in Leuze/Wörz/Bieler, PV-Recht in BW,
10/2014, § 75 Rn. 21 ff., m.w.N.), ist eine solche hier nicht gegeben. Denn im Falle des Hinausschiebens des
Beendigungszeitpunktes gemäß § 41 Satz 3 SGB VI ist die tatsächliche Eingliederung des Beschäftigten
wohl regelmäßig seit Jahren abgeschlossen. Auch der Vergleich des Antragstellers mit der Verlängerung
eines befristeten Arbeitsverhältnisses greift nicht durch, weil es hier an einem solchen befristeten Vertrag
und der diesbezüglich spezifischen Problemlagen sowie den personalvertretungsrechtlichen
Schutzargumenten (Stichwort Kettenarbeitsverträge) fehlt. Zudem hat der Personalrat bei der damaligen
Einstellung des verlängerungswilligen Beschäftigten sein Mitbestimmungsrecht bereits einmal umfassend
ausgeübt, was bei einem Zeitarbeitnehmer so regelmäßig nicht der Fall ist. Und auch das Argument, Nr. 2
dürfe nicht abweichend von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 99 Abs. 1 BetrVG ausgelegt
werden, überzeugt nicht. Denn nicht nur die jeweiligen Normen, sondern auch die Interessenlagen in
Privatunternehmen unterscheiden sich wesentlich von denjenigen im Rahmen der öffentlichen Hand.
24 Die Verlängerung eines unbefristeten Arbeitsvertrags über die Regelaltersgrenze hinaus durch
Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes stellt, wie die Beteiligten zutreffend übereinstimmend
vortragen, auch keine „Nebenabrede zum Arbeitsvertrag“ im Sinne von Nr. 2 dar. Denn das bisherige
Arbeitsverhältnis wird mit sämtlichen bisherigen Haupt- und Nebenpflichten unverändert fortgesetzt. Am
Arbeitsvertrag ändert sich mithin inhaltlich nichts durch dessen Verlängerung.
25 Die Verlängerung eines unbefristeten Arbeitsvertrags über die Regelaltersgrenze hinaus durch
Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes stellt schließlich auch keine „Zeit- oder Zweckbefristung des
Arbeitsverhältnisses“ im Sinne von Nr. 2 dar. Zwar ist eine „Zeitbefristung“ gegeben, wenn das
Arbeitsverhältnis durch eine kalendermäßig bestimmte oder bestimmbare Frist begrenzt wird, sowie eine
„Zweckbefristung“, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses enden soll
(vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Teilzeit- und BefristungsG sowie BAG, Urteil vom 16.11.2005 - 7 AZR 86/05 -, Juris
Rn. 23). Anders als in der Konstellation des § 33 Abs. 5 TV-L wird jedoch beim Hinausschieben des
Beendigungszeitpunktes gemäß § 41 Satz 3 SGB VI durch vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses weder ein neuer „zeitbefristeter“
Arbeitsvertrag geschlossen noch gar eine neue „Zweckbefristung“ vereinbart. Vielmehr wird bei dem gerade
nicht zeitbefristeten Arbeitsvertrag die bisherige Zweckbefristung (Vertragsende bei Erreichen der
gesetzlichen Regelaltersgrenze) einvernehmlich aufgehoben. Bei Aufhebung einer Zweckbefristung aber
greift das Mitbestimmungsrecht aus Nr. 2 nicht.
26 Der Senat schließt sich auch der überzeugenden systematischen Auslegung des Verwaltungsgerichts von Nr.
2 im Lichte des § 75 Abs. 3 Nr. 14 LPVG n.F. (§ 71 Abs. 2 Nr. 14 LPVG a.F.) an. § 75 Abs. 3 Nr. 14 LPVG
regelt für den Personenkreis der Beamtinnen und Beamten, die in Ruhestand treten können, dass der
Personalrat in Personalangelegenheiten der Beschäftigten „nur auf deren Antrag“ mitbestimmt bei
Ablehnung des Antrags auf Hinausschiebung des Eintritts in den Ruhestand wegen Erreichens der
Altersgrenze. Wollen Dienstherr und Beamte/r also einvernehmlich, dass weiter gearbeitet wird, soll der
Personalrat dies gerade nicht verhindern können. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung des § 75
LPVG die Mitbestimmungstatbestände von Beamten und Arbeitnehmern ausdrücklich näher
zusammenführen, um alle Personalangelegenheiten von Beschäftigten möglichst gleich zu behandeln.
Insoweit nahm er Bezug auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24.05.1995
(BVerfGE 93, 37; vgl. LT-Drs. 14/6694 vom 20.07.2010, S. 566). Damit wäre es unvereinbar, wenn - wie der
Fall von Frau C. eindrucksvoll illustriert - der Personalrat über die allgemeinen Mitbestimmungstatbestände
die Weiterbeschäftigung (nur) von Arbeitnehmern durch sein Veto verhindern könnte. Ob der Personalrat bei
Verweigerung der Weiterbeschäftigung durch den Dienstherrn auf Antrag des Arbeitnehmers analog § 75
Abs. 3 Nr. 14 LPVG eingeschaltet werden könnte, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden.
27 Für die Annahme eines Mitbestimmungsrechts des Personalrats streitet auch nicht die vom Antragsteller
eingewandte historische Auslegung. Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber zum heute in § 75 Abs. 3 Nr. 14
LPVG geregelten Mitbestimmungstatbestand ausführte:
28 „Die Vorschrift gilt nur für Beamtinnen und Beamte und entspricht im Wesentlichen § 75 Abs. 1 Nr. 11.
Jedoch hat sich seit der Änderung des § 51 LBG durch Änderungsgesetz vom 3. Mai 2005 (GBl. S. 321) die
Interessenlage von Personalvertretungen und Beschäftigten verändert. Seit dieser Änderung geht die
Initiative für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit nicht mehr von der Dienststelle aus, sondern erfordert
stets einen Antrag der Beamtin oder des Beamten. Während bisher jede Hinausschiebung
mitbestimmungspflichtig ist, weil die Initiative der Dienststelle gegen Interessen der Beschäftigten gerichtet
sein könnte, ist derselbe personalvertretungsrechtliche Schutz nicht mehr erforderlich, wenn die
Hinausschiebung von der Beamtin oder dem Beamten selbst gewünscht und beantragt wird. Die
Personalratsbeteiligung soll daher nur erfolgen, wenn die Dienststelle einen Antrag ablehnen will. Die
entsprechende Regelung, die bisher für Arbeitnehmer in § 76 Abs. 1 Nr. 7 galt, kann entfallen, da bei einer
Beschäftigung über die Altersgrenze hinaus ein neuer Arbeitsvertrag zu schließen wäre, der nach Nummer
2 der Mitbestimmung unterliegt.“ (LT-Drs. 14/6694 vom 20.07.2010, S. 569).
29 Der Landesgesetzgeber wollte mithin gerade nicht die Beschäftigtengruppen der Beamten und
Arbeitnehmer insoweit ungleich behandeln, sondern ging davon aus, dass Arbeitnehmer die Altersgrenze
nur mittels eines (mitbestimmungspflichtigen) neuen Arbeitsvertrags hinausschieben können, was dem
damaligen Rechtsstand entsprach. Auch im Fall von Frau C. hatte der Antragsteller insoweit am 27.06.2014
seine personalvertretungsrechtliche Ablehnung zur zunächst beantragten Wiedereinstellung gemäß § 33
Abs. 5 TV-L nach Erreichen der Altersgrenze erklärt, was die Universität akzeptierte. § 33 Abs. 5 TV-L
lautet: „Soll die/der Beschäftigte, deren/dessen Arbeitsverhältnis nach Absatz 1 Buchstabe a geendet hat,
weiterbeschäftigt werden, ist ein neuer schriftlicher Arbeitsvertrag abzuschließen. Das Arbeitsverhältnis
kann jederzeit mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden, wenn im Arbeitsvertrag
nichts anderes vereinbart ist.“
30 Der Landesgesetzgeber konnte sich 2010 allerdings naturgemäß nicht zur am 01.07.2014 bundesrechtlich
geregelten und hier streitbefangenen Möglichkeit des Hinausschiebens des Beendigungszeitpunktes eines
Arbeitsvertrags gemäß § 41 Satz 3 SGB VI äußern. Zu dieser Regelung hat der Bundesgesetzgeber vielmehr
folgende Erwägungen angestellt:
31 „Das Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung selbst führt nicht zur
Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer können auch im Rentenalter berufstätig sein. Jedoch
führt die in Deutschland bestehende Praxis kollektiv- oder individualvertraglich vereinbarter Altersgrenzen,
die ein Ausscheiden mit Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen, zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses. In der Praxis gibt es Wünsche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, auch nach
Erreichen der Regelaltersgrenze und darauf bezogener Beendigungsvereinbarungen einvernehmlich das
Arbeitsverhältnis für einen von vornherein bestimmten Zeitraum rechtssicher fortsetzen zu können. Dieses
Anliegen greift die Ergänzung des § 41 auf, indem ein bereits vereinbarter Beendigungszeitpunkt –
gegebenenfalls auch mehrfach – zeitlich hinausgeschoben werden kann. Die Regelung knüpft
widerspruchsfrei an die Praxis der Beendigungsvereinbarungen an (zur Unionsrechtskonformität
tarifvertraglicher Beendigungsvereinbarungen: EuGH, Urteil vom 12.10.2010, C 45/09, Rs. Rosenbladt). Die
Neuregelung lässt diese Praxis unberührt. Auch künftig kann die automatische Beendigung des
Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze vereinbart werden. Dabei können die Sozialpartner
auf die spezifischen Belange in einzelnen Branchen Rücksicht nehmen. Der neue Satz 3 regelt allein das
Hinausschieben des bereits vereinbarten Beendigungszeitpunktes über das Erreichen der Regelaltersgrenze
hinaus. Erforderlich ist hierfür eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
während des laufenden Arbeitsverhältnisses. Mit dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes über das
Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus können Arbeitnehmer und Arbeitgeber beispielsweise reagieren,
wenn eine Nachbesetzung der entsprechenden Stelle nicht nahtlos erfolgen kann. Auch können
Arbeitnehmer laufende Projekte mit ihrer Sachkunde erfolgreich zum Abschluss bringen oder neu
eingestellte, jüngere Kollegen in ihre Tätigkeit einarbeiten. Die sonstigen im jeweiligen Arbeitsverhältnis
geltenden Arbeitsbedingungen bleiben von der Neuregelung unberührt.“ (vgl. BT-Drs. 18/1489, S. 25 vom
21.05.2014).
32 Der Bundesgesetzgeber regelte mithin, dass das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes des
Arbeitsvertrags - anders als bei § 33 Abs. 5 TV-L, der weiterhin Anwendung finden kann (etwa bei
Reduzierung der Arbeitszeit oder sonstiger arbeitsvertraglicher Änderungen) - nicht durch Abschluss eines
neuen Arbeitsvertrags erfolgen solle, sondern vielmehr durch vertragliche Vereinbarung zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses. In dem seit 01.07.2014 auch
bei nach TV-L angestellten Arbeitnehmern anwendbaren Verfahren gemäß § 41 Satz 3 SGB VII soll also
gerade keine (Wieder-)Einstellung erfolgen, sondern eine Fortbeschäftigung im alten Arbeitsverhältnis
vorgenommen werden (vgl. BAG, Urteil vom 11.02.2015 - 7 AZR 17/13 -, Juris Rn. 19). Auch die historische
Auslegung spricht damit im Ergebnis gegen die Rechtsauffassung des Antragstellers, das Hinausschieben des
Beendigungszeitpunktes des Arbeitsvertrags gemäß § 41 Satz 3 SGB VI stelle eine „Einstellung“ oder
„Nebenabrede“ oder eine neue „Zeit- oder Zweckbefristung“ im Sinne von § 71 Abs. 1 Nr. 2 LPVG a.F./§ 75
Abs. 1 Nr. 2 LPVG n.F. dar.
33 bb) Nach alledem kann sich auch aus § 71 Abs. 1 Nr. 10 LPVG a.F./§ 75 Abs. 1 Nr. 10 LPVG n.F. kein
Mitbestimmungsrecht des Antragstellers ergeben. Nach diesen Normen hat der Personalrat mitzubestimmen
in Personalangelegenheiten der Beschäftigten, die voraussichtlich länger als zwei Monate Beschäftigte sein
werden, bei wesentlicher Änderung des Arbeitsvertrags, ausgenommen der Änderung der arbeitsvertraglich
vereinbarten Arbeitszeit. Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes eines unbefristeten
Arbeitsvertrags gemäß § 41 Satz 3 SGB VI stellt keine „wesentliche Änderung des Arbeitsvertrags“ im Sinne
von Nr. 10 dar. Grundsätzlich mag die Laufzeit eines Vertrages durchaus ein wesentlicher
Vertragsbestandteil sein. Nachdem der Gesetzgeber aber, wie dargelegt, bei einvernehmlichem Arbeits- und
Weiterbeschäftigungswunsch über die Regelaltersgrenze hinaus gerade nicht beabsichtigte, die
Arbeitnehmer gegenüber den Beamten personalvertretungsrechtlich anders zu behandeln und
gegebenenfalls zu benachteiligen, kann eine gemäß § 41 Satz 3 SGB VI geschlossene Vereinbarung nicht
unter Nr. 10 subsumiert werden. Diese Vereinbarung muss vielmehr im Sinne dieses
Mitbestimmungstatbestands als „unwesentlich“ angesehen werden, wofür auch spricht, dass sie sämtliche
sonstigen vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten des Arbeitsvertrags unverändert lässt.
34 3. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird zugelassen, weil die
entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Mitbestimmung bei § 41 Satz 3 SGB VI grundsätzliche Bedeutung
hat (§ 92 Abs. 2 LPVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).