Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 24.06.2015

politische verfolgung, serbien, ausreise, aufenthalt im ausland

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 24.6.2015, A 6 S 1259/14
Vereinbarkeit der Bestimmung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat mit
Verfassungs- und Unionsrecht
Leitsätze
Die Bestimmung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat ist - auch unter
Berücksichtigung des serbischen Melderechts, des Art. 350a des serbischen
Strafgesetzbuchs und der serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen
sowie ihrer praktischen Anwendung - weder verfassungs- noch unionsrechtlich zu
beanstanden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom
25. März 2014 - A 11 K 2917/13 -, soweit es den Kläger betrifft, geändert und die
Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die ihn betreffenden Kosten des Verfahrens vor dem
Verwaltungsgericht und die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Der am xx.xx.1962 geborene Kläger ist serbischer Staatsangehöriger und gehört
dem Volk der Roma an. Gemeinsam mit seiner Ehefrau reiste er nach eigenen
Angaben im April 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 02.05.2013
beantragten er und seine Ehefrau ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
2 Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt)
gab der Kläger an: Er und seine Frau hätten ihr eigenes Haus in Serbien, in dem
ihre Kinder im Alter von 20 und 26 Jahren immer noch lebten, am 15.04.2013
verlassen und seien mit einem Kleinbus über ihm unbekannte Länder in die
Bundesrepublik eingereist. Er habe sowohl einen serbischen Personalausweis wie
auch einen serbischen Reisepass besessen und sei mit diesen Dokumenten in die
Bundesrepublik eingereist. Diese Papiere seien aber nach seiner Einreise in die
Bundesrepublik gestohlen worden. Bei der Meldung als Asylsuchende habe er
seinen Führerschein und seine Frau ihren Personalausweis abgegeben. Er habe
19 oder 20 Jahre lang in einer Textilfirma in seinem Wohnort gearbeitet und sei seit
2002/2003 arbeitslos, da die Firma Bankrott gemacht habe. Er und seine Frau
hätten Sozialhilfe erhalten, letztmals im Januar oder Februar 2010. Er habe danach
„privat“ gearbeitet und aus diesen Mitteln den Lebensunterhalt der Familie
bestritten. Solange die Kinder minderjährig gewesen seien, hätten sie auch
Kindergeld erhalten. Er sei nur wegen seiner Frau nach Deutschland gekommen,
da es hier eine besonders gute ärztliche Versorgung gebe. Im Falle einer
Rückkehr nach Serbien sei es nicht gewährleistet, dass er und seine Ehefrau das
Geld für deren medizinische Versorgung aufbringen könnten.
3 Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 06.08.2013 die Anträge des Klägers und
seiner Ehefrau auf Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet
ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der
Flüchtlingseigenschaft offensichtlich sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2
bis 7 AufenthG nicht vorliegen und drohte dem Kläger und seiner Ehefrau die
Abschiebung nach Serbien mit einer Frist von einer Woche an. Zur Begründung
heißt es in dem Bescheid unter anderem: Auf Grund der Zugehörigkeit zu der
Gruppe der Roma oder aus sonstigen individuellen Gründen hätten die Kläger
Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr nach Serbien nicht zu befürchten. Es
bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass Angehörige der Volksgruppe der
Roma in Serbien einer staatlichen Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG oder § 60
Abs. 1 AufenthG ausgesetzt seien. Zwar sei ein Großteil der Romabevölkerung mit
äußerst schwierigen Lebensbedingungen und vielfach auch mit Diskriminierungen
konfrontiert. Doch seien diese Diskriminierungen wegen fehlender Intensität in der
Regel nicht asylrelevant. Eine entsprechende Verfolgung durch den Staat oder
seitens nichtstaatlicher Dritter hätten der Kläger und seine Ehefrau auch nicht
vorgetragen. Vielmehr würden diese selbst bei Rückkehr nicht mit relevanten
staatlichen oder nichtstaatlichen Repressionsmaßnahmen rechnen. Die allgemein
schwierige soziale und wirtschaftliche Situation in Serbien begründe kein
Abschiebungsverbot. Die Kläger seien zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf
ihre eigene Arbeitskraft zu verweisen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb ihnen dies,
wie in der Vergangenheit auch, nicht gelingen solle. Darüber hinaus hätten sie
nach der Auskunftslage Zugang zur sozialen Infrastruktur. Es sei nicht erkennbar,
dass für die vorgetragenen Erkrankungen der Ehefrau des Klägers eine
erforderliche medizinische Behandlung nicht gewährleistet sei oder aus
finanziellen Gründen scheitern könne.
4 Der Kläger und seine Ehefrau haben gegen den am 09.08.2013 als Einschreiben
zur Post gegebenen Bescheid am 19.08.2013 Klage erhoben und beantragt, die
Nummern 2 bis 4 des Bescheides des Bundesamtes aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen,
dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise die
Beklagte zu verpflichten, ihnen subsidiären Schutz zuzuerkennen, höchst
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot
nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Zur Begründung haben sie die Ehefrau
des Klägers betreffende medizinische Unterlagen vorgelegt.
5 Auf den Antrag des Klägers und seiner Ehefrau hat das Verwaltungsgericht
Stuttgart mit Beschluss vom 30.08.2013 - A 11 K 2918/13 - die aufschiebende
Wirkung ihrer Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Bescheids vom
06.08.2013 angeordnet.
6 Mit Urteil vom 25.03.2014, der Beklagten am 02.04.2014 zugestellt, hat das
Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger und seiner Ehefrau die
Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen und den
Bescheid des Bundesamtes vom 06.08.2013 aufgehoben, soweit er dem
entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen
ausgeführt: Der Kläger und seine Ehefrau hätten bei einer Rückkehr nach Serbien
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit der Gefahr einer Verfolgung zu rechnen,
die an die Rasse als asylrelevantes Merkmal anknüpfe. Roma würden in Serbien
verstärkt Opfer von Übergriffen Dritter und die staatlichen Organe würden in der
Regel gegen solche Übergriffe keinen Schutz gewähren. Schon dies stelle die
Einschätzung des Bundesamtes, dass den gegen Roma gerichteten
Verfolgungsmaßnahmen die erforderliche Intensität fehle, in Frage. Entscheidend
komme hinzu, dass Angehörige der Roma in jüngster Zeit durch den serbischen
Staat in ihren elementaren Rechten auf Freizügigkeit beschnitten und zudem
kriminalisiert würden, weil sie von dem Menschenrecht der freien Ausreise
Gebrauch machten. Die neuen serbischen Ausreise- und
Grenzkontrollbestimmungen seien ausdrücklich dazu bestimmt und würden dazu
eingesetzt, Angehörigen von Minderheiten, insbesondere der Roma, die Ausreise
aus Serbien zu erschweren oder diese unmöglich zu machen. Die
Lebensverhältnisse der Roma in Serbien seien unerträglich und den Roma würden
durch neue staatliche Maßnahmen, etwa durch das neu eingeführte
Abfallbeseitigungskonzept, auch noch die wenigen Möglichkeiten genommen, ihr
Leben zu fristen. In Verbindung mit diesen Beeinträchtigungen erfülle die
Beschränkung der Ausreisefreiheit für Roma die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1
Nr. 2 AsylVfG. Die neu geschaffenen Sanktionen durch das Meldegesetz und Art.
350a des serbischen StGB kämen erschwerend hinzu. Verurteilungen wegen
Verstoßes gegen das Meldegesetz erfolgten selektiv gegen Roma. Nach Art. 350a
Abs. 1 des serbischen StGB hätten Asylbewerber allein wegen der Stellung eines
Asylantrags im Ausland mit strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung zu
rechnen. Die Strafschärfungen in den Absätzen 2 und 3 seien nicht auf
gewerbsmäßige Fluchthelfer beschränkt, sondern erfassten jeden, der die Tat in
einer Gruppe verübe oder als „Organisator“ begehe.
7 Auf den von der Beklagten am 28.04.2014 gestellten Antrag auf Zulassung der
Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 02.07.2014 die Berufung zugelassen.
8 Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte zunächst auf ihr Vorbringen im
Zulassungsantrag verwiesen. Dort hatte sie im Wesentlichen geltend gemacht: Es
bestünden bereits erhebliche Zweifel daran, dass die Verhinderung oder
Beeinträchtigung des Rechts auf Ausreise eine Verletzung eines grundlegenden
Menschenrechts bzw. einer im Rahmen des § 3 a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG
maßgeblich berücksichtigungsfähigen Rechtsposition darstellten. Mögliche
Sanktionen wegen Verstoßes gegen das Meldegesetz seien Geldstrafen in Höhe
von 10.000 bis 50.000 serbischen Dinaren (etwa 86 bis 433 EUR). Ungeachtet der
Frage einer selektiven Anwendung dieser Rechtsvorschrift auf Roma handele es
sich bei einer solchen Geldstrafe weder für sich noch in Kumulation mit anderen
Maßnahmen um einen erkennbar schweren Eingriff im Sinne des § 3 a Abs. 1
AsylVfG. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Anwendung des Art.
350a des serbischen StGB beruhten nicht auf einer Überprüfung der Rechtspraxis,
sondern seien reine Tatsachenbehauptungen. Die flüchtlingsrechtliche Relevanz
einer Strafvorschrift lasse sich nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts nicht allein anhand ihres Normtextes bestimmen. Es
komme letztlich darauf an, wie die in Rede stehende Strafvorschrift in der
Rechtspraxis der Gerichte sowie der Strafvollstreckungsbehörden tatsächlich
gehandhabt werde. Gegen die vom Verwaltungsgericht vertretene Bewertung
spreche, dass nach ihren Monatsstatistiken trotz der administrativen Maßnahmen
der serbischen Stellen im Rahmen der Grenzkontrollen Ausreisen für
Minderheitsangehörige möglich blieben und sich gleichbleibend in einem durchaus
hohen Bereich bewegten. Es sei keine relevante Diskriminierung darin zu sehen,
dass serbische Stellen die Ausreise vom Nachweis der Geldsumme abhängig
machten, die nötig sei, um den Aufenthalt im EU-Ausland zu bestreiten und dabei
in Anlehnung an die Einreisebestimmungen der sog. Schengenstaaten einen
Betrag von 30 bis 50 EUR zu Grunde legten. Gegen ein in tatsächlicher Hinsicht
selektiv Minderheitsangehörigen treffendes Verfahren sprächen auch
Rückkehrerbefragungen, die ergeben hätten, dass die Maßnahmen
unterschiedslos auf alle Personen angewendet würden, die im Ausland Asyl
beantragt hätten. Die Strafandrohung des Art. 350a des serbischen StGB beziehe
sich nicht auf den individuellen Asylbewerber, sondern auf die Organisation und
Unterstützung der missbräuchlichen Asylantragstellung in Deutschland. Darüber
hinaus macht die Beklagte im Berufungsverfahren geltend: Auf Grund der
Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 29a AsylVfG sei
die gesetzliche Vermutung zulässig, dass dort weder politische Verfolgung noch
unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Verfolgung stattfinde.
Mitgeteilte Einzelfälle von Übergriffen und Benachteiligungen von Roma erreichten
die für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendige Verfolgungsdichte nicht
einmal ansatzweise. Probleme der Roma beim Zugang zu Sozialleistungen gäben
für die Annahme einer Gruppenverfolgung nichts her. Hinsichtlich des Art. 350a
des serbischen StGB sei mittlerweile auch in tatsächlicher Hinsicht geklärt, dass
die Ausreise zum Zweck der Asylantragstellung in Serbien nicht strafbar sei.
9 Die Beklagte beantragt,
10 das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. März 2014 - A 11 K 2917/13
- zu ändern und die Klagen insgesamt abzuweisen.
11 Der Kläger beantragt,
12 die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Nummer 2 des Bescheides des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 06.08.2013 hinsichtlich des
Offensichtlichkeitsurteils und die Ziffern 3 und 4 des Bescheides des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 06.08.2013 (insgesamt)
aufzuheben, soweit diese Ziffern ihn betreffen, und die Beklagte zu verpflichten
festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG
vorliegen und ihm subsidiärer Schutz zuzuerkennen ist, weiter hilfsweise die
Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs.
5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
13 Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung und legt weitere den
gesundheitlichen Zustand seiner Ehefrau betreffende ärztliche Bescheinigungen
vor.
14 Der Kläger und seine Ehefrau sind in der Berufungsverhandlung zu den Gründen
ihres Begehrens angehört werden. Hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Anlage
zur Niederschrift verwiesen. In der Berufungsverhandlung hat der Senat das
Berufungsverfahren der Ehefrau abgetrennt und führt es unter dem Aktenzeichen
A 6 S 1288/15 fort.
15 Dem Senat liegen die Akten des Bundesamtes sowie die Akten des
Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Hierauf sowie auf die gewechselten
Schriftsätze wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16 Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige
Berufung des Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts hat der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der
Berufungsverhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Soweit im Berufungsverfahren deshalb
die Hilfsanträge des Klägers in Bezug auf die Feststellung der Voraussetzungen
des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und Zuerkennung subsidiären Schutzes sowie
auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz
1 AufenthG anfallen, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Der angefochtene
Bescheid des Bundesamtes vom 06.08.2013 erweist sich insgesamt - auch
hinsichtlich des Offensichtlichkeitsurteils - bezüglich des Klägers als rechtmäßig
und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
17 Bezogen auf den Zeitpunkt der Berufungsverhandlung ist der Antrag des Klägers
auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylVfG) deshalb offensichtlich
unbegründet, weil er aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt und er die
Vermutung, dass ein Asylsuchender aus einem sicheren Herkunftsstaat nicht
politisch verfolgt wird, nicht widerlegt hat.
18 Nach § 29a Abs. 1 AsylVfG ist der Asylantrag (vgl. § 13 AsylVfG) eines Ausländers
aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat)
als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn Tatsachen oder
Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen
Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
19 Die Republik Serbien, dessen Staatsangehörigkeit der Kläger hat, ist im hier
maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung gemäß des am 06.11.2014 in
Kraft getretenen Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Einstufung weiterer Staaten als
sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitszugangs für
Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31.10.2014 (GBl. I S. 1649), § 29 a
Abs. 2 AsylVfG in Verbindung mit der Anlage II zum Asylverfahrensgesetz ein
sicherer Herkunftsstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG. Die Einstufung
Serbiens als sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne ist weder verfassungs- noch
unionsrechtlich zu beanstanden.
20 In verfassungsrechtlicher Hinsicht kann der Gesetzgeber gemäß Art. 16a Abs. 3
Satz 1 GG Staaten bestimmen, bei denen auf Grund der Rechtslage, der
Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet
erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder
erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Anhand dieser Prüfkriterien
hat sich der Gesetzgeber aus einer Vielzahl von Faktoren ein Gesamturteil über
die für die politische Verfolgung und unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung
oder Behandlung bedeutsamen Verhältnisse in dem jeweiligen Staat zu bilden
(BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1508/93 -, BVerfGE 94,
115, 139). Hinsichtlich der Art und Weise der hierfür erforderlichen
Tatsachenerhebung, bei der den Berichten der zuständigen Vertretung der
Bundesrepublik Deutschland und internationaler Organisationen, insbesondere
des UNHCR, besonderes Gewicht zukommt (BVerfGE 94, 115, 143) wie auch
hinsichtlich der Beurteilung und Gewichtung der ermittelten Verhältnisse sowie der
Prognose der in absehbarer Zukunft zu erwartenden Entwicklung kommt dem
Gesetzgeber ein Entscheidungs- und Wertungsspielraum zu, infolge dessen die
verfassungsrechtliche Überprüfung der Einstufung eines Staates als sicherer
Herkunftsstaat auf die Vertretbarkeit dieser Entscheidung beschränkt ist. Dies hat
zur Folge, dass die Verfassungswidrigkeit nur angenommen werden kann, wenn
sich der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung nicht von guten Gründen hat leiten
lassen (BVerfGE 94, 115, 143 f.). Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass
dies in Bezug auf die Bestimmung Serbiens zum sicheren Herkunftsstaat der Fall
ist. In der (erstinstanzlichen) verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird die
Bestimmung Serbiens zum sicheren Herkunftsstaat nahezu einhellig als
verfassungskonform gewertet (vgl. dazu ausführlich: VG Berlin, Urteil vom
28.01.2015 - 7 K 546.15 A -; VG Darmstadt, Urteil vom 19.02.2015 - 1 K
1667/12.Da.A - sowie VG Münster, Urteil vom 11.05.2015 - 4 K 3220/13.A -, jew.
juris; letzteres unter Aufgabe seiner Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit im
Beschluss vom 27.11.2014 - 4 L 867/14.A -, juris; vgl. weiter auch etwa: VG
Hamburg, Beschluss vom 06.03.2015 - 5 AE 270/15 -, VG Regensburg, Beschluss
vom 24.02.2015 - RN 6 S 15.30120 -; VG Aachen, Beschluss vom 03.02.2015 - 9
L 680/14.A -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29.01.2015 - 19a L 94/15.A -; VG
Schwerin, Beschluss vom 26.01.2015 - 5 B 116/15 As -; VG Würzburg, Beschluss
vom 08.01.2015 - W 1 S 14.30695 -; VG Bayreuth, Beschluss vom 16.12.2014 - B
3 S 14.30486 - jew. juris; a.A.: Bader, InfAuslR 2015, 69, 71). Auch der Senat sieht
keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung
Serbiens als sicherer Herkunftsstaat nicht von guten Gründen hat leiten lassen
oder das erforderliche Maß an Sorgfalt bei der Erhebung der Tatsachen nicht
beachtet hat. Er folgt diesbezüglich ausdrücklich der Einschätzung in den oben
genannten, ausführlich und sorgfältig begründeten Entscheidungen der
Verwaltungsgerichte Berlin, Darmstadt und Münster, die er teilt und zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat.
21 Den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens lässt sich entnehmen, dass
zahlreiche Erkenntnismittel ausgewertet und bewertet wurden. Dem Gesetzentwurf
lagen Berichte des Auswärtigen Amtes, einschließlich des damals aktuellen
Lageberichts Serbien, eine EASO-Untersuchung zu Asylanträgen aus den
westlichen Balkanstaaten von November 2013 sowie „Erkenntnisse lokaler
Menschenrechtsgruppen, vor Ort vertretener Nichtregierungsorganisationen und
internationaler Organisationen, wie z.B. UNHCR“ zu Grunde; ferner wurde die
Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat in anderen EU-Staaten und in der
Schweiz in den Blick genommen (BT-Drs. 18/1528, S. 8, 15 bis 17). Im weiteren
Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurden Gutachten mehrerer
Sachverständiger (u.a. Dr. Marx, Dr. Waringo, Caritasverband für die Diözese
Osnabrück, UNHCR) eingeholt und diese im Rahmen einer öffentlichen Anhörung
des Innenausschusses ausführlich erörtert (vgl. dazu mit den entsprechenden
Nachweisen: VG Darmstadt, Urteil vom 19.01.2015 und VG Berlin, Urteil vom
28.01.2015, jew. a.a.O.). Diese Vorgehensweise ist, auch unter den
Gesichtspunkten der Transparenz (vgl. dazu: VG Münster, Urteil vom 11.05.2015,
a.a.O.), nach den oben genannten Maßstäben nicht zu beanstanden.
22 Die Beurteilung der ermittelten tatsächlichen Verhältnisse erweist sich ebenfalls als
verfassungsrechtlich tragfähig. Der Gesetzgeber war sich des
verfassungsrechtlichen Maßstabes bewusst (BT-Drs. 18/1528, S. 8 f.). Die von ihm
der Prüfung zu Grunde gelegten Teilbereiche (Demokratie und
Mehrparteiensystem, Rechtsstaatlichkeit und unabhängige
Regulierungsbehörden, freie Medien, rechtliche und praktische Gewährung von
Menschenrechten, Grundfreiheiten, Minderheiten- und Diskriminierungsschutz
unter besonderer Berücksichtigung der Volksgruppe der Roma, wirtschaftliche und
soziale Lage, Folgen der Asylantragstellung im Ausland, Stabilität der Verhältnisse
(BT-Drs. 18/1528, S. 15 ff.) zeichnen die in Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG genannten
Prüfkriterien Rechtslage, Rechtsanwendung und allgemeine politische
Verhältnisse nach (VG Berlin, Urteil vom 28.01.2015, a.a.O.). Vor allem hat der
Gesetzgeber die für Roma schwierige wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche
Lage in Serbien berücksichtigt und eigenständig, teils auch in Abweichung von
den gutachterlichen Stellungnahmen bewertet und hieraus vertretbare, innerhalb
des ihm insoweit eingeräumten Einschätzungs- und Bewertungsspielraums
liegende Schlussfolgerungen gezogen (vgl. dazu ausführlich: VG Münster, Urteil
vom 11.05.2015, a.a.O.). Entscheidendes Gewicht hat er in diesem
Zusammenhang insbesondere dem Bemühen der serbischen Regierung
zugemessen, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu
verbessern.
23 Im Hinblick auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil des
Verwaltungsgerichts zu den Verhältnissen in Serbien merkt der Senat darüber
hinaus an: Es entspricht der gefestigten und nahezu einhelligen Rechtsprechung
der Verwaltungsgerichte (etwa: Niedersächs. OVG, Beschluss vom 22.10.2014 - 8
LA 129/14 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.08.2011 - 5 A 416/11.A
-; Sächs. OVG, Beschluss vom 20.05.2011 - A 4 A 666/09 -; VG Würzburg,
Beschluss vom 08.01.2015, VG Bayreuth, Beschluss vom 16.12.201, jew. a.a.O.;
VG Göttingen, Beschluss vom 27.10.2014 - 4 B 239/14 -; VG Freiburg, Urteil vom
30.06.2014; VG Stuttgart, Urteil vom 28.05.2014 - A 12 K 4301/12 -; VG
Sigmaringen, Urteil vom 25.04.2014 - 1 K 234/14 -, jew. juris), dass Roma in
Serbien (wie auch im Kosovo, vgl. dazu etwa: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom
04.02.2010 - A 11 S 331/07 -, AuAS 2010, 190) auf Grund ihrer Volkszugehörigkeit
keiner staatlichen oder quasi-staatlichen Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1
GG, § 3 Abs. 1 AsylVfG ausgesetzt sind. Soweit das verwaltungsgerichtliche Urteil
darauf abstellt, dass Roma in Serbien verstärkt Opfer von Übergriffen Dritter seien,
die staatlichen Organe gegen solche Übergriffe in der Regel keinen Schutz
gewährten und schon dieser Befund die Einschätzung des Bundesamtes in Frage
stelle, dass den gegen Roma gerichteten Diskriminierungen die erforderliche
Verfolgungsintensität fehle, stützt es sich lediglich auf die Zeugenaussage von
Frau Dr. Waringo in dem Verfahren A 11 K 5036/13 vor dem Verwaltungsgericht
Stuttgart, die das angegriffene Urteil im Tatbestand wiedergibt. Deren
diesbezügliche Angaben, Übergriffe Dritter auf Roma blieben folgenlos, die Polizei
komme häufig nicht, wenn sie von Roma gerufen werde, und wenn sie komme,
unternehme sie nichts, wird nicht durch die Angabe konkreter Beispielsfälle
konkretisiert. Auch wenn zu konstatieren ist, dass es in der Vergangenheit immer
wieder zu einer Reihe zum Teil auch gewalttätiger Übergriffe auf Roma durch Dritte
gekommen ist, die die Polizei nicht immer mit der gebotenen Konsequenz verfolgt
(vgl. dazu etwa: Lagebericht Serbien des Auswärtigen Amtes vom 15.12.2014, S.
11; Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe Serbien: Übergriffe gegen Roma
und Ashkali vom 15.03.2015, S. 4 ff.), kann nicht davon ausgegangen werden,
dass der serbische Staat grundsätzlich zu einer Schutzgewährung nicht willens
oder nicht in der Lage ist. Seit Jahren sind Bestrebungen der serbischen
Regierung zu erkennen, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik
zu verbessern (Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 12.03.2012,
29.01.2013, 18.10.2013 und vom 15.12.2014). Das serbische Strafgesetzbuch
gewichtet seit Dezember 2012 in Art. 54a ein Verbrechen aus Hass neu als
spezifischen erschwerenden Straftatbestand. Zudem wird in Art. 317 des
serbischen Strafgesetzbuchs die Anstiftung zu nationalistischem, ethnischem oder
religiösen Hass oder Intoleranz, in Art. 387 rassistische und weitere
Diskriminierung sowie in Art. 174 die Herabsetzung einer Person wegen Rasse,
Hautfarbe, Religion, Nationalität, ethnischer Herkunft und persönlicher Merkmale
als Straftatbestand benannt. Je nach Tatbestand und Schwere des Vergehens
können Gefängnisstrafen zwischen drei Monaten bis zu zehn Jahren verhängt
werden (Nachweise bei Schweizerische Flüchtlingshilfe: Übergriffe gegen Roma
und Ashkali vom 15.03.2015, S. 3 f.). 2013 wurden bei 64 der der Polizei
gemeldeten Hassverbrechen („Hate Crimes“) 23 Strafverfahren durchgeführt und
kam es in 16 Fällen zu einer Verurteilung. Nach Angaben serbischer Behörden
kam es bei insgesamt 315 erfassten Übergriffen in den Jahren 2012 und 2013 zu
Strafanzeigen. Von diesen 114 Straftaten wurden 75 aufgeklärt und Strafanzeigen
gegen 146 Personen erhoben. Vor diesem Hintergrund bestehen für den Senat an
der generellen Bereitschaft des serbischen Staates, auch gegen Übergriffe auf
Roma mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vorzugehen, keine
durchgreifenden Zweifel. Die Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher
Schutzgewährung oder in Einzelfällen dem Betroffenen widerfahrene
Schutzversagung lässt als solche die staatliche Schutzbereitschaft oder -fähigkeit
(vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 1.94 -, NVwZ 1995, 391) nicht
entfallen. Darüber hinaus sind angesichts der Zahl der in Serbien lebenden Roma
(300.000 - 500.000, vgl. Lagebericht Serbien des Auswärtigen Amtes vom
15.12.2014) keineswegs Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass verbale oder
physische Übergriffe auf Roma ein solches Ausmaß erreichen, dass für jeden
Roma ohne Weiteres eine aktuelle Gefährdung eigener Betroffenheit bestünde
(näher dazu: VG Münster, Urteil vom 11.05.2015, a.a.O.). Unter diesen
Gesichtspunkten kann mithin nicht davon gesprochen werden, dass die
gesetzgeberische Bestimmung Serbiens als sicheres Herkunftsland zu
beanstanden ist.
24 Anders als der Kläger und das verwaltungsgerichtliche Urteil meinen, bestehen
aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der serbische Staat in asylrelevanter
Weise in die durch Art. 2 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4 zur Europäischen
Menschenrechtskonvention (BGBl. II 2002, 1074) geschützte Ausreisefreiheit von
Angehörigen der Roma eingreift, was gegebenenfalls zur Folge haben könnte,
dass der Gesetzgeber davon hätte absehen müssen, Serbien als sicheren
Herkunftsstaat zu bestimmen.
25 Dies gilt sowohl für die in Serbien diesbezüglich geltenden melderechtlichen,
strafrechtlichen sowie Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen wie auch für
deren jeweilige Anwendung.
26 Art. 17 der serbischen Verfassung garantiert das Recht auf Bewegungsfreiheit, das
sowohl die Freizügigkeit innerhalb Serbiens und die freie Wahl des Wohnortes als
auch das Recht garantiert, Serbien zu verlassen und wieder nach Serbien
zurückzukehren. In Übereinstimmung mit den entsprechenden internationalen
Konventionen hält die serbische Verfassung fest, dass dieses Recht nur
eingeschränkt werden kann, wenn dies im Rahmen von strafrechtlichen
Ermittlungen, zur Vorbeugung ansteckender Krankheiten oder zur Verteidigung der
Republik Serbien notwendig ist (vgl. Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer
Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland, S. 42).
27 Durch das serbische Meldegesetz (Fundstelle bei Dr. Waringo, a.a.O., S. 41), das
für einen längeren Aufenthalt im Ausland eine Abmelde- und für die Rückkehr eine
Anmeldepflicht vorsieht (Art. 19) und Verstöße dagegen mit einem Bußgeld ahndet
(Art. 27 Abs. 1 Nr. 5), wird weder die Stellung eines Asylantrags im Ausland gezielt
sanktioniert noch wird in die Ausreisefreiheit unmittelbar eingegriffen. Deutsche
Meldegesetze kennen ebenfalls entsprechende Meldepflichten und deren
ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung im Falle der Nichterfüllung (für
Baden-Württemberg vgl. §§ 15 Abs. 1 und 2, 36 Abs. 1 Nr. 2 Meldegesetz Baden-
Württemberg). Soweit eine mittelbare Beeinflussung der Ausübung der
Ausreisefreiheit im Einzelfall in Betracht kommen mag, stellt dies die für die
Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat maßgebliche Rechtsstaatlichkeit
(vgl. BVerfGE 94, 115, 136) der serbischen melderechtlichen Vorschriften nicht in
Frage (VG Münster, Urteil vom 11.05.2015, a.a.O.). Wenn das Verwaltungsgericht
in der angegriffenen Entscheidung unter Berufung auf die aktuelle Auskunftslage,
Erklärungen von Dr. Waringo und die Information des Regional Centers for
Minorities meint, „Bestrafungen“ nach dem neuen Meldegesetz würden selektiv
gegen Roma erfolgen, sind hierfür keine hinreichend belastbaren konkreten
Belege vorhanden. Dr. Waringo (a.a.O., S. 41) bezieht sich lediglich auf
Informationen der Nichtregierungsorganisation Regional Center for Minorities, die
ihrerseits die Behauptung, dass Art. 19 des serbischen Meldegesetzes
ausschließlich auf Angehörige der Romaminderheit angewendet wird, die in der
EU oder in einem anderen Land des Schengenraums Asyl beantragt haben, in
ihrem Bericht „Die Liberalisierung des Visasystems und Einschränkungen des
Rechts auf Asyl - Zur Situation serbischer Roma, die im Ausland Asyl beantragt
haben“ nicht näher belegt und keine Fälle benennt, in denen bei Verstößen durch
andere serbische Staatsangehörige als Roma die Sanktionsmöglichkeiten des
Meldegesetzes keine Anwendung finden (vgl. dazu: Niedersächs. OVG, Beschluss
vom 22.10.2014; VG Sigmaringen, Urteil vom 25.04.2014, jew. a.a.O.). Die
Schweizerische Flüchtlingshilfe gibt in ihrer Auskunft „Serbien:
Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali“ vom 26.03.2015 (S. 10 f.)
lediglich an, dass eine Kontaktperson des Regional Centers for Minorities auf
Anfrage mitgeteilt habe, dass sie im Jahr 2012 von verschiedenen Roma-
Angehörigen wegen Schwierigkeiten mit den serbischen melderechtlichen
Bestimmungen kontaktiert worden sei, die betroffenen Personen aber meist den
Kontakt abgebrochen hätten und anschließend nicht mehr zu erreichen gewesen
seien. Der Nichtregierungsorganisation „Praxis“ seien im März 2015 keine
diesbezüglichen Fälle bekannt gewesen. Soweit in der Auskunft der
Schweizerischen Flüchtlingshilfe von einer Familie die Rede ist, die eine erfolglose
Beschwerde gegen einen erstinstanzlichen Entscheid eingelegt hat, werden die
näheren Umstände nicht benannt und wäre zudem ein Einzelfall nicht geeignet,
eine rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechende Anwendung der serbischen
melderechtlichen Vorschriften auf Roma anzunehmen.
28 Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, Asylbewerber hätten nach Art. 350a des
serbischen Strafgesetzbuchs allein wegen der Stellung eines Asylantrags im
Ausland mit einer strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung zu rechnen, vermag
der Senat ebenfalls nicht zu folgen.
29 Nach Art. 350a Abs. 1 des serbischen Strafgesetzbuchs (Fundstelle bei
Niedersächs. OVG, Beschluss vom 22.10.2014, a.a.O.) wird mit Freiheitsstrafe von
drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft, wer versucht, in der Absicht, sich selbst
oder jemand anderem einen Vorteil zu verschaffen, einen Transport, eine
Verlegung, eine Aufnahme, eine Unterkunft, ein Versteck organisiert oder auf eine
andere Weise ermöglicht, dass serbischen Staatsangehörigen durch falsche
Angaben über die Bedrohung ihrer Menschenrechte oder fundamentalen
Freiheiten die Asylantragstellung in einem anderen ausländischen Staat ermöglicht
wird. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift beträgt das Strafmaß sechs Monate bis fünf
Jahre, wenn der Tatbestand von einer Gruppe oder durch den Missbrauch von
Befugnissen verwirklicht wird. Der Organisator einer Tat des Absatzes 2 wird
gemäß Art. 350a Abs. 3 des serbischen Strafgesetzbuches mit einer
Freiheitsstrafe von ein bis acht Jahren bestraft. Nach dem Wortlaut dieser
Vorschrift wird mithin nicht der serbische Staatsangehörige bestraft, der aus
Serbien ausreist und in einem anderen Staat einen Asylantrag stellt, sondern
Dritte, die zur missbräuchlichen Asylantragstellung Unterstützung oder Beihilfe
leisten. Dieser Gesetzeszweck ist dem Art. 350a des serbischen
Strafgesetzbuches vom serbischen Justizminister auch beigemessen worden, der
sich in der Ankündigung des Gesetzesvorhabens ausschließlich auf den
Tatbestand der Beihilfe, also auf Fluchthelfer bezog (vgl. Dr. Waringo, a.a.O., S. 40;
dazu auch mit weiterem Nachweis: Niedersächs. OVG, Beschluss vom
22.10.2014, a.a.O.). Auch der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom
18.12.2013 (S. 23 f.) versteht die Strafbestimmung in diesem Sinn. Soweit Dr.
Waringo (a.a.O., S. 40) vertritt, dass die Formulierung des Gesetzes die
Möglichkeit einer späteren Kriminalisierung der Asylbewerber, denen vorgeworfen
werde, ihre Situation in Serbien falsch darzustellen, beinhalte, ist diese Möglichkeit
vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt und eine spätere Pönalisierung bloße
Spekulation. Auch das erstinstanzliche Urteil, das meint, dass die Strafvorschrift
ausdrücklich den Asylbewerber selbst betrifft, übersieht, dass es sich bei den
„falschen Angaben über die Bedrohung ihrer Menschenrechte oder fundamentalen
Freiheiten“ allein um ein Tatbestandsmerkmal handelt, das - falls es erfüllt ist -
keinen strafrechtlich relevanten Vorwurf gegenüber dem Asylbewerber selbst
begründet, sondern allein Voraussetzung für eine Bestrafung der die
Unterstützungshandlungen und die Beihilfehandlungen leistenden Dritten ist (so
auch: Niedersächs. OVG, Beschluss vom 22.10.2014, a.a.O.). Aus dem Verhältnis
des Absatzes 1 zu den Absätzen 2 und 3 des Art. 350a des serbischen
Strafgesetzbuchs ergibt sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nichts
anderes.
30 Anhaltspunkte für eine von dem Wortlaut abweichende Praxis serbischer
Strafgerichte bei der Anwendung des Art. 350a des serbischen Strafgesetzbuches
sind nicht ersichtlich. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom
15.12.2014 (S. 18) können zurückgeführte serbische Staatsangehörige nach ihrer
Rückkehr unbehelligt in ihre Heimatstädte zurückfahren; Sanktionen wegen der
Stellung eines Asylantrags im Ausland gebe es weder de jure noch de facto. Die
Aussagen von Dr. Waringo bei ihrer Vernehmung im Asylstreitverfahren A 11 K
5036/13 vor dem VG Stuttgart stehen dem nicht entgegen. Soweit Dr. Waringo dort
angegeben hat, dass nach dem Fortschrittsbericht der EU 2013 auf Grund der
Vorschrift des Art. 350a des serbischen Strafgesetzbuches sieben Strafverfahren
gegen acht Personen betrieben worden seien, wird nicht ausgeführt, dass diese
gerade Asylbewerber betroffen haben, und bleibt unklar, ob die Verfahren
überhaupt zu Verurteilungen geführt haben. Andere Berichte über die
Durchführung von Strafverfahren betreffen durchweg Unterstützungshandlungen
und Beihilfehandlungen Dritter, nicht aber die Anwendung des Art. 350a des
serbischen Strafgesetzbuchs auf abgelehnte Asylbewerber (vgl. dazu:
Niedersächs. OVG, Beschluss vom 22.10.2014, a.a.O.). Die Schweizerische
Flüchtlingshilfe führt in ihrer Auskunft „Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma
und Ashkali“ (S. 13) unter Berufung auf „Praxis“, eine der wichtigsten serbischen
Flüchtlingsorganisationen (vgl. dazu VG Münster, Urteil vom 26.03.2015. a.a.O.),
aus:
31 „Laut der erhaltenen Antworten der 66 Basic Courts und 24 High Courts wurden
im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Dezember 2013 keinerlei
Strafverfahren auf Grund des Artikels 350a des Strafgesetzbuchs eröffnet. Zwei
Gerichte gaben keine Antworten. Nach Einschätzung der serbischen NGO Praxis
werden serbische Staatsangehörige, die im Ausland aus berechtigten oder
vorgetäuschten Gründen Asyl beantragt haben, nicht durch Art. 350a des
Strafgesetzes sanktioniert. Nur Personen, welche Hilfestellungen („Enabling“)
diesbezüglich leisten, sind gemäß dieser Einschätzung von Artikel 350a
betroffen.“
32 Vor diesem Hintergrund sind auch keine Anhaltspunkte für die vom
Verwaltungsgericht nicht weiter begründete Annahme ersichtlich, dass sich Art.
350a des serbischen Strafgesetzbuchs speziell gegen Roma richtet und
diskriminierend ist.
33 Schließlich ist die Bestimmung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat auch nicht mit
Blick auf die serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen und ihre
Anwendung auf ausreisewillige serbische Staatsangehörige, insbesondere Roma,
verfassungsrechtlich zu beanstanden.
34 Nach Art. 6 des Gesetzes zum Grenzschutz (Law on Border Protection) aus dem
Jahr 2008 kann die Grenzpolizei neben der Identität des Reisenden überprüfen, ob
eine die Grenze überquerende Person die Kriterien zur Ein- und Ausreise erfüllt
und welchen Zweck die Reise hat. Nach im Juni 2011 weiter eingeführten
Bestimmungen ist es der Grenzpolizei erlaubt, von serbischen Staatsbürgern
außerdem folgende Unterlagen einzufordern: Dokumente, die den Zweck der
Reise belegen (etwa: Hotelreservierungen, Rückreiseticket, schriftliche Einladung,
Garantieerklärung, Bestätigung eines Reiseveranstalters), Belege für genügende
finanzielle Mittel für den Auslandsaufenthalt (etwa: Bargeld, Kreditkarten, Schecks),
Einladungen oder Beweise bezüglich des Reisezwecks (Nachweise zu den
gesetzlichen Bestimmungen in der Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe
Serbien: Ausreisbeschränkungen für Roma und Ashkali vom 26.03.2015, S. 1 f.).
Die Bestimmungen enthalten keine genaueren Angaben dazu, welche Belege und
in welcher Höhe finanzielle Mittel notwendig sind, um die Grenzpolizei von der
Legitimität der Ausreise zu überzeugen. Demgemäß besitzt die Grenzpolizei einen
weiten Ermessensspielraum (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 26.03.2015,
a.a.O.).
35 Für sich genommen zielen diese Bestimmungen weder auf eine generelle
Ausreisebeschränkung noch auf bestimmte Personen, insbesondere Roma,
sondern treffen alle serbischen Staatsangehörigen in gleicher Weise. Sie haben
die Intention, die Interessen Serbiens zu schützen und den Missbrauch der
Regelungen der Visafreiheit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mit
Serbien zu verhindern, und wurden unter anderem auf Drängen der Europäischen
Union nach dem Wegfall der Visumpflicht im Dezember 2009 und im Hinblick auf
schengenkonforme Grenzkontrollen im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen
eingeführt (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 03.09.2014 an das VG
Münster; Schweizerische Flüchtlingshilfe Serbien: Ausreisbeschränkungen für
Roma und Ashkali vom 26.03.2015, S. 1; Waringo, a.a.O., S. 38 f.). Hinreichende
Belege dafür, dass in der praktischen Anwendung dieser Bestimmungen an den
serbischen Grenzen eine beachtliche Zahl an Ausreiseverweigerungen der
Verhinderung der Asylantragstellung in der Europäischen Union dient oder sich
gezielt gegen die Minderheiten der Roma oder Ashkali richtet, existieren nicht.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes (Auskunft vom 03.09.2014, a.a.O.) wurden
im Zeitraum Juli bis Dezember 2012 3.756 Personen an der serbischen Grenze
zurückgewiesen, nach Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe
(Auskunft Serbien: Ausreisbeschränkungen für Roma und Ashkali vom
26.03.2015, S. 3) wurden im Zeitraum vom 02.06.2011 bis zum 31.12.2014 7.656
Personen an der Ausreise gehindert, um „den Missbrauch der Visa-Freiheit der
EU-Staaten zu verhindern“. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe zählt in ihrer
Auskunft vom 26.03.2015 (a.a.O., S. 5 f.) nur vereinzelte Fälle auf, in denen Roma
von der serbischen Grenzpolizei bei der Ausreise willkürlich behandelt worden
sind. Eine belastbare Dokumentation von Fällen dieser Art gibt es nicht.
Verschiedene von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe in Serbien kontaktierte
Nichtregierungsorganisationen, die im Bereich Migration, Roma-Rechte oder
Grenzkontrollen arbeiten, gaben an, dass ihnen die Problematik bezüglich der
neuen Grenz- und Ausreisebestimmungen bekannt sei, sie jedoch keine
Falldokumentationen vorweisen könnten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, a.a.O.,
S. 6; zu fehlenden Zahlen oder Statistiken auch Dr. Waringo, a.a.O., S. 39; vgl.
auch: Niedersächs. OVG, Beschluss vom 22.10.2014, a.a.O.; VG Darmstadt, Urteil
vom 19.01.2015, a.a.O.). Dass eine Vielzahl serbischer Staatsbürger an der
Ausreise gehindert wird und die Mehrheit dieser Staatsangehörigen Angehörige
ethnischer Minderheiten sind, ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnisquellen
nicht. Vielmehr spricht die in den letzten Jahren markant angestiegene Zahl der
Asylerstanträge von serbischen Staatsangehörigen (2011: 4.579, 2012: 8.477,
2013: 11.851, 2014: 17.172, Januar - Mai 2015: 8.664), davon mehr als 90 Prozent
Roma, sowie der Umstand, dass serbische Asylbewerber, wie auch der Kläger und
seine Ehefrau, überwiegend legal mit Reisebussen in das Schengengebiet
einreisen (vgl. dazu: VG Münster, Urteil vom 11.05.2015), dagegen, insoweit an
der Verfassungswidrigkeit der Bestimmung Serbiens als sicherem Herkunftsstaat
zu zweifeln.
36 Eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat,
die zahlreiche andere Mitgliedstaaten der EU, wie Belgien, Frankreich, Luxemburg,
Österreich und Großbritannien ebenfalls vorgenommen haben, hat der Kläger nicht
geltend gemacht und ist für den Senat vor den Maßstäben der Richtlinien
2005/85/EG über die Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur
Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326/13) vom
01.12.2005 bzw. 2013/32/EU vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die
Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Abl. L 180/60)
insbesondere vor dem Hintergrund der bereits gemachten Ausführungen nicht
ersichtlich. Nachdem sich der Kläger auf eine diesbezügliche
Unionsrechtswidrigkeit auch nicht beruft, verweist der Senat hinsichtlich der
Einzelheiten auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten
Urteile der Verwaltungsgerichte Darmstadt, Berlin und Münster (a.a.O.).
37 Der Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen oder Beweismittel vorgelegt, die die
Annahme begründen, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage in Serbien
politische Verfolgung droht (vgl. § 29a Abs. 1 AsylVfG). Zur Ausräumung der
Vermutung, dass ein Asylsuchender aus einem sicheren Herkunftsstaat nicht
politisch verfolgt wird, ist nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor
politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksal des Antragstellers
gründet. Dabei kann er seine Furcht vor politischer Verfolgung auch dann auf ein
persönliches Verfolgungsschicksal stützen, wenn dieses seine Wurzel in
politischen Verhältnissen hat. Die Vermutung ist erst dann ausgeräumt, wenn der
Asylbewerber die Umstände seiner politischen Verfolgung schlüssig und
substantiiert vorträgt. Dieser Vortrag muss vor dem Hintergrund der Feststellung
des Gesetzgebers, dass in dem jeweiligen Staat im allgemeinen keine politische
Verfolgung stattfindet, der Erkenntnisse der Behörden und Gerichte zu den
allgemeinen Verhältnissen des Staates und der Glaubwürdigkeit des Antragstellers
glaubhaft sein (BVerfGE 94, 115, 147). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag
des Klägers nicht. Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt
angegeben, dass er nur wegen der Erkrankung seiner Ehefrau nach Deutschland
gekommen sei, weil er gehört habe, dass es hier eine besonders gute ärztliche
Versorgung gebe. Andere Gründe habe er nicht. Diese Angaben entsprechen
denen der Ehefrau des Klägers bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt und
wurden von dem Kläger und seiner Ehefrau in der Berufungsverhandlung
nochmals bestätigt.
38 Dem Kläger ist auch nicht subsidiärer Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs.
1 AsylVfG zuzuerkennen. Nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ist subsidiär schutzberechtigt,
wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem
Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Gestalt der Verhängung oder der
Vollstreckung der Todesstrafe (Satz 2 Nr. 1), der Folter oder unmenschlicher oder
erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (Satz 2 Nr. 2) oder einer ernsthaften
individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher
Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlich bewaffneten Konflikts
(Satz 2 Nr. 3). Dafür ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen
nichts ersichtlich. Ergänzend wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die zutreffenden
Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid verwiesen.
39 Die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5
AufenthG vermag der Senat ebenfalls nicht festzustellen, wobei wiederum auf die
vorstehenden Ausführungen und die Begründung im Bescheid des Bundesamtes
vom 06.08.2013 Bezug genommen werden kann. Soweit der Kläger eine
Beschränkung seiner Ausreisefreiheit und damit einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 des
Vierten Zusatzprotokolls zur EMRK vom 16.09.1963 geltend macht, ist aus den
bereits genannten Gründen nicht davon auszugehen, dass ihm ein Eingriff in den
Kernbereich des Rechts auf Freizügigkeit in Form der Ausreisefreiheit droht.
Insoweit kann offenbleiben, ob § 60 Abs. 5 AufenthG mit dem Verweis auf die
EMRK auch das Vierte Zusatzprotokoll umfasst und ob und inwieweit Eingriffe in
die Ausreisefreiheit gemäß Art. 2 Abs. 3 des Vierten Zusatzprotokolls zur EMRK
gerechtfertigt wären.
40 Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf Feststellung eines
Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift
soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen
werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib,
Leben oder Freiheit besteht. Der Kläger hat bei Rückkehr nach Serbien weder
Obdachlosigkeit noch sonstige existenzielle Not zu befürchten. In Serbien besteht
für alle Bürger bei entsprechender Bedürftigkeit und fehlender anderweitiger
Hilfsmöglichkeit ein Anspruch auf Sozialhilfe sowie auf weitere staatliche
Unterstützung, beispielsweise bei der Wohnungssuche oder der Vermittlung von
Notunterkünften durch die Zentren für Sozialarbeit. Voraussetzung für den Erhalt
dieser Sozialleistungen ist eine Registrierung am Wohnort, für die bei Angehörigen
der Roma auch die Angabe des vorläufigen Wohnortes genügt (Lagebericht
Serbien des Auswärtigen Amtes vom 15.12.2014, S. 14 f.). Dass es im Fall des
Klägers zu Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung des Anspruchs auf
Sozialleistungen, insbesondere wegen Schwierigkeiten bei der Registrierung,
kommen könnte (vgl. dazu: Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe Serbien:
Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali vom 15.03.2015, S. 1 ff.),
vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Kläger hat vor seiner Ausreise in die
Bundesrepublik zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Söhnen und deren
Familie in einem eigenen Haus gelebt, in das er nach seiner Rückkehr
zurückkehren kann. Zudem haben er und seine Ehefrau bereits vor ihrer Ausreise
aus Serbien Sozialleistungen erhalten, die nach den klarstellenden Angaben des
Klägers und seiner Ehefrau nur eingestellt wurden, wenn der Kläger „privat“
gearbeitet hat. Im Übrigen wäre der Kläger darauf zu verweisen, bestehende
Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Anhaltspunkte dafür, dass
Rechtsschutz insoweit nicht gewährt werden würde, sind weder vorgetragen noch
ersichtlich (vgl. VG Berlin, Urteil vom 28.01.2015 und VG Münster, Urteil vom
11.05.2015, jew. a.a.O.).
41 Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung und Fristsetzung in der
durch die erfolgreiche Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nach §
80 Abs. 5 VwGO gesetzlich (§ 37 Abs. 2 AsylVfG) auf einen Monat nach dem
unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlängerte Ausreisefrist ist
bezüglich des Klägers nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in § 34 Abs.
1 AsylVfG in Verbindung mit § 59 AufenthG.
42 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist
gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).
43 Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO
vorliegt.