Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 01.12.2016

strafverfahren, ordentliche kündigung, unwirksamkeit der kündigung, anklageschrift

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 1.12.2016, 9 S 911/14
Kündigung eines Chefarztes; Beweiswürdigung im Rahmen einer Verdachtskündigung;
Heranziehung der arbeitsrechtlichen Grundsätze
Leitsätze
1. Für die Rechtmäßigkeit der von einem Universitätsklinikum ausgesprochenen Abberufung eines
Abteilungsleiters genügt es, wenn das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. erforderliche Einvernehmen der
Medizinischen Fakultät tatsächlich vorliegt. Insoweit hat weder das Universitätsklinikum noch haben in einem
nachfolgenden Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit der Abberufung die Gerichte die materiell-rechtliche
Rechtmäßigkeit des Einvernehmens, insbesondere dessen Vereinbarkeit mit dem Grundrecht der
Wissenschaftsfreiheit zu prüfen (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 19.03.2014 - 6 C 8.13 -, BVerwGE 149,
194; Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 02.08.2012 - 9 S 2752/11 -, juris).
2. Zur Anwendbarkeit der in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätze der
Verdachtskündigung auf die von einem Universitätsklinikum wegen des Vorwurfs schwerwiegender
Dienstpflichtverletzungen erklärte Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Dienstvertrags mit einem
Abteilungsleiter.
3. Im Rechtsstreit um eine Verdachtskündigung sind die Verwaltungsgerichte ungeachtet von Entscheidungen
der Strafgerichte gehalten, den Sachverhalt selbst aufzuklären und zu bewerten.
4. Zur Beweiswürdigung im Rahmen der Prüfung des für die Verdachtskündigung erforderlichen dringenden
Tatverdachts.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. März 2014 - 1 K 848/13
- wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung seines Chefarztvertrags.
2
Mit Schreiben vom 17.08.1983 berief das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg
(MWK) den am 04.01.1947 geborenen Kläger auf Vorschlag der Universität ... auf die Stelle eines
Professors (Besoldungsgruppe C 3) für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie an der Universität ....
Es wurde ausgeführt, die Stelle sei verbunden mit der Leitung des Zentrallaboratoriums am
Universitätsklinikum, das derzeit als Sektion der Medizinischen Universitätsklinik zugeordnet sei. Mit
Urkunde vom 13.02.1984 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum
Professor ernannt. Diese Urkunde wurde ihm mit Einweisungserlass des MWK vom 22.02.1984
ausgehändigt. Als Dienstaufgabe wurden ihm die Pflege von Forschung und Lehre im Fach
Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die Leitung des Zentrallaboratoriums des Klinikums der
Universität sowie die weiteren Aufgaben von Professoren nach Maßgabe des § 64 UG übertragen. Mit
weiterem Erlass vom 09.07.1990 bestellte das MWK den Kläger mit Wirkung vom 01.07.1990 zum Leiter
der Abteilung Klinische Chemie des Universitätsklinikums.
3
Nach der Verselbständigung der Universitätsklinika in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts durch
das am 01.01.1998 in Kraft getretene Hochschulmedizinreformgesetz schlossen der Beklagte und der
Kläger am 09.12.1998 eine „Vereinbarung“. In deren Präambel ist festgehalten, der Kläger sei als
Universitätsprofessor verpflichtet, im Universitätsklinikum Aufgaben der Krankenversorgung zu erfüllen. In
§ 1 (Stellung des Abteilungsleiters) heißt es, zur Erfüllung der Dienstaufgaben aus der Übernahme der
Professur für Klinische Chemie habe der Klinikumsvorstand dem Kläger die Leitung der Abteilung Klinische
Chemie übertragen. Er führe die Bezeichnung Ärztlicher Direktor. Die unmittelbare Liquidation für in
Nebentätigkeit für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten durchgeführte
Untersuchungen war in § 5 der Vereinbarung geregelt. Nachdem es hinsichtlich des vom Kläger insoweit zu
entrichtenden Nutzungsentgeltes zu Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen war,
entzog ihm der Beklagte - in gewissem Umfang - die Befugnis zur Privatliquidation mit Wirkung vom
01.03.2004.
4
An die Stelle der vorgenannten Vereinbarung trat unter dem 24.07.2007 ein „Dienstvertrag“ zwischen
denselben Beteiligten. In dessen Präambel ist ausgeführt, der Kläger sei an der Universität ... tätiger
Universitätsprofessor für Klinische Chemie im Dienste des Landes. Entsprechend dem gesetzlichen
Dienstauftrag leite er im Universitätsklinikum innerhalb der Medizinischen Klinik die Abteilung Klinische
Chemie. Die Berechtigung, in Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und
stationäre Wahlleistungspatienten durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, sei mit
Wirkung vom 01.03.2004 beendet worden. Das Universitätsklinikum sei jetzt bereit, mit dem Kläger einen
Chefarztvertrag abzuschließen, der eine Beteiligung an den Einnahmen vorsehe. In § 1 (Dienstverhältnis)
heißt es, die Funktion des Klägers als Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Chemie in der
Medizinischen Universitätsklinik werde „hiermit bestätigt“ (Absatz 1). Nach § 2 (Stellung des Ärztlichen
Direktors) bleiben die Aufgaben als Universitätsprofessor unberührt, die sich nach dem Dienstverhältnis mit
dem Land Baden-Württemberg richten. Zur Erfüllung dieser Aufgaben könne der Ärztliche Direktor die
Einrichtungen der von ihm geleiteten Abteilung in Anspruch nehmen. Gemäß § 6 (Dienstaufgaben)
obliegen dem Ärztlichen Direktor für seine Einrichtung die dem Universitätsklinikum nach den jeweiligen
gesetzlichen und vertraglichen Regelungen übertragenen Aufgaben, insbesondere im Rahmen der
mittelbaren Krankenversorgung die Untersuchung der Materialien der Patienten des Universitätsklinikums.
§ 11 (Vertragsdauer, Kündigung) bestimmt, dass der Vertrag am 01.04.2007 in Kraft trete, während
gleichzeitig die Vereinbarung vom 09.12.1998 mit den noch geltenden Teilen außer Kraft trete. Ferner sind
dort Bestimmungen zur ordentlichen und außerordentlichen Kündigung sowie über die Vertragsbeendigung
im Falle der Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses, der Versetzung in den Ruhestand oder eines
beamtenrechtlichen Verbots zur Führung der Dienstgeschäfte aufgenommen.
5
1. Strafverfahren
6
Bereits im Januar und März 2007 war der Kläger in an das Amtsgericht ... gerichteten anonymen Schreiben
einer mutmaßlichen Mitarbeiterin des Beklagten der Vorteilsannahme und Bestechlichkeit bezichtigt
worden. Der Beklagte wurde am 22.03.2007 über die anonymen Anzeigen informiert. Im Rahmen des
eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts ... vom
13.11.2007 am 11.12.2007 eine polizeiliche Durchsuchung des Arbeitsplatzes und der Büroräume am
Universitätsklinikum. Nach dem Stand der Ermittlungen war am 01.09.2006 zwischen dem Beklagten und
der Fa. M GmbH (Fa. M) ein fünfjähriger Rahmenvertrag abgeschlossen worden, in dem sich der Beklagte
verpflichtete, den gesamten Bedarf an Ausrüstungen und Einrichtungen sowie sämtliche Betriebsmittel für
seine Labore über die Fa. M zu beziehen.
7
§ 6 Abs. 3 des Vertrages lautet:
8
Für alle in dem Lieferprogramm (siehe § 5) genannten Artikel gelten die zwischen der Fa. M und dem UKF
vereinbarten Preisrabatte für die festgelegte Vertragsdauer bis 31.12.2011 (bei einer allgemeinen
Preiserhöhung eines oder mehrerer Artikel durch einen Lieferanten, die durch die Fa. M nicht zu
vermeiden ist, werden die dann unrabattierten Marktpreise des jeweiligen Artikel als Basispreis für die
Rabattstaffel genommen).
9
Die Preise der Artikel des Lieferprogramms unterliegen der in der Anlage 1 festgelegten Rabattstaffel. Die
jeweiligen Rabatte haben den zum 01.08.2006 aktuellen Preis des UKF für die jeweiligen Artikel des
Lieferprogramms als Ausgangspreis.
10
Anlage 1 zum Rahmenvertrag enthält die Rabattstaffel. Die Rabatthöhe betrug zunächst 5 %, sie stieg in
den folgenden Jahren jeweils um 2,5 % an, bis sie im Jahr 2011 15 % erreichte.
11
Dem Kläger wurde u.a. vorgeworfen, seine Funktion als Ärztlicher Direktor dazu genutzt zu haben, die
Auftragsvergabe zu vermitteln, wofür er finanzielle Zuwendungen vom Geschäftsführer der Fa. M erhalten
habe, mit dem zusammen der Kläger Gesellschafter einer „A M GmbH“ mit dem Geschäftszweck
„Verwaltung des eigenen Vermögens“ war.
12
Mit Schreiben vom 07.01.2008 unterrichtete das Regierungspräsidium ... - Landespolizeidirektion - die
Universität ... über den Verdacht eines verfolgbaren Dienstvergehens.
13
Die Staatsanwaltschaft ... erhob unter dem 17.07.2009 Anklage gegen den Kläger und drei
Mitangeschuldigte zum Amtsgericht - Schöffengericht - .... Er wurde beschuldigt, im Zusammenhang mit
Verträgen über Laborbedarf in fünf rechtlich selbständigen Handlungen Vergehen der Bestechlichkeit in
vier Fällen und der Vorteilsannahme in einem Fall begangen zu haben. Gegenüber den zugleich
angeklagten weiteren Personen (D, C, E) wurde das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Auflagen
eingestellt. Mit Beschluss vom 10.03.2010 ordnete das Amtsgericht zur Aufklärung des Sachverhalts
weitere Zeugenvernehmungen an (vgl. den Ergänzungsbericht der LPD ... vom 06.07.2010). Mit
Verfügung vom 06.08.2010 nahm die Staatsanwaltschaft zum Ergebnis der Nachermittlungen Stellung. Mit
Beschluss vom 06.12.2010 legte das Schöffengericht die Akten gemäß § 209 Abs. 2 StPO angesichts des
besonderen Umfangs und der besonderen Bedeutung des Falles der Großen Strafkammer des Landgerichts
... zur Entscheidung vor. Bei Eröffnung des Hauptverfahrens werde eine sehr umfangreiche
Beweisaufnahme durchzuführen sein. Die Vorwürfe würden vollumfänglich bestritten. Unmittelbare
Beweismittel lägen nicht vor, es handele sich ausschließlich um eine Indizienbeweislage. Die Sachlage sei
komplex, da der Angeschuldigte umfangreiche Einlassungen zu den aus seiner Sicht wirklichen
Hintergründen des objektiven Geschehens abgegeben habe. Diesen „Alternativmöglichkeiten“ sei
„substantiiert nachzugehen“.
14
Mit Beschluss vom 14.09.2012 übernahm das Landgericht ... das Strafverfahren vom Amtsgericht ...,
eröffnete das Hauptverfahren und ließ die Anklage der Staatsanwaltschaft ... vom 17.07.2009 - verbunden
mit dem Hinweis, dass die Tat Nr. 4 der Anklageschrift im Falle einer Verurteilung möglicherweise als
Vorteilsannahme beurteilt werden könne - zur Hauptverhandlung zu. Mit Beschluss vom 12.02.2014
stellte das Landgericht ... das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 StPO vorläufig ein und erteilte dem Kläger
die Auflage, bis zum 11.08.2014 insgesamt 15.000,-- EUR an mehrere gemeinnützige Einrichtungen zu
zahlen. Die endgültige Einstellung des Verfahrens erfolgte mit Beschluss vom 12.02.2014.
15
2. Kündigungen und Abberufung von der Abteilungsleitung
16
Auf die Aufforderung des Beklagten in Schreiben vom 11.12.2007 und 14.01.2008 nahm der Kläger zu den
Vorwürfen unter dem 19.12.2007 und 18.01.2008 Stellung. Am 22.01.2008 fand beim Beklagten „zur
Prüfung arbeitsrechtlicher Konsequenzen“ ein Gespräch mit dem Kläger statt (vgl. das Protokoll vom
23.01.2008).
17
Mit gleich lautenden Schreiben vom 24. und 25.01.2008 sprach der Beklagte eine „Verdachtskündigung“
aus: Unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 14.01.2008, die Stellungnahme des Klägers vom
18.01.2008 sowie die Besprechung vom 22.01.2008 kündige er hiermit den Chefarztvertrag vom
24.07.2007 außerordentlich fristlos. Lediglich hilfsweise und ohne Präjudiz für die Wirksamkeit der
außerordentlichen fristlosen Kündigung kündige er den Chefarztvertrag außerdem ordentlich zum
nächstmöglichen Termin, d.h. zum 30.09.2008. Im Begleitschreiben vom 28.01.2008 teilte der Beklagte
dem Kläger mit, mit der Kündigung sei er „sämtlicher Aufgaben in der Krankenversorgung im
Universitätsklinikum ... enthoben“. Die kommissarische Leitung der Abteilung übertrage der
Klinikumsvorstand mit sofortiger Wirkung Herrn Professor Dr. X. Da seine Tätigkeit in der
Krankenversorgung beendet sei, werde er aufgefordert, sein bisheriges Büro bis 30.01.2008 zu räumen.
Da er weiterhin Beamter des Landes Baden-Württemberg sei, oblägen ihm Verpflichtungen in Forschung
und Lehre. Insoweit werde ihm bis auf Weiteres ein Büro im Dachgeschoss der Frauenklinik zur Verfügung
gestellt.
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Gegen die Kündigung des Dienstvertrags erhob der Kläger am 13.02.2008 beim Arbeitsgericht ... Klage (11
Ca 84/08). Mit Beschluss vom 20.11.2008 erklärte das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für
Arbeitssachen für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht .... Dieses stellte mit
Urteil vom 24.02.2010 (3 K 2749/08) fest, dass die mit Schreiben vom 24.01. und 25.01.2008 erklärte
außerordentliche Kündigung und die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom
24.07.2007 unwirksam sind. Die von ihm zugelassene Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil wies
der Senat mit Urteil vom 02.08.2012 (9 S 2752/11, juris) zurück. Die gegen die Nichtzulassung der
Revision erhobene Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos (BVerwG, Beschluss vom 27.03.2013 - 6 B
50.12 -, juris).
19
In seiner Sitzung vom 28.09.2009 fasste der Vorstand des Beklagten auf der Grundlage einer Vorlage vom
25.09.2009 folgende Beschlüsse:
20
1. Der Dienstvertrag/Chefarztvertrag vom 24.07.2007 mit Herrn Professor Dr. X wird vom
Universitätsklinikum hinsichtlich der Rechte und Pflichten, die nicht seiner Beamtenstellung innewohnen,
vorsorglich und hilfsweise erneut ordentlich gekündigt. Die Kündigung betrifft die mit dem Dienstvertrag
bestätigte Stellung als Leiter der Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und
Pflichten. An der bereits ausgesprochenen Kündigung vom 24.01.2008 wird festgehalten. Das
Einvernehmen der Medizinischen Fakultät hierzu wird unverzüglich eingeholt.
21
2. Der Klinikumsvorstand spricht sich dafür aus, dass im Einvernehmen mit der Medizinischen Fakultät die
Universität beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst einen Antrag stellt, die
Funktionsbeschreibung und die Dienstaufgaben von Herrn Prof. X zu ändern. Das Universitätsklinikum
unterstützt den Antrag der Universität nach § 46 Abs. 2 Landeshochschulgesetz ausdrücklich. Die
Funktionsbeschreibung und Dienstaufgaben sind insofern zu ändern, als Herrn Prof. X die Leitung des
Zentrallabors entzogen wird. Hierzu soll das Ministerium die Einweisungsverfügung vom 22.02.1984
zurücknehmen und die Berufungszusage vom 17.08.1983 kündigen. Daneben ist Herrn Prof. X die
Leitung der Abt. Klinische Chemie zu entziehen.
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3. Das Universitätsklinikum ... erklärt die Abberufung von der Abteilungsleitung. Das Einvernehmen der
Medizinischen Fakultät wird hierzu unverzüglich eingeholt. Da Herrn Prof. X die Leitungsfunktion im Wege
der Bestellung am 09.07.1990 durch ministeriellen Erlass übertragen worden war, soll das Ministerium für
Wissenschaft, Forschung und Kunst ebenfalls die Abberufung der Abteilungsleitung erklären.
23
Am 30.09.2009 beschloss der Vorstand der Medizinischen Fakultät, hierzu das „erforderliche Einvernehmen
in der vom Klinikumsvorstand vorgelegten Fassung“ zu erklären. Vorausgegangen war das Schreiben des
Dekans der Medizinischen Fakultät an die Mitglieder des Fakultätsvorstands vom 29.09.2009 einschließlich
der Beschlussvorlage vom gleichen Tage (vgl. auch den „Ergänzender Aktenvermerk zum Beschluss des
Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät ... vom 30.09.2009 über die „Kündigung einer
Chefarztvereinbarung“ des Fakultätsgeschäftsführers ... vom 05.07.2012).
24
Mit Schreiben vom 30.09.2009 kündigte der Beklagte den Dienstvertrag mit dem Kläger vom 24.07.2007
vorsorglich erneut zum nächstmöglichen Termin (31.03.2010), soweit er nicht die beamtenrechtliche
Stellung betreffe. Hiergegen erhob der Kläger am 26.10.2009 Widerspruch.
25
Der Beklagte ging davon aus, dass die Kündigung vom 30.09.2009 auch die Abberufung von der
Abteilungsleitung umfasst. Auf Weisung des MWK (Schreiben vom 03.11.2009) teilte der Beklagte dem
Kläger mit Schreiben vom 20.01.2010 die Abberufung von der Abteilungsleitung mit. Hiergegen erhob der
Kläger unter dem 17.02.2010 Widerspruch.
26
3. Weitere Maßnahmen
27
a) Disziplinarverfahren
28
Unter dem 12.02.2008 ordnete der Rektor der Universität disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den
Kläger an. Unter dem 21.07.2008 leitete das MWK ein förmliches Disziplinarverfahren ein und forderte
nach Inkrafttreten des Landesdisziplinargesetzes am 22.10.2008 den Rektor der Universität unter dem
05.01.2009 auf, das Disziplinarverfahren fortzusetzen. Mit Schreiben vom 19.02.2009 setzte der Rektor
das Verfahren gemäß § 13 LDG bis zu einer Entscheidung der Strafermittlungsbehörden aus.
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Mit Schreiben vom 25.02.2009 teilte das MWK dem Kläger mit, aufgrund der Darlegungen im
Anhörungsverfahren und nach derzeitigen Erkenntnissen gehe man davon aus, dass unter Wahrung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 78 LBG nicht
auszusprechen sei. Wie sich die Angelegenheit gegenwärtig darstelle, lägen keine Gründe vor, die den
Erlass eines entsprechenden Verbots zwingend erforderten, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder
Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden.
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Unter dem 29.09.2015 stellte die Universität ... das Disziplinarverfahren ein.
31
b) Zuweisung von Personal- und Sachmitteln, Zutrittsverbot
32
Auf eine Anfrage des Verwaltungsgerichts teilte das MWK unter dem 31.08.2009 mit, es beabsichtige, die
Universität aufzufordern, das Verfahren zur Änderung der Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers
sowie seiner Dienstaufgaben mit dem Ziel der Entziehung der Leitung des Zentrallabors einzuleiten und
das Universitätsklinikum anzuweisen, die Abberufung des Klägers als Leiter der Abteilung Klinische Chemie
vorzunehmen. Ferner würden Universität und Beklagter angewiesen, dafür Sorge zu tragen, dass der
Kläger amtsangemessen beschäftigt werde und seine Dienstaufgaben in Forschung und Lehre sowie in der
Krankenversorgung wahrnehme.
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Mit Schreiben vom 17.09.2009 unterrichtete die Universität den Kläger darüber, dass ihm der
Fakultätsvorstand mit Beschluss vom 15.09.2009 - in Ergänzung der bereits zur Verfügung gestellten
Labor- und Büroräume - ein Sachmittelbudget in Höhe von jährlich 15.000,-- EUR und Personalmittel in
Form von 2,5 Stellen zugewiesen habe. Außerdem wurde einer für das Wintersemester 2009/2010
erarbeiteten Lehrkoordination sowie Lehrverpflichtung des Klägers zugestimmt. Auf die gegen diese
Maßnahmen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage des Klägers vom 11.12.2009 stellte das
Verwaltungsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 08.08.2012 (1 K 2582/09) fest, dass die Entscheidung
des Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät der Beklagten vom 15.09.2009 und der hierzu
ergangene Widerspruchsbescheid des Rektors vom 06.11.2009, soweit sie die Grundausstattung des
Klägers betrafen, rechtswidrig waren und der Kläger über die Grundausstattung neu zu bescheiden
gewesen wäre.
34
Vorausgegangen war ein Antrag des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Personal- und
Sachausstattung. Das Verwaltungsgericht hatte diesen Antrag mit Beschluss vom 15.07.2010 (1 K
2586/09) zurückgewiesen. Dabei ging es der Sache nach davon aus, dass die gegen den Kläger erhobenen
Vorwürfe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffen dürften. Auf die hiergegen erhobene
Beschwerde des Klägers verpflichtete der Senat mit Beschluss vom 04.10.2011 (9 S 1948/10) - unter
Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - die Universität ..., unverzüglich ein erforderliches
Einvernehmen zu dem seit Januar 2008 praktizierten, am 23.08.2010 vom Klinikumsvorstand des
Beklagten förmlich beschlossenen Zutrittsverbot des Klägers zum Zentrallabor einzufordern. Am
25.10.2011 beschloss der Fakultätsvorstand der Medizinischen Fakultät einstimmig, sein (mittlerweile
eingefordertes) Einvernehmen zu dem vom Klinikumsvorstand des Beklagten mit Beschluss vom
23.08.2010 gegenüber dem Kläger erteilten Haus- bzw. Betretungsverbot zu erklären. Mit Beschluss vom
21.12.2011 hielt der Klinikumsvorstand des Beklagten weiterhin am Betretungsverbot vom 23.08.2010
fest, nachdem vom Kläger auf ein Anschreiben vom 08.11.2011 nichts vorgebracht worden war. Mit
Beschluss vom 24.01.2012 erklärte der Vorstand der Medizinischen Fakultät sein Einvernehmen.
35
c) Lehrveranstaltungen
36
Nachdem eine gütliche Einigung der Beteiligten über eine Beurlaubung des Klägers und seinen
anschließenden Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand gescheitert war, wies der Dekan der Medizinischen
Fakultät mit Schreiben vom 10.06.2009 den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs an, im laufenden
Sommersemester 2009 bestimmte Lehrveranstaltungen abzuhalten. Den hiergegen gerichteten Eilantrag
lehnte das Verwaltungsgericht ... mit rechtskräftigem Beschluss vom 29.06.2009 (1 K 1011/09) ab.
37
d) Krankenversorgung
38
Mit Schreiben vom 26.05.2009 stellte der Kläger beim MWK einen „Antrag auf Wahrnehmung der
Fürsorgepflicht“, mit dem er u. a. die Wiedereinsetzung in die Wahrnehmung von Aufgaben der
Krankenversorgung begehrte. Das MWK leitete diesen Antrag an die seiner Auffassung nach zuständige
Universität weiter.
39
Mit Schriftsatz vom 22.12.2009 forderte der Vorstand des Beklagten den Kläger auf, nach Zuweisung
personeller und sachlicher Grundausstattung fortan auch wieder Aufgaben in der Krankenversorgung zu
übernehmen. Diese Aufforderung wurde in der Folge mehrfach erfolglos wiederholt.
40
e) Änderung der Funktionsbeschreibung
41
Nach Durchführung des entsprechenden hochschulinternen Verfahrens beantragte die Universität unter
dem 17.12.2009 beim MWK, die bisherige Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers zu ändern. Das
MWK gab dem Antrag der Universität statt und führte mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom
09.02.2010 aus, die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur
für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung
und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren
nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum .... Hiergegen
erhob der Kläger Widerspruch.
42
f) Zahlungs- bzw. Hinterlegungsklage
43
Am 30.12.2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht ... (u.a.) Klage auf Zahlung bzw. Hinterlegung
wegen der ihm bis 31.03.2010 aus dem Chefarztvertrag zustehenden Vergütung erhoben (1 K 2594/11).
Mit Urteil vom 18.07.2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am
23.08.2015 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt (9 S 1801/15).
44
4. Ruhestand
45
Mit Ablauf des 31.03.2012 trat der Kläger wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den
Ruhestand.
46
5. Prozessgeschichte
47
Gegen die Kündigung vom 30.09.2009 hat der Kläger am 28.09.2010 Klage zum Verwaltungsgericht ... (1
K 1803/10) erhoben. Er hat die Feststellung der Unwirksamkeit der mit Schreiben vom 30.09.2009
ausgesprochenen Kündigung des Dienstvertrages vom 24.07.2007 sowie des Fortbestehens des
Dienstverhältnisses zwischen ihm und dem Beklagten bis 31.03.2012 begehrt, hilfsweise die Verpflichtung
des Beklagten, den Bescheid vom 30.09.2009 aufzuheben, weiter hilfsweise, den Widerspruch vom
19.10.2009 gegen den Bescheid vom 30.09.2009 zu bescheiden.
48
Nach Wiederaufnahme des zwischenzeitlich wegen Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits um die Kündigung
vom 24./25.01.2008 ausgesetzten Verfahrens hat das Verwaltungsgericht ... mit Urteil vom 11.03.2014
festgestellt, dass die vom Beklagten mit Schreiben vom 30.09.2009 ausgesprochene Kündigung des
Dienstvertrages vom 24.07.2007 unwirksam war und das Dienstverhältnis bis zum 31.03.2012
fortbestanden hat (1 K 848/13). Zur Begründung hat es ausgeführt:
49
Die Kündigung sei formell und materiell rechtswidrig und unwirksam.
50
Da die Kündigung eine erneute Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung dargestellt habe, habe
sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG (hier in der bis zum 14.02.2011 geltenden Fassung) das Einvernehmen
der Medizinischen Fakultät erfordert. Dieses Einvernehmen habe im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung
zwar vorgelegen, ohne indessen ordnungsgemäß erklärt worden zu sein. Das Einvernehmen des
Fakultätsvorstands der Medizinischen Fakultät sei inhaltlich nicht dem grundrechtswahrenden Gehalt des §
7 Abs. 1 Satz 3 UKG gerecht geworden. Es komme nicht allein auf die förmliche Erteilung des
Einvernehmens an, vielmehr müsse sich der Fachbereich Medizin in einer Form und Verfahrensweise mit
der Erteilung des Einvernehmens befassen, die dem grundrechtswahrenden Gehalt dieser
Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht werde. Der Herstellung des
Einvernehmens müsse daher eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen. Ferner
müsse die Abwägung insbesondere für den von ihr betroffenen Hochschullehrer hinreichend dokumentiert
sein. An beiden Voraussetzungen fehle es.
51
Die Kündigung sei ferner materiell rechtswidrig gewesen. Ob die Kündigung aufgrund einer Verletzung von
Rechtspositionen des Klägers aus dem Beamtenverhältnis materiell rechtswidrig gewesen sei, sei fraglich.
Letztlich könne dies hier jedoch dahinstehen. Denn der vom Beklagten beanspruchte Kündigungsgrund
gemäß § 11 Abs. 2 des Chefarztvertrages i.V.m. § 1 Abs. 2 KSchG habe nicht vorgelegen. Die Kündigung
vom 30.09.2009 sei eine sog. Verdachtskündigung gewesen. Ob eine Verdachtskündigung wegen der
Eigenart der öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger als beamtetem
Hochschullehrer mit Dienstaufgaben in Forschung, Lehre sowie Krankenversorgung (letztere in
Leitungsstellung) und dem Beklagten sowie dem Land Baden-Württemberg von vornherein unzulässig
gewesen sei, könne dahinstehen. Denn es habe jedenfalls an den Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit
einer solchen Kündigung gefehlt.
52
Eine Verdachtskündigung komme nur in Betracht, wenn dringende, auf objektiven Tatsachen beruhende
schwerwiegende Verdachtsmomente vorlägen und diese geeignet seien, das für die Fortsetzung des
Dienstverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden
Dienstberechtigten zu zerstören. Der notwendige, schwerwiegende Verdacht müsse ferner dringend sein,
d.h., bei einer kritischen Prüfung müsse eine auf Beweisanzeichen gestützte große Wahrscheinlichkeit für
die erhebliche Pflichtverletzung gerade dieses Dienstverpflichteten bestehen. Die in der Anklageschrift vom
17.07.2009 aufgeführten Ermittlungsergebnisse hätten zwar zunächst Anlass für eine erneute
Verdachtskündigung geliefert. Diese schwerwiegenden Verdachtsmomente seien indessen durch die
Ergebnisse des Ergänzungsberichts der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 derart abgemildert, dass
sich - mangels strafgerichtlicher Sachentscheidung bis heute - die für einen Vertrauensverlust des
Beklagten notwendige Wahrscheinlichkeit für erhebliche Pflichtverletzungen des Klägers in Gestalt von
Vorteilsannahme und Bestechlichkeit nicht aufrechterhalten lasse.
53
Das Ergebnis der Nachermittlungen der Landespolizeidirektion vom Juli 2010 habe beachtliche Indizien
gegen Dienstpflichtverletzungen des Klägers und gegen das Ziel der ehemals Mitangeschuldigten C, D und
E enthalten, dem Kläger Vorteile zu gewähren, um auf dessen künftige Dienstausübung Einfluss zu
nehmen oder die vergangene Dienstausübung zu honorieren. So hätten alle früheren Mitangeschuldigten
bekräftigt, dass die Kenntnis der bisherigen Einkaufspreise des Zentrallabors für die Zwecke der Kalkulation
eines deutlich günstigeren Angebots durch die Fa. M erforderlich gewesen sei und hierüber Einigkeit mit
den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten bestanden habe. Eine Information der Fa. M im Februar 2006
durch den Kläger über Einkaufspreise des Zentrallabors sowie die Überlassung von 17 Originalrechnungen
der Fa. ... im März 2006 hätten folglich, träfe dies zu, keine Verschwiegenheitspflichten verletzt. Ferner
hätten die früheren Mitangeschuldigten D und E übereinstimmend erklärt, dass es von ihrer Seite zu
keiner Zeit Zahlungen an den Kläger gegeben und dieser auch keine verlangt habe. Soweit ein Darlehen
von 8.000,- EUR durch die von ihm vertretene Fa. A an den Kläger gegeben worden sei, so D, habe dies
nicht mit der Vertragsanbahnung zum Beklagten, sondern mit der davon unabhängigen Entwicklung eines
Brustkrebsmittels im Zusammenhang gestanden. Herr D und Herr E hätten nach ihrer Aussage schließlich
nichts von den Zahlungen gewusst, die vom Mitangeschuldigten Herrn C an den Kläger geleistet worden
seien. Herr C, der die als Darlehen und Gewinnbeteiligung bezeichneten Zahlungen an den Kläger nicht
bestritten habe, habe diese Zuwendungen erklärt mit seiner spezifischen - sowohl gesellschaftsrechtlichen
als auch privaten - Beziehung zum Kläger, die bereits Jahre vor der Einleitung der Vertragsverhandlungen
mit dem Beklagten sowie Gründung der Fa. M bestanden gehabt habe. Überdies habe der Kläger nicht
gewusst, dass diese von ihm (Herrn C) zugewendeten Beträge aus Mitteln gestammt hätten, die er zuvor
als Gewinnausschüttung bzw. Darlehen von der Fa. M und deren Muttergesellschaft in G erhalten habe.
54
Ergänzt worden seien diese Ermittlungsergebnisse durch eine ausführliche Entgegnung des Klägers vom
16.12.2009 zur Anklage. Darin sei erläutert worden, dass sich der Kläger und Herr D bereits aus Zeiten
weit vor Zusammenarbeit zwischen der Fa. M und dem Beklagten gekannt hätten und insbesondere Herr C
mit dem Kläger seit 1999 geschäftlich und privat eng verbunden gewesen sei und ab 2004 mit Blick auf die
finanzielle Situation des Klägers diesen unterstützt habe. In der Anklageerwiderung habe sich der Kläger
weiter eingehend damit auseinandergesetzt, dass und warum Zahlungen im Jahr 2005 schon vor einer
vermeintlichen ersten Unrechtsvereinbarung und vor Gründung der Fa. M sowie Zusammentreffen der
Mitangeschuldigten C, D und E geflossen seien und damit keine Relevanz für eine Vorteilsgewährung/-
annahme gehabt haben könnten. Weiterhin habe der Kläger eine Darstellung dazu gegeben, dass sein -
von der Anklage als Gegenleistung für ein Vorteilsversprechen gewerteter - Einsatz gegen eine
Kooperation des Beklagten mit den Firmen ... und ... vor Gesprächen mit den ehemaligen
Mitangeschuldigten erfolgt sei und es sich bei den beiden Firmen nicht um Marktkonkurrenten der Fa. M
gehandelt habe. Auch habe er näher dargelegt, dass es sich bei der von der Anklage thematisierten
Besprechung vom 20.02.2006 nicht um eine solche des Klinikumsvorstandes (Entscheidungsorgan des
Beklagten), sondern des Vorstandes der Klinik für Innere Medizin (eines rein ärztlich besetzten Gremiums)
gehandelt habe und dass die Weitergabe einer solchen Information an Herrn C (der erst im Juli/August
2006 Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. M geworden sei) ohne Vorteil gewesen sei. Der Kläger
habe in seiner Anklageerwiderung auf bereits langjährige persönliche und gesellschaftsrechtliche
Verbindungen zu Herrn C sowie die mit D erfolgte Kooperation bei der Entwicklung eines Brustkrebsmittels
(Aromatasehemmer) und die daraus resultierenden Zuwendungen dieser beiden ehemaligen
Mitangeschuldigten in den Jahren 2005 und 2006 hingewiesen und dies näher erläutert. Auch die
vorgeworfenen Unrechtsvereinbarungen in den Tatzeiträumen Oktober 2006 bis Juli 2007 schließlich habe
der Kläger durch substantiierte Erläuterungen zu entkräften versucht.
55
Trotz entgegenstehender Zeugenaussagen der zuständigen Klinikumsmitarbeiter (betreffend
Geheimhaltung bisheriger Einkaufspreise) sowie weitere den Kläger belastende Indizien (u.a. zeitnahe
Geldflüsse zu den Vertragsverhandlungen; wirtschaftliche Situation des Klägers; im Jahr 2002 eingestelltes
früheres Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme/Bestechlichkeit) hätten die
Ergebnisse der Nachermittlungen der Landespolizeidirektion und die Verteidigung des Klägers doch eine
erhebliche Plausibilität für einen anderen Geschehensablauf besessen. Das Gewicht der Verdachtsmomente
sei hierdurch nach Auffassung der Kammer seit Juli 2010 derart verringert gewesen, dass angesichts ihrer
einschneidenden Wirkungen für den möglicherweise unschuldigen Kläger eine Verdachtskündigung nicht
gerechtfertigt gewesen sei.
56
Hiergegen hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur
Begründung im Wesentlichen vorgetragen:
57
Die Kündigung sei formell rechtmäßig.
58
Das gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät habe im Zeitpunkt
der Kündigung vorgelegen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auf der Grundlage des
Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.03.2014 im vorliegenden Rechtsstreit die materiell-
rechtliche Rechtmäßigkeit des Einvernehmens des Vorstands der Medizinischen Fakultät nicht zu prüfen. Es
sei nicht seine, des Beklagten Aufgabe zu überprüfen, ob die Entscheidung der Medizinischen Fakultät
materiell-rechtlich zutreffend sei und ob sie das Grundrecht des Klägers aus Art. 5 Abs. 3 GG wahre. Für
die Rechtmäßigkeit der Kündigung genüge das Vorliegen des Einvernehmens der Medizinischen Fakultät.
Wenn der Kläger das Einvernehmen für rechtswidrig halte, könne er dies nicht im
Kündigungsschutzprozess gegen das Universitätsklinikum geltend machen, sondern nur gegenüber der
Medizinischen Fakultät. Die abweichende Auffassung des OVG Münster wie auch des erkennenden Senats
im Urteil vom 02.08.2012 betreffend die Kündigung vom 24./25.01.2008 habe das
Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich abgelehnt.
59
Hilfsweise werde dargelegt, dass die Erteilung des Einvernehmens entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts ... rechtmäßig sei. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht angenommen, der
Herstellung des Einvernehmens müsse eine Abwägung der zu berücksichtigenden Belange vorausgehen
und diese Abwägung müsse schriftlich dokumentiert sein. Jedenfalls habe der Vorstand der Medizinischen
Fakultät vor Erteilung des Einvernehmens eine ausreichende Sachprüfung und Abwägung vorgenommen.
Schließlich seien die für die Entscheidung der Medizinischen Fakultät maßgebenden Gesichtspunkte
ausreichend dokumentiert.
60
Die Kündigung sei auch materiell rechtmäßig.
61
Im Urteil vom 02.08.2012 habe der Senat entschieden, mit der Kündigung vom 24./25.01.2008 sei der
Kläger rechtswidrig seiner Aufgaben in der Krankenversorgung enthoben worden, da er, der Beklagte mit
der Kündigung die Rechtsbeziehungen zum Kläger in umfassender Weise habe beenden wollen. Dieser vom
Senat angenommene Mangel hafte der Kündigung vom 30.09.2009 nicht an. Ausweislich des
Kündigungsschreibens vom 30.09.2009 lasse die Kündigung die aus dem Beamtenverhältnis resultierten
Aufgaben des Klägers in der Krankenversorgung unberührt. Im Übrigen verstoße die Kündigung auch nicht
gegen Art. 33 Abs. 5 oder Art. 5 Abs. 3 GG.
62
Das Verwaltungsgericht habe die Anforderungen an das Vorliegen einer Verdachtskündigung überspannt.
63
Das Verhalten, dessen der Kläger nach der Anklageschrift vom 17.07.2009 und dem Strafverfahren
verdächtig sei, würde - wäre es erwiesen - zweifellos eine außerordentliche Kündigung des
Dienstvertrages rechtfertigen. Er, der Beklagte mache sich den Inhalt der Anklageschrift vom 17.07.2009
und der dort erhobenen Vorwürfe zu eigen. Nach der Anklageschrift habe der Kläger zwischen 2005 und
2007 in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit weiteren Angeschuldigten verschiedene
Straftaten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Rahmenvertrages zwischen der Fa. M und dem
Beklagten begangen. Der Kläger werde beschuldigt, in fünf rechtlich selbständigen Handlungen in den
Fällen 1 bis 4 als Amtsträger einen Vorteil als Gegenleistung dafür angenommen zu haben, dass er künftig
eine Diensthandlung vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletze, im Falle 5, als Amtsträger
einen Vorteil für die Dienstausübung angenommen zu haben, strafbar als Vergehen der Bestechlichkeit in
vier Fällen und der Vorteilsannahme gemäß §§ 331 Abs. 1, 332 Abs. 1 und Abs. 3, 11 Abs. 1 Nr. 2 a, 53
StGB.
64
Die Anklageschrift gehe von fünf Unrechtsvereinbarungen im Zeitraum 2. Halbjahr 2005 bis Juli 2007 aus:
65
- Anbahnung der Kooperation zwischen dem Universitätsklinikum und der XY (2. Halbjahr 2005 bis Ende
März 2006),
- Taten im Zusammenhang mit der Gründung der Fa. M und dem Abschluss des Rahmenvertrags zwischen
der Fa. M und dem Beklagten (April 2006 bis September 2006),
- Erteilung von geheimen Informationen über das Labor ... im Gegenzug zu einer weiteren finanziellen
Zuwendung (Anfang Oktober 2006 bis 26. Oktober 2006),
- endgültige Vereinbarung über eine verdeckte Gewinnbeteiligung an der Fa. M (27.10.2006 bis
25.01.2007),
- Auszahlung von verdeckten Gewinnausschüttungen durch die Fa. M (Februar 2007 bis Juli 2007).
66
Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung völlig außer Acht gelassen, dass das Landgericht ... in
Kenntnis des Ergänzungsberichts der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 und in Kenntnis der
Entgegnung des Klägers vom 16.12.2009 zur Anklage mit Beschluss vom 14.09.2012 das Verfahren des
Amtsgerichts ... übernommen, das Hauptverfahren bezüglich des Klägers eröffnet und die Anklage der
Staatsanwaltschaft vom 17.07.2009 zur Hauptverhandlung zugelassen habe. Die Eröffnung des
Hauptverfahrens sei nach der Anklageerhebung ein weiterer und besonders gewichtiger Anhaltspunkt für
die Dringlichkeit des Verdachts. Die Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO räume den Verdacht nicht aus,
vielmehr bestätige sie ihn, und zwar auf der Grundlage einer Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit wie auch
der Schuld. Nicht nur durch die Erhebung der öffentlichen Anklage, sondern insbesondere auch durch die
Eröffnung des Hauptverfahrens und die Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO habe der Verdacht gegen den
Kläger „eine andere Qualität“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erhalten.
67
Dieser Verdacht machte es ihm, dem Beklagten unzumutbar, das Dienstverhältnis mit dem Kläger
fortzusetzen. Die Straftaten und Dienstpflichtverletzungen stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit
dem Dienstverhältnis des Klägers. Dies habe zum Verlust des Vertrauens und zur Störung des
Vertrauensverhältnisses geführt. Hinzu komme, dass gegen den Kläger bereits früher bei der
Staatsanwaltschaft ... ein - später gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestelltes - Ermittlungsverfahren
anhängig gewesen sei wegen des Verdachts der Bestechlichkeit/Vorteilsannahme im Zusammenhang mit
seiner beruflichen Tätigkeit für das Universitätsklinikum .... Auch sei bei der Bewertung die besondere
herausgehobene Stellung des Klägers zu berücksichtigen. Aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungs- und
Strafverfahrens sei der Kläger nicht (mehr) geeignet gewesen, als Führungsperson mit Leitungsaufgaben,
insbesondere mit den Aufgaben eines Chefarztes, betraut zu sein.
68
Die Bewertung des Verwaltungsgerichts beruhe auf einem Verfahrensfehler, nämlich einem Verstoß gegen
§§ 86, 96, 108 VwGO. Allein aufgrund des Ergänzungsberichts der Polizeidirektion vom 06.07.2010, der
die Aussagen der ergänzend vernommenen Zeugen nur in gekürzter Fassung wiedergebe, habe die
Beurteilung des dringenden Tatverdachts nicht in prozessual fehlerfreier Weise getroffen werden können.
Vielmehr wäre es notwendig gewesen, dazu die gesamten Ermittlungsakten beizuziehen und die
Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft ebenfalls Anklage erhoben gehabt habe und die früher
Mitbeschuldigte gewesen seien, als Zeugen zu vernehmen.
69
Auch weitere Gründe begründeten den dringenden Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung
des Klägers und einer strafbaren Handlung des Klägers zu seinen Lasten.
70
Gewinnbeteiligung des Klägers an der Fa. M
71
Aufgrund der Vereinbarung vom 27.10.2006 hätten dem Kläger 24,5% der Gewinne der Fa. M
zugestanden. Diese Vereinbarung zwischen dem Kläger und Herrn C sei bereits vor Abschluss der
Rahmenvereinbarung zwischen der Fa. M und dem Beklagten am 01.09.2006 getroffen worden. Die vom
Kläger betriebene Anbahnung und der vom Kläger geförderte Abschluss des Vertrages des Beklagten mit
der Fa. M hätten somit von Anfang an dem Gewinnstreben des Klägers gedient, ohne dass er dies
gegenüber ihm, dem Beklagten offengelegt habe. Insoweit liege nicht nur ein Verdacht vor, vielmehr sei die
Pflichtverletzung erwiesen.
72
Anbahnung des Vertrages mit der Fa. M
73
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei belegten, dass der Kläger im Eigeninteresse und
aus wirtschaftlichen Gründen den Vertragsschluss mit der Fa. M initiiert und forciert habe und dass er dabei
pflichtwidrig Preise der Konkurrenz und damit vertrauliche Daten an die Fa. M weitergegeben habe:
74
Nach der Anklageschrift habe der Kläger zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, kurz vor
dem 24.04.2006, die früheren mitangeschuldigten Vertreter der Fa. M davon unterrichtet, dass er zur
Auflösung einer seiner diversen Firmenbeteiligungen, die maßgeblich für seine erheblichen Schulden
verantwortlich gewesen seien, ein Darlehen in Höhe von 25.000 EUR benötige, das er zur Auffüllung des
Stammkapitals und sodann zur Liquidierung der betroffenen Gesellschaft habe nutzen wollen. Dies passe
zusammen mit dem Anruf des Klägers bei Herrn A vom Beklagten am 27.03.2006, der durch die Aktennotiz
vom 27.03.2006 belegt sei. Der Kläger habe mitgeteilt, er beabsichtige, alternative Einkaufsquellen für
seine Diagnostika zu erschließen. Diese Einkaufsquelle habe die Fa. M sein sollen, die zu diesem Zweck
habe gegründet werden sollen und deren Gewinne nach der Verabredung mit Herrn C dem Kläger
zumindest teilweise hätten zufließen sollen.
75
In der der Anklageschrift werde ferner festgestellt, dass im Rahmen einer geschäftlichen Besprechung in ...
am 24.04.2006 die früheren Angeschuldigten C, E und D übereingekommen seien, zur noch effektiveren
Durchsetzung der wirtschaftlichen Interessen des ... auf dem ...er Markt die Fa. M zu gründen und dem
Kläger als einem vermeintlichen angestellten Arzt eine verdeckte Gewinnbeteiligung in Höhe von 49% zu
gewähren. Es sei vereinbart worden, dass dem Kläger die für die Firmenauflösung begehrten 25.000 EUR
in Form einer Verrechnung mit den ersten Ansprüchen auf Gewinnausschüttungen aus der neu zu
gründenden Fa. M hätten zukommen sollen. Daraus resultiere das wirtschaftliche Interesse des Klägers am
Zustandekommen des Rahmenvertrags zwischen der Fa. M und dem Beklagten. Dies werde dadurch
bestätigt, dass nach der Anklageschrift die vier Angeschuldigten, also auch der Kläger, in einer
gemeinsamen Besprechung am 30.05.2006 und in der Folge in persönlicher und schriftlicher Korrespondenz
den Entwurf eines Rahmenvertrages zwischen der Fa. M und dem Beklagten ausgearbeitet hätten.
76
Der Kläger habe bereits früher eine entsprechende Zusammenarbeit mit der Fa. M angestrebt und dazu
vertrauliche Daten an die früheren Mitangeschuldigten übergeben. In einer E-Mail vom 04.01.2006, also
lange vor Beginn der Vertragsverhandlungen zwischen dem Beklagten und der Fa. M, habe der Kläger an
Herrn E, der später für die Fa. M gehandelt habe, eine Diskette mit der Notiz „Anforderungen 2004 Kosten"
übermittelt. Der Diskette angeschlossen seien acht Einzelblätter mit einer Auflistung von Artikeln des
Laborbedarfs gewesen, sortiert in alphabetischer Reihenfolge. Davon seien auf zwei Einzelblättern mit der
handschriftlichen Notiz „Kosten" die Einzelpreise zahlreicher aufgeführter Artikel in alphabetischer
Reihenfolge zu entnehmen gewesen. Die E-Mail sei im E-Mail-Postfach des Klägers gefunden worden.
77
Dem Auskunftsersuchen der Landespolizeidirektion vom 22.04.2008 an ihn seien eine handschriftliche
Notiz einer Besprechung bei XY vom 10.03.2006 und das Protokoll über die Besprechung vom 10.03.2006
beigefügt gewesen. An der Besprechung hätten D, Prof. Dr. H, Herr E, der Kläger, Herr C teilgenommen.
Letzterer habe das Protokoll verfasst. Aus dem Protokoll ergebe sich, dass bereits vor Beginn der
Vertragsverhandlungen die Gründung der „Gemeinsamen GmbH", also unter Einschluss des Klägers,
besprochen worden sei, ebenso das grundsätzliche Geschäftsmodell. Der Kläger habe am 10.03.2006
zugesagt, Rechnungen der Fa. ... an XY bzw. Herrn E per Telefax zu übermitteln.
78
Das erste Gespräch zwischen ihm, dem Beklagten, und den Vertretern von M zum beabsichtigten
Rahmenvertrag sei - wie dargestellt - am 23.05.2006 geführt worden. Nach diesem Gespräch sei bei Herrn
B von dem Beklagten eine Anforderung des Zentrallabors für eine ABC-Analyse des Diagnostikaverbrauchs
2005, Kostenstelle 928922 eingegangen. Herrn B sei der Gedanke gekommen, dass diese Anforderung
auch mit dem Wunsch des Klägers nach einer Kooperation mit M zusammenhängen könnte. Er habe sich
deshalb entschlossen, die erbetenen Daten an das Zentrallabor zwar weiterzugeben und trotz interner
Bedenken, dass sich die Leitung des Zentrallabors dadurch brüskiert habe fühlen können, in die Antwort
aufgenommen, dass die gelieferten Daten nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt seien (E-Mail vom
29.05.2006).
79
Trotz dieses ausdrücklichen Hinweises habe der Kläger die Einkaufspreise der Lieferanten des Zentrallabors
an die Fa. M weitergeleitet. Er habe außerdem selbst oder durch Mitarbeiter der Abteilung Klinische Chemie
Einkaufs- und Preislisten erstellen lassen und diese an die Fa. M weitergeleitet. Dem Auskunftsersuchen
der Landespolizeidirektion ... vom 22.04.2008 seien als Anlage 4 „Einzelblätter mit Preisen 03/04“
beigefügt, die im Büro des Klägers im Klinikum aufgefunden worden seien. Diese Listen seien nicht von der
Verwaltung des Beklagten und nicht von der Abteilung Materialwirtschaft erstellt worden, diese führten
solche Listen nicht. Diese Listen seien vielmehr von der Abteilung Klinische Chemie erstellt worden, der der
Kläger vorgestanden habe. Darin liege eine schwerwiegende Vertragsverletzung. Er sei nicht berechtigt
gewesen, Preise von Lieferanten mitzuteilen, die das Universitätsklinikum bisher beliefert hätten und
deshalb Konkurrenten der Fa. M gewesen seien. Durch die Weitergabe der Preise der bisherigen
Lieferanten des Universitätsklinikums habe der Kläger die Verhandlungsposition des Universitätsklinikums
nachhaltig geschwächt, weil die Fa. M aufgrund der Kenntnis der Preise habe beurteilen können, bei
welchem Preisangebot sie zum Zuge und zum Abschluss des Rahmenvertrages kommen könne.
80
Das Verwaltungsgericht meine, alle früheren Mitangeschuldigten des Klägers hätten bekräftigt, dass die
bisherigen Einkaufspreise des Zentrallabors für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich günstigeren
Angebots durch die Fa. M erforderlich gewesen seien und hierüber Einigkeit mit den zuständigen
Mitarbeitern des Beklagten bestanden habe. Eine Information der Fa. M im Februar 2006 über die
Einkaufspreise des Zentrallabors sowie die Überlassung von 17 Originalrechnungen der Fa. ... im März
2006 hätten folglich, träfe dies zu, keine Verschwiegenheitspflichten verletzt. Diese Auffassung sei
unzutreffend:
81
Der Zeuge B habe erklärt, die E-Mail von Herrn C vom 24.05.2006, in der C zum Ausdruck bringe, er
werde die Liste sämtlicher Einkaufspreise des Zentrallabors in der kommenden Woche bei Prof. X abholen,
sei ihm nicht bekannt. Der Zeuge B habe weiter erklärt, bei dem Gespräch am 23.05.2006 mit den
Verantwortlichen der Fa. M sei nicht besprochen worden, dass die Einkaufspreise der XY übergeben
würden, da kein erfahrener Einkäufer vor Vertragsschluss Preise bekanntgebe. Der Zeuge E habe
bekundet, dass er die Einkaufsliste von C bekommen habe, entweder per Stick, per E-Mail oder durch
persönliche Übergabe. C habe die Einkaufslisten vom Kläger erhalten. Die zuständigen Mitarbeiter der
Verwaltung hätten vor Abschluss des Vertrages am 01.09.2006 zu keinem Zeitpunkt Einkaufslisten an die
Fa. M übergeben. Sie hätten die Übergabe der Listen nie zugesagt und der Übergabe der Listen durch den
Kläger an die Fa. M nicht zugestimmt. In der E-Mail C an A vom 24.05.2006 heiße es, Herr C werde wie
besprochen die Liste sämtlicher Einkaufspreise des Zentrallabors in der kommenden Woche bei Prof. X
abholen. Herr B habe zum Gespräch vom 23.05.2006 klargestellt, dass während der Anwesenheit von
Herrn A und von ihm im Gespräch am 23.05.2006 definitiv keine Zusage dazu gegeben worden sei, Preise
gegenüber die Fa. M bekanntzugeben. Als Herr A und er die Gesprächsrunde verlassen hätten, seien die
Mitarbeiter der Fa. M zu weiteren Gesprächen beim Kläger geblieben. Herr A und er seien gemeinsam zum
Gespräch hingegangen und hätten es gemeinsam verlassen. Das Gespräch habe bei Prof. X im Büro
stattgefunden. Herr B habe ausdrücklich bestätigt, dass die Preise nie weitergegeben worden seien. Es sei
zumindest völlig entgegen jeder Gepflogenheit, die er bisher bei Vertragsverhandlungen erlebt habe. Er
kenne Herrn A seit 15 Jahren. Er könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass er die Preise offengelegt
hätte. Die Preisliste habe Herr C mit Sicherheit nicht direkt aus der Reagenzienzentrale. Er habe die Listen
auf Weisung des Klägers diesem zukommen lassen. Die Übersicht sei von ihm auf Anforderung des Klägers
erstellt worden. Dieser habe um eine Liste aller Artikel gebeten, aus denen Mengen und Preise der Artikel
zu entnehmen waren.
82
In seiner Stellungnahme vom 02.05.2008 führe Herr A aus, er bleibe bei seiner Darstellung, dass eine
umfassende Weitergabe von Preisinformationen von der Reagenzienzentrale an die Fa. M erst ab
September 2006 (also nach Abschluss des Vertrages am 01.09.2006) erfolgt sei. Die E-Mail von Herrn C
(vom 24.05.2006) habe er nie erhalten. Er habe von Herrn C oder einem anderen Mitarbeiter von M vor
Vertragsschluss nie eine E-Mail dieses oder vergleichbaren Inhalts erhalten. Hätte er diese oder eine
vergleichbare E-Mail erhalten, hätte er unverzüglich Herrn C benachrichtigt, dass er ihn missverstanden
haben müsse und hätte die E-Mail (an die Vorgesetzten) Herren R und J weitergeleitet. Zudem bestünden
Zweifel an der Authentizität der E-Mail. Inhaltlich lege die E-Mail den Schluss nahe, bereits beim
Kennenlern-Gespräch am 23.05.2006 mit dem Labor XY und der M sei eine vollumfängliche Weitergabe
von Daten, insbesondere Preisen, vereinbart worden. Dies entspreche nicht den Tatsachen.
83
Diese eindeutigen Aussagen der Zeugen A und B, die durch schriftliche Stellungnahmen von Dr. W, dem
damaligen Kaufmännischen Direktor des Beklagten, bekräftigt worden seien, habe das Verwaltungsgericht
nicht ausreichend gewürdigt. Diese eindeutigen und klaren Aussagen der Zeugen schlössen die Annahme
des Verwaltungsgerichts aus, es habe „Einigkeit mit den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten“
bestanden, dass die Einkaufspreise des Zentrallabors für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich
günstigen Angebots durch die Fa. M erforderlich gewesen sei. Das Gegenteil sei richtig. Die Richtigkeit der
Ausführungen der Zeugen B und A werde bestätigt durch das Protokoll über die Besprechung vom
23.05.2006, in dem die angebliche Weitergabe von Einkaufspreisen nicht erwähnt sei. Der Widerspruch
zwischen den Zeugenaussagen könne dadurch erklärt werden, dass sehr wahrscheinlich der Kläger - ohne
Ermächtigung und unter Verstoß gegen den Dienstvertrag - den Vertretern der Fa. M zugesagt habe, die
Einkaufspreise mitzuteilen.
84
Gleichermaßen unrichtig sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Kenntnis der bisherigen
Einkaufspreise des Zentrallabors sei für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich günstigeren Angebots
durch die Fa. M erforderlich gewesen und deshalb keine vertrauliche, der Verschwiegenheitspflicht
unterliegende Information. Das Gegenteil sei richtig. Die Mitteilung der Einkaufspreise habe die Fa. M in die
Lage versetzt, die Angebotspreise so zu kalkulieren, dass sie knapp unter den Preisen der Konkurrenz
gelegen hätten und dass sie deshalb für die Vertreter des Beklagten akzeptabel erschienen seien. Eine
Preisbildung im Wettbewerb sei dadurch unmöglich gemacht worden. Hätte die Fa. M die Preise nicht
gekannt, die die Lieferanten des Beklagten bisher berechneten, hätte sie möglicherweise ein weit
günstigeres Angebot abgegeben. Es sei eine weltfremde, durch die Aussagen der Zeugen A und B
widerlegte Annahme, wenn das Verwaltungsgericht meine, ein Einkäufer gebe die bisherigen
Einkaufspreise preis, um einem Anbieter, der die bisherigen Lieferanten „verdrängen“ wolle, eine
Kalkulation zu ermöglichen. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, inwieweit die Preisregelung in § 6 Abs. 3, 4
des Rahmenvertrages vom 01.09.2006 die Kenntnis der bisherigen Einkaufspreise des Beklagten
vorausgesetzt habe.
85
Bei fehlerfreier Bewertung der Ergebnisse der Zeugenvernehmungen sowie der Aktenlage bestehe deshalb
nicht nur der Verdacht, sondern die Gewissheit, dass der Kläger durch die Weitergabe der Einkaufslisten
seine Pflicht zur Verschwiegenheit nachhaltig und schwerwiegend verletzt habe.
86
Bestechlichkeit und Vorteilsannahme
87
Nach den nach wie vor richtigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ... in seinem Beschluss vom
15.07.2010 (1 K 2586/09, S. 15 ff.) habe der Kläger - ohne dazu berechtigt zu sein - im Vorfeld des
Vertragsabschlusses mit der Fa. M an deren Repräsentanten bzw. an die Repräsentanten ihrer
Muttergesellschaft rechtswidrig vertrauliche interne Klinikumsinformationen weitergegeben. Darüber
hinaus bestehe der schwerwiegende Verdacht, dass der Kläger die in der Anklageschrift vom 17.07.2009
aufgelisteten finanziellen Zuwendungen von insgesamt 77.910 EUR für sein pflichtwidriges Verhalten
empfangen habe und dadurch das Vergehen der Bestechlichkeit bzw. der Vorteilsannahme begangen habe.
Dass die ehemaligen Mitangeschuldigten des Klägers in ihrer polizeilichen Vernehmung bei ihrer früheren
Darstellung geblieben seien und dies nicht bestätigen, sei nicht überraschend und entlaste den Kläger
nicht. Es bleibe bei der Feststellung des Verwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 15.07.2010, dass die
aus der Sphäre des Klägers und der Fa. M stammenden Aufzeichnungen, vertraulichen Protokolle und
Korrespondenzen besonderes Gewicht für die Nachweisbarkeit der Dienstpflichtverletzungen hätten. Das
Verwaltungsgericht habe weiter festgestellt, dass im Empfang der namhaften Summen mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit Dienstpflichtverletzungen lägen. Zu auffällig und ungewöhnlich seien die im zeitnahen
Umfeld zu den persönlichen Kontakten erfolgten Zahlungen in den Jahren 2005 bis 2007. Das
Verwaltungsgericht stelle weiter fest, gegen den Einwand, es habe sich sämtlich um privat motivierte
Darlehen unter Freunden gehandelt, spreche zum Teil vehement die Aussagekraft der aus der Sphäre des
Klägers und der Fa. M stammenden Beweismittel. Diese belegten offensichtlich, dass ausnahmslos alle
Zahlungen an den hochverschuldeten Kläger von den Konten der zur XY gehörenden Firmen erfolgt seien
und die als Darlehen behaupteten Beträge zum größten Teil noch nicht zurückgezahlt worden seien.
88
In der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 zum Ergebnis der Nachermittlung habe
diese zutreffend festgestellt, dass sich hinsichtlich der Einkaufspreise die Einlassung des neutralen Zeugen
B bestätigt habe, dass es sich um ein Dienstgeheimnis gehandelt habe. Die abweichenden Angaben der
ehemaligen Angeschuldigten seien so zu erwarten gewesen. Zudem erklärten sie sich dadurch, dass
wahrscheinlich der Kläger, der dazu nicht befugt gewesen sei, entsprechende Erklärungen abgegeben
habe. Die Staatsanwaltschaft habe zutreffend festgestellt, dass wiederholt bei „heiklen“ Fragen keine
konkrete Erinnerung behauptet werde. Der eindeutige Inhalt von E-Mails werde wenig plausibel erklärt.
Der Ex-Angeschuldigte C habe die verdeckte Gewinnbeteiligung des Klägers mit kaum tragfähigen
Schutzbehauptungen erklärt. Aufgrund der urkundlichen Beweismittel, der Einlassung der Zeugen von
Universitätsseite und der in der Summe nicht plausibel mit Zufällen zu erklärenden zeitlichen Koinzidenzen
von wiederholten erheblichen Geldleistungen an den Kläger bestehe nach wie vor der Verdacht eines
zumindest konkludenten Abschlusses von Unrechts-Vereinbarungen in der in der Anklageschrift
geschilderten Form.
89
Aufgrund der objektiven Umstände sowohl bei Ausspruch der Kündigung als auch nach den inzwischen
ergänzend vorliegenden Informationen bestehe eine große Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger seine
Dienstpflichten in erheblichem Maße verletzt habe.
90
Bei der Bewertung sei die höchst prekäre wirtschaftliche Situation des Klägers zu berücksichtigen, der sich
im Jahr 2005 bereits seit einiger Zeit in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe. Er habe gegenüber
dem Finanzamt ... sowie gegenüber anderen Gläubigern Schulden in Höhe von mehreren Millionen Euro.
Diese Umstände ergäben ein handfestes Motiv für das Verhalten des Klägers, den Abschluss des Vertrages
mit der Fa. M zu forcieren, weil er sich davon erhebliche finanzielle Vorteile versprochen habe.
91
Die erheblichen und mehrfachen finanziellen Zuwendungen an den Kläger, insbesondere von Herrn C,
seien nicht als private Darlehen aufgrund rein persönlicher Bindung zu erklären. Dies ergebe sich u.a. aus
dem zeitlichen Zusammenhang mit der Anbahnung des Rahmenvertrages vom 01.09.2006 zwischen der
Fa. M und dem Beklagten. Zum anderen widerlegten die besonderen Umstände der Zahlungsflüsse die
Behauptungen u.a. von Herrn C, die Zahlungen seien nur aus persönlicher Beziehung zum Kläger erfolgt.
Die „Darlehen“ habe der Kläger nur zu einem sehr geringen Teil zurückbezahlt. Es sei außerdem auffällig
und höchst ungewöhnlich, dass die angeblich privaten Darlehen nicht vom Privatkonto des Herrn C
überwiesen worden seien, sondern über diverse Firmenkonten, z.B. das Konto der Fa. A M GmbH, dessen
nomineller Inhaber Herr C gewesen sei. Es sei bewiesen, dass kurz vor der Auszahlung des angeblichen
Darlehens korrespondierende Geldbeträge von der Fa. M zur Verfügung gestellt worden seien. Die zeitliche
Nähe zwischen dem Abschluss des Rahmenvertrages am 01.09.2006 und zwischen der am 27.10.2006
zwischen dem Kläger und Herrn C getroffenen schriftlichen Vereinbarung, nach der der Kläger am
Geschäftsanteil des Herrn C an der Fa. M in Höhe von 49% zur Hälfte beteiligt sei, spreche für das
Vorliegen strafbarer Handlungen. Die verdeckte Gewinnbeteiligung des Klägers an der Fa. M sei durch eine
Abtretungsvereinbarung zwischen Herrn C und dem Kläger am 27.10.2006 erfolgt, einen Tag nach der
Weitergabe vertraulicher Informationen durch den Kläger über eine an diesem Tag stattgefundene
Besprechung mit Entscheidungsträgern des bundesweit tätigen Labors ..., einem Konkurrenten der XY.
92
Die Abberufung von der Abteilungsleitung vom 20.01.2010 sei nicht Gegenstand des Klageantrags und
mithin auch nicht Streitgegenstand. Jedenfalls sei sie formell und materiell rechtmäßig.
93
Der Beklagte beantragt,
94
das Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 11. März 2014 - 1 K 848/13 - zu ändern und die Klage
abzuweisen.
95
Der Kläger beantragt,
96
die Berufung zurückzuweisen.
97
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor:
98
Die Kündigung sei formell rechtswidrig.
99
Dem Beklagten fehle für eine Kündigung, wie sie gegenüber ihm ausgesprochen worden sei, die
Zuständigkeit. Die Kündigung vom 30.09.2009 habe das Verbot der Wahrnehmung jeglicher Aufgaben in
der Krankenversorgung durch den Klinikumsvorstand perpetuiert. Dadurch sei von einem unzuständigen
Organ sein statusrechtliches Amt bzw. sein abstrakt-funktionelles Amt derart beschnitten worden, dass
eine amtsgemäße Verwendung nicht mehr gegeben gewesen sei. Er sei in seinem Grundrecht aus Art. 5
Abs. 3 GG verletzt.
100 Tatsächlich sei er seit der Kündigung vom 24./25.01.2008 aller Positionen enthoben gewesen, was sich
auch durch die Kündigung vom 30.09.2009 nicht geändert habe. Der Passus dieser Kündigung „..soweit er
nicht die beamtenrechtliche Stellung betreffe..." sei eine leere Phrase. Durch die Kündigung sei er von
langjährigen Studien ausgeschlossen worden und habe er seine umfangreichen Forschungsprojekte und -
vorhaben auch nach dem 30.09.2009 nicht weiter fortführen können. Ferner sei er auch im Bereich der
Krankenversorgung von einer amtsangemessenen Beschäftigung ausgeschlossen worden. Diese habe nicht
nur Lehre, Forschung und Krankenversorgung schlechthin, sondern auch die Leitung des Zentrallabors
bzw. die Leitung der Abteilung Klinische Chemie umfasst. Die ihm aufgegebene Tätigkeit sei nicht als
geeignete Aufgabe in der Krankenversorgung anzusehen. Sie sei nicht nur seiner dienstlicher Stellung
unwürdig, sondern darüber hinaus medizinisch unangebracht und gefährlich. Es habe sich um eine
schikanierende Pseudotätigkeit gehandelt.
101 Wie Krankenversorgung, Forschung und Lehre sei auch die Leitung des Zentrallabors untrennbarer
Bestandteil des ihm verfassungsrechtlich garantierten Statusamtes und Amtes im abstrakt-funktionellen
Sinn und zähle folglich zu seinen hauptberuflichen Aufgaben. Wenigstens sei sie als Amt im abstrakt-
funktionellen Sinn zu verstehen. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, die Kündigung greife nur in das
konkret-funktionelle Amt ein, könne sie nicht als rechtmäßig qualifiziert werden. Denn der dem
Dienstherrn bei organisatorischen Maßnahmen zustehende Ermessenspielraum sei hier aufgrund
schutzwürdigen Vertrauens auf Beibehaltung seiner Funktion eingeschränkt gewesen. Für seine
Abberufung von der Abteilungsleitung sei der Beklagte nicht zuständig. Daher sei auch die Kündigung des
Chefarztvertrages vom 30.09.2009, wie sie ihm gegenüber ausgesprochen worden sei, durch den
Klinikumsvorstand nicht möglich. Die Kündigung sei des Weiteren auch deshalb rechtswidrig, weil seine
Abberufung nicht rechtzeitig erfolgt sei.
102 Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, die eine wirksame Kündigung des Chefarztvertrages unter
die Voraussetzung einer formell rechtmäßigen, insbesondere das Einvernehmenserfordernis des § 7 Absatz
1 Satz 3 UKG beachtende - Abberufung von der Abteilungsleitung gestellt habe, werde durch die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.03.2014 nicht in Frage gestellt. Die Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts, dass die Rechtmäßigkeit des Einvernehmens des
Fachbereichsrates/Fakultätsrats durch den Klinikumsvorstand nicht geprüft werden müsse, könne nicht auf
seinen Fall übertragen werden, in dem es um das Einvernehmen des Fakultätsvorstands gehe. Es handele
sich insoweit um völlig unterschiedliche Organe mit unterschiedlicher Zusammensetzung und Funktion.
Außerdem sei er im Zeitpunkt der Kündigung vom 30.09.2009 vom Universitäts- wie vom Klinikumsalltag
ausgeschlossen gewesen. Er habe folglich keine Möglichkeit gehabt, sich gegen diesen rechtlich zur Wehr
zu setzen. Die Verweisung auf den gegen den Fakultätsvorstand gerichteten Rechtsschutz verstoße gegen
Art. 19 Abs. 4 GG. Rein vorsorglich und nur aus Gründen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht werde
beantragt, die Klage auf den Fakultätsvorstand zu erweitern und diesen zu verpflichten, das erteilte
Einvernehmen zurückzunehmen.
103 Die Kündigung sei somit gemäß § 7 Abs. 1 UKG i.V.m. Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 33 Abs. 5 GG bereits formell
rechtswidrig. Dies folge im Übrigen auch aus der Nichtbeachtung des Erfordernisses der Zustimmung des
Aufsichtsrats aus § 9 Absatz 2 UKG.
104 Die streitgegenständliche Kündigung sei auch materiell rechtswidrig.
105 Sie stelle einen Eingriff in das Statusamt, zumindest aber in das abstrakt-funktionelle Amt dar, weil ihm
durch diese die ministeriell zugewiesene Abteilungsleitung und darüber hinaus die Dienstaufgaben
Krankenversorgung, Forschung und Lehre dauerhaft entzogen worden seien. Er sei dadurch in seinen
Grundrechten aus Art. 5 Absatz 3 GG, Art 12 Absatz 1 GG, Art. 14 GG und Art 33 Absatz 5 GG verletzt.
Eine Rechtfertigung dieser Grundrechtsverletzungen komme wegen der Unschuldsvermutung nicht in
Betracht.
106 Auch § 11 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages i.V.m. § 626 Abs. 1 BGB stelle keine taugliche
Ermächtigungsgrundlage für die Kündigung dar.
107 Im Übrigen lägen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB nicht vor. An
objektiven tatsächlichen Anhaltspunkten für einen dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder
einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung fehle es. Dies gelte schon deshalb, weil sich der
Beklagte mit seiner Verdachtskündigung allein auf die Anklageschrift stütze.
108 Der Fa. M sei es möglich gewesen, einen Rabatt auf die von dem Beklagten bislang für Laborreagenzien
gezahlten Preise zu gewähren. Es sei offensichtlich, dass die Höhe eines solchen Rabattes nur dann
festgelegt werden könne, wenn zuvor die Höhe des Preises, der bislang von dem Beklagten gezahlt
worden sei, bekannt sei. Daher seien diese Zahlen von dem Beklagten an die Fa. M weitergegeben worden.
Es bestehe kein objektiver Anhaltspunkt, der für eine Weitergabe dieser Daten an die Fa. M durch ihn
sprechen würde. Vielmehr seien diese Daten von den Herren B und A an die Fa. M wohl im Einverständnis
mit Herrn Dr. W gegeben worden.
109 Die Zeugen A und B hätten nachweislich die Unwahrheit gesagt. Eine Beteiligung seiner Person an der ihm
vorgeworfenen Weitergabe der Einzelpreise von Artikeln sei nicht gegeben. Die Preisliste sei durch den
Zeugen B, der dem Zeugen A unmittelbar unterstellt sei, am Freitag, den 26.05.2006, um 10:04 Uhr
erstellt und am Montag, den 29.05.2006 um 10:45 Uhr von dem Zeugen B via E-Mail an sein Sekretariat,
Frau C, versandt worden. Frau C habe diese E-Mail um 12:38 Uhr an den Zeugen C weitergeleitet. Er, der
Kläger habe den 24. Mai, den 25. Mai (Christi Himmelfahrt), den 26. Mai sowie das darauf folgende
Wochenende frei genommen und diese Tage anlässlich seines 35. Hochzeitstages im Kreise seiner Familie
verbracht. Der Zeuge B sage zu diesem Geschehensablauf falsch und widersprüchlich aus, was sich nicht
zuletzt aus der E-Mail des Zeugen C an den Zeugen A vom 24.05.2006 ergebe. Im Verlauf der Vernehmung
habe der Zeuge B im Widerspruch zu seiner vorherigen Aussage angegeben, er habe die Liste auf seine,
des Klägers Anforderung erstellt, und begründe dies mit der Behauptung, dass dies ein gewöhnlicher
Vorgang sei, weil er, der Kläger die Kosten des Zentrallabors übersehen müsse. Diese Aussage sei nicht nur
widersprüchlich, sondern falsch. Er habe während seiner 25-jährigen Amtszeit noch nie eine Anfrage
derartigen Inhalts an die Reagenzienzentrale gestellt. Er könne seine Kosten aus seiner Abteilung selbst
errechnen lassen, was aus dem Verzeichnis, erstellt von Dr. G, ersichtlich sei. Im Unterschied dazu könne
ihm die Reagenzienzentrale eine realistische Übersicht über seine Kosten nicht liefern, da der
Reagenzienzentrale die GOÄ-Punkte nicht vorlägen. Im Übrigen würde er sich niemals direkt an den
Zeugen B als untergebenen Sachbearbeiter der Abteilung Reagenzienzentrale wenden, sondern immer an
dessen Vorgesetzten und Leiter der Abteilung, den Zeugen A, wie das auch der Zeuge Kesselmeier getan
habe. Auch sei aus den Ermittlungsakten nicht einmal ersichtlich, dass er sich mit Herrn B in Verbindung
gesetzt habe.
110 Der Zeuge B sage im Widerspruch zu den anderen im Rahmen der Nachermittlung vernommenen Zeugen
C, D und E weiterhin aus, dass die vom Beklagten bislang zu bezahlenden Preise ein Geheimnis gewesen
seien und im Rahmen der Verhandlungen zu dem Rahmenvertrag nicht an die Fa. M weitergegeben hätten
werden dürfen. Diese Aussage sei falsch, was sich ebenfalls aus der E-Mail des Zeugen C ergebe. Die
Weitergabe von Einzelpreisen möge bei der Verhandlung über einzelne Reagenzien unvorteilhaft sein, bei
dem Rahmenvertrag mit der Fa. M sei es jedoch um die Errechnung eines Einsparpotenzials bei der
Lieferung eines allumfassenden Reagenzienstammes gegangen.
111 Die Auswertung des in dem Strafverfahren vorliegenden Beweismaterials habe ergeben, dass die ihn
inkriminierende anonyme Anzeige u.a. von der Absicht motiviert gewesen sei, die strafrechtlich relevante
Verletzung von vergaberechtlichen Vorschriften durch den damaligen Vorstand des Beklagten, vertreten
durch den kaufmännischen Direktor Dr. W, bei dem Vertragsschluss mit der Fa. M zu verdecken. Darüber
hinaus habe der Beklagte ein erhebliches wirtschaftliches Interesse gehabt, ihm die Einnahmen aus der
Privatliquidation zu entziehen und selbst darüber zu verfügen. Insgesamt sei festzustellen, dass er Opfer
einer Intrige geworden sei.
112 Weitere objektive Anhaltspunkte für eine Vertragsverletzung, etwa in Form des Verstoßes gegen eine
Verschwiegenheitspflicht (vgl. § 45 Abs. 1 LHG, § 2 Abs. 4 des Vertrags), lägen nicht vor. Er habe die - auch
vertragliche vereinbarte - Aufgabe, die Abteilung wirtschaftlich zu führen. Vor diesem Hintergrund sei auch
die Verschwiegenheitspflicht selbstverständlich nicht absolut zu sehen.
113 Auch ein objektiver Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Pflicht zu unparteiischer Dienstausübung sei
nicht ersichtlich. Das Geschäftsmodell der Fa. M sei so neu gewesen, dass es schlicht keine Mitbewerber
gegeben habe. Das habe dazu geführt, dass eben keine Ausschreibung erforderlich gewesen sei. Es habe
keine Partei gegeben, die von ihm hätte bevorzugt werden können.
114 Auch hinsichtlich eines Verstoßes gegen die Pflicht zu uneigennütziger Aufgabenwahrnehmung habe kein
objektiver Anhaltspunkt bestanden. Die von der Staatsanwaltschaft inkriminierten Zahlungen hätten ihre
Hintergründe in privaten und anderen geschäftlichen Beziehungen der ehemals gemeinsam
Angeschuldigten. Insbesondere zu Herrn D und Herrn C hätten schon Jahre zuvor enge freundschaftliche
Beziehungen bestanden. Dies sei dem Beklagten bereits vor Vertragsschluss bekannt gewesen.
115 Der Beklagte habe nach eigenem Vortrag bereits mehrere Monate, offensichtlich aber schon zum Zeitpunkt
des Verfassens der anonymen Anzeige, bevor er mit ihm den Chefarztvertrag geschlossen habe, von den
Vorwürfen gewusst, wegen derer er dann die Kündigung erklärt habe. Dies stelle eine missbräuchliche
Rechtsausübung dar.
116 Dem Senat liegen vor: 3 Leitzordner und 1 Heft Akten des Beklagten, 2 Ordner und 1 Heft Akten der
Universität ..., Medizinische Fakultät, 6 Heft Akten des MWK, Akten des Verwaltungsgerichts ... zu den
Verfahren 1 K 848/13, 3 K 2749/08, 1 K 2594/11, 1 K 1803/10, 1 K 1011/09, 1 K 1167/09, 1 K 2582/09, 1
K 2586/09, Akten des Beschwerdeverfahren 9 S 1948/10 sowie des Berufungsverfahrens 9 S 2752/11.
Ferner sind beigezogen worden 9 Bd. Akten des Landgerichts ... 2 KLs 420Js 3275/07 AK 32/10 (Bd. I-IX), 2
Bd. Akten des Landgerichts ... zum selben Az (Bd. VI und VII, Mehrfertigung), 2 Bd. Akten der
Staatsanwaltschaft ... 420 Js 3275/07 (Sonderband, Auszug aus 47 Js 11807/98, [Bd. XIV]) und 430 AR
1218/07 = 420 Js 3275/07 (Sonderband, Auszug aus 81M2086/07 Ag FR), 4 Leitzordner der
Staatsanwaltschaft ... 420 Js 3275/07 Ermittlungsverfahren (3 Sonderbände, 1 Beweismittelordner) sowie
1 Bd. Akten der Staatsanwaltschaft ... 420 Js 17109/11.
117 Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des
Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
118 Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Denn die Klage des Klägers ist mit dem
Hauptantrag zulässig (unter A.) und begründet (unter B.). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht
festgestellt, dass die mit Schreiben des Beklagten vom 30.09.2009 erklärte ordentliche Kündigung des
Dienstvertrags vom 24.07.2007 unwirksam war und das Dienstverhältnis bis zum 31.03.2012
fortbestanden hat. Einer Entscheidung über die Hilfsanträge bedarf es nicht (unter C.).
A.
119 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht von der Statthaftigkeit und sonstigen Zulässigkeit der vom Kläger
erhobenen Feststellungsklage ausgegangen. Zur Begründung verweist der Senat auf seine Ausführungen
zur Zulässigkeit der Feststellungsklage des Klägers gegen die mit Schreiben des Beklagten vom 24. und
25.01.2008 erklärte außerordentliche Kündigung des Dienstvertrags vom 24.07.2007 im Senatsurteil vom
02.08.2012 (- 9 S 2752/11 -, juris, Entscheidungsgründe unter 1.). Die diesbezüglichen Erwägungen gelten
für die denselben Dienstvertrag betreffende, hier gegenständliche ordentliche Kündigung vom 30.09.2009
entsprechend.
B.
120 Die Klage ist mit dem Hauptantrag begründet. Die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung des
Dienstvertrags vom 24.07.2007 ist unwirksam.
I.
121 Die Kündigung ist allerdings nicht bereits in formeller Hinsicht rechtsfehlerhaft.
122 1. Mit Schreiben vom 30.09.2009 hat der Beklagte - die Zuständigkeit des Klinikumsvorstands folgt aus §
10 Abs. 1 UKG i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 der Satzung des Beklagten (Amtliche Bekanntmachungen der
Universität ..., Jahrgang 36, Nr. 41, S. 246 ff.) - den Dienstvertrag vom 24.07.2007 „vorsorglich erneut
zum nächstmöglichen Termin, das heißt zum 31.03.2010“, gekündigt. Er hat damit - wie sich auch aus dem
in der Sitzung vom 28.09.2009 gefassten Beschluss des Vorstands des Beklagten ergibt - sein in § 11 Abs.
2 des Dienstvertrags vertraglich vereinbartes Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeübt mit dem Ziel,
eine Beendigung des öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses herbeizuführen. Danach kann „der
Vertrag, soweit Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz vorliegen, mit einer Frist von 6 Monaten zum
Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden“.
123 Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass auf die vertraglich vereinbarte ordentliche
Kündigungsmöglichkeit nach § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags die in § 60 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG statuierte
grundsätzliche Begründungspflicht (zu den ohnehin eingeschränkten Rechtsfolgen eines Verstoßes vgl.
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 61 Rn. 36) ebenso wenig Anwendung findet wie die
Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB.
124 Der Wirksamkeit der Kündigung steht auch nicht das in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung
anerkannte Wiederholungsverbot für Kündigungen bei gleichbleibendem Kündigungsgrund entgegen. Das
Wiederholungsverbot lässt sich sowohl prozessrechtlich als auch aus der Rechtsnatur der Kündigung als
Gestaltungserklärung herleiten. Das Gestaltungsrecht ist nach einmaliger Ausübung verbraucht. Der
Arbeitgeber kann allenfalls noch kündigen, wenn er andere Kündigungsgründe geltend macht (und dabei
vielleicht den verbrauchten Kündigungsgrund unterstützend heranzieht), wenn sich der Sachverhalt
wesentlich geändert hat und damit ein neuer Kündigungstatbestand vorliegt, wenn er nunmehr nicht
fristlos, sondern fristgerecht kündigen will oder wenn die Kündigungserklärung aus nicht materiell-
rechtlichen Gründen (Formmangel, fehlerhafte Betriebsratsanhörung etc.) unwirksam war (vgl. BAG, Urteil
vom 22.05.2003 - 2 AZR 485/02 -, juris). Da der Senat in seinem Urteil vom 02.08.2012 lediglich die
formelle Unwirksamkeit der Kündigung vom 24./25.01.2008 wegen Verfahrens- bzw.
Zuständigkeitsmängeln festgestellt hat, steht das Wiederholungsverbot der Kündigung schon deshalb nicht
entgegen.
125 2. Die Kündigung ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG a.F. unwirksam. Zwar
erforderte sie das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät der Universität ... (a). Dieses lag indes zum
Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kündigung vor (b). Über das tatsächliche Vorliegen des Einvernehmens
hinausgehende Anforderungen waren weder vom Beklagten noch vom Senat zu prüfen (c).
126 a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 des Universitätsklinika-Gesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom
15.09.2005 (GBl. 2005, S. 625) - UKG a.F. - (= § 7 Abs. 1 Satz 2 UKG in der Fassung des Gesetzes vom
07.02.2011, GBl. 2011 S. 47 - UKG n.F. -) ist bei der Errichtung, Aufhebung und Veränderung von
Abteilungen, der Bestellung und Abberufung von Abteilungsleitern sowie den allgemeinen Regelungen der
Organisation des Universitätsklinikums das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät erforderlich.
127 Die tatbestandlichen Voraussetzungen der - auf den Kläger anwendbaren (vgl. Senatsurteil vom
02.08.2012, a.a.O.) - Bestimmung lagen vor. Eine Auslegung des Kündigungsschreibens des Beklagten vom
30.09.2009 nach dessen objektiver Erklärungsbedeutung (vgl. hierzu Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.)
ergibt, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten auch eine Abberufung des Klägers
von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war. Hierfür spricht vor allem, dass das
Schreiben vom 30.09.2009 den Gegenstand der Kündigung explizit und mit ersichtlich klarstellender
Zielrichtung dahingehend beschreibt, dass sie „die mit dem Dienstvertrag bestätigte Stellung als Leiter der
Abteilung Klinische Chemie und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten“ betrifft. Bereits angesichts
dieser Formulierung konnte es aus dem maßgeblichen „Empfängerhorizont“ des Klägers auch bei
Anwendung eines objektivierten Maßstabs nicht zweifelhaft sein, dass die Kündigung auch die Abberufung
von der Abteilungsleitung bedeutete (zu dem durch die Regelung in § 1 Abs. 1 des Dienstvertrags
begründeten Junktim zwischen der Stellung bzw. Bestellung des Klägers als Abteilungsleiter und den
übrigen Bestimmungen des Dienstvertrags vgl. bereits das Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.). Diese
Beurteilung wird vom Beklagten ausdrücklich geteilt. Der so festgestellte Inhalt der Kündigungserklärung
korrespondiert im Übrigen mit den durch die Kündigung aufrechterhaltenen tatsächlichen Folgen für den
Kläger, dem sämtliche Befugnisse als Abteilungsleiter vorenthalten bzw. entzogen blieben.
128 Dieses Verständnis wird auch nicht durch den der Kündigung beigefügten einschränkenden Zusatz in Frage
gestellt, „soweit er [der Dienstvertrag] nicht Ihre beamtenrechtliche Stellung betrifft“. Wie das
Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeitet hat, sollte mit diesem Zusatz (lediglich) rechtlichen
Bedenken Rechnung getragen werden, der Beklagte könne zumindest die „beamtenrechtlichen
Regelungen“ des Chefarztvertrags nicht ohne Mitwirkung des MWK kündigen (zur mangelnden
Zuständigkeit des Beklagten, den Kläger seiner mit dem Amt als Universitätsprofessor am Klinikum
verbundenen Aufgaben in der Krankenversorgung zu entheben vgl. im Einzelnen das Senatsurteil vom
02.08.2012, a.a.O.). Mit der Formulierung sollte klargestellt werden, dass sich die Kündigung des
Chefarztvertrags nur auf die „Rechte und Pflichten“ des Klägers beziehen soll, „die nicht der
Beamtenstellung innewohnen“ (vgl. das Schreiben des Beklagten an das MWK vom 20.10.2009). Dem
entspricht es im Übrigen, dass der Beklagte im Zusammenhang damit in der Folgezeit auch versucht hat,
den Kläger dazu zu bringen, wieder Aufgaben in der Krankenversorgung wahrzunehmen (vgl. hierzu das
Schreiben des Beklagten vom 22.12.2009 sowie die Folgeschreiben). Ob es sich bei den für den Kläger
vorgesehenen Aufgaben um eine amtsgemäße Verwendung gehandelt hat, ist - entgegen der Auffassung
des Klägers - jedenfalls in dem vorliegenden Zusammenhang ohne Belang.
129 b) Das danach erforderliche Einvernehmen der Medizinischen Fakultät, für dessen Erteilung gemäß § 27
Abs. 4 Satz 1 Nr. 5, § 23 Abs. 3 Satz 6 LHG der Fakultätsvorstand zuständig war, lag zum Zeitpunkt der
Bekanntgabe der Kündigung an den Kläger (30.09.2009) vor.
130 c) Das Verwaltungsgericht hat - unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom
02.08.2012 - die formelle Unwirksamkeit der Kündigung damit begründet, das Einvernehmen sei inhaltlich
nicht dem grundrechtswahrenden Gehalt des § 7 Abs. 1 Satz 3 UKG gerecht geworden. Dieser Auffassung
vermag der Senat aus den im Folgenden darzulegenden Gründen nicht zu folgen. Vielmehr ist davon
auszugehen, dass über das tatsächliche Vorliegen des Einvernehmens hinausgehende Anforderungen
weder vom beklagten Universitätsklinikum noch vom Senat zu prüfen sind.
131 Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem - dem Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt seiner
Entscheidung nicht bekannten - Urteil vom 19.03.2014 (- 6 C 8.13 -, BVerwGE 149, 194), ausgeführt,
durch die in der dortigen Fallgestaltung (Klage eines Universitätsprofessors gegen die Schließung einer
Bettenstation einer Nuklearmedizinischen Klinik an einem Universitätsklinikum) erhobene Forderung, das
beklagte Universitätsklinikum habe zu überprüfen und dafür einzustehen, dass das von dem beigeladenen
Fachbereich Medizin im tatsächlichen Sinne erteilte Einvernehmen unter Beachtung der Erfordernisse der
Wissenschaftsfreiheit des Klägers zustande gekommen sei, habe das Oberverwaltungsgericht bei der
Anwendung des Landeshochschulrechts den für die Organisation der Hochschulmedizin nach
Bundesverfassungsrecht erforderlichen angemessenen Ausgleich zwischen der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1
GG garantierten Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2
Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen
Krankenversorgung andererseits verfehlt. Dieser Ausgleich verbiete eine Belastung des
Universitätsklinikums mit der ihm von dem Oberverwaltungsgericht angesonnenen Kontrollaufgabe.
Vielmehr könne der Kläger die Vereinbarkeit des von seinem Fachbereich tatsächlich erteilten
Einvernehmens mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit generell gerichtlich nur im Verhältnis zu
dem Fachbereich klären lassen. Eine Schmälerung des dem Kläger nach Art. 19 Abs. 4 GG zustehenden
effektiven Rechtsschutzes sei damit nicht verbunden (BVerwG, a.a.O.).
132 Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Auffassung im Einzelnen wie folgt begründet (juris Rn. 20-31):
133 „cc) Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verletzung von Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1
VwGO angenommen, die den Bereich von Forschung und Lehre betreffende Schließung der Station O.
durch das beklagte Universitätsklinikum verstoße gegen die landesrechtlichen Bestimmungen des § 2 Abs.
2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. des § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW, deren Einhaltung der Kläger als medizinischer
Hochschullehrer beanspruchen kann (zu dieser Schutzfunktion im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes: BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. November 2007 - 1 BvR 1736/07 - juris Rn. 29). Mit
Bundesverfassungsrecht unvereinbar ist die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass für das nach
den genannten Vorschriften erforderliche Einvernehmen des beigeladenen Fachbereichs Medizin mit der
Stationsschließungsentscheidung des beklagten Universitätsklinikums und damit für die Rechtmäßigkeit
der Schließung der Station O. nicht die - von dem Oberverwaltungsgericht festgestellte - tatsächliche
Erteilung durch eines der Fachbereichsorgane genüge, sondern eine von dem Universitätsklinikum
nachzuprüfende Erteilung auf Grund eines von dem Fachbereich grundrechtskonform durchgeführten
Verfahrens erforderlich sei. Hierdurch hat das Oberverwaltungsgericht Anforderungen gestellt, die den
verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich zwischen den Grundrechtspositionen und den
verfassungsrechtlich geschützten Interessen, die sich im Bereich der universitären Krankenversorgung
gegenüberstehen, in nachhaltiger Weise stören (aaa). Der besagte Ausgleich gebietet auch unter
Berücksichtigung des durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutzes, dass der Kläger
wegen der von ihm geltend gemachten Verletzung seiner Wissenschaftsfreiheit den beigeladenen
Fachbereich Medizin im Wege der allgemeinen Leistungsklage auf eine Rücknahme des in tatsächlicher
Weise erklärten Einvernehmens mit der Stationsschließung durch das Universitätsklinikum hätte in
Anspruch nehmen müssen (bbb).
134 aaa) Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistet die Wissenschaft - verstanden als Oberbegriff für Forschung
und Lehre (BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 - 1 BvR 424/71 u.a. - BVerfGE 35, 79 <113>) - als einen
grundsätzlich von Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung. Zur Sicherung dieses
Bereichs garantiert das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nicht nur die Freiheit von staatlichen
Geboten und Verboten, sondern verpflichtet den Staat auch zu Schutz und Förderung und gewährt den in
der Wissenschaft Tätigen Teilhabe an öffentlichen Ressourcen und an der Organisation des
Wissenschaftsbetriebs (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 911/00 u.a. - BVerfGE 111, 333
<354> und vom 20. Juli 2010 - 1 BvR 748/06 - BVerfGE 127, 87 <115>; BVerwG, Urteil vom 26.
September 2012 - BVerwG 6 CN 1.11 - BVerwGE 144, 195 = Buchholz 11 Art. 5 Abs. 3 GG Nr. 3 Rn. 21).
Die Einflussmöglichkeiten, die mit dem Recht der an einer Hochschule tätigen Hochschullehrer auf Teilhabe
an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs verbunden sind, dienen dem Schutz der Grundrechtsträger
vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen, die ihre eigene Freiheit zu forschen und zu lehren
gefährden können (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 a.a.O. S. 354, 356 und vom 20. Juli 2010
a.a.O. S. 115, 117; Kammerbeschluss vom 1. Februar 2010 a.a.O. Rn. 25). Die Hochschullehrer können
überdies in materiell-rechtlicher Hinsicht beanspruchen, dass ihnen bei der Verteilung der zur Verfügung
stehenden Mittel diejenigen Personal- und Sachmittel zugewiesen werden, die sie überhaupt erst in die
Lage versetzen, wissenschaftliche Forschung und Lehre zu betreiben. Grundrechtlich verbürgt ist die
hiernach erforderliche Grund- oder Mindestausstattung (BVerfG, Urteil vom 8. Februar 1977 - 1 BvR 79/70
u.a. - BVerfGE 43, 242 <285>, Beschlüsse vom 8. Juli 1980 - 1 BvR 1472/78 - BVerfGE 54, 363 <390>
und vom 26. Oktober 2004 a.a.O. S. 362, Kammerbeschluss vom 15. September 1997 - 1 BvR 406/96 u.a.
- NVwZ-RR 1998, 175).
135 Für die Wirkkraft des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer aus Art. 5
Abs. 3 Satz 1 GG ergeben sich Besonderheiten aus dem Umstand, dass diesen neben Forschung und Lehre
als Zusatzaufgabe die Krankenversorgung obliegt, die in den Universitätskliniken stattfindet. Das
Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 8. April 1981 - 1 BvR 608/79 - BVerfGE 57, 70 <96 ff.>) hat -
zunächst noch im Hinblick auf Universitätskliniken, die nach dem betroffenen (hessischen) Landesrecht
organisatorisch nicht verselbständigt waren - festgestellt, dass die Organisation der Krankenversorgung
nicht ohne weiteres den verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterliegt, die
ansonsten im Bereich der Selbstverwaltung wissenschaftsrelevanter Angelegenheiten und im Rahmen der
Tätigkeit der Hochschullehrer in Forschung und Lehre Geltung beanspruchen, der Krankenhausbetrieb
vielmehr im Interesse einer bestmöglichen Versorgung der Patienten eine gegenüber dem allgemeinen
Wissenschaftsbetrieb der Universität straffere, die Verantwortlichkeiten klar abgrenzende und rasche
Entscheidungen ermöglichende Organisation erfordert. Allerdings darf, da in der Humanmedizin Forschung,
Lehre, Ausbildung und Krankenversorgung miteinander verflochten sind, das Grundrecht der
Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch bei ihrer
Tätigkeit in der Krankenversorgung nicht unberücksichtigt bleiben. Der Gesetzgeber muss vielmehr bei der
Organisation der Universitätskliniken zwischen der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen
Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Sozialstaatsprinzip des Art. 20
Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits einen angemessenen Ausgleich
finden. Hierfür bedarf es geeigneter Koordinations- und Kooperationsmöglichkeiten und einer
sachgerechten organisatorischen Verzahnung beider Funktionsbereiche.
136 Dass die in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2000 erlassenen Regelungen, durch die die
Universitätskliniken organisatorisch verselbständigt und damit die medizinischen Fachbereiche von der
unmittelbaren Verantwortung für eine effektive Krankenversorgung als solche entlastet wurden, den
beschriebenen Ausgleich bei sachgerechter Auslegung erreichen und deshalb mit der Wissenschaftsfreiheit
der medizinischen Hochschullehrer vereinbar sind, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2002
entschieden (Kammerbeschluss vom 11. November 2002 - 1 BvR 2145/01 u.a. - NVwZ 2003, 600). Es hat
dies durch die bereits genannten Kammerbeschlüsse bestätigt, die im Rahmen des Verfahrens des
vorläufigen Rechtsschutzes ergangen sind, das der Kläger gegen das beklagte Universitätsklinikum geführt
hat. Tragend hierfür sind zwei Aspekte (vgl. zum Folgenden: BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 11.
November 2002 a.a.O. S. 601, vom 27. November 2007 - 1 BvR 1736/07 - juris Rn. 27 ff., vom 2. Juli 2008
- 1 BvR 1165/08 - juris Rn. 25 ff. und vom 1. Februar 2010 - 1 BvR 1165/08 - juris Rn. 28 f.).
137 Zum einen wird zwar die für die Wirkkraft des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen
Hochschullehrer relevante Unterscheidung zwischen universitärer Forschung und Lehre einerseits und der
Krankenversorgung andererseits nach der Verselbständigung der Universitätskliniken auch in der
Organisationsstruktur der Hochschulmedizin sichtbar. Dabei sichert es jedoch die Wissenschaftsfreiheit,
dass die Aufgabe medizinischer Forschung und Lehre in erster Linie bei den Universitäten und dort bei den
medizinischen Fachbereichen verblieben ist. Die Fachbereiche, als diejenigen universitären
Organisationseinheiten, über deren Organe die Hochschullehrer Einfluss innerhalb des organisierten
Wissenschaftsbetriebs ausüben können, entscheiden gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2
KlV-Dü NW bzw. § 27 Abs. 1 Satz 3, § 31b Abs. 2 HG NW insbesondere über die für Forschung und Lehre
vorgesehenen Stellen und Mittel. Die Universitätskliniken haben insoweit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3,
Abs. 2 Satz 1 und 2 KlV-Dü NW bzw. § 31a Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 HG NW sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3,
Abs. 3 Satz 1 und 2 UKVO NW nur eine dienende Funktion. Ihre Entscheidungskompetenzen beziehen sich
vor allem auf die Organisation der Krankenversorgung mit dem Ziel, den dort bestehenden
Effektivitätsanforderungen gerecht zu werden.
138 Zum anderen wird im Rahmen dieser Aufgaben- und Verantwortungsteilung die primäre Zuständigkeit der
medizinischen Fachbereiche für die Wissenschaftsfreiheit dadurch organisatorisch gewährleistet, dass nach
§ 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW Entscheidungen der verselbständigten
Universitätskliniken im Bereich der Krankenversorgung, die den Bereich von Forschung und Lehre
betreffen, an das Einvernehmen der medizinischen Fachbereiche rückgebunden sind. In Gestalt dieses
Einvernehmenserfordernisses hat der Landesgesetz- bzw. Landesverordnungsgeber den Fachbereichen das
von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte Instrument zur Verfügung gestellt, das es ihnen ermöglicht, die
Erfordernisse, die sich aus der Grundrechtswahrnehmung der medizinischen Hochschullehrer ergeben, in
den Verantwortungsbereich der verselbständigten Universitätskliniken zu transportieren. Das
Einvernehmenserfordernis stellt sich damit als eine andere Art des in der Sache unverkürzten Einflusses
des organisierten Wissenschaftsbetriebs auf den Forschung und Lehre betreffenden Teil des
Klinikumsbetriebs dar. Ihm kommt eine Sicherungsfunktion für die Wissenschaftsfreiheit der medizinischen
Hochschullehrer zu. Diese können ihren grundrechtlich garantierten Einfluss mittels der
Einvernehmensregelung über die Fachbereichsorgane auch auf wissenschaftsrelevante Maßnahmen der
Universitätskliniken ausüben. Durch die Handhabung dieser Regelung können die Fachbereiche zudem den
materiellen (Grund-)Ausstattungsansprüchen der Hochschullehrer gegenüber den Universitätskliniken zum
Durchbruch verhelfen.
139 Das auf diese Weise strukturierte landesrechtliche Regelungssystem kann seine auf Grund
bundesverfassungsrechtlicher Vorgabe beruhende Ausgleichsfunktion indes nur erfüllen, wenn sich die
Universitätskliniken, was die Wahrung der Belange von Forschung und Lehre in der Krankenversorgung
anbelangt, auf ihre dienende Funktion nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 und 2 KlV-Dü NW bzw.
§ 31a Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 HG NW, § 2 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 UKVO NW beschränken
können, wie andererseits auch die medizinischen Fachbereiche von ihrer unmittelbaren Verantwortung für
die Krankenversorgung jenseits ihres mit Forschung und Lehre verflochtenen Bereichs entlastet sind.
Dafür ist es unabdingbar, dass die medizinischen Fachbereiche die alleinige Verantwortung für die
Grundrechtskonformität ihrer Einvernehmensbeschlüsse im Hinblick auf die den Bereich von Forschung
und Lehre betreffenden Klinikentscheidungen haben, die Universitätskliniken hingegen die Erklärungen
durch eines der Organe der medizinischen Fachbereiche über die Erteilung oder Nichterteilung des
Einvernehmens im tatsächlichen Sinne als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ihrer Entscheidungen
übernehmen können und müssen und die Fachbereichsbeschlüsse weder - wie von dem
Oberverwaltungsgericht gefordert (im Ansatz ebenso: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 2. August
2012 - 9 S 2752/11 - DVBl 2013, 326 <328>) - auf ihr grundrechtswahrendes Zustandekommen im
Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer noch - weitergehend - auf ihre materielle
Vereinbarkeit mit diesem Grundrecht, insbesondere mit dem Recht auf eine für die wissenschaftliche
Betätigung erforderliche Grundausstattung zu überprüfen haben. Die für die Universitätskliniken
handelnden Vorstände wären einer solchen Kontrollaufgabe schon von ihrer nach § 5 Abs. 2 KlV-Dü NW
bzw. § 31a Abs. 5 HG NW speziell auf die effektive Bewältigung der Krankenversorgung ausgerichteten
personellen Zusammensetzung her nicht gewachsen. Würden sie mit dieser Aufgabe zur Kontrolle belastet
und hätten sie für deren Ergebnis einzustehen, würden die mit der organisatorischen Verselbständigung
der Universitätskliniken verbundenen Effektivitätsgewinne für die Krankenversorgung weitgehend
zunichte gemacht, mit entsprechenden Gefahren für die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20 Abs. 1
GG geschützten Rechtsgüter.
140 Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, dass einer tatsächlichen Einvernehmenserteilung durch einen
medizinischen Fachbereich auch dann Relevanz zukommt, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - zu einem
Zeitpunkt vorgenommen wird, in dem die Klinikumsentscheidung, auf die sich das Einvernehmen bezieht,
bereits - jedenfalls teilweise - vollzogen worden ist (a.A.: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 2. August
2012 a.a.O. S. 329). Auch insoweit darf das Universitätsklinikum nicht mit der Prüfung belastet werden,
ob das tatsächlich erteilte Einvernehmen noch eine Schutzwirkung zu Gunsten der Wissenschaftsfreiheit
der von der Entscheidung betroffenen medizinischen Hochschullehrer entfalten kann.
141 Das Oberverwaltungsgericht und der Kläger können sich für ihre Annahme einer Verantwortlichkeit der
Universitätskliniken für die Vereinbarkeit von Einvernehmenserklärungen der medizinischen Fachbereiche
mit Anforderungen aus der Wissenschaftsfreiheit der medizinischen Hochschullehrer nicht auf die
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts berufen, die der Kläger im Verlauf des gegen das beklagte
Universitätsklinikum geführten Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes erwirkt hat. Dies gilt auch für
den Kammerbeschluss vom 1. Februar 2010 und die in diesem (a.a.O. Rn. 32) enthaltene Erwägung, dass
es für eine Prognose, ob von der Nachholung eines noch nicht erteilten Einvernehmens ausgegangen
werden könne, nicht allein auf die förmliche Erteilung des Einvernehmens, sondern darauf ankomme, ob
mit der Erteilung in einer Weise zu rechnen sei, die dem grundrechtswahrenden Gehalt der
Verfahrensbestimmung zu Gunsten der medizinischen Hochschullehrer gerecht werde. Denn diese
Erwägung hat keinen verallgemeinerungsfähigen Inhalt. Das Bundesverfassungsgericht stand bei Erlass
des besagten Kammerbeschlusses vor der Situation, dass zum einen der Kläger ein
verwaltungsgerichtliches Eilverfahren über Jahre hinweg und von dem Oberverwaltungsgericht
unbeanstandet nur gegen das beklagte Universitätsklinikum und nicht - zumindest auch - gegen den
beigeladenen Fachbereich Medizin geführt hatte, und zum anderen das Oberverwaltungsgericht in seinen
bisherigen, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Entscheidungen die Bedeutung des in
§ 2 Abs. 2 Satz 3 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 3 UKVO NW vorgesehenen
Einvernehmenserfordernisses für das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit verkannt hatte. In diesem
Stadium des Verfahrens ging es dem Bundesverfassungsgericht, das in seinen zuvor ergangenen
Kammerbeschlüssen (vom 27. November 2007 a.a.O. Rn. 31, 42 und vom 2. Juli 2008 a.a.O. Rn. 24 ff.) die
Inanspruchnahme - auch - des Fachbereichs aus verfassungsrechtlicher Sicht als vorzugswürdig aufgezeigt,
wenn auch in Anbetracht des Eilcharakters des Verfahrens nicht abschließend für geboten erklärt hatte,
ersichtlich nur noch darum, im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes überhaupt noch eine die
Wissenschaftsfreiheit des Klägers hinreichend berücksichtigende Entscheidung des
Oberverwaltungsgerichts - und sei es isoliert gegen das beklagte Universitätsklinikum - zu erreichen.
142 bbb) Durch die beschriebene alleinige Verantwortlichkeit der medizinischen Fachbereiche für die
Grundrechtskonformität ihres tatsächlich erklärten Einvernehmens zu den wissenschaftsrelevanten
Entscheidungen der Universitätskliniken wird ein medizinischer Hochschullehrer, der sich - wie der Kläger -
durch eine Klinikumsentscheidung in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt sieht, nicht
an der Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG gehindert.
143 Solange der medizinische Fachbereich ein erforderliches Einvernehmen auch im tatsächlichen Sinne nicht
erteilt hat, kann der Hochschullehrer von dem Universitätsklinikum im Wege der allgemeinen
Leistungsklage Unterlassung verlangen bzw. diesem das fehlende Einvernehmen im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO entgegenhalten. Gegebenenfalls muss er durch ein
zusätzliches, gegen den Fachbereich gerichtetes (Eil-)Verfahren zu erreichen suchen, dass der dem Dekan
vorbehaltene Antrag auf eine Schlichtungsentscheidung des Aufsichtsrats des Universitätsklinikums nach §
2 Abs. 2 Satz 4 KlV-Dü NW bzw. § 2 Abs. 3 Satz 4 UKVO NW nicht gestellt und dadurch die
Klinikumsentscheidung blockiert wird (vgl. dazu: Böhmann, in: Leuze/Epping, HG NW, Bd. 2, Stand
November 2012, § 31a Rn. 70; Pallme König, WissR, Beiheft 17 <2006>, 63 <91, 101 f.>).
144 Hat jedoch der Fachbereich - wie im vorliegenden Fall - sein Einvernehmen im tatsächlichen Sinne erteilt,
muss der Hochschullehrer diesen mit einer allgemeinen Leistungsklage darauf in Anspruch nehmen, das
erteilte Einvernehmen zurückzunehmen und dadurch dem Universitätsklinikum die Grundlage für die
Rechtmäßigkeit seiner Forschung und Lehre betreffenden Entscheidung zu entziehen. Ein solcher actus
contrarius ist - vorbehaltlich von durch den Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes gezogenen Grenzen
- im Fall einer die Wissenschaftsfreiheit verletzenden Einvernehmenserteilung wegen der grundrechtlichen
Sicherungsfunktion des Einvernehmenserfordernisses geboten (entsprechend zur Maßgeblichkeit des
Fachrechts für die Rücknahme des Mitwirkungsakts bei einem mehrstufigen Verwaltungsakt: Urteil vom
12. Dezember 1996 - BVerwG 4 C 24.95 - Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 51 S. 2 - verneinend, Urteil
vom 23. September 2004 - BVerwG 2 C 37.03 - BVerwGE 122, 58 <62 ff.> = Buchholz 230 § 123 BRRG
Nr. 5 S. 6 ff. - bejahend). Zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes steht wiederum das Verfahren nach §
123 VwGO zur Verfügung.“
145 Der Senat schließt sich aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit dieser Rechtsprechung an und
hält an seiner gegenteiligen Auffassung nicht mehr fest.
146 Die Einwände des Klägers gegen die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung
verfangen nicht.
147 Der Kläger trägt vor, in der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden
Fallgestaltung sei das Einvernehmen des Fakultätsrats bzw. Fachbereichsrats erforderlich gewesen,
während es in seinem Fall um das Einvernehmen des Fakultätsvorstands gegangen sei. Dabei handele es
sich um unterschiedliche Organe mit unterschiedlicher Funktion und Zusammensetzung, was einer
Übertragung der Rechtsprechung entgegenstehe. Der Kläger nimmt indes insoweit nicht hinreichend in den
Blick, dass der für die Organisation der Hochschulmedizin nach Bundesverfassungsrecht erforderliche
angemessene Ausgleich zwischen der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit der
medizinischen Hochschullehrer einerseits und der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das
Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geforderten bestmöglichen Krankenversorgung andererseits
bereits grundsätzlich eine Belastung des Universitätsklinikums mit der Aufgabe der (inhaltlichen) Kontrolle
des Einvernehmenserfordernisses verbietet. Dafür ist es unabdingbar, dass die medizinischen Fachbereiche
die alleinige Verantwortung für die Grundrechtskonformität ihrer Einvernehmensbeschlüsse im Hinblick auf
die den Bereich von Forschung und Lehre betreffenden Klinikentscheidungen haben. Vor diesem
Hintergrund kommt insoweit der vom Kläger in den Vordergrund gerückten unterschiedlichen Funktion und
Zusammensetzung universitärer Gremien keine maßgebliche Bedeutung zu, zumal ersichtlich keine
(vollständige) Identität zwischen dem Vorstand des Beklagten und dem der Medizinischen Fakultät besteht.
148 Die Übertragung der aufgezeigten Rechtsprechung begegnet auch unter dem Gesichtspunkt des
Rechtsschutzes keinen durchgreifenden Bedenken. Der Kläger dürfte nach Bekanntwerden der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, spätestens aber durch die Übersendung des Schriftsatzes
des Beklagten vom 12.08.2014 (dort wird die Notwendigkeit einer „Klage gegen die Fakultät“
angesprochen), gehalten gewesen sein, den im Urteil gewiesenen Weg zur Erlangung von Rechtsschutz
gegen das vom Fakultätsvorstand erteilte Einvernehmen zu beschreiten. Hierzu hätte er in erster Linie
Verpflichtungsklage gegen die Medizinische Fakultät bzw. die Universität ... auf Rücknahme des erteilten
Einvernehmens erheben müssen. Dies hat er - soweit ersichtlich - bislang nicht getan. Den im Schriftsatz
vom 31.10.2014 (vorsorglich) angekündigten Antrag, „die Klage auf den Fakultätsvorstand zu erweitern
und diesen zu verpflichten, das erteilte Einvernehmen zurückzunehmen“, hat der Kläger in der mündlichen
Verhandlung nicht gestellt. Im Übrigen würde es sich um eine unzulässige Klageänderung handeln. Eine
Klageänderung ist auch im Berufungsverfahren unter den Voraussetzungen des § 91 VwGO möglich.
Danach ist die Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die
Änderung für sachdienlich hält (§ 91 Abs. 1 VwGO). Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der
Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer
mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat (§ 91 Abs. 2 VwGO). Dies gilt auch für
Klagänderungen im Berufungsverfahren (§ 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO und dazu Seibert, in: Sodan/Ziekow,
VwGO, 4. Aufl. 2014 § 125 Rn. 29). Eine - auch konkludente - Einwilligung des Beklagten liegt nicht vor.
Die Sachdienlichkeit wäre zu verneinen, weil die Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben wäre und
es deshalb an der instanziellen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs fehlte.
149 3. Auch die Rüge der Nichtbeachtung des Zustimmungserfordernisses aus § 9 Abs. 2 UKG hat keinen Erfolg.
150 Nach dieser Bestimmung bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats außergewöhnliche, über den Rahmen
des laufenden Geschäftsbetriebs hinausgehende Rechtsgeschäfte, Maßnahmen und Regelungen. Zu den
zustimmungsbedürftigen Maßnahmen zählen insbesondere
151 1. die Übernahme von Bürgschaften, Garantien sowie sonstigen Verpflichtungen in Bezug auf fremde
Verbindlichkeiten außerhalb der von ihm bestimmten Wertgrenzen,
2. die Gründung von und Beteiligung an anderen Unternehmen,
3. der Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten,
4. die Aufnahme von Krediten und die Gewährung von Darlehen außerhalb der von ihm bestimmten
Wertgrenzen.
152 Danach bedurfte die Abberufung des Klägers von der Abteilungsleitung ersichtlich nicht der Zustimmung
des Aufsichtsrats. Im Katalog des § 9 Abs. 2 Satz 2 UKG wird diese Maßnahme nicht genannt. Sie kann
aber auch nicht als „außergewöhnliche, über den Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs hinausgehende
Maßnahme“ im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 UKG verstanden werden. Mit der Vorschrift sollen
„wirtschaftlich bedeutende Geschäftsvorgänge“ (vgl. Sandberger, Landeshochschulgesetz, 2. Aufl. 2015, §
9 UKG Rn. 2) von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig gemacht werden. Als Vergleichsmaßstab für
die „außergewöhnliche“ wirtschaftliche Bedeutung dürfte insoweit der Katalog der insbesondere
zustimmungsbedürftigen Maßnahmen des § 9 Abs. 2 Satz 2 UKG heranzuziehen zu sein. Ausgehend
hiervon wird eine einzelne Personalmaßnahme wie die Abberufung eines Abteilungsleiters ersichtlich nicht
von der Zustimmungspflicht erfasst.
153 4. In seiner die „erste“ Kündigung vom 24./25.01.2008 betreffenden Entscheidung vom 02.08.2012 hatte
der Senat entschieden, dass sich die formelle Unwirksamkeit dieser Kündigung auch daraus ergebe, dass
der Beklagte mit der Kündigung auch eine umfassende Entbindung des Klägers von Aufgaben in der
Krankenversorgung (vgl. § 53 Abs. 1 LHG) bewirkt und es insoweit an seiner Zuständigkeit gefehlt habe.
Mit dem umfassenden Entzug von Aufgaben in der Krankenversorgung habe der Beklagte gestaltend auf
die amtsgemäße Verwendung des Klägers eingewirkt. Damit habe er seine Zuständigkeit überschritten.
Denn es handele sich insoweit um eine beamtenrechtliche Entscheidung über eine persönliche
Angelegenheit, für die der Wissenschaftsminister als Dienstvorgesetzter zuständig sei (Senatsurteil vom
02.08.2012, a.a.O.).
154 Die hier gegenständliche Kündigung leidet nicht mehr an diesem Zuständigkeitsmangel. Mit dem bereits
angesprochenen, der Kündigung beigefügten einschränkenden Zusatz „soweit er [der Dienstvertrag] nicht
Ihre beamtenrechtliche Stellung betrifft“ hat der Beklagte ausdrücklich klargestellt, dass die
beamtenrechtliche Stellung des Klägers von der Kündigung unberührt bleiben soll und demgemäß
insbesondere seine Aufgaben in der Krankenversorgung nicht tangiert sein sollen (vgl. bereits hierzu das
Senatsurteil vom 23.08.2012, a.a.O., S. 37 des Entscheidungsabdrucks). Wie erwähnt, hat der Beklagte
dementsprechend den Kläger in der Folgezeit auch aufgefordert, wieder Aufgaben in der
Krankenversorgung wahrzunehmen. Der Wille des Beklagten zielt auch nicht auf eine unzulässige Teil-
Kündigung des Dienstvertrags ab, weil sämtliche vertraglichen Rechte und Pflichten zur
Krankenversorgung gekündigt werden.
155 Schließlich traten die Wirkungen der Kündigung erst ein, nachdem das MWK in jedenfalls wirksamer Weise
die Funktionsbeschreibung der Professur des Klägers geändert hatte. Mithin war die Abberufung von der
Abteilungsleitung auch vom Willen des beamtenrechtlichen Dienstherrn gedeckt.
II.
156 Das Verwaltungsgericht hat die Kündigung vom 30.09.2009 indes im Ergebnis zu Recht in materiell-
rechtlicher Hinsicht als unwirksam angesehen.
157 1. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus dem vom Kläger erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauchs.
158 Zwar hat der Beklagte jedenfalls bereits im März 2007 (und wohl auch schon im Januar 2007) von den
anonymen Anzeigen und damit von den gegen den Kläger gerichteten Vorwürfen Kenntnis erhalten. Auch
hat ihn dies nicht gehindert, die vertraglichen Beziehungen zu diesem mit dem unter dem 24.07.2007
geschlossenen „Dienstvertrag“ auf eine neue Grundlage zu stellen. Dieser Chefarztvertrag sah wiederum
eine Liquidationsbefugnis des Klägers vor, nachdem seit dem 01.03.2004 die Berechtigung des Klägers, in
Nebentätigkeit Untersuchungen für ambulante Privatpatienten und stationäre Wahlleistungspatienten
durchzuführen und von diesen hierfür ein Honorar zu fordern, beendet worden war. Allerdings lassen diese
Umstände die Kündigung nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Dies gilt schon deshalb, weil die
ausreichende Kenntnis verdachtsverstärkender Indizien erneut zur Verdachtskündigung berechtigen kann
(vgl. BAG, Urteil vom 27.01.2011 - 2 AZR 825/09 -, BAGE 137, 54). Hier waren die in der Anklageschrift
vom 17.07.2009 aufgeführten Ermittlungsergebnisse hinreichender Anlass für die erneute
Verdachtskündigung.
159 2. Die materielle Unwirksamkeit der Kündigung lässt sich auch nicht aus den vom Kläger behaupteten
Verstößen gegen Art. 5 Abs. 3 bzw. Art. 33 Abs. 5 GG herleiten.
160 Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet kein Recht auf den Besitzstand „wohlerworbener Rechte“ (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 08.12.2006 - 2 BvR 385/05 -, BVerfGK 10, 59 [62 ff.]). Demgemäß vermittelt auch die dem
Kläger verliehene Stellung als Universitätsprofessor keinen Anspruch auf ungeschmälerte
Aufrechterhaltung des bestehenden Aufgabenbereichs. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass
die Tätigkeit als leitender Klinikarzt mit der Ernennung zum Universitätsprofessor weder zwingend
verbunden noch garantiert ist. Auch aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgt nicht, dass ein Hochschullehrer
Leitungsfunktionen an der wissenschaftlichen Einrichtung, an welcher er tätig ist, ausüben muss. Im
Bereich der Krankenversorgung ergibt sich dies bereits daraus, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine
Zusatzaufgabe handelt, die vom ärztlichen Hochschullehrer neben seinen Aufgaben in Forschung und
Lehre betrieben wird (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 15.10.2010 - 9 S 1935/10 - und Beschluss vom
04.10.2011 - 9 S 1948/10 - jeweils m.w.N.).
161 Soweit der Kläger unter Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG die unzureichende Ausstattung mit sächlichen und
personellen Mitteln geltend macht (aufgabengerechte Mindestausstattung, angemessene Berücksichtigung
bei der Verteilung der vom Staat zur Verfügung gestellten Mittel) und u.a. eine Beeinträchtigung seiner
Forschungsprojekte und Ausbildungsvorhaben vorträgt, vermag er damit die Rechtswidrigkeit der
gegenständlichen Kündigung nicht zu begründen. Entsprechende Ansprüche wären gegen die Medizinische
Fakultät der Universität ... zu richten (vgl. bereits den Senatsbeschluss vom 04.10.2011, a.a.O.; vgl. auch
das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 08.08.2012 [1 K 2582/09]).
162 Unabhängig davon hat das MWK dem Antrag der Universität auf Änderung der Funktionsbeschreibung der
Professur des Klägers stattgegeben und mit an den Kläger gerichtetem Erlass vom 09.02.2010 mitgeteilt,
die Funktionsbeschreibung seiner Professur sei wie folgt geändert worden: „C3-Professur für
Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie“. Als Dienstaufgaben oblägen ihm die Pflege von Forschung
und Lehre im Fach Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie, die weiteren Aufgaben von Professoren
nach Maßgabe des § 46 LHG und Aufgaben der Krankenversorgung am Universitätsklinikum .... Trotz des
vom Kläger erhobenen Widerspruchs ist die Änderung der Funktionsbeschreibung wirksam geworden (vgl.
§ 43 Abs. 1 LVwVfG) und lag deshalb zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung (01.04.2010) vor.
163 3. Die Unwirksamkeit der Kündigung ergibt sich indes daraus, dass der vom Beklagten in Anspruch
genommene Kündigungsgrund nicht vorliegt.
164 a) Rechtliche Grundlage der ordentlichen Kündigung ist § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags, wonach der Vertrag
mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden kann, soweit
Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz vorliegen. Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist die Kündigung sozial
ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers
liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers
in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.
165 Bei der Kündigung vom 30.09.2009 handelt es sich unstreitig um eine Verdachtskündigung, was sich schon
aus der Bezugnahme („kündigen wir den Dienstvertrag vorsorglich erneut“) auf die explizit als
„Verdachtskündigung“ bezeichnete Kündigung vom 24. und 25.01.2008 ergibt. Auch der Verdacht einer
schwerwiegenden Pflichtverletzung kann eine - verhaltens- bzw. personenbedingte - Kündigung i.S.v. § 1
Abs. 2 KSchG bedingen (BAG, Urteil vom 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 -, juris).
166 b) Die Maßstäbe, nach denen die Rechtmäßigkeit einer Verdachtskündigung zu beurteilen sind, sind in der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den Bereich des Arbeitsrechts entwickelt und konkretisiert
worden. Einer Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung stehen durchgreifende
rechtliche Bedenken nicht entgegen. Wie sich aus § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags ergibt, entsprach es dem
klaren und eindeutigen Willen der vertragsschließenden Parteien, im Hinblick auf die eine ordentliche
Kündigung rechtfertigenden Gründe auf die „Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz“ Bezug zu
nehmen. Damit liegt die Anwendbarkeit der Grundsätze für Verdachtskündigungen nahe, die - wie
dargelegt - als personen- bzw. verhaltensbedingte Kündigungsgründe i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG anerkannt
sind. Zwar ist vom öffentlich-rechtlichen Charakter des zwischen den Beteiligten geschlossenen
Dienstvertrags vom 24.07.2007 auszugehen (vgl. bereits das Senatsurteil vom 02.08.2012, a.a.O.; vgl.
auch VG ..., Urteil vom 08.07.2015 - 1 K 849/13 -, juris). Es ist aber weder vorgetragen worden noch sonst
für den Senat ersichtlich, dass die Besonderheiten der zwischen dem Kläger auf der einen und dem
Beklagten, dem Land Baden-Württemberg und der Universität ... auf der anderen Seite bestehenden
öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen bzw. die insoweit bestehende - durchaus komplexe -
Interessenlage einer Übertragung der im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze der Verdachtskündigung
entgegenstehen.
167 c) Wie dargelegt, kann auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung eine Kündigung im
Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG rechtfertigen. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der
Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar.
168 Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive
Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung
des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben
hat (st. Rspr. des BAG, Urteile vom 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 -, juris, vom 23.05.2013 - 2 AZR 102/12 -,
juris, vom 25.10.2012 - 2 AZR 700/11 -, Rn. 13, und vom 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 -, Rn. 16).
169 Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen
gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er
zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut
durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen
vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen
dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG, Urteile vom
23.05.2013, a.a.O, vom 25.10.2012, a.a.O., und vom 24.05.2012, a.a.O.).
170 Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen,
die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten. Dies gilt zum einen für die
Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine
Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss
der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein. Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des
fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu
dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen -
sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt hätte. Nur unter dieser
Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens „bedingt“
(vgl. BAG, Urteil vom 18.06.2015, a.a.O., und vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11 -, Rn. 32, BAGE 146, 303).
171 Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre
strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder
Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch der dringende Verdacht einer nicht
strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten
kann ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sein (BAG, Urteil vom 24.05.2012, a.a.O., und vom
25.11.2010 - 2 AZR 801/09 -, Rn. 17, a.a.O.).
172 Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die
Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG, Urteil vom 27.01.2011
- 2 AZR 825/09 -, juris, Rn. 17, vom 05.06.2008 - 2 AZR 234/07 -, juris, Rn. 25). Derartige Umstände
können bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung
ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein. Dies
gilt beispielsweise für die Erhebung der öffentlichen Klage. Zwar kann diese für sich genommen keinen
dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen. Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in
der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die
Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der
öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts
gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der
öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen
Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (BAG, Urteil vom 27. 01.2011 - 2 AZR 825/09 -, BAGE
137, 54 m.w.N.).
173 Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können auch
den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der
Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (zum Haftbefehl vgl.
BAG, Urteil vom 24.05.2012, a.a.O., und vom 29.11.2007 - 2 AZR 724/06 -, Rn. 38). Geht es um ein
strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und
Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen
(vgl. BAG, Urteil vom 27.01.2011, a.a.O. m.w.N.).
174 Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende
Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen
erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu
rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess
ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG, Urteile vom 18.11.1999 - 2
AZR 852/98 -, BAGE 93, 12, und vom 26.03.1992 - 2 AZR 519/91 -). Für die Verdachtskündigung wird
nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der
Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung
erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des
entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich
genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht
begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen (vgl. BAG, Urteil vom
25.10.2012, a.a.O., und vom 24.05.2012, a.a.O.).
175 d) In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem
Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. So sind auch
solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen - zumindest wenn sie bei
Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder
verstärken (BAG, Urteil vom 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 -, juris, Rn. 41). Daneben können selbst solche
Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen - neuen -
Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der
Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war (vgl. BAG, Urteile vom
23.05.2013, a.a.O., und vom 06.09.2007 - 2 AZR 264/06 -, juris, Rn. 21, und vom 04.06.1997 - 2 AZR
362/96 -, BAGE 86, 88).
176 Sowohl bei lediglich verdachtserhärtenden neuen Tatsachen als auch bei Tatsachen, die den Verdacht einer
weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es keiner erneuten Anhörung des Arbeitnehmers. Er kann
sich gegen den verstärkten bzw. neuen Verdacht ohne weiteres im anhängigen
Kündigungsschutzverfahren verteidigen (vgl. BAG, Urteil vom 23.05.2013, a.a.O.).
177 e) Eine Abschwächung der vorstehenden Anforderungen im Hinblick darauf, dass die Stellung des Klägers
als C3-Professor und insbesondere die damit verbundenen Einkünfte von der gegenständlichen Kündigung
unberührt blieben, erscheint nach Auffassung des Senats auch mit Blick auf den bereits oben aufgezeigten
Willen der vertragsschließenden Parteien, die Grundsätze des arbeitsrechtlichen Kündigungsrechts für
anwendbar zu erklären, nicht gerechtfertigt.
178 f) An diesem Maßstab gemessen lagen bezogen auf den Kündigungszeitpunkt die Voraussetzungen einer
Verdachtskündigung nicht vor. Die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die zunächst schwerwiegenden
Verdachtsmomente gegen den Kläger seien durch die Ergebnisse des Ergänzungsberichts der
Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 derart abgemildert, dass sich die für einen Vertrauensverlust des
Beklagten notwendige Wahrscheinlichkeit für erhebliche Pflichtverletzungen des Klägers in Gestalt von
Vorteilsannahme und Bestechlichkeit nicht aufrechterhalten lasse, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
179 (1) Allerdings konnte die Verdachtskündigung nicht allein auf den Tatverdacht bejahende Entscheidungen
der Strafverfolgungsbehörden oder der Gerichte (etwa die Beschlüsse des Amtsgerichts ... über die
Anordnung von Durchsuchungen nach §§ 103, 105 StPO sowie die Beschlüsse des Landgerichts ... vom
14.09.2012 über die Eröffnung des Hauptverfahrens sowie vom 12.02.2014 über die Einstellung des
Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO) gestützt werden. Auch durfte sich das Verwaltungsgericht
nicht darauf beschränken, zur Beurteilung des dringenden Tatverdachts allein den Ergänzungsbericht der
Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 und die schriftsätzliche Einlassung des Kläger im Strafverfahren
heranzuziehen. Wie dargelegt sind die Arbeitsgerichte auch im Kündigungsschutzprozess um eine
Verdachtskündigung gehalten, den Sachverhalt selbst aufzuklären und zu bewerten (siehe bereits oben
unter c). Mit Blick auf die in § 86 Abs. 1 Satz 1 und § 96 Abs. 1 VwGO normierten Grundsätze der
Amtsermittlung und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme muss dies erst recht für die
Verwaltungsgerichte gelten, wenn ihnen - wie hier - die Überprüfung einer Verdachtskündigung obliegt.
Danach war insbesondere die Einvernahme der Zeugen aus den „Lagern“ des Beklagten (A, B) und der XY
bzw. der Fa. M (D, E und C) prozessrechtlich geboten. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass durch die
Nachermittlungen, die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a Abs. 2 StPO wie auch durch die
Einstellung des Disziplinarverfahrens (Einstellungsverfügung vom 29.09.2015) eine Änderung der
Verfahrens- und Beweislage zugunsten des Klägers eingetreten war.
180 (2) Nach dem Ergebnis der in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat durchgeführten
Beweisaufnahme hat sich nicht feststellen lassen, dass der Kläger im Kündigungszeitpunkt einer im oben
aufgezeigten Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen ist. Dies gilt für die
dem Kläger vorgeworfenen Verstöße gegen seine Verschwiegenheitspflicht (im Folgenden unter [a]) ebenso
wie für die behaupteten Verstöße gegen die Pflicht, bei der Erfüllung von dienstvertraglich geschuldeten
Aufgaben nicht unberechtigt eigene Vorteile wahrzunehmen (im Folgenden unter [b]).
181 (a) Als eine die Verdachtskündigung rechtfertigende schwerwiegende Pflichtverletzung kann grundsätzlich
auch ein Verstoß gegen eine dem Arbeitgeber gegenüber bestehende Verschwiegenheitspflicht in Betracht
kommen. In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass die schuldhafte Verletzung der
Verschwiegenheitspflicht durch einen Arbeitnehmer grundsätzlich auch eine außerordentliche Kündigung
rechtfertigen kann. Auch ohne besondere arbeitsvertragliche Vereinbarung gehören nach § 241 Abs. 2 BGB
zahlreiche vertragliche Nebenpflichten zu den zu beachtenden Rücksichtnahmepflichten des
Arbeitnehmers. Hierzu zählt insbesondere die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Geschäfts- und
Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers zu wahren (vgl. BAG, Urteil vom 03.07.2003 - 2 AZR 235/02 -,
BAGE 107, 36; Beschluss vom 23.10.2008 - 2 ABR 59/07 -, juris; Preis, in: Erfurter Kommentar zum
Arbeitsrecht, 17. Aufl. 2017 Rn. 710). Im vorliegenden Fall ist die Verschwiegenheitspflicht explizit
vertraglich geregelt (§ 2 Abs. 4 des Dienstvertrags vom 24.07.2007: „Über interne Angelegenheiten des
Universitätsklinikums bewahrt der Ärztliche Direktor Stillschweigen. Dies gilt auch für die Zeit, in der er
nicht mehr im Universitätsklinikum tätig ist“).
182 (aa) Vorwurf der Weitergabe von Informationen aus Geschäftsbeziehungen des Beklagten zu Lieferanten
von Laborverbrauchsbedarf (Rechnungen, Preislisten u.Ä.)
183 (aaa) Soweit dem Kläger unter Bezugnahme auf den E-Mail-Verkehr zwischen ihm und dem Zeugen E (vgl.
Beweismittelordner - im Folgenden BMO - Reg.-Nr. 6) vorgeworfen wird, zu einem nicht mehr genau
bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 28.02.2006 Detailinformationen an den Zeugen E weitergegeben zu
haben, hat der Senat erhebliche Zweifel daran, dass es sich insoweit um geheimhaltungsbedürftige
Tatsachen gehandelt hat.
184 Sowohl für die vertragliche wie für die spezialgesetzliche Geheimhaltungspflicht ist der Begriff des
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses wesentlich. Hierunter versteht man Tatsachen, die im
Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt
sind, nicht offenkundig sind, nach dem (ausdrücklich oder konkludent) bekundeten Willen des
Betriebsinhabers geheim gehalten werden sollen und an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein
berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat (BAG, Urteil vom 15.12.1987 - 3 AZR 474/86 -, BAGE 57, 159).
Der Arbeitgeber muss ein sachliches und objektiv berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung, also zur
Anerkennung bestimmter Tatsachen als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis haben (BAG, Beschluss vom
26.02.1987 - 6 ABR 46/84 -, BAGE 55, 96; vgl. Preis, a.a.O., § 611 Rn. 713). Insoweit sind auch einer
einzelvertraglichen Erweiterung der Geheimhaltungspflichten Grenzen gesetzt (vgl. Preis, a.a.O., § 611
Rn. 714). Auch eine - wie im vorliegenden Fall - weit gefasste („interne Angelegenheiten des
Universitätsklinikums“) - Verschwiegenheitsvereinbarung kann nur insoweit zulässig sein, als die
Geheimhaltung durch berechtigte betriebliche Interessen gedeckt ist (Preis, a.a.O.). Angesichts der
vergleichbaren Interessenlage hält der Senat trotz des öffentlich-rechtlichen Charakters und der sonstigen
Besonderheiten der zwischen den Beteiligten bestehenden Vertragsbeziehung eine entsprechende
Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung für angezeigt.
185 Im Strafverfahren (Akten Strafverfahren, Bd. V, Schriftsatz vom 16.12.2009, S. 669 ff.) hat der Kläger
geltend gemacht, bei den betreffenden Informationen habe es sich um ein sogenanntes Mengengerüst
gehandelt. Daraus sei lediglich die Menge der verbrauchten Reagenzien zu entnehmen. Insbesondere bei
einem Labor, das auch Forschungsaufgaben habe, lasse sich aus dem Mengengerüst kein Rückschluss auf
die Anzahl der durchgeführten Analysen oder die entsprechenden Kosten ziehen, da die Reagenzien nicht
nur für die Analysen, sondern auch für die Kalibrierung der Geräte und für besondere Forschungsprojekte
verwendet würden. Aus dem Mengengerüst seien insbesondere die Artikelpreise der einzelnen Reagenzien
nicht zu entnehmen, auch sei nicht erkennbar, welche Firmen lieferten. Anhand solcher Informationen
könne lediglich etwas über den Umfang der im Zentrallabor verbrauchten Reagenzien ausgesagt werden.
Dem entspricht jedenfalls im maßgeblichen Kern die Aussage des Zeugen E zu der ihm in der mündlichen
Verhandlung vorgelegten Liste (Überschrift „Kosten“, Preise 2003/2004, BMO Reg.-Nr. 6). Abgesehen
davon, dass er nicht mehr sagen konnte, „durch wen oder was“ er die Liste erhalten habe, und er „am
ehesten“ vermutete, dass der Zeuge C ihm diese Unterlagen „irgendwann mal“ geschickt oder
weitergegeben habe, hat er sie als „Controllingkostenübersicht“ mit sehr geringer Aussagekraft eingestuft,
da „kein Mensch wirklich einschätzen [könne], wieviel Anteile von irgendwas da rein gerechnet wurden“,
und damit insbesondere die tatsächlichen oder reinen Materialkosten nicht bestimmt werden könnten. Vor
diesem Hintergrund, der im Rahmen der Vernehmung deutlich gewordenen Fachkompetenz des Zeugen E
und mit Blick darauf, dass die Listen weder die Artikelpreise der Laborverbrauchsmaterialien noch die
Namen der Lieferanten erkennen lassen, erscheint dem Senat die von der Klägerseite vorgenommene
Qualifizierung als „Mengengerüst“ nachvollziehbar, zumal der Zeuge B angegeben hat, dass der Kläger ein
Mengengerüst ohne Probleme aus der eigenen Labor-EDV darlegen konnte. Die Zeugen A und B haben in
ihren Vernehmungen vor dem erkennenden Senat übereinstimmend bekundet, dass im Zusammenhang mit
Vertragsverhandlungen die Weitergabe eines Mengengerüsts an mögliche Vertragspartner notwendig sei,
damit diese kalkulieren könnten (Niederschrift, Anlage 1, S. 2; Anlage 2, S. 4). Deshalb spricht nach
Auffassung des Senats Überwiegendes dafür, dass der Weitergabe der in der E-Mail vom 28.02.2006
thematisierten Informationen bereits keine berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Beklagten
entgegenstanden. Dies gilt umso mehr, wenn zusätzlich die Beweislage in Rechnung gestellt wird, die sich
nach Durchführung der Beweisaufnahme im Hinblick auf den weiteren Vorwurf ergeben hat, der Kläger
habe im Anschluss an die Besprechung am 23.05.2006 eine Liste „ABC-Analyse der Artikel des
Zentrallabors“ (einschließlich Einkaufspreisen und Herstellernamen) weitergegeben bzw. deren Weitergabe
veranlasst. Danach begegnet die Darstellung des Beklagten, nach der Praxis der Reagenzienzentrale seien
Einkaufspreise streng vertraulich zu behandeln gewesen und dies sei auch vor dem Abschluss des
Rahmenvertrags mit der Fa. M so gehandhabt worden, erheblichen Zweifeln (vgl. dazu noch im Einzelnen
unten unter (ccc). Wird dies zusätzlich berücksichtigt, stellen sich die gegen den Kläger bestehenden
Verdachtsmomente als noch einmal erheblich abgeschwächt dar.
186 Selbst wenn insoweit von dem Verdacht eines Verstoßes gegen seine Verschwiegenheitspflicht
ausgegangen werden müsste, könnte nicht angenommen werden, dass dieser den Beklagten zu einer
Kündigung berechtigt hätte. Entscheidend für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung
ist der mit dem Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verbundene Vertrauensbruch. Es
begegnet indes erheblichen Zweifeln, ob das Gewicht des in Rede stehenden Pflichtverstoßes geeignet
gewesen wäre, die zwischen den Beteiligten bestehende vertragliche Vertrauensbasis ernsthaft in Frage
zu stellen.
187 Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass sich aus der Sicht des Klägers Inhalt und Grenzen der ihm
auferlegten Verschwiegenheitspflicht als unklar darstellen mussten. Insoweit bestehen bereits erhebliche
Zweifel daran, ob eine etwaige Pflichtverletzung überhaupt auf einem Verschulden des Klägers beruhte
(vgl. Thüsing, in: Hennsler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, § 611 Rn. 352). So hat
es der Beklagte ersichtlich unterlassen, den denkbar weiten Inhalt dieser Pflicht („interne Angelegenheiten
des Universitätsklinikums“) in handhabbarer und für die Verpflichteten nachvollziehbarer Weise - etwa
durch die Aufstellung schriftlicher Vorgaben - zu konkretisieren. Zwar hat der ehemalige Kaufmännische
Direktor des Beklagten in der Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 09.05.2008 den
Eindruck erweckt, dass Klarheit über die Geheimhaltungspflichten des Klägers bzw. der Mitarbeiter der
Reagenzienzentrale bestanden habe. So hat er etwa bekundet, „Herr Professor W war und ist nicht
autorisiert, Informationen über Einkaufsmengen und Einkaufspreise an Dritte ohne Rücksprache mit der
Verwaltung, der Abteilung Materialwirtschaft, weiterzugeben.“ sowie „Jede unbefugte Weitergabe interner
Vorgänge an Externe stellt eine Dienstpflichtverletzung dar“. Indes hat die Beweisaufnahme ergeben, dass
mit den Angaben des ehemaligen Kaufmännischen Direktors die Praxis des Beklagten, insbesondere der
Reagenzienzentrale, nicht zutreffend wiedergeben worden ist. Wie dargelegt, haben die Zeugen A und B
übereinstimmend angegeben, dass im Rahmen von Vertragsverhandlungen jedenfalls immer auch ein
Mengengerüst an den künftigen Vertragspartner mitzuteilen ist. Auch die zahlreichen Protokolle des
Zeugen C über im Vorfeld des Abschlusses des Rahmenvertrags geführte Gespräche haben eindrucksvoll
belegt, dass etwa zwischen den Zeugen A und C ein offener Informationsaustausch stattgefunden hat
(siehe noch unten), der mit der Absolutheit der Darstellung des vormaligen Kaufmännischen Direktors
nicht in Einklang zu bringen ist.
188 Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger als Ärztlichem Direktor der Abteilung Klinische Chemie und
Leiter des Zentrallabors nach dem Dienstvertrag vom 24.07.2007 die Pflicht auferlegt war, für die
Wirtschaftlichkeit der Abteilung zu sorgen (§ 4 Abs. 1 des Dienstvertrags). Deshalb war auch die dem
Kläger gemäß § 2 Absatz 4 des Dienstvertrages vom 27.04.2007 pauschal und ohne jede Differenzierung
oder Konkretisierung auferlegte Pflicht zur Verschwiegenheit im Lichte dieses Wirtschaftlichkeitsgebots zu
konkretisieren. Mit Blick auf die - vom Beklagten nicht in Frage gestellte - sehr angespannte wirtschaftliche
Situation der Abteilung sowie den - unstreitigen - Umstand eines zum Nachteil der Universitätsklinika
gespaltenen Markts beim Einkauf von Laborreagenzien konnte davon ausgegangen werden, dass der
Kläger aufgrund des Dienstvertrags auch gehalten war, konkrete Anstrengungen zu unternehmen, um die
wirtschaftliche Situation der Abteilung zu verbessern. Der Senat hat nach Auswertung der ihm
vorliegenden Akten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine ernsthaften Zweifel daran, dass die
Kontaktaufnahme mit dem ehemaligen Kollegen D wie die Bemühungen um die Anbahnung eines
geschäftlichen Kontakts zur XY und insbesondere auch die hier gegenständliche Weitergabe von
Informationen maßgeblich von der Motivation des Klägers getragen waren, die wirtschaftliche Situation
seiner Abteilung zu verbessern (vgl. Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, unter II. 1.c), Akten Strafverfahren,
Bd. V, S. 987; Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 229 ff.; vgl. auch die
Aussage des Zeugen E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1871 „er [E] hatte den Eindruck, Prof. X habe
alles getan, um für das Klinikum günstigere Konditionen und Verbesserungen in den Budgets zu
erwirken.“).
189 Vor diesem Hintergrund und mit Blick darauf, dass hier weder besonders aussagekräftige noch besonders
schutzbedürftige, insbesondere bestimmten Lieferanten individuell zurechenbare Daten weitergegeben
wurden, spricht vieles dafür, dass nur von einer geringfügigen, nicht mit einer nennenswerten
Vertrauensbeeinträchtigung einher gehenden Pflichtverletzung eher formaler Natur auszugehen wäre, die
allenfalls mit einer Abmahnung zu ahnden gewesen wäre.
190 (bbb) Bezogen auf den in der Anklageschrift und damit auch in der Kündigung erhobenen Vorwurf, der
Kläger habe dem Zeugen E Ende März 2006 insgesamt 17 Originalrechnungen der Firma ... an den
Beklagten (von Februar 2005 bis März 2006) zugeleitet, bestehen zwar Verdachtsmomente gegen den
Kläger. Denn diese Rechnungen (BMO Reg.-Nr. 10) sind anlässlich der Durchsuchung des Büros des Klägers
im Universitätsklinikum dort aufgefunden worden. Auch trägt die 1. Rechnung vom 09.03.2006 den
handschriftlichen Vermerk „Für Herrn E von H. X“ und hat die ehemalige Sekretärin des Klägers, Frau C.,
im Strafverfahren bekundet, dass es sich insoweit um die Handschrift des Klägers handelt (Akte
Strafverfahren, Bd. II, S. 231). Allerdings fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten dafür, dass die
Rechnungen tatsächlich jemals in die Verfügungsgewalt des Zeugen E bzw. anderer Mitarbeiter der XY
gelangt sind. Der Zeuge E hat sowohl bei seiner Vernehmung im Strafverfahren wie auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat bekundet, die Rechnungen nicht erhalten zu haben.
Dabei hat er - nachvollziehbar - auch darauf verwiesen, dass diese Dokumente auch bei der Durchsuchung
der Geschäftsräume von XY nicht gefunden worden seien. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge
die Unwahrheit gesagt hat, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
191 Nichts anderes gilt, wenn der Inhalt des vom Zeugen C erstellten Protokolls eines am 10.03.2006 erfolgten
Treffens bei XY in ... hinzugenommen wird. Bereits bei seiner Vernehmung im Strafverfahren hat der
Zeuge E bestritten, dass der Kläger ihm Originalrechnungen der Klinik, Lieferverträge und Unterlagen über
„Artikelstamm auf SAP“ zugänglich gemacht hat (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1849). Für die im
Protokoll unter der Überschrift „3. Aufgaben“ aufgeführte Aufgabe „Sendung von Originalrechnungen der
Klinik, evtl. Lieferverträge und Artikelstamm auf SAP an XX“ wird im Übrigen „XXX“, also der Zeuge C
selbst - und nicht etwa der Kläger - für zuständig erklärt. Schließlich hat der Zeuge C bei seiner
Vernehmung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, diese Aufgabe sei nie ausgeführt
worden, vielmehr sei die erste Zuverfügungstellung von Rechnungen durch den Zeugen A erfolgt
(Niederschrift, Anlage 3, S. 9, 34). Auch insoweit vermag der Senat hinreichende Anhaltspunkte für eine
Unglaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugen E und C nicht festzustellen.
192 Unabhängig davon bestünden angesichts des begrenzten Umfangs und der beschränkten Aussagekraft der
Rechnungen sowie der Beweislage zum Vorwurf der Weitergabe einer Liste „ABC-Analyse der Artikel des
Zentrallabors“ (einschließlich Einkaufspreisen und Herstellernamen) erhebliche Zweifel daran, dass der
Beklagte ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Geheimhaltung dieser Informationen hatte.
Jedenfalls spräche auch insoweit nach den unter (aaa) dargestellten Grundsätzen vieles dafür, dass
allenfalls vom Verdacht einer geringfügigen, ggf. mit einer Abmahnung zu ahndenden Pflichtverletzung
eher formaler Natur auszugehen wäre.
193 (ccc) Dem Kläger wurde weiter vorgeworfen, unter Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht im
Anschluss an ein Gespräch mit Vertretern der XY am 23.05.2006 veranlasst zu haben, dass der Zeuge B
eine sog. Liste „ABC Analyse“ erstellte, aus der die Standardartikel des Zentrallabors mit
Artikelbezeichnung und Namen der Lieferfirmen, Mengen und letzten Einkaufspreisen hervorgehen, und
dass diese Liste per E-Mail an das Büro des Klägers und letztlich an den Zeugen C weitergeleitet wurde.
194 (α) Der Senat hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bereits erhebliche Zweifel daran, dass die
Weitergabe dieser Liste auf Veranlassung des Klägers erfolgt ist.
195 Der Zeuge B hat bei seiner Vernehmung vor dem erkennenden Senat bekundet, aus dem Laborbereich die
Aufforderung bekommen zu haben, eine ABC-Analyse zu erstellen der Artikel vom Zentrallabor mit
entsprechendem Mengen- und Preisgerüst (Hervorhebung nur hier). Er wisse nicht mehr, ob die
Aufforderung direkt vom Kläger gekommen sei oder von dessen Sekretärin. Auch konkrete Angaben zur
Form der Aufforderung konnte der Zeuge nicht machen. In seiner Vernehmung im Strafverfahren hatte er
bekundet, wäre der Zeuge A damals nicht im Urlaub gewesen, hätte er den Auftrag, die Einkaufslisten mit
Preisen zu erstellen, sicherlich direkt vom Zeugen A bekommen und nicht von dem Kläger oder dessen
Sekretariat.
196 Demgegenüber hat der Zeuge C angegeben, nach dem am 23.05.2006 erfolgten Treffen von Vertretern der
XY und Verantwortlichen des Beklagten, vermutlich am 24.05.2006, ein weiteres, persönliches Treffen
allein mit dem Zeugen A gehabt zu haben, bei dem vereinbart worden sei, dass der Zeuge A eine Liste
ABC-Analyse der Reagenzien des Zentrallabors erstellen lässt und der Zeuge C diese - wohl durch den
Zeugen B zu erstellende - Liste im Labor des Klägers abholen kann.
197 Zwar hat der Zeuge A bestritten, dass es in dieser Zeit, insbesondere am 24.05.2006 ein Treffen mit dem
Zeugen C gegeben hat. Nach Auswertung der dem Senat vorliegenden Akten und Würdigung der
einschlägigen Zeugenaussagen spricht indes vieles für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen C.
198 (αα) Einen erheblichen Beweiswert für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen C zu dem persönlichen
Gespräch mit dem Zeugen A am 24.05.2006 und im Übrigen auch für die Glaubhaftigkeit des Vortrags,
bereits im Gespräch am 23.05.2016 sei seitens der Vertreter von XY darum gebeten worden, die
Einkaufspreise des Klinikums aus Verträgen mit Lieferanten zur Verfügung zu stellen, misst der Senat in
diesem Zusammenhang der - auf dem Laptop des Zeugen C gesicherten - E-Mail vom 24.05.2006 bei
(Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1421; vgl. auch den Ergänzungsbericht vom 06.07.2010, Akten
Strafverfahren, Bd. VIII, S. 2131). Diese weist den Zeugen C als Ersteller, den Zeugen A als Empfänger und
den Zeugen E als Kopie-Empfänger aus. Inhaltlich knüpft der Zeuge C darin an das „heutige Gespräch“ mit
dem Zeugen A an und teilt mit, „Wie besprochen“ „die Liste sämtlicher Einkaufspreise des Zentrallabors in
der kommenden Woche bei Professor W abholen und auf Basis dieser Zahlen bis zum 12. Juni 2006 einen
entsprechenden Vertragsentwurf zukommen zu lassen.“
199 Auch wenn der Zeuge A in der mündlichen Verhandlung energisch bestritten hat, diese E-Mail jemals
erhalten zu haben, deuten jedenfalls gewichtige Indizien auf das Gegenteil hin. Als objektives Beweismittel
hervorzuheben ist dabei der Untersuchungsbericht des Regierungspräsidiums ... - Landespolizeidirektion
Kriminaltechnische Untersuchungsstelle - vom 30.09.2010. Danach kann mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die betreffende E-Mail vom 24.05.2006 über Pegasus-
Mail versandt wurde, und konnten keine Spuren, Hinweise oder Anhaltspunkte für eine Manipulation des
besagten Mail-Verkehrs aufgefunden werden. Ferner hat der Zeuge E sowohl bei seiner Vernehmung im
Strafverfahren wie auch in der mündlichen Verhandlung bekundet, eine Kopie dieser E-Mail erhalten zu
haben. Hinzu kommt, dass sich die E-Mail in besonderer Weise in die Chronologie der unstreitigen
Geschehnisse im Anschluss an das am 23.05.2006 erfolgte Treffen einfügt: Der 24.05.2006 war der letzte
Arbeitstag des Zeugen A vor seinem Urlaub. Der Kläger hatte nach seinen unwidersprochen gebliebenen
Angaben den 24.05., den 25.05. (Christi Himmelfahrt), den 26.05. sowie das darauf folgende Wochenende
frei genommen und diese Tage anlässlich seines 35. Hochzeitstages im Kreise seiner Familie verbracht. Auf
der Grundlage der Angaben des Zeugen B und dessen E-Mail vom 29.05.2006 ist davon auszugehen, dass
er die Liste „ABC-Analyse der Artikel des Zentrallabors“ (bereits) am Freitag, den 26.05.2006, gefertigt
und am Montag, den 29.05.2006 um 10.45 Uhr per E-Mail an die Sekretärin den Klägers, Frau C,
übermittelt hat. Diese hat die Liste am selben Tag um 12.38 Uhr per-E-Mail an den Zeugen C
weitergeleitet. Zu diesem Ablauf stünde ein persönliches Gespräch des Zeugen C mit dem Zeugen A am
24.05.2006, in dem dieser die Zurverfügungstellung der ABC-Analyse durch die Reagenzienzentrale
zusagt, nicht nur in keinem Widerspruch, es ließe die konkreten Abläufe einschließlich der raschen
Ausführung des Auftrags nachvollziehbar und stimmig erscheinen.
200 Soweit der Zeuge A dem entgegenhält, von der Telefonzentrale des Beklagten seien praktisch die
Gespräche bzw. die Verbindungen dieses Tages rekonstruiert worden und man habe kein Telefongespräch
mit dem Zeugen C gefunden, ist darauf zu verwiesen, dass der Zeuge C explizit und unter Nennung
weiterer Einzelheiten von einem persönlichen Gespräch und nicht von einem Telefonat gesprochen hat.
Der Zeuge A habe ihm noch erzählt, dass er danach in Urlaub gehen würde, über den Urlaub des Zeugen A
sei gesprochen worden. Mit dem weiteren Einwand, der 24.05.2006 sei sein letzter Arbeitstag vor dem
Urlaub gewesen und es wäre technisch nicht möglich gewesen, umfangreiche Listen überhaupt zu
erstellen, wird die Plausibilität der Darstellung des Zeugen C, wonach die Erstellung der Liste an den
Zeugen B delegiert worden sei, nicht ernsthaft in Frage gestellt. Dass andere E-Mails von Herrn C, die an
ihn gingen, einen anderen Absender hatten als die in der E-Mail vom 24.05.2006 enthaltene Adresse
„....C.com“, kann damit zusammenhängen, dass zu diesem Zeitpunkt die Fa. M noch nicht existierte und
demgemäß auch nicht die diesbezügliche E-Mail-Adresse. Dass der Zeuge A - im Unterschied zu der
persönlicheren Anrede in späteren E-Mails - mit „Sehr geehrter Herr A“ angeredet wurde, erscheint mit
Blick darauf, dass sich die beiden Zeugen unstreitig erstmals am 23.05.2006 kennengelernt hatten, nicht
ungewöhnlich.
201 (ββ) Dagegen, dass die Erstellung der sog. Liste „ABC Analyse“ und die Weiterleitung an den Zeugen C
tatsächlich auf Veranlassung des Klägers erfolgt ist, spricht auch die Darstellung des Zeugen E zur
mangelnden Fachkompetenz des Klägers im Hinblick auf die mit einer derartigen Liste verbundenen Fragen.
Er hat in nachvollziehbarer Weise auf die Frage, ob darüber gesprochen worden sei, wann und wie und
durch wen die Übermittlung der Informationen, auch der Preisinformationen, habe erfolgen sollen,
bekundet, aus seiner Erinnerung sei dies in erster Linie die Reagenzienzentrale gewesen. Aus seinen
Gesprächen als Kaufmann habe er nicht den Eindruck gehabt, dass der Kläger wirklich verstehe, was er an
Daten und Information gebraucht habe. Die einzigen, die ihn verstanden hätten, seien „mehr die Leute
aus der Reagenzienzentrale, wie auch aus der Verwaltung, …“ gewesen (Niederschrift, Anlage 5, S. 5).
Entsprechendes hat er auch an anderen Stellen seiner Vernehmung zum Ausdruck gebracht (Niederschrift,
Anlage 5, S. 3, 9; vgl. auch die Ausführungen des Zeugen D, Anlage 4, S. 4).
202 (γγ) Darüber hinaus fügt sich die Aussage des Zeugen C zu dem mit dem Zeugen A am 24.05.2006
geführten Gespräch in die übereinstimmende Darstellung der Geschehnisse im Vorfeld durch die Zeugen C,
D und E ein. Die drei Zeugen haben bereits im Rahmen ihrer Vernehmungen im Strafverfahren bekundet,
allen Teilnehmern des Gesprächs am 23.05.2006 sei klar gewesen, dass die Bekanntgabe der bisherigen
Einkaufspreise aus den Lieferbeziehungen des Beklagten seitens der Vertreter von XY als notwendig
angesehen wurde, um ein Angebot abgeben zu können; die Vertreter des Beklagten seien deshalb um die
Zurverfügungstellung entsprechender Informationen gebeten worden. Nach dem Ergebnis der
Nachermittlungen der Landespolizeidirektion vom Juli 2010 bekräftigten alle Zeugen, dass die Kenntnis der
bisherigen Einkaufspreise des Zentrallabors für die Zwecke der Kalkulation eines deutlich günstigeren
Angebots durch die Fa. M erforderlich war und hierüber Einigkeit mit den zuständigen Mitarbeitern des
Beklagten bestand. Dies haben die Zeugen C und E in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden
Senat im Kern bestätigt. Der Zeuge D konnte zwar - anders als noch im Strafverfahren - nicht mehr sagen,
ob die Vertreter des Klinikums gerade bei diesem Gespräch gebeten worden waren, die Einkaufspreise des
Klinikums aus Verträgen mit Lieferanten zur Verfügung zu stellen. Letzteres ist indes in Anbetracht des
erheblichen Zeitablaufs und der verblassenden Erinnerung nachvollziehbar und nicht geeignet, den
Beweiswert der anderen Bekundungen zu mindern. Nach der Überzeugung des Senats spricht vieles für
deren Richtigkeit. Auch der Kläger hatte sich von Anfang an in dem Sinne eingelassen, dass immer klar
gewesen sei, dass die Preise zwischen den Verhandlungspartnern kein Geheimnis gewesen seien
(Schriftsatz RA ... vom 18.01.2008 an den Beklagten, Akten Beklagter; Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009,
Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 963).
203 Der hiergegen vom Beklagten erhobene Einwand, es sei nicht plausibel, weshalb die Verantwortlichen der
XY die Einkaufspreise hätten kennen müssen, um ein Angebot zu erstellen, ist nicht geeignet, die
Darstellung der Zeugen grundlegend in Zweifel zu ziehen.
204 Der Zeuge D hat bekundet, man habe von der Verwaltung des Beklagten Daten haben müssen, um das
Delta des Einsparvolumens zu bestimmen, und in nachvollziehbarer Weise dargetan, dass er sich insoweit
um Details nicht gekümmert habe (Niederschrift, Anlage 4, S. 4).
205 Die Zeugen C und E sind in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und ausführlich zu diesem Punkt
befragt worden. Auch wenn insoweit nicht alle Zweifelsfragen geklärt werden konnten, erscheint ihre
Darstellung, die Ermittlung des Einsparpotenzials für den Beklagten und der Gewinnspanne für die XY sei
ohne Kenntnis der Einkaufspreise mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, jedenfalls nachvollziehbar. Im
Kern übereinstimmend haben die beiden Zeugen angegeben, Ziel sei ein „Pilotprojekt“ bzw. ein
„einzigartiges Modell“ gewesen, dass es dem Beklagten habe ermöglichen sollen, sämtliche Produkte
weiter bei den bisherigen Lieferanten zu den jeweils mit diesen individuell vereinbarten Konditionen
einzukaufen (vgl. Niederschrift, Anlage 5, S. 2; Anlage 3, S. 21). Die jeweils individuell vereinbarten
Vorgaben bezüglich der Verträge mit den Lieferfirmen sollten erhalten bleiben, die XY sollte insoweit
keinen inhaltlichen Einfluss ausüben (Anlage 5, S. 3). Dies hat der Zeuge A der Sache nach bestätigt (vgl.
Niederschrift, Anlage 1, S. 21: „Wir haben unsere Lieferantenstruktur, so wie sie war, beibehalten.“). Auch
wenn für alle Beteiligten klar war, dass der Reagenzienmarkt ein „gespaltener Markt“ war und die
niedergelassenen Ärzte und Labors weit weniger für Reagenzien und Diagnosemittel bezahlten als die
Kliniken, erscheint doch plausibel, dass sich gerade eine Quantifizierung des Einsparvolumens auch mit
Blick auf die Besonderheit der angestrebten Vertragsbeziehung schwierig darstellte, weil die Einkaufspreise
abhängig waren von jeweils individuell mit den Lieferfirmen vereinbarten Konditionen. Insoweit hat
insbesondere der Zeuge E die Komplexität eines aussagekräftigen Abgleichs der Reagenzienpreise
anschaulich aufgezeigt (vgl. Niederschrift, Anlage 5, S. 7 und 19). Für seine Glaubwürdigkeit sprechen
dabei seine temporeichen und farbigen Schilderungen sowie die Konsistenz seiner Ausführungen auch bei
wiederholten Fragen des Gerichts wie des Beklagten-Vertreters.
206 Unabhängig davon dürfte es für die Glaubhaftigkeit der Darstellungen der Zeugen C, D und E, wonach im
Rahmen des Gesprächs am 23.05.2006 um die Offenlegung von Einkaufspreisen des Beklagten gebeten
wurde, nicht entscheidend darauf ankommen, ob es tatsächlich im engeren Sinne für die Erstellung eines
Angebots durch die XY erforderlich war, die Einkaufspreise des Beklagten zu kennen. Denn auf der
Grundlage der vorliegenden Akten und der Aussagen der Zeugen ist davon auszugehen, dass die Kenntnis
der vom Beklagten tatsächlich gezahlten Einkaufspreise aus der Sicht der Vertreter der XY im Vorfeld des
geplanten neuen Geschäftsmodells jedenfalls von Vorteil bzw. nützlich war, um die mögliche
Gewinnspanne für die XY bzw. das unternehmerische Risiko, aber auch das konkrete Einsparvolumen für
den Beklagten auszuloten (Anlage 5, S. 22, 26). Auch dieser Aspekt ließe das Verlangen nach einer
Offenlegung der Preise nachvollziehbar erscheinen. Auch deshalb geht der Senat davon aus, dass dem vom
Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung zitierten Auszug aus einem Protokoll des
Rechtsanwalts ... über eine Besprechung im März 2008 mit den Zeugen D und E, wonach diese ausgeführt
haben sollen, dass sie die Konditionen zu den Kliniken und sonstigen Laboren, die Produkte bezögen, die
Gegenstand des Rahmenvertrages seien, sehr genau abschätzen könnten, so dass sie Preislisten, wie sie
im Vorfeld des Rahmenvertrages gefaxt worden seien, nicht benötigten, und dass M seit 20 Jahren Kliniken
mit Reagenzien beliefere und man den Markt kenne, letztlich keine entscheidende Bedeutung zukommt.
207 Allerdings verkennt der Senat nicht, dass die Zeugen A und B wie bereits zuvor im Strafverfahren auch in
der mündlichen Verhandlung übereinstimmend bekundet haben, in dem Gespräch vom 23.05.2006 seien
sie nicht gebeten worden, die Einkaufspreise aus Verträgen mit Lieferanten von Laborbedarf zur Verfügung
zu stellen, über Einkaufspreise sei nicht gesprochen worden. Der Zeuge A hat sogar explizit ausgesagt, er
erinnere sich genau, dass über Preise nicht gesprochen worden sei. Der Beweiswert dieser - mit den
Bekundungen der Zeugen C, D und E unvereinbaren - Darstellungen wird indes erheblich dadurch
gemindert, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Darstellungen der beiden Zeugen in diesem und
in anderem Zusammenhang in zahlreichen wesentlichen Punkten gravierenden Zweifeln begegnen. Diese
Zweifel erstrecken sich vor allem auch auf die Behauptung, nach der Praxis der Reagenzienzentrale seien
Einkaufspreise streng vertraulich zu behandeln gewesen und dies sei auch vor dem Abschluss des
Rahmenvertrags mit der Fa. M so gehandhabt worden. Zu diesem Ergebnis kommt der Senat ohne
Durchführung einer Gegenüberstellung der Zeugen der beiden „Lager“, die er (u.a.) mit Blick auf die
grundsätzliche Beibehaltung der im Strafverfahren getätigten Aussagen nicht für sachdienlich gehalten hat
(vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 394 Abs. 2 ZPO).
208 Der Zeuge B hat bei seiner Vernehmung auf die Frage, ob er mit dem Zeugen A über die Anforderung der
Liste gesprochen hat, angegeben, über seine Bedenken habe er mit ihm gesprochen. Auf konkrete
Nachfrage hat er bekundet, vor Versenden der E-Mail mit der ABC-Analyse noch mit dem Zeugen A
gesprochen zu haben (Niederschrift, Anlage 2, S. 9 f.). Demgegenüber hat der Zeuge A angegeben, die E-
Mail erst nach seinem bis 11.06.2006 dauernden Urlaub gesehen und sich mit dem Zeugen B darüber
unterhalten zu haben; insbesondere habe dieser nochmal darauf hingewiesen, dass sie nur für den
internen Gebrauch bestimmt gewesen sei. Eine plausible Erklärung für diese unterschiedliche Darstellung
ist trotz des erheblichen Zeitablaufs nicht ersichtlich. Unterschiede weisen auch die Angaben der beiden
Zeugen zum Kontext der Anforderung der ABC-Analyse auf. So hat der Zeuge A die Anforderung der Liste
zunächst vor den Hintergrund der Tätigkeit der Unternehmensberatung ... gestellt (Niederschrift, Anlage 1,
S. 16: „ …in dieser Zeit gab es einen größeren Bedarf an Auswertung, weil wir die Unternehmensberater
... im Haus hatten und wir aufgefordert waren, immer wieder auch Analysen zu erstellen und für diese
Gespräche bereitzustellen“). Auf die Frage, ob der Zeuge sagen könne, ob vom Zentrallabor bzw. vom
Kläger schon einmal eine vergleichbare Liste angefordert worden sei, hat er geantwortet, diese Listen
seien Standard für die Gespräche mit ... gewesen und seien ständig erstellt und auch dann regelmäßig an
den Kläger über sein Sekretariat eingereicht worden (Niederschrift, Anlage 1, S. 18). Demgegenüber hat
der Zeuge B im Zusammenhang mit der angeforderten Liste die Beratungsfirma ... unerwähnt gelassen
und - im Übrigen im Einklang mit dem Vortrag des Klägers - angegeben, eine solche Liste für den Kläger
„seines Wissens“ noch nie erstellt zu haben (Niederschrift, Anlage 2, S. 8). Auf Nachfrage hat er erklärt,
dass ihm nicht bekannt sei, dass der Kläger jemals eine solche Liste angefordert habe (ebenda). Auch mit
Blick darauf, dass der Zeuge die Frage, ob das der „normale Weg“ sei, die Liste bei ihm, dem Zeugen B,
anzufordern, bejaht hat, werfen diese Divergenzen in den Angaben der beiden Zeugen erhebliche Fragen
auf. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Reagenzienzentrale um eine kleine Abteilung handelt, die
Zeugen in „sehr engem Kontakt“ standen (Niederschrift, Anlage 2, S. 10) und deshalb von einem guten
Informationsfluss auszugehen sein dürfte.
209 Die Bekundungen der Zeugen A und B werfen weitere Fragen auf.
210 Aus den Angaben des Zeugen B ergibt sich, dass dieser angesichts der zeitlichen Nähe der Anforderung der
Liste (durch den Kläger oder sein Sekretariat) zu dem am 23.05.2006 mit den Vertretern der XY geführten
Gespräch konkret die Gefahr gesehen hat, dass die Liste den Vertretern von XY zur Verfügung gestellt
wird (vgl. Niederschrift, Anlage 2, S. 7). Legt man zugrunde, dass beide Zeugen mit Nachdruck bekundet
haben, dass es die generelle und klare Haltung der Abteilung gewesen sei, Preise vor Vertragsschluss nie
nach außen zu geben (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 13 f.; 17; Anlage 2, S. 4 f.), hätte es nahe gelegen,
dass der Zeuge B mit Blick auf die konkret erkannte Gefahr unmittelbar einen Vorgesetzten informiert. Für
den Fall der Urlaubsabwesenheit des Zeugen A hätte insoweit die Möglichkeit bestanden, sich bei weiteren
Vorgesetzten (Herr R, Abteilungsleiter Materialwirtschaft, Herr J, Geschäftsbereichsleiter) abzusichern. Um
zu verhindern, dass sich das vom Zeugen angenommene Risiko realisiert, erscheint der von ihm in der E-
Mail gewählte Hinweis („Bitte gestatten Sie mir eine kleine Anmerkung, die Veröffentlichung von
Einkaufspreisen könnte sich eventuell negativ auf die Angebotsausarbeitung eines Mitbewerbers
auswirken“) als eher untaugliche Maßnahme, und stellt sich deshalb auch der diesbezügliche Vortrag als
wenig schlüssig dar. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass - auf der Grundlage der obigen
Feststellungen - sowohl der Zeuge A wie der Zeuge B schon zum damaligen Zeitpunkt übereinstimmend im
Grundsatz davon ausgingen, dass es keine Mitbewerber gab, die etwas Vergleichbares anbieten konnten
wie die XY. Vor diesem Hintergrund hätte der vom Zeugen B formulierten Befürchtung von vornherein eine
reale Grundlage gefehlt und musste er damit rechnen, dass der Adressat der E-Mail den Hinweis nach
seinem „Empfängerhorizont“ nicht als Beschränkung (im Sinne eines „nur für den internen Gebrauch“)
verstand, sondern eine Weitergabe an die Vertreter der XY nicht als unzulässig ansah, weil - aus seiner
Sicht - alle Beteiligten von deren Sonderstellung und Konkurrenzlosigkeit ausgingen. Dem Zeugen B ist
diese - vom Zeugen A explizit eingeräumte (Anlage 1, S. 22) - Unzulänglichkeit der Formulierung in der
mündlichen Verhandlung vorgehalten worden. Er hat darauf erklärt, die Ausdrucksweise gewählt zu
haben, „Weil es für mich ein grundsätzliches Thema gewesen ist“. Außerdem hat er darauf verwiesen, dass
der Beklagte ja Konditionen mit sämtlichen im Laborbereich tätigen Lieferanten gehabt habe und es kein
„luftleerer Raum“ gewesen sei, „wo wir dann gesagt haben, er soll ein Angebot machen und dann nehmen
wir das einfach so an, sondern wir haben ja vergleichbare Preise gehabt“ (Anlage 2, S. 12). Diese
Erklärungen sind nicht geeignet, die mit der gewählten Formulierung verbundenen Unstimmigkeiten
auszuräumen, zumal es nicht fern liegt, dass mit der Formulierung eine Art „Freizeichnung“ der
Reagenzienzentrale im Hinblick auf etwaige Dienstpflichtverletzungen bezweckt war. Dies gilt auch, wenn
man miteinbezieht, dass der Zeuge B in der „Hierarchie“ des Beklagten deutlich unter dem Kläger stand
und ihn dies bei der Formulierung der E-Mail ggf. beeinflusst haben mag (vgl. Anlage 1, S. 22; Anlage 2, S.
7). Ergänzend ist zu bemerken, dass die Angaben des Zeugen zu dem mit dem Zeugen A über die E-Mail
geführten Gespräch auch insoweit Fragen aufwerfen, als der Zeuge keinerlei Angaben zum konkreten
Inhalt des Gesprächs und insbesondere zur Reaktion des Zeugen A machen konnte (Anlage 2, S. 10). Trotz
Nachfrage beschränkte er sich insoweit auf Bekundungen zum grundsätzlichen Verhältnis zu seinem
Vorgesetzten („kollegiales Miteinander“, Anlage 2, S. 10 f.) und schloss auf dessen Reaktion lediglich aus
der sonstigen Kenntnis seiner Person („Konkret kann ich es auch nicht sagen, also gefühlt, würde ich
sagen, so wie ich ihn kenne, ich kenne ihn schon sehr lange, würde er zu mir sagen, wenn man so ein
Gefühl hat, dann soll man es äußern.“, Anlage 2, S. 11). Dies kann - auch wenn der Zeitablauf und die
damit schwindende Erinnerung berücksichtigt wird - mit Blick auf die ersichtliche Bedeutung der
Angelegenheit („gewichtiges Thema“, Anlage 2, S. 10) und angesichts des Umstands, dass dem Zeugen
andere Sachverhalte aus dieser Zeit noch durchaus erinnerlich waren, nur schwer nachvollzogen werden.
211 Unabhängig davon und auch für den Fall, dass der Zeuge A erst nach seinem Urlaub von der E-Mail
Kenntnis erhielt, erscheint dem Senat jedenfalls die von den beiden Zeugen beschriebene Reaktion des
Zeugen A auf die in der E-Mail geäußerte Befürchtung und auf die vom Zeugen B auch persönlich
mitgeteilten Bedenken hinsichtlich der an Frau C übersandten Liste nicht nachvollziehbar. Obwohl er mit
Blick auf den ihm nachrichtlich mitgeteilten Inhalt der E-Mail einschließlich der „unglücklichen
Formulierung“ und das Gespräch mit dem Zeugen B ausdrücklich einräumt, erkannt zu haben, dass der
Zeuge B angesichts des zeitlichen Zusammenhang mit dem Gespräch am 23.05.2006 die konkrete Gefahr
gesehen hat, dass die Liste in die Hände der Vertreter der XY und damit „nach außen“ gelangt ist, hat er
weder unmittelbar nach Kenntniserlangung noch später etwas in dieser Angelegenheit unternommen. So
hätte zunächst jedenfalls eine Aufklärung des Sachverhalts durch Kontaktaufnahme mit dem Kläger bzw.
mit Frau C sowie die Information von Vorgesetzen nahe gelegen. Durchaus angezeigt gewesen wäre aber
auch eine Kontaktaufnahme mit den Verhandlungspartnern und - für den Fall, dass diese tatsächlich im
Besitz der Liste sind - ggf. Absprachen über die weitere Verwendung der Liste sowie die Klarstellung
gewesen, dass sich derartige Informationen oder deren Benutzung bis zum Abschluss des Vertrags
verbieten. Dass derartiges passiert wäre, ist nicht ersichtlich, obwohl die Beteiligten in dieser Phase der
Verhandlungen in häufigem und engem Kontakt standen und der Zeuge A von der realen Möglichkeit
ausgehen musste, dass die Vertreter des Verhandlungspartners mit der Liste arbeiten. Dabei ist
insbesondere darauf abzuheben, dass der Zeuge A unstreitig eng mit dem mutmaßlichen Empfänger der
Liste, Herrn C, zusammenarbeitete. Vor diesem Hintergrund steht das im Umgang mit der an das
Zentrallabor übersandten Liste zum Ausdruck kommende „Desinteresse“ des Zeugen A in einem klaren
und nicht erklärbaren Missverhältnis zu der Absolutheit, mit der er die Praxis der Reagenzienzentrale in
Bezug auf die Geheimhaltung von Preisen beschrieben hat.
212 Widersprüchlich erscheint dieses Verhalten des Zeugen A ferner mit Blick auf seine Ausführungen in der
Stellungnahme vom 08.05.2008 an Herrn J (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. II, S. 419 ff.). Dort hat er u.a.
erklärt, hätte er tatsächlich die E-Mail des Zeugen C vom 24.05.2006 erhalten, hätte er dieses
Missverständnis unverzüglich ausgeräumt. Gerade vor dem Hintergrund der vom Zeugen A bekundeten
Haltung, die Mitteilung von Preisen nach außen sei generell tabu gewesen, und angesichts seiner Funktion
als Leiter der Reagenzienzentrale und Vorgesetzter des Zeugen B vermag der Senat nicht
nachzuvollziehen, dass die anzunehmende Gefahr eines - mutmaßlich - gravierenden Pflichtverstoßes bzw.
mittlerweile dessen Realisierung ohne ersichtliche Reaktion seinerseits geblieben ist. Der Senat hat in der
mündlichen Verhandlung anhand der insoweit ausweichenden Einlassung des Zeugen den Eindruck
gewonnen, dass dieser es erkennbar vermied, die eigene Verantwortung als Leiter der Reagenzienzentrale
für diesen Vorgang überhaupt in den Blick zu nehmen. So hat er sich insbesondere darauf konzentriert, die
Vorgehensweise des Zeugen B zu beschreiben und kritisch zu bewerten („Ich habe ja mit Herrn B auch
nochmal über diese Formulierung gesprochen. Also ich hätte sie für mich so nicht gewählt.“), seine eigene
Haltung und sein diesbezügliches Verhalten aber ausgeblendet. Dies ist nach Auffassung des Senats
insbesondere in Anbetracht der Funktion des Zeugen nicht plausibel (vgl. Anlage 1, S. 16, 22).
213 Erheblich verstärkt werden diese Widersprüche und Ungereimtheiten durch Angaben, die der Zeuge A zu
der von ihm verfassten Stellungnahme vom 08.05.2008 an Herrn J, den Leiter des Geschäftsbereichs
Personal, Kooperationen und Wirtschaft, gemacht hat. Unter dem 28.04.2008 hatte ihn dieser davon in
Kenntnis gesetzt, dass in einem Ersuchen der Landespolizeidirektion ... an das Universitätsklinikum vom
22.04.2008 Sachverhalte geschildert würden, die zum Teil im Widerspruch zu bisher von ihm, dem Zeugen
A, getätigten Aussagen stünden, und (unter auszugsweiser Wiedergabe einer Passage aus dem Schriftsatz
von Rechtsanwalt ... vom 21.02.2008) aufgefordert, u.a. zum Vorwurf Stellung zu nehmen, vor
Vertragsschluss mit der Fa. M seien von offiziellen Verhandlungsführern der Uniklinik nicht nur
Einzelinformationen gegeben worden, sondern sei eine Liste der Preise des Beklagten über die
Laborreagenzien überlassen worden. In der daraufhin verfassten Stellungnahme hat der Zeuge A
allerdings weder die E-Mail des Zeugen B noch die dieser beigefügte ABC-Analyse erwähnt. Vor allem ist er
mit keinem Wort auf die in der E-Mail geäußerte Befürchtung oder auf die vom Zeugen B auch persönlich
mitgeteilten Bedenken hinsichtlich der an Frau C übersandten Liste eingegangen. Dies vermag der Senat
mit Blick darauf, dass der Zeuge doch jedenfalls unmittelbar nach seiner Urlaubsrückkehr im Juni 2006
Kenntnis von der Weitergabe der ABC-Analyse und der damit vom Zeugen B und ihm selbst gleichermaßen
erkannten Gefahr erhalten hat, dass diese Daten an Verantwortliche der XY gelangt sind, nicht
nachzuvollziehen.
214 Dieser Sachverhalt ist dem Zeugen A in der mündlichen Verhandlung vorgehalten worden. Er hat
daraufhin der Sache nach erklärt, die Fragestellung [im Schreiben von Herrn J] sei mehr auf seine Person
bezogen gewesen bzw. er habe sich darauf konzentriert, welche Rolle er gespielt habe (Niederschrift,
Anlage 1, S. 17 f.). Ferner hat er ausgeführt, er erinnere sich so, dass er gesagt habe, er sei in diesem
Zeitraum in Urlaub gewesen und deshalb mache er zu diesem Zeitraum keine Angaben. Deshalb habe er
diese Frage dort nicht näher beleuchtet bzw. nicht in der Stellungnahme festgehalten. Diese Einlassung
überzeugt nicht. Mit Blick auf Sinn und Zweck des Schreibens von Herrn J vom 28.04.2008 konnte kein
Zweifel daran bestehen, dass hier nicht lediglich eine auf die Person des Zeugen A beschränkte
Stellungnahme erbeten wurde. Auch steht die Einlassung des Zeugen ersichtlich im Widerspruch zum
Inhalt seiner Stellungnahme. Denn dort hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich seine Angaben
nicht auf die gegen seine Person gerichteten Vorwürfe beschränken, sondern sich - im Übrigen auch dem
Untersuchungszweck und seiner Verantwortlichkeit als Leiter der Reagenzienzentrale entsprechend - auf
den Vorwurf der Weitergabe von Preisinformationen durch die Reagenzienzentrale beziehen. Deutlich wird
dies etwa an den Formulierungen „Ich bleibe bei meiner Darstellung, dass eine umfassende Weitergabe von
Preisinformationen von der Reagenzienzentrale an die Fa. M erst ab September 2006 erfolgte!“
(Stellungnahme vom 08.05.2008, S. 4) sowie „eine Datenweitergabe am Tag danach [nach dem
23.05.2006] oder während meines Urlaub schließe ich aus“ (S. 8). Diese Darstellung bezieht sich
zweifellos auf eine Datenweitergabe der gesamten Reagenzienzentrale unter Einschluss eines etwaigen
Verhaltens des Zeugen B. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat eine hinreichend plausible Erklärung
dafür, weshalb der Zeuge A in der Stellungnahme seinem Vorgesetzten Informationen über die vom
Zeugen B übersandte Liste mit der ABC-Analyse und die diesbezüglich auch von ihm gehegte bzw.
nachvollzogene konkrete Befürchtung einer Weitergabe an die Verantwortlichen von XY vorenthalten hat,
nicht zu erkennen. Die insoweit hervorgerufenen Glaubwürdigkeitszweifel werden im Übrigen
unterstrichen durch das Aussageverhalten des Zeugen im Anschluss an den gerichtlichen Vorhalt. Der
Zeuge ist an diesem Punkt der Vernehmung ersichtlich „ins Schwimmen gekommen“, wie einzelne
Wendungen des ansonsten eher förmlich und gewandt formulierenden Zeugen belegen (vgl. im Einzelnen
Niederschrift, Anlage 1, S. 17 f.). Die in den Akten enthaltene Aktennotiz des Zeugen vom 08.05.2008
(enthalten in einem der Leitzordner des Beklagten) ist nicht geeignet, die aufgezeigten Zweifel aufzulösen.
215 Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen A, nach der Praxis der Reagenzienzentrale seien
Einkaufspreise streng vertraulich zu behandeln gewesen und dies sei auch vor dem Abschluss des
Rahmenvertrags mit der Fa. M so gehandhabt worden, ergeben sich aus weiteren Gesichtspunkten. In
seiner Stellungnahme an Herrn J vom 08.05.2008 (Akten Strafverfahren, Bd. II, 419 ff.) hat der Zeuge im
Betreff auf die „angebliche Übermittlung von Preisinformationen in großem Umfang an M“ Bezug
genommen. Auf Seite 3 hat er ausgeführt „Ich bleibe bei meiner Darstellung, dass eine umfassende
Weitergabe von Preisinformationen von der Reagenzienzentrale an M erst ab September 2006 erfolgte.“
und auf Seite 5 „Inhaltlich legt die E-Mail von Herrn C den Schluss nahe, bereits beim Kennenlerngespräch
am 23. Mai 2006 mit dem Labor XY und der M sei eine vollumfängliche Weitergabe von Daten,
insbesondere Preisen vereinbart worden.“ (Hervorhebungen jeweils nur hier). In der mündlichen
Verhandlung sind diese Formulierungen dem Zeugen vorgehalten worden mit dem Hinweis darauf, dass
diese dahingehend verstanden werden könnten, dass er in der Stellungnahme nicht ausgeschlossen habe,
dass es mit seinem Wissen jedenfalls in kleinem bzw. kleinerem Umfang oder in Einzelfällen zu einer
Übermittlung von internen Daten des Klinikums, insbesondere Einkaufspreisen an die Fa. M gekommen ist.
216 Er hat daraufhin zunächst erklärt, diesen Begriff „vollumfänglich“ nur deshalb gewählt zu haben, um auf
die Diskrepanz zu dem Zustand nach dem Vertragsschluss aufmerksam zu machen, in dem praktisch
täglich in großem Umfange diese Informationen an den Zeugen C geflossen seien, der sie dann
weitergeleitet habe an XY. Auch im Detail seien aber keine Preise weitergeben worden vor dem
01.09.2006. Auf weitere Nachfrage hat er bekundet, es gebe „natürlich immer einen Bereich, den sie
weitergeben können“. So müsse man immer ein Mengengerüst einem möglichen Partner oder jemandem,
der ein Angebot abgeben möchte, zur Verfügung stellen (Niederschrift, Anlage 1, S. 20). Zu seinem
Verständnis der von ihm gewählten Formulierung hat er ausgeführt: „Ich verstehe Ihre Frage so, dass Sie
sagen, dass ich immer von vollumfänglichen und von großen Mengen rede, um zu sagen, das natürlich
nicht, aber im Detail darf man schon mal Preise. Preise definitiv nicht. Also gemeint ist damit, wenn ich
über Konditionen rede, vollumfänglich heißt, ich gebe alles preis, ich sage Menge und Preis dazu.“ Diese
Einlassung überzeugt nicht. Dies gilt vor allem deshalb, weil der Zeuge das Adjektiv „vollumfänglich“ bzw.
„umfassend“ ausweislich der ihm vorgehaltenen Formulierungen durchgehend (lediglich) auf
„Preisinformationen“ bezogen hat und nicht allgemein auf Vertrags-Konditionen. Damit liegt eine Lesart,
wonach er mit den Formulierungen lediglich die Möglichkeit der Preisgabe anderer als Preisinformationen,
etwa die Mitteilung eines Mengengerüsts, impliziert habe, fern. Hiergegen spricht auch, dass auch andere
der damals von ihm verwandten Formulierungen das im vorliegenden Verfahren behauptete „absolute“
Verbot der Weitergabe von Preisinformationen nicht nahelegen. So hatte er etwa in einer E-Mail vom
22.01.2008 an Frau Dr. O (enthalten in den Akten des Beklagten) explizit von einem „Ermessenspielraum
der Reagenzienzentrale“ bei der Weitergabe von internen Daten gesprochen, wobei Preisinformationen
nicht ausgespart wurden („Es hätte den Ermessenspielraum der Reagenzienzentrale bei weitem
überschritten, wenn wir interne Daten in großem Maßstab am M weitergeben.“). Lediglich ergänzend
weist der Senat darauf hin, dass auch ein vom Zeugen C erstelltes Protokoll vom 07.07.2006 über ein im
Vorfeld des Rahmenvertrags erfolgtes Gespräch mit dem Zeugen A darauf hindeutet, dass letzterer diesem
durchaus Informationen über Einkaufspreise mitgeteilt hat (BMO Reg.-Nr. 20: „Laut A zahlt die UKF ca.
10.000,-- EUR pro PCR-Analyse. A verwies auf die Lizenzproblematik bei der PCR[?] Sollte durch die Fa. M
eine Reduktion der Kosten pro PCR-Analyse erreichbar seien, so könnte er direkt an Herrn Dr. W melden,
dass die Klärung der U-Frage für eine unmittelbare Lösung des Problems der Kosten für die PCR-Analysen
dringend zu erfolgen hat. Dies würde den Druck auf Herrn R erhöhen.“).
217 Danach hat der Senat ganz erhebliche Zweifel an den Aussagen der Zeugen A und B zum absoluten
Ausschluss einer Preisweitergabe. Diese Zweifel werden durch drei weitere Gesichtspunkte erhärtet,
denen der Senat besondere Bedeutung für die Beweiswürdigung beimisst.
218 Erstens hat der Senat die Überzeugung davon gewonnen, dass bei den Mitarbeitern des Beklagten,
insbesondere bei dem Zeugen A, von Anfang an ein außerordentlich großes Interesse bestand, die mit dem
„gespaltenen Markt“ verbundene unbefriedigende Kostensituation mit Hilfe der XY zu „überwinden“ und
dieses Ziel so schnell wie möglich zu verwirklichen. Nach eigenen Angaben bemühte sich der Beklagte
mindestens seit dem Jahr 1999, die mit dem gespaltenen Markt (Preise insbesondere für niedergelassene
Labormediziner sowie Laborgesellschaften bis zu 10mal günstiger als für Krankenhäuser) verbundenen
Kostennachteile für das Klinikum bei der Beschaffung von Reagenzien und Diagnostika zu beseitigen bzw.
zu mindern. Durch die Kontaktaufnahme mit der XY und dem Angebot eines Rahmenvertrags bot sich aus
der Sicht des Beklagten erstmals die Chance, den gespaltenen Markt „aufzubrechen“ und damit enorme
Kosteneinsparungen zu realisieren (vgl. Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 07.01.2008;
Gutachten Prof. Dr. B vom 13.01.2008, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1095 ff., 1097 f.). Der Sache nach
wird dies durch die Bekundungen der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen bestätigt. So
hat der Zeuge A dort ausdrücklich erklärt, dass von Anfang an ein Einsparpotenzial im sechsstelligen
Bereich, d.h. ein Betrag von über 100.000,-- EUR zur Diskussion gestanden und dass ein großes Interesse
seitens des Beklagten bestanden habe, dieses Einsparpotential mit Hilfe der XY zügig zu realisieren (vgl.
Niederschrift, Anlage 1, S. 4, 6; vgl. auch dessen Protokolle vom 23.05.2006, vom 13.06.2006 und vom
18.08.2006 mit der Überschrift „Optimierung des Einkaufs von Reagenzien“, VGH-Akte, S. 345 f., S. 349 f.,
353 f.). Die Zeugen C und E haben plastisch und überzeugend geschildert, mit welchem Einsatz und
Nachdruck die Vertreter des Beklagten, insbesondere der Zeuge A, das Ziel eines Vertragsabschlusses
verfolgten (vgl. Niederschrift, Anlage 3, S. 11; Anlage 4, S. 2, 21, 25). Tatsächlich konnten durch den
Rahmenvertrag in der Folge ganz erhebliche Kosteneinsparungen zugunsten des Beklagten realisiert
werden (vgl. Schreiben des damaligen Kaufmännischen Direktors an das MWK vom 19.05.2009, S. 742 der
Akte des Beklagten; vgl. auch den Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 12.12.2007, enthalten
in der Akte des Beklagten). Das außergewöhnlich starke Interesse der Mitarbeiter des Beklagten an der
Realisierung des Rahmenvertrags fand nicht zuletzt darin Ausdruck, dass dem Zeugen C mietweise
Räumlichkeiten im Gebäude bzw. auf dem Klinikumsgelände des Beklagten zur Verfügung gestellt wurden
(vgl. Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 227; Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S.
963).
219 Zusätzlich ist festzuhalten, dass der Zeuge A die Frage, ob er mit dem Zeugen C kommuniziert und
zusammengewirkt habe, auch um Voraussetzungen für den Rahmenvertrag im eigenen Haus zu schaffen,
ausdrücklich bejaht hat (Niederschrift, Anlage 1, S. 6). An anderer Stelle hat er einen gegenseitigen
Informationsaustausch mit dem Zeugen C, etwa im Hinblick auf ein Treffen mit der U, bestätigt
(Niederschrift, Anlage 1, S. 24 f.). Dem entspricht es, dass die zahlreichen vom Zeugen C gefertigten
Protokolle über Treffen und Gespräche mit dem Zeugen A ein sehr kooperatives Vorgehen und einen sehr
offenen Austausch der Verhandlungspartner, insbesondere der Zeugen A und C, etwa auch beim Umgang
mit „Hindernissen“ im Vorfeld des Rahmenvertrags belegen. Exemplarisch kann auf das Protokoll des
Zeugen C vom 27.07.2006 verwiesen werden, wonach der Zeuge A den Zeugen C vom Inhalt seines
Anrufs bei Herrn K, dem Sprecher der U, in Kenntnis gesetzt und dabei auch über die Einladung zu einer
Arbeitsgruppensitzung der U am 14.08.2006 in ... informiert hat (vgl. die in der mündlichen Verhandlung
vorgehaltenen Protokolle vom 07.07.2006, BMO Reg.-Nr. 20, sowie vom 13.07.2006, BMO Reg.-Nr. 21).
220 Zweitens ist der Senat nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Vertreter des Beklagten von
Anfang an davon ausgingen, dass die XY nicht als Wettbewerber im Verhältnis zu anderen Lieferanten
auftrat, sondern vielmehr als ein mit besonderer Einkaufsmacht ausgestatteter „Großhändler“, der in der
Lage war, eine Win-win-Situation herbeizuführen: Bei Beibehaltung der Lieferantenstruktur und der
Konditionen mit sämtlichen Lieferanten sollten dem Beklagten erhebliche Einsparungen ermöglicht und
gleichzeitig noch ein Gewinn für die Fa. M erwirtschaftet werden.
221 Die Zeugen A und B gingen jedenfalls im Grundsatz bereits nach dem ersten persönlichen Kontakt am
23.05.2006 davon aus, dass es sich um ein neues Geschäftsmodell handelte, für das eine Konkurrenz nicht
ersichtlich war, dass die Fa. M mithin nicht in Konkurrenz zu Mitbewerbern stand (vgl. Niederschrift, Anlage
1, S. 9 [„Wir haben das als Alleinstellungsmerkmal erkannt, dass hier zum ersten Mal ein niedergelassenes
Labor als Großhändler fungiert.“], 10 f., 21 f. [Absolut. Mitbewerber gab es nicht und vor allem, es wurde ja
an der Lieferantenstruktur nichts geändert.], 29: [„Und dann war es an für sich so, dass hier uns eröffnet
wurde, wie das Geschäftsmodell aussehen könnte, nämlich XY mit nur einer Ausgründung M als
Großhändler für uns.“; 34 [„Und es war für Sie ein neues Modell, dass Sie bisher noch nicht gekannt
haben? Ja.“]; vgl. auch A, Stellungnahme vom 08.05.2008, Akten Strafverfahren, Bd. II, S. 419, sowie
Protokoll vom 23.05.2006, VGH-Akte, S. 345; B, Niederschrift, Anlage 2, S. 3 f., 12). Das gilt umso mehr,
als der Kläger unstreitig bereits vor dem Gespräch am 23.05.2006 Kontakt mit dem Zeugen A
aufgenommen hatte und einiges dafür spricht, dass hierbei - jedenfalls in groben Zügen - die Möglichkeit
des neuartigen Geschäftsmodells einschließlich der Rolle der XY als „Großhändler“ beschrieben worden war
(vgl. die Vernehmung des Zeugen A im Strafverfahren, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 226 f.;
Telefonprotokoll vom 27.03.2006, VGH-Akte, S. 343).
222 Diese etwa auch durch die Bekundungen des Zeugen C (Niederschrift, Anlage 3, S. 8, 28 ff.) gestützte
Würdigung wird mit der - auf die Frage des Beklagten-Vertreters erfolgte - Angabe des Zeugen A, die Frage
des Vergabeverfahrens sei zu diesem Zeitpunkt (29.05.2006) noch nicht diskutiert worden bzw. es müsse
nach seinem Urlaub (11.06.2006) gewesen und in die Zeit Juni/Juli 2006 gefallen sein, als man das habe
eruieren können, dass hier keine Mitbewerber da seien (Niederschrift, Anlage 1, S. 34), nicht ernsthaft in
Frage gestellt. Auch wenn zum damaligen Zeitpunkt noch keine förmliche Prüfung und Feststellung erfolgt
war, schließt das nicht aus, dass die Vertreter des Beklagten von Anfang an von der Annahme ausgingen,
dass es für dieses Angebot keine Mitbewerber gab. Darauf deutet etwa die Aussage des Zeugen A hin:
„Nur wir hatten diese [vergaberechtliche Frage] intern eigentlich so besprochen: Wir haben das als
Alleinstellungsmerkmal erkannt, dass hier zum ersten Mal ein niedergelassenes Labor als Großhändler
fungiert.“ (Anlage 1, S. 9). Unabhängig davon wirft das Procedere des Beklagten im Vorfeld des
Rahmenvertrags mit der Fa. M im Zusammenhang mit den Vorgaben des Vergaberechts ohnehin zahlreiche
Fragen auf, was den Beweiswert der diesbezüglichen Angaben des Zeugen A mindert. Hinzuweisen ist
insbesondere auf die deutliche Kritik, die in einem Vermerk des MWK vom 04.06.2009 („Rechtsaufsicht
gegenüber dem Universitätsklinikum ... im Hinblick auf Rahmenvertrag mit M GmbH wegen
Vergaberechtsverstößen und Vorteilsannahme“) und einem späteren Schreiben des Ministerialdirektors
vom 20.07.2009 (Akten des MWK, S. 636) geäußert wurde. So erscheint nach wie vor nicht hinreichend
geklärt, warum ein Vergabevermerk erst nach Vertragsschluss, nämlich am 28.09.2006 gefertigt wurde,
und ob bzw. inwieweit man überhaupt vergaberechtliche Überlegungen im Vorfeld des Vertragsschlusses
angestellt hat. Unklar bleibt auch, warum das Gutachten von Prof. Dr. B vom 13.01.2008 erst so spät
beauftragt wurde. Die Bekundungen des Zeugen A zu dem Vermerk vom 28.09.2008 bei seiner
Vernehmung in der mündlichen Verhandlung haben sich jedenfalls als widersprüchlich und außerordentlich
unzureichend erwiesen (vgl. Niederschrift, Anlage 1, S. 7 ff.). Namentlich hat er in eindeutigem
Widerspruch zu seiner Aussage im Strafverfahren („Ich habe hierüber einen Aktenvermerk zu diesem
Rahmenvertrag gefertigt. Er datiert vom 28.09.2006.“) in der mündlichen Verhandlung bekundet, er kenne
diesen Vermerk nicht (Anlage 1, S. 8), was nicht mit nachlassender Erinnerung erklärt werden kann
angesichts seiner Erinnerungsfähigkeit in Bezug auf andere Fragen. Auch bei seinen weiteren Antworten in
diesem Zusammenhang hatte der Senat den Eindruck, der Zeuge weiche einer Darstellung der
tatsächlichen Vorgänge und Überlegungen im Zusammenhang mit dem Vergaberecht aus (vgl. Anlage 1, S.
8 ff.). Bereits bei seiner Vernehmung im Strafverfahren hatte der Zeuge in diesem Zusammenhang wenig
konkrete Angaben gemacht (Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 229). Erhärtet wird dieser Befund durch die
sehr unbestimmten Angaben des Geschäftsbereichsleiters J in seinem Aktenvermerk vom 07.01.2008 unter
2. Prüfung des Vergabeverfahrens.
223 Bei dieser Sachlage geht der Senat davon aus, dass die Problematik des Vergaberechts trotz des
erheblichen Umfangs der geplanten Vertragsbeziehung von den Vertretern des Beklagten jedenfalls
zunächst nicht oder nicht hinreichend gesehen worden war, weil das Angebot von Anfang an als neues
und ausschließlich von der XY angebotenes Geschäftsmodell mit Pilotcharakter verstanden wurde und weil
das enorme Interesse an der Realisierung der sich bietenden Möglichkeit den Blick auf etwaige rechtliche
bzw. vergaberechtlichen Hindernisse verstellte. Dabei deutet einiges darauf hin, dass die Notwendigkeit
einer Ausschreibung jedenfalls nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt in den Blick genommen
wurde (vgl. auch den Vermerk des MWK vom 04.06.2009).
224 Auch vor diesem Hintergrund und auch mit Blick darauf, dass die XY aufgrund ihrer Stellung auf dem Markt
bzw. ihrer Einkaufsmacht in den Verhandlungen mit dem Beklagten über eine starke Position verfügte,
liegt es deshalb nahe, dass seitens der Mitarbeiter des Beklagten eine grundsätzliche Bereitschaft und
Neigung bestand, vom künftigen Vertragspartner angeforderte bzw. erbetene Informationen diesem zur
Verfügung zu stellen, um sich die sich erstmals bietende Chance nicht entgehen zu lassen.
225 Drittens dürfte bei der Würdigung des (Aussage-) Verhaltens des Zeugen A dem Umstand Bedeutung
zukommen, dass seine Stellungnahme im Zusammenhang mit dem Ersuchen der Landespolizeidirektion
vom 22.04.2008 stand, in dem der Beklagte um eine Stellungnahme auch zu gegen die Mitarbeiter der
Reagenzienzentrale erhobenen Vorwürfen gebeten worden war. Dies wurde seitens der Verwaltung des
Beklagten zum Anlass genommen, den Sachverhalt näher aufzuklären und insbesondere den Zeugen A mit
diesen Vorwürfen zu konfrontieren (vgl. Aktenvermerk des Geschäftsbereichsleiters J vom 28.04.2008
sowie dessen Schreiben an den Zeugen A vom gleichen Tage; vgl. auch bereits die E-Mail der Leiterin der
Stabsstelle Rechtsangelegenheiten vom 22.01.2008 an den Zeugen A, enthalten in den Akten des
Beklagten). Hinzu kommt, dass der ehemalige Kaufmännische Direktor des Beklagten in der
diesbezüglichen Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 09.05.2008 die
Geheimhaltungspflichten der Mitarbeiter der Reagenzienzentrale mit der - ihrer Informationspraxis
widersprechenden - Aussage konkretisiert hatte: „Zur Weitergabe von Informationen über Einkaufsmengen
und Einkaufspreisen an Dritte ohne Rücksprache mit der Verwaltung, der Abteilung Materialwirtschaft, ist
niemand autorisiert.“ Vor diesem Hintergrund liegt es nicht fern, dass hier von dem Zeugen A das
ernsthafte Risiko gesehen wurde, sich bzw. seinen Mitarbeiter durch entsprechende Angaben dem
Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auszusetzen und sich selbst zu belasten. Ferner kann es erklären,
weshalb in dem vom Zeugen A gefertigten Protokoll über die Sitzung vom 23.05.2006 ein seitens der
Verantwortlichen der XY geäußerter Wunsch nach Offenlegung der Einkaufspreise nicht thematisiert
worden ist. Vor diesem Hintergrund begegnet auch die in der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom
06.08.2010 erfolgte Einstufung des Zeugen B als „neutral“ Zweifeln.
226 Schließlich ist festzuhalten, dass die - den Vorgang um die E-Mail des Zeugen B und die Übersendung der
ABC-Analyse an das Zentrallabor aussparende - Stellungnahme des Zeugen A im Ergebnis dazu führte,
dass dieser Vorgang auch nicht Eingang in die genannte Stellungnahme des Kaufmännischen Direktors des
Beklagten fand, in der in erheblichem Umfang auf die Stellungnahme des Zeugen A Bezug genommen bzw.
diese wiedergegeben wurde (vgl. insbesondere die Ausführungen zu den Sachverhalten 4 und 7). Obwohl
nach der damaligen Beurteilung der Mitarbeiter der Reagenzienzentrale mit der Übersendung der ABC-
Analyse die konkrete Gefahr eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht verbunden war und dies
ersichtlich Relevanz für die Beurteilung der im Strafverfahren gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe hatte,
wurde damit letztlich „vermieden“, dass dieser Vorgang seitens des Beklagten zum Gegenstand des
Ermittlungsverfahren gemacht wurde. Diese Vorgehensweise gibt jedenfalls Anlass zu Zweifeln an der
Bereitschaft bzw. am Willen des Zeugen A, vorbehaltlos und uneingeschränkt an der Aufklärung des
Sachverhalts mitzuwirken.
227 (β) Selbst wenn von dem Verdacht auszugehen wäre, dass der Kläger die Weitergabe der Liste „ABC-
Analyse der Artikel des Zentrallabors“ veranlasst hätte, bestünden jedenfalls erhebliche Zweifel daran,
dass es sich insoweit um einen hinreichend gewichtigen, eine sofortige Kündigung rechtfertigenden Verstoß
gegen die Verschwiegenheitspflicht handeln würde. Zusätzlich zu den bereits oben unter (aaa)
aufgezeigten Gesichtspunkten spräche insoweit gegen einen durch den Pflichtverstoß begründeten
Vertrauensbruch, dass sich der Kläger mit diesem Verhalten aller Wahrscheinlichkeit nach lediglich im
Rahmen der Praxis der Reagenzienzentrale bewegt hätte. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
spricht vieles dafür, dass die Mitarbeiter der Reagenzienzentrale jedenfalls gegenüber den
Verantwortlichen von XY im Vorfeld des Abschlusses des Rahmenvertrags Einkaufspreise nicht als
geheimhaltungsbedürftig behandelt haben. Zur weiteren Begründung wird auf die Darstellungen unter (α)
Bezug genommen. Wäre ein entsprechendes Verhalten des Klägers somit in das Handeln der zuständigen
Mitarbeiter aus der Reagenzienzentrale eingebettet gewesen, trüge die Verwaltung des Beklagten in
erheblichem Maße Mitverantwortung für die Pflichtverletzung. Auch dies stünde der Annahme eines
Vertrauensbruchs entgegen.
228 (bb) Preisgabe sonstiger Interna des Beklagten
229 (aaa) In der Anklageschrift vom 17.07.2009, auf die der Beklagte zur Begründung der Verdachtskündigung
Bezug genommen hat, wurde dem Kläger ferner vorgeworfen, den Zeugen C am 08.02.2006 davon
unterrichtet zu haben, dass am 20.02.2006 eine Besprechung des Vorstands des Beklagten stattfinden
werde, im Rahmen dessen das Thema „.../...“ behandelt werden solle. Gestützt wird dieser Vorwurf auf
eine E-Mail des Zeugen C an den Zeugen E vom 08.02.2006, in der es über die genannten Informationen
hinausgehend heißt: „Meine Vermutung geht dahin, dass der Klinikvorstand ein MVZ mit ... nahe legen
will. Meine Bitte wäre daher an Sie, uns eine grobe Skizze für ein gemeinsames MVZ zukommen zu lassen,
damit Prof. X bei dem Treffen am 20. Februar gezielt agieren kann“ (BMO Reg.-Nr. 5).
230 Tatsächlich fand am 20.02.2006 keine Klinikumsvorstandssitzung, sondern ein „internes Gespräch“ statt,
an dem „Herr Professor B, Herr Dr. W, Herr B, Herr J und Herr Professor X“ teilgenommen haben und in
dem der Vorschlag von ... - einer Ausgründung des Beklagten - erörtert wurde, die ... als Mitgesellschafter
in die ... aufzunehmen; die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums war nicht
Gesprächsgegenstand (vgl. die Stellungnahme des damaligen Kaufmännischen Direktors des Beklagten
vom 09.05.2008, Akten Strafverfahren, Bd. II, S. 403 ff., sowie die Einlassung des Klägers, Schriftsatz RA
... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 957). Worauf sich vor diesem Hintergrund die
Vermutung des Zeugen C gründete, der Klinikvorstand werde ein MVZ mit ... nahe legen, ist nicht
erkennbar. Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger geäußert hat, dass Thema des Gesprächs
die Frage eines MVZ sein werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, welchen objektiven Nutzen
die Information des Klägers für den Zeugen C bzw. die Vertreter der XY - zumal in diesem sehr frühen
Stadium der Kontakte zwischen dem Kläger und D bzw. den Vertretern der XY - gehabt haben sollte.
Deshalb bestehen nach Auffassung des Senats aber auch erhebliche Zweifel daran, dass der Weitergabe
der Information über das am 20.02.2006 stattfindende Gespräch nennenswerte Geheimhaltungsinteressen
des Beklagten entgegenstanden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nachvollziehbar
dargelegt hat, dass es sich bei den beiden Firmen nicht um Marktkonkurrenten der Fa. M gehandelt hat.
Selbst wenn insoweit aber von dem Verdacht eines vom Kläger verschuldeten Verstoßes gegen seine
Verschwiegenheitspflicht ausgegangen werden müsste, könnte keinesfalls angenommen werden, dass
dessen Gewicht geeignet wäre, die zwischen den Beteiligten bestehende vertragliche Vertrauensbasis
ernsthaft in Frage zu stellen und eine Kündigung des Dienstvertrags zu rechtfertigen.
231 (bbb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Senat außerdem bereits ernsthafte Zweifel daran,
dass der Zeuge C die Information über ein am 28.07.2006 anstehendes Gespräch zwischen
Verantwortlichen des Beklagten und einem Vertreter der Beratungsgesellschaft ... überhaupt vom Kläger
erhalten hat.
232 Der Zeuge C hat in der mündlichen Verhandlung zunächst angegeben, er könne nicht sagen, ob er die
Information über das Treffen vom Zeugen A oder vom Kläger erhalten habe. Nachdem ihm das von ihm
verfasste Protokoll vom 27.07.2006, BMO Reg.-Nr. 24, vorgelegt und auszugsweise vorgehalten worden
war, hat er bekundet, dass der Zeuge A mit ihm über das Treffen gesprochen habe, und schließlich erklärt,
dass er die Information vom Zeugen A habe und dass er ausschließe, sie vom Kläger zu haben
(Niederschrift, Anlage 3, S. 12). Ein starkes Indiz für die Richtigkeit dieser Bekundung stellen die oben
getroffenen Feststellungen zu dem sehr offenen Austausch dar, den die Zeugen A und C bei ihren
Gesprächen im Vorfeld des Abschlusses des Rahmenvertrags gepflegt haben. Insbesondere hat der Zeuge A
den Zeugen C auch in anderen Zusammenhängen über Termine informiert (vgl. Protokoll vom 13.07.2006,
BMO Reg.-Nr. 21, [Treffen am 17.07.2006 bei Herrn R]; Protokoll vom 27.07.2006 [Termin bei der U in ...
am 14.08.2006]).
233 Die sich hieraus ergebenden Zweifel an einer Verantwortlichkeit des Klägers werden durch die
Bekundungen des Zeugen A nicht ausgeräumt. Er hat in der mündlichen Verhandlung nach Vorhalt der
Protokolls vom 27.07.2006 auf die Frage, ob er mit dem Zeugen C über „diese beiden Treffen [..., U] im
Vorfeld gesprochen“ habe, erklärt, sich in Bezug auf das Treffen mit ... nicht erinnern zu können. In seiner
Stellungnahme vom 08.05.2008 hat er zwar bestritten, an dem - vom Zeugen C protokollierten - Termin
am 26.07.2006 teilgenommen und hierbei Kenntnis von Gesprächen über ... erlangt zu haben. Dieser
Stellungnahme misst der Senat allerdings lediglich einen begrenzten Beweiswert zu. Denn sie ist
ersichtlich von der Motivation getragen, die gegen ihn der Sache nach erhobenen Vorwürfe von
Dienstvergehen auszuräumen. Deutlich wird dies insbesondere daran, dass der Zeuge den Versuch macht,
an einzelnen Beispielen die Unzulänglichkeit der Aufzeichnungen des Zeugen C insgesamt aufzuzeigen:
„Meine Ausführungen zu dieser Frage haben gezeigt, dass Herrn Cs Ausführungen nachweislich mit so
wenig Akkuratesse gefertigt wurden, dass sie insgesamt zur Bewertung von Vorgängen nicht
zweckdienlich sind.“ Diese ersichtlich zu weit gehende Schlussfolgerung wird dem Beweiswert der
Protokolle des Zeugen C nicht gerecht. Auch wenn die Aufzeichnungen in wenigen einzelnen Punkten
(etwa Daten, Gesprächsteilnehmer) unrichtig sein mögen, besteht für den Senat kein Zweifel, dass sie die
sehr offene Kommunikation zwischen dem Zeugen A und dem Zeugen C im Vorfeld des Rahmenvertrags im
Grundsatz zutreffend wiedergeben. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass der Zeuge A den Zeugen C
unabhängig von einem Gespräch am 26.07.2006 über das Treffen mit ... in Kenntnis gesetzt hat.
234 Unabhängig davon bleibt die Bedeutung der angeblichen Information weitgehend im Unklaren. Denn es
kann davon ausgegangen werden, dass bei dem turnusmäßigen Gespräch mit einem Vertreter der
Beratungsfirma ... am 28.07.2006 das Thema „M“ überhaupt nicht zur Sprache kam (vgl. die
Stellungnahme des Zeugen A vom 08.05.2008). Deshalb dürfte kaum feststellbar sein, welche
berechtigten Geheimhaltungsinteressen des Beklagten hier berührt gewesen wären. Jedenfalls wäre der
diesbezügliche Verdacht eines vom Kläger verschuldeten Verstoßes gegen seine Verschwiegenheitspflicht
vor dem Hintergrund des sehr offenen Informationsaustauschs zwischen den Zeugen A und C auch im
Hinblick auf Termine von Besprechungen zu sehen und zu bewerten. Gerade mit Blick auf die dem
Beklagten danach zuzurechnende Mitverantwortung seiner Mitarbeiter aus dem Verwaltungsbereich
spricht vieles dafür, dass nur von einer geringfügigen, nicht mit einer nennenswerten
Vertrauensbeeinträchtigung einher gehenden Pflichtverletzung des Klägers auszugehen wäre, die allenfalls
mit einer Abmahnung zu ahnden wäre.
235 (ccc) Dem Kläger wird weiter vorgeworfen, unter Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht die Zeugen
C, D und E am 26.10.2006 über den Inhalt einer Besprechung informiert zu haben, die er am 10.10.2006
mit Vertretern der ... bzw. des Labors ... geführt hatte. Aus dem vom Zeugen C gefertigten Protokoll vom
26.10.2006 (BMO Reg.-Nr. 28) ergibt sich, dass der Kläger den Zeugen C über dieses Treffen informiert hat.
236 Gegen die Geheimhaltungsbedürftigkeit der dabei mitgeteilten Informationen spricht bereits der Zeitpunkt
des Gesprächs, das ersichtlich nach dem am 01.09.2006 erfolgten Abschluss der fünfjährigen
Rahmenvereinbarung zwischen dem Beklagten und der Fa. M stattfand. Die Informationen über das Treffen
waren deshalb ersichtlich nicht geeignet, den Inhalt oder die Gestaltung des Rahmenvertrags zu
beeinflussen oder die Position des Beklagten zu beeinträchtigen (vgl. auch Niederschrift, Anlage 4, S. 27).
Für den Senat ist aber auch nicht erkennbar, dass in anderer Hinsicht ein berechtigtes Interesse des
Beklagten bestanden haben könnte, die anlässlich dieses Treffens mitgeteilten Inhalte gegenüber den
Vertretern von XY geheim zu halten. Dies gilt umso mehr, als es sich bei diesen Informationen um völlig
unverbindliche und - etwa zur „allgemeinen Laborplanung in ...“ außerordentlich unbestimmte
Erklärungen des ... gehandelt hat, die zudem gegenüber dem Kläger und nicht gegenüber einem
potenziellen Entscheidungsträger aus der Verwaltung des Beklagten erfolgt sind. Umgekehrt erscheint es
jedenfalls nachvollziehbar, dem Partner des fünfjährigen Rahmenvertrags Kenntnis von dem Versuch der ...
zu geben, diesen Partner „auszustechen“ bzw. vom Klinikum aktuell gezahlte Einkaufspreise für
Reagenzien in Erfahrung zu bringen.
237 (ddd) Aus den Beweismitteln, auf die in der Anklageschrift Bezug genommen wird, lassen sich keine
greifbaren Anhaltspunkte dafür ableiten, dass der Kläger den Zeugen C und D die „genaue Altersstruktur
der Belegschaft des Zentrallabors“ (so die Formulierung in der Anklageschrift) mitgeteilt hat. Der vom
Zeugen C erstellte Konzeptvorschlag vom 25.01.2007 für ein MVZ (BMO Reg.-Nr. 41) enthält die
Feststellung „Die Altersstruktur der Belegschaft des Zentrallabors weist viele Mitarbeiter auf, die kurz vor
der Verrentung stehen, so dass zügig eine „Verschlankung“ der Belegschaft erreicht werden kann.“ Weder
dem Konzeptvorschlag selbst noch anderen Beweismitteln lassen sich im Übrigen Hinweise darauf
entnehmen, dass der Zeuge C diese Information vom Kläger erhalten hat. Der Prozessbevollmächtigte des
Klägers im Strafverfahren hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Zeuge C bereits bei
Vertragsanbahnung im Jahr 2006 in den Räumen des Zentrallabors ein und ausgegangen ist und ihm im
weiteren Verlauf Räumlichkeiten auf dem Klinikumsgelände zur Verfügung gestellt wurden. Bei dieser
Sachlage liegt es nicht fern, dass die der im Konzeptvorschlag enthaltenen Feststellung zur Altersstruktur
zugrunde liegenden Informationen auf eigenen Beobachtungen des Zeugen C beruhen. Dies gilt umso
mehr, als die Feststellung außerordentlich unbestimmt ist („viele Mitarbeiter“, „kurz vor“ der Verrentung)
und ihr deshalb nur eine sehr begrenzte Aussagekraft zukommt. Daher erscheint es im Übrigen sehr
fraglich, ob es sich überhaupt um geheimhaltungsbedürftige Umstände gehandelt hat. Denn sie dürfte
nicht nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt gewesen sein.
238 (b) Auch den dringenden Verdacht eines Verstoßes gegen die Verpflichtung, bei der Erfüllung von
dienstvertraglich geschuldeten Aufgaben nicht unberechtigt eigene Vorteile wahrzunehmen, hat der Senat
nicht festzustellen vermocht.
239 (aa) Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich
versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit
wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im
öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs.
1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241
Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei
spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist.
Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr
allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen
Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben
unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Dabei reicht es aus, dass auf Grund des gewährten Vorteils
das Vertrauen in die Integrität von Trägern staatlicher Funktionen und in die Redlichkeit des Arbeitnehmers
erheblich erschüttert wird. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen des
Dienstherrn in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG, Urteile vom 26.09.2002 - 2 AZR 424/01 -, juris,
und vom 21.06.2001 - 2 AZR 30/00 -). Eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf den
zwischen den Beteiligten geschlossenen Dienstvertrag erscheint geboten.
240 Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur
außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG, Urteil vom 26.09.2002, a.a.O.). Die hierfür in der
Rechtsprechung der Arbeitsgerichte entwickelten Anforderungen gelten auch für eine Verdachtskündigung,
die - wie hier - als ordentliche Kündigung erklärt worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 18.06.2015, a.a.O.).
241 (bb) In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ... wurde dem Kläger vorgeworfen, er habe in
erheblichem Umfang Zuwendungen bzw. Vorteile angenommen bzw. sich versprechen lassen für eine den
Interessen der XY dienende Dienstausübung, insbesondere für die Unterstützung deren Bemühungen um
den Abschluss eines langfristigen Rahmenvertrags mit dem Beklagten über Laborverbrauchsmaterial. Dass
es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit einer Verbindung zwischen der Gewährung finanzieller Vorteile
und konkreten Verstößen des Klägers gegen seine Verschwiegenheitspflicht fehlt, ergibt sich bereits
daraus, dass keine entsprechenden Dienstpflichtverletzungen festgestellt werden konnten (vgl. die
Ausführungen unter [aa]). Aber auch eine Verknüpfung von Zuwendungen mit einer bloßen für die XY oder
die Fa. M günstigen Dienstausübung des Klägers hat sich mit dem hierfür erforderlichen
Wahrscheinlichkeitsgrad nicht feststellen lassen. Dabei geht der Senat jedenfalls im Grundsatz davon aus,
dass eine derartige Verknüpfung vorliegt, wenn der Vorteilsgeber mit dem Ziel handelt, auf die künftige
Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu nehmen oder und/oder seine vergangene Dienstausübung zu
honorieren, und dass hierbei eine Gesamtschau aller in Betracht kommenden Indizien zu erfolgen hat (vgl.
BGH, Urteil vom 14.10.2008 - 1 StR 260/08 -, BGHSt 53, 6 -, zur Unrechtsvereinbarung beim
Straftatbestand des § 331 Abs. 1 StGB).
242 Bereits das Verwaltungsgericht hat in nachvollziehbarer Weise angenommen, dass die diesbezüglichen,
seiner Ansicht nach schwerwiegenden Verdachtsmomente durch die Ergebnisse des Ergänzungsberichts
der Landespolizeidirektion ... vom 06.07.2010 derart abgemildert worden seien, dass sich die für einen
Vertrauensverlust des Beklagten notwendige Wahrscheinlichkeit für erhebliche Pflichtverletzungen des
Klägers in Gestalt von Vorteilsannahme und Bestechlichkeit nicht aufrechterhalten lasse. Unabhängig
davon hat der erkennende Senat auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nicht
festzustellen vermocht, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Verdachtskündigung eine große
Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass der gegen den Kläger erhobene Verdacht zutrifft. Insbesondere
sprechen erhebliche Gründe für die Richtigkeit der Einlassungen der Zeugen D und E, wonach diese dem
Kläger weder Vorteile gewährt noch Vorteile versprochen hätten, die im Zusammenhang mit dem
Abschluss des Rahmenvertrages zwischen der Fa. M und dem Beklagten gestanden hätten, und der Kläger
zu keinem Zeitpunkt Vorteile oder Zuwendungen gefordert oder verlangt habe (vgl. Akten Strafverfahren,
Bd. VII, S. 1659; S. 1871).
243 (aaa) Darlehen D
244 α) Darlehen Dezember 2015
245 Unstreitig hat der Zeuge D durch die von ihm vertretene Fa. L dem Kläger im Dezember 2015 ein Darlehen
in Höhe von 10.000,-- EUR gewährt, das am 28.12.2005 zur Auszahlung kam (vgl. Akten Strafverfahren,
BMO Reg.-Nr. 3). Der Senat geht davon aus, dass dieser Darlehensgewährung durch den Zeugen D
altruistische Motive zugrunde lagen und sie - entgegen der Darstellung in der Anklageschrift - in keinem
Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Klägers und dem Abschluss des Rahmenvertrags
zwischen der Fa. M und dem Beklagten stand.
246 In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge D bekundet, der Grund für das Darlehen sei die
Unterstützung eines Not leidenden alten Kollegen bzw. „kollegiale Empathie“ gewesen (vgl. Niederschrift,
Anlage 4, S. 10). Nach Auswertung der Akten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat
von der Glaubhaftigkeit dieser Aussage überzeugt.
247 Unstreitig kannten sich der Kläger und der Zeuge D seit dem Jahre 1980 aus ihrer gemeinsamen Tätigkeit
als Oberärzte am Universitätsklinikum in .... Nach der Darstellung des Zeugen hatte ein im Medizinbereich
tätiger Unternehmensberater, S, ihn im Jahre 2005 auf ein noch im Entwicklungsstadium befindliches
Krebs-Medikament, den Aromatasehemmer, aufmerksam gemacht und insoweit sein Interesse geweckt,
auch mit Blick darauf, dass die XY im gynäkologisch-endokrinologischen Bereich führend gewesen sei.
Nachdem Herr S auf die Frage nach dem für das Präparat verantwortlichen Wissenschaftler - zunächst -
lediglich darauf verwiesen gehabt habe, dass dieser aus ... komme, habe der Zeuge selbst erkannt, dass es
sich bei dem ... Wissenschaftler um den Kläger handelte, der ihm als Inhaber zahlreicher Patente und
Wissenschaftler mit innovativen Ideen bekannt gewesen sei. Daraufhin sei es zu einem Besuch des Klägers
in ... gekommen. Die detaillierte, anschauliche und schlüssige Darstellung des Zeugen, die im Einklang mit
seinen Bekundungen im Strafverfahren (vgl. den Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren,
Bd. III, S. 241 ff.), aber auch mit der dortigen Einlassung des Klägers steht (Schriftsatz RA ... vom
16.12.2009, Bd. V, S. 1017), erscheint dem Senat glaubhaft. Dies gilt insbesondere auch für die
Schilderung der näheren Umstände des ersten Besuchs des Klägers in .... So hat der Zeuge plastisch,
originell und unter Schilderung der eigenen Gefühlsregungen beschrieben, wie er den wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen „Absturz“ des Klägers wahrgenommen hat (Anlage 4, S. 8: „aus edler Familie, ...,
Nobelpreisträger, ...“; „Und X fuhr einen Saab Turbo und der S, mein damaliger Chef auch, ja. Mensch, ich
hab ihn immer beneidet, muss ich ehrlich sagen, ja. Er hatte einen Saab-Turbo. Also er hatte Kohle, kurz
gesagt, und ich nicht“; S. 9: „in dem verrosteten kleinen Panda kamen sie an“; „aber irgendwie, ich hab
gesehen, der ist in argen Nöten. Er hat offenbar Millionen, ein großes Familienvermögen, das er hatte, der
Wissenschaft geopfert und reingepulvert und ist auf die Schnauze gefallen, auf Deutsch gesagt.“).
Insgesamt hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass dem Zeugen das Schicksal bzw. die Situation
des Klägers persönlich sehr nahegegangen ist und er sich, als der Kläger eine entsprechende Bitte äußerte,
auch angesichts seiner komfortablen wirtschaftlichen Situation veranlasst sah, ihm aus kollegialer
Verbundenheit „unter die Arme zu greifen“. Er hatte sich auch bereits im Strafverfahren in dieser Weise
eingelassen (Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 219, 263). Die
altruistische Motivation liegt auch insoweit nahe, als der Zeuge in der mündlichen Verhandlung
nachvollziehbar und glaubhaft dargestellt hat, dass die Zahlung derartiger Beträge für ihn keine
nennenswerte Belastung darstellte (Anlage 4, S. 10: „relativ Kleingeld“) und er - anders als im Falle des
zweiten Darlehens - keine Sorge dafür getragen hatte, dass das Darlehen zurückgezahlt wird.
248 Für die Glaubhaftigkeit dieser Bekundungen spricht schließlich auch der Zeitpunkt der
Darlehensgewährung.
249 Nach den übereinstimmenden Darlegungen der Zeugen D und E war - dem Anlass der Kontaktaufnahme
mit dem Kläger entsprechend - Gegenstand der Gespräche mit diesem zunächst der Aromatesehemmer, für
den sich der Zeuge D in besonderer Weise fachlich interessiert zeigte (Niederschrift, Anlage 4, S. 8 f.). Dies
galt auch noch für die Besprechung, die am 31.01.2006 mit dem Kläger und dem Zeugen C im Labor XY in
... stattfand (Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 265; Zeugenvernehmung
E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1841). Nach den Bekundungen des Zeugen E, der bis zu diesem
Zeitpunkt weder den Kläger noch den Zeugen C kannte, war er zu der Besprechung hinzu gerufen
worden, um gegenüber dem Kläger Möglichkeiten zu erläutern, wie man in ... im Klinikum Kosten einsparen
könnte (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1841; Niederschrift, Anlage 5, S. 2). Auch der Zeuge C, der
spätere Geschäftsführer der Fa. M, traf bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal den Zeugen D. Konkrete
Überlegungen zur Gründung der Fa. M sind erst im Laufe des Frühjahrs 2006 belegt (vgl. insbesondere die
Protokolle des Zeugen C über Treffen in ... am 10.03.2006, BMO Reg.-Nr. 9, und in ... am 24.04.2006, BMO
Reg.-Nr. 12).
250 Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung im Dezember
2005 zwischen dem Kläger und dem Zeugen D weder bereits konkrete Einsparmöglichkeiten für den
Beklagten thematisiert noch gar konkrete Schritte vereinbart bzw. unternommen worden waren in
Richtung der Anbahnung einer Vertragsbeziehung zum Beklagten. Erst recht keine Anhaltspunkte
bestehen dafür, dass zu diesem Zeitpunkt schon - wie in der Anklageschrift unterstellt - Bemühungen der
XY um den Abschluss eines langfristigen Exklusivlieferungsvertrags mit dem Beklagten zu verzeichnen
waren und hier bereits ein Zusammenhang mit der Dienstausübung des Klägers bestand bzw. hergestellt
worden sein könnte.
251 Dass der Zeuge D das Darlehen nicht aus seinem Privatvermögen sondern durch die Fa. L ausbezahlt hat,
dürfte dabei nicht gegen eine persönliche Motivation sprechen. Er hat in der mündlichen Verhandlung
(Niederschrift, Anlage 4, S. 11 f.) schlüssig und plausibel dargelegt, dass er, um nach der Fusion von X und
Y die Integration der verschiedenen Unternehmen zu ermöglichen, die M gegründet und alle Partner damit
einbezogen habe, und deshalb die Fa. L nach der Fusion nur noch eine „leere Hülle“ gewesen sei. Als
Alleingesellschafter und Geschäftsführer dieser Firma habe er nunmehr die alleinige, nicht von der
Mitsprache anderer abhängige Verfügungsbefugnis gehabt.
252 β) Darlehen Juni 2006
253 Unstreitig hat der Zeuge D dem Kläger auf der Grundlage eines Darlehensvertrags der von ihm
vertretenen Fa. A vom 23.06.2006 ein weiteres Darlehen in Höhe von 8.000,-- EUR gewährt (vgl. Akten
Strafverfahren, BMO Reg.-Nr. 17), das dem Kläger am 05.07.2006 gutgeschrieben wurde. Auch hier stellt
die Anklageschrift einen Zusammenhang zwischen diesem „vermeintlichen“ Darlehensvertrag und dem
Tätigwerden des Klägers im Hinblick auf die Gründung der Fa. M und dem Abschluss eines Rahmenvertrags
zwischen dieser Firma und dem Beklagten her. Der Senat hat - trotz der zeitlichen Nähe von
Darlehensgewährung und Abschluss des Rahmenvertrags (01.09.2006) - erhebliche Zweifel, ob dieser
Zusammenhang tatsächlich bestand.
254 αα) Der Zeuge D hatte bereits im Rahmen seiner Zeugenvernehmung im Strafverfahren erklärt, dass
dieses Darlehen nichts mit dem Rahmenvertrag zu tun gehabt habe, sondern dass es insoweit allein um
den Aromatasehemmer gegangen sei (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1641). Dies entspricht auch seiner
schriftlichen Einlassung im Strafverfahren. Dort werden die diesbezüglichen Vorgänge detailliert und in sich
stimmig beschrieben und auch ins Verhältnis zu den weiteren mit dem Kläger im Hinblick auf
Kosteneinsparungen beim Beklagten erörterten Themenschwerpunkten „Gemeinsames Medizinisches
Versorgungszentrum“ und „Abwicklung aller Bestellungen von Laborverbrauchsmaterial innerhalb des UKF
durch die Fa. M ... [„Rahmenvertrag“]“ gestellt (Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren,
Bd. III, S. 239, 265 f.). Diese Darstellung hat der Zeuge im Kern in der mündlichen Verhandlung vor dem
erkennenden Senat wiederholt (vgl. Anlage 4, S. 13 f.). Insbesondere hat er dabei, wie bereits aufgezeigt,
dargelegt, dass der maßgebliche Anknüpfungspunkt für den nach vielen Jahren zustande gekommenen
Kontakt mit dem Kläger sein fachlich-wissenschaftliches, aber auch wirtschaftliches Interesse an dem
Aromatasehemmer gewesen sei und dass er insoweit - gerade auch aus der Sicht seines Unternehmens als
Marktführer bei der Versorgung der deutschen Gynäkologen - erhebliches medizinisches wie
wirtschaftliches Potential gesehen habe (Anlage 4, S. 2 f., 7 ff., 28). Er habe sich als „Brückenbauer“
gesehen, dafür sorgen wollen, dass die Gynäkologen und Endokrinologen in seinem Unternehmen „das
Thema mitkriegen“, und habe eine Studie ermöglichen wollen (S. 13). Demgemäß habe er auch die Partner
in der Fa. A informiert und dem Kläger vorgeschlagen, eine Präsentation des Aromatasehemmers am Sitz
der Ärztlichen Partnerschaft XY in der ... (...) in ... vorzunehmen (S. 13).
255 Was den konkreten Anlass für das Darlehen anbelangt hat der Zeuge D auch in der mündlichen
Verhandlung der Sache nach bekundet, er habe den Kläger im Zusammenhang mit dessen Bemühungen
um Investoren für eine Beteiligung an den Entwicklungskosten unterstützen wollen; angesichts seiner
desolaten Finanzlage - er habe nicht einmal seine diesbezüglichen Reisekosten decken können - habe er
ihm - über die Fa. A, die langfristig von der Sache habe profitieren sollen - das Darlehen gewährt. Auch
dieser Vortrag ist nachvollziehbar und fügt sich im Wesentlichen in seine bisherigen Darstellungen im
Strafverfahren ein (vgl. Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akte Strafverfahren, S. 265 ff.). Ob und
inwieweit neben dieser Motivation auch altruistische Überlegungen eine Rolle gespielt haben (vgl. etwa die
Angaben des Zeugen D, Anlage 4, S. 29), kann letztlich dahinstehen.
256 Ergänzend ist festzuhalten, dass der Zeuge - im Einklang mit seiner schriftsätzlichen Einlassung im
Strafverfahren - mit Nachdruck darauf hingewiesen hat, dass der Rahmenvertrag mit dem Beklagten auch
mit Blick auf dessen wirtschaftliche Bedeutung aus seiner Sicht „Kleinkram“ bzw. lediglich „eine
vertrauensbildende Maßnahme“ gewesen sei, sein eigentliches langfristiges Interesse aber der Einrichtung
eines MVZ gegolten habe, wie man es am Klinikum in ... schon praktiziert habe. Der Senat hat keinen
Anlass, an dieser insgesamt nachvollziehbaren und mit der Aktenlage vereinbaren Darstellung zu zweifeln.
Dies spricht indes gegen die der Anklageschrift zugrunde liegende Annahme, der Zeuge habe der XY „eine
beherrschende Stellung auf dem ...er Markt für Laborgeräte und -materialien“ verschaffen wollen.
257 ββ) Die Darstellung des Zeugen D wird durch weitere Indizien gestützt.
258 Unabhängig davon, dass sich auch der Kläger im Strafverfahren im Wesentlichen in diesem Sinne
eingelassen hatte (vgl. Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1025 ff.), hat
auch der Zeuge E hat bei seiner Vernehmung im Strafverfahren bekundet, dass dieses Darlehen mit dem
Rahmenvertrag nichts zu tun gehabt habe (S. 1971). Die Zeugen C (vgl. Niederschrift, Anlage 3, S. 2) und
E (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1841) haben berichtet, dass auch noch beim Treffen am 10.03.2006
Thema (u.a.) der Aromatasehemmer gewesen sei. Der ebenfalls im Strafverfahren vernommene Zeuge S
konnte bestätigen, dass er in der Sache „Aromatasehemmer“ Kontakt mit dem Zeugen D gehabt habe.
Zum Entwicklungsstadium des Präparats im Jahre 2006 konnte er angeben, dass zunächst eine
Kleinststudie mit Genehmigung der ärztlichen Ethikkommission in Auftrag gegeben worden sei; seines
Wissens seien rund 70 erkrankte Frauen an der Studie beteiligt gewesen. Aufgrund fehlenden Geldes habe
die Studie nicht ausgewertet werden können (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VIII, S. 2079). Prof. Dr. H,
Geschäftsführer des Medizinischen Versorgungszentrums ..., bekundete als Zeuge im Strafverfahren, das
Thema „Aromatasehemmer" sei bei einer Besprechung in ... am 10.03.2006 erwähnt worden. Vertieft
worden sei es aber erst in .... Dort habe der Kläger an der dortigen, zum Konzern [Fa. A] gehörenden
Tagesklinik die wissenschaftlichen Zusammenhänge bei der von ihm entwickelten Behandlung von
Brustkrebs mit einem Aromatasehemmer als Wirkstoff vorgestellt (Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 2025
f.). Damit kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger - wie von D in dem Gespräch mit dem Kläger
vorgeschlagen, (wohl am 06.10.2006, Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S.
267) am Sitz der Ärztlichen Partnerschaft XY in der ... (...) in ... eine Präsentation des Aromatasehemmers
vorgenommen hat. All diese Gesichtspunkte sprechen für die Plausibilität der mit der Entwicklung des
Aromatasehemmers verknüpften Zielsetzung der Zuwendung.
259 γγ) Gegen die der Anklageschrift zugrunde liegende Annahme eines „vermeintlichen“ Darlehens spricht,
dass das Darlehen - im Unterschied zu dem unter α) behandelten - im Frühsommer 2007 durch den
Zeugen C vollständig einschließlich der vereinbarten Zinsen zurückgezahlt worden ist (vgl. Vernehmung C,
Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1331 -1333). Zu berücksichtigen ist auch, dass die Rückzahlung bereits zu
einem Zeitpunkt erfolgte, als die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen gegen ihn für den Kläger noch
nicht erkennbar gewesen sein dürfte. Schließlich deutet auch die Darlehensgewährung durch die Fa. A, die
einen besonderen Schwerpunkt im Bereich der gynäkologischen und internistischen Endokrinologie
aufweist, eher auf einen Zusammenhang mit der Entwicklung des Aromatasehemmers hin.
260 δδ) In der Anklageschrift wird als „Gegenleistung“ für das Darlehen insbesondere genannt, dass es „am
01.09.2006“ „schließlich aufgrund der maßgeblichen Einflussnahme“ durch den Kläger auf Vertreter des
Klinikvorstands zum Abschluss eines „Rahmenvertrags Bestellabwicklung“ zwischen der Fa. M und dem
Beklagten gekommen sei. Nach Auswertung der Akten und auf der Grundlage des Ergebnisses der
Beweisaufnahme spricht indes vieles dafür, dass diese Annahme nicht den Tatsachen entspricht, die
Staatsanwaltschaft insoweit vielmehr die Rolle des Klägers grundlegend falsch eingeschätzt hat. Auch dies
lässt einen Zusammenhang der Dienstausübung des Klägers mit dem Darlehensvertrag als wenig
wahrscheinlich erscheinen.
261 Unstreitig war der Kläger weder rechtlich zu Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag
befugt noch faktisch an diesen beteiligt. Dies wurde von Anfang an insbesondere auch von den
Verantwortlichen auf Seiten des Beklagten so gesehen. Bereits in einem Aktenvermerk über die
Besprechung im Verwaltungsgebäude des Klinikums ... am 26.03.2007 unter Beteiligung der Herren Dr. W
und J sowie des Staatsanwalts Dr. A und des KHK N (Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 63 ff.) wurde
festgehalten: „An den Vertragsverhandlungen und der Vertragsgestaltung habe Prof. X aber nicht
mitgewirkt" (S. 65). Entsprechendes ergibt sich aus den Vernehmungen im Strafverfahren (J, Akten
Strafverfahren, Bd. I, S. 69 ff.: “keinerlei Einfluss auf den Vertrag oder die Verhandlungen“; J,
Aktenvermerk vom 12.12.2007, S. 1 f., enthalten in den Akten des Beklagten; A, Bd. I, S. 231: nicht „im
Verlauf der Verhandlungen, also vor Vertragsunterzeichnung, in irgendeiner Form eingebunden“) und in
der mündlichen Verhandlung (A, Niederschrift, Anlage 1, S. 2 f.; C, Anlage 3, S. 2: an den
Vertragsverhandlungen „überhaupt nicht beteiligt“). Auch hat der Zeuge A bekundet, der Kläger sei von
Seiten der Verwaltung (nur) eingebunden worden, wenn dies aus fachlicher Sicht - etwa zur
Gewährleistung des ordnungsgemäßen Betriebs des Zentrallabors - notwendig erschienen sei (Anlage 1, S.
2 f.). Für die Richtigkeit dieser Darstellung spricht im Übrigen, dass - wie erwähnt - mehrfach geäußert
worden ist, der Kläger habe im Hinblick auf mit dem Rahmenvertrag verbundene Fragen nicht über die
erforderliche Fachkompetenz verfügt. Danach wurden die Vertragsverhandlungen mit der XY
eigenverantwortlich und vollumfänglich von den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten geführt, eine
Einbeziehung des Klägers erfolgte allenfalls auf deren Veranlassung im Einzelfall.
262 Der tatsächliche Beitrag des Klägers im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag ist im Kern
übereinstimmend dahingehend beschrieben worden, dass er an den Zeugen A herangetreten sei mit der
„Idee“ eines günstigeren Einkaufs von Reagenzien mit Hilfe der XY (A, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 226;
J, Bd. I, S. 71; J, Aktenvermerk vom 12.12.2007, S. 1 f., enthalten in den Akten des Beklagten) und er -
aufgrund des persönlichen Kontakts zu Herrn D - den Kontakt zu den Verantwortlichen der XY hergestellt
habe (J, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 71; A, Bd. I, S. 225, 227; C, Anlage 4, S. 1 f.). Beschränkte sich die
Rolle des Klägers aber auf die Funktion eines „Türöffners“ (zu diesem Begriff vgl. den Aktenvermerk des
Geschäftsbereichsleiters J vom 12.12.2007) und waren zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Darlehensvertrags (23.06.2006) und der Auszahlung des Darlehens (05.07.2006) die
Vertragsverhandlungen zwischen den Verantwortlichen aus der Verwaltung des Beklagten (insbesondere J
und A) und den Vertretern der XY bzw. der Fa. M (insbesondere den Zeugen E und C) - auch wegen des
außerordentlichen Interesses des Beklagten an einer Vereinbarung - bereits mit hoher Aussicht auf Erfolg
im Gange, spricht dies dagegen, dass ein dienstliches Tätigkeitwerden des Klägers objektiv erforderlich war
oder als erforderlich angesehen wurde, und damit gegen einen Zusammenhang zwischen der Gewährung
des Darlehens mit einer „maßgeblichen Einflussnahme“ des Klägers auf den Abschluss des
Rahmenvertrags. Dies gilt umso mehr, als die dem Senat vorliegenden Akten belegen, dass das von der Fa.
M ursprünglich vorgelegte Vertragsangebot während der Vertragsverhandlungen auf Betreiben
insbesondere des Geschäftsbereichsleiters J in zahlreichen Punkten zugunsten des Beklagten abgeändert
worden ist (Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 95 ff.). Dass mit dem Darlehen eine in der Vergangenheit
liegende Dienstausübung, nämlich die „Türöffnung“, honoriert werden sollte, hält der Senat angesichts der
vorstehenden Ausführungen insbesondere zum Zusammenhang mit der Entwicklung des
Aromatasehemmers für wenig wahrscheinlich. Gegen eine Verknüpfung von Dienstausübung und
zugewandtem Vorteil spricht im Übrigen, dass der Kläger den zum Zeugen D bestehenden persönlichen
Kontakt nicht verheimlicht, sondern von Beginn an insbesondere auch vor den Mitarbeitern des Beklagten
offen gelegt hatte (vgl. Vernehmung A, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 231; Vernehmung J, Akten
Strafverfahren, Bd. I, S. 77).
263 (bbb) Beteiligung des Klägers an Gewinnen der zu gründenden Fa. M
264 Der Senat hegt weiter erhebliche Zweifel an dem in der Anklageschrift erhobenen Vorwurf, wonach die
Zeugen C und E nach Beratung mit dem Zeugen D den Entschluss fassten, dem Klägers eine verdeckte
Beteiligung an den Gewinnen der zu gründenden Fa. M bzw. die für eine Firmenauflösung begehrten
25.000,-- EUR in Form einer Verrechnung mit Ansprüchen auf Gewinnausschüttungen zukommen zu
lassen.
265 α) Zwar ergeben sich diesbezügliche Verdachtsmomente aus Dokumenten über ein Treffen der Zeugen E
und C in ... am 24.04.2006 (vgl. das Protokoll des Zeugen C vom 25.04.2006 sowie die E-Mail des Zeugen
E an den Zeugen D vom 26.04.2006, jeweils BMO Reg.-Nr. 12). In der E-Mail vom 26.04.2006 informiert
der Zeuge E den Zeugen D über anlässlich dieses Treffens getroffene Überlegungen betreffend die
Gründung einer M GmbH (vgl. insbesondere die Punkte 2) und 3). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
spricht indes schon vieles dafür, dass die dort angestellten Überlegungen vorläufigen Charakter hatten,
unter dem Vorbehalt einer rechtlichen Prüfung durch den Zeugen D bzw. durch dessen Rechtsberater
standen und letztlich nicht umgesetzt wurden.
266 αα) Auf Vorhalt der E-Mail vom 26.04.2006 hat der Zeuge E in der mündlichen Verhandlung erklärt, sich
mit dem Zeugen C allein getroffen und dabei „relativ viel philosophiert“ zu haben, um die Dinge „nach
vorne zu treiben“. Nach seiner Rückkehr nach ... habe er indes „einen mächtigen Einlauf verpasst
bekommen“, von Seiten des Zeugen D, insbesondere aber auch von Seiten des Rechtsanwalts Dr. B und
des Wirtschafts- und Steuerberaters Q. Diese hätten - der Sache nach - erklärt, eine Beteiligung des
Klägers „geht gar nicht“ (Niederschrift, Anlage 5, S. 13). Die Glaubhaftigkeit dieser Darstellung, wonach
den von den Zeugen E und C am 25.04.2006 angestellten Überlegungen insbesondere durch die
Rechtsberater des Zeugen D eine kategorische Absage erteilt worden sei, begegnet nach Auffassung des
Senats keinen durchgreifenden Zweifeln. Der Zeuge hat seine Angaben detailliert, schlüssig und ersichtlich
mit erheblicher emotionaler Anteilnahme vorgebracht. Sie fügen sich ein in seine diesbezüglichen
Bekundungen im Rahmen der Vernehmung im Strafverfahren (vgl. Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1853
ff.: „Gedankenspiele“ bzw. „Denkmodelle“). Im Kern werden sie durch die Bekundungen der Zeugen C und
D bestätigt, die diese sowohl in der mündlichen Verhandlung wie bereits im Strafverfahren gemacht haben
(C, Niederschrift, Anlage 3, S. 15: „Gedankenspiele von Herrn E und von mir“; Akten Strafverfahren, Bd.
VI, S. 1305, 1307; D, Anlage 4, S. 16 f.; Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1633: „Brainstorming“; vgl. auch
die ausführliche Darstellung im Schriftsatz RA ... vom 30.03.3009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 329 ff.).
Der Zeuge C hat an seinen diesbezüglichen Angaben trotz wiederholter Nachfragen des Beklagten-
Vertreters festgehalten. Alle drei Zeugen gaben insoweit durchgehend eine stimmige und im Wesentlichen
einheitliche Darstellung ab, die auch keine erkennbaren Widersprüche zu den vorliegenden schriftlichen
Unterlagen aufweist. So enthält etwa bereits die Aktennotiz des Steuerberaters Q über eine „Besprechung
in Sachen Kooperation Uni-Klinik ...“ am 30.05.2006 bezüglich der zu gründenden M GmbH die eindeutige
Aussage „Herr Prof. X kann sich an der Gesellschaft nicht beteiligen“ (BMO Reg.-Nr. 14).
267 Für die Richtigkeit dieser Darstellung spricht im Übrigen der ohne weiteres nachvollziehbare Vortrag des
Zeugen D (Schriftsatz RA ... vom 30.03.3009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 227), in seinem Hause sei es
Praxis gewesen, Vorschläge seiner Mitarbeiter vor der Umsetzung einer Prüfung durch seine Rechtsberater
zu unterziehen, und diese Praxis sei jedenfalls dem Zeugen E bekannt gewesen. Dies gilt insbesondere
auch mit Blick darauf, dass es sich bei den Zeugen E und C ersichtlich um Nichtjuristen gehandelt hat. Die
Möglichkeit bloßer „Gedankenspiele“ der Zeugen E und C liegt auch insoweit nicht fern, als sich sowohl aus
Bekundungen von Zeugen (D, Anlage 4, S
.
16, 19) wie auch aus dem von den beiden Zeugen in der
mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine aktiv-
vorpreschende Vorgehensweise durchaus mit deren Naturell in Einklang gebracht werden kann. Schließlich
sind die von den beiden Zeugen angestellten Überlegungen auch insoweit nicht realisiert worden, als es
um die angedachte Auflösung einer Firma des Klägers ging. Der Zeuge C hat insoweit schlüssig und
nachvollziehbar erklärt, bei der angesprochenen Firma des Klägers sei es um die A M GmbH gegangen,
diese sei aber nie aufgelöst worden, sondern bestehe immer noch (Niederschrift, Anlage 3, S. 16).
268 Soweit in der Anklageschrift ausgeführt wird, die „handschriftliche Notiz des Angeschuldigten Prof. Dr. X
vom 24.04.2006“ (BMO, Reg.-Nr. 11), in der durch einen Pfeil eine direkte Beziehung zwischen einem
„Darlehen" und einer „Neugründung" hergestellt wird, wobei sich letztere Bemerkung nach Aktenlage nur
auf die Gründung der Fa. M beziehen könne, spreche gegen persönliche Darlehensgewährungen, bedarf
dies der Korrektur. Entgegen der Annahme in der Anklageschrift stammt diese Notiz nicht vom Kläger,
sondern vom Zeugen C. Sie wurde am 24.04.2006 erstellt und steht damit aller Wahrscheinlichkeit nach
im Zusammenhang mit dem erwähnten Gespräch mit dem Zeugen E am 24.04.2006 in .... Mithin ist die
Aussagekraft dieser Notiz - wie gerade ausgeführt - begrenzt.
269 ββ) Unabhängig davon wird in der Anklageschrift auch im Hinblick auf die „verdeckte“ Gewinnbeteiligung
als „Gegenleistung“ genannt, dass es „am 01.09.2006“ „schließlich aufgrund der maßgeblichen
Einflussnahme durch den Angeschuldigten Prof. Dr. X auf Vertreter des Klinikvorstands zum Abschluss
eines „Rahmenvertrags Bestellabwicklung“ zwischen der Fa. M und dem Universitätsklinikum ...“
gekommen sei. Nach Auswertung der Akten und auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme
spricht indes vieles dafür, dass diese Annahme der Staatsanwaltschaft nicht den Tatsachen entspricht,
diese insoweit vielmehr die Rolle des Klägers grundlegend falsch eingeschätzt hat. Zur Begründung wird
auf die Ausführungen oben unter (aaa), β), δδ) verwiesen.
270 β) Auf der Grundlage der Anklageschrift ergaben sich Verdachtsmomente ferner aus Hinweisen auf eine am
30.05.2006 in ... erfolgte Besprechung, an der der Kläger, die Zeugen C, D und E sowie der Steuerberater
Q teilgenommen hatten.
271 In einem hierzu vom Zeugen C erstellten Protokoll vom 31.05.06 (BMO Reg.-Nr. 14) heißt es (unter dem
Punkt „Strukturierungsmöglichkeiten eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in der Uniklinik ...“
u.a.:
272 „Die Partizipation XX [Initialen des Klägers] resp. seine Einbindung innerhalb des MVZ kann zum jetzigen
Zeitpunkt nicht als Gesellschafter erfolgen (KV-Zulassung geht nicht und Ermächtigung könnte nur auf
jeweils zwei Jahre erteilt werden). XX erhält die Position eines Ärztlichen Geschäftsführers im
Angestelltenverhältnis und erhält eine Erfolgsbeteiligung i. H. seiner eigentlichen Beteiligung. Parallel soll
eine alternative Beteiligungsform gesucht und überprüft werden, welche eine Gesellschafterposition XXs
und somit eine Partizipation über seine Tätigkeitszeit hinaus und nicht auf das ... MVZ beschränkt,
sicherstellt"
273 In der ebenfalls zu diesem Treffen gefertigten Aktennotiz in Sachen „Kooperation Uniklinik ...“ des
Steuerberaters Q ist u. a. vermerkt (BMO Reg.-Nr. 14):
274 „In dem Telefongespräch mit Herrn Dr. B wurden die Möglichkeiten für Herrn Prof. X eingehend
besprochen. Herr Prof. X kann beim MVZ als Arzt angestellt werden. Die Beteiligung ist problematisch,
weil er die Voraussetzungen als Leistungserbringer wohl nicht erfüllen kann. Die Anstellung von Prof. X
kann vergütungsmäßig so ausgestaltet werden, dass er ergebnisabhängig wie ein Beteiligter honoriert
wird. ...“.
275 Allerdings gaben die Zeugen C, E und D in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt dieser Dokumente
übereinstimmend an, bei diesen Überlegungen sei es nicht um die Fa. M bzw. den Rahmenvertrag mit dem
Beklagten gegangen, sondern allein um den mittelfristig geplanten Aufbau eines Medizinischen
Versorgungszentrums am Universitätsklinikum, also um die Gründung einer „public private partnership“,
die letztlich indes nie realisiert wurde (Niederschrift, Anlage 3, S. 18; Anlage 4, S. 18; Anlage 5, S. 15 f.).
Diese Bekundungen stimmen mit den Angaben der Zeugen im Strafverfahren überein (Zeugenvernehmung
E, Akten Strafverfahren, Bd. VII, S. 1857; Zeugenvernehmung D, S. 1637, 1639; Zeugenvernehmung C,
Bd. VI, S. 1313). Sie erscheinen auch gemessen am Inhalt der schriftlich vorliegenden Unterlagen stimmig
und nachvollziehbar.
276 Damit bestehen durchgreifende Zweifel an dem in der Anklageschrift unterstellten Zusammenhang mit
dem Abschluss des „Rahmenvertrags“ zwischen der Fa. M und dem Universitätsklinikum ..., zumal auch
insoweit die tatsächliche Rolle des Klägers beim Abschluss des Rahmenvertrags gegen das Vorliegen einer
Unrechtsvereinbarung spricht.
277 (ccc) Zwischen dem Zeugen C und dem Kläger am 27.10.2006 schriftlich vereinbarte Gewinnbeteiligung
am Geschäftsanteil des Zeugen C an der Fa. M.
278 In der Anklageschrift wird dem Kläger weiter vorgeworfen, am 27.10.2006 hätten der Angeschuldigte C
und der Kläger mit Kenntnis und Billigung des Angeschuldigten D schriftlich vereinbart, dass der Kläger am
Geschäftsanteil des Angeschuldigten C an der Fa. M in Höhe von 49% zur Hälfte beteiligt werden solle, da
er das Unternehmen „bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Fa. M aktiv unterstützt" habe.
Rechtlich sei die verdeckte Gewinnbeteiligung durch eine entsprechende Abtretungsvereinbarung
zwischen dem Angeschuldigten C und dem Kläger erfolgt. Beiden sowie auch dem Angeschuldigten D sei
bewusst gewesen, dass die geschlossene Vereinbarung geeignet gewesen sei, den Kläger in einen
konkreten Interessenskonflikt zwischen seiner Verpflichtung zur gewissenhaften und unparteilichen
Dienstausübung im wohlverstandenen Interesse des Landes Baden-Württemberg einerseits und seiner
Verpflichtung zur Erbringung einer Gegenleistung zu Gunsten der XY für die versprochene verdeckte
Gewinnbeteiligung andererseits zu bringen (vgl. hierzu die Vereinbarung vom 27.10.2006, BMO Reg.-Nr.
30). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begegnet auch dieser Vorwurf gravierenden Zweifeln.
279 α) Erste Zweifel ergeben sich bereits daraus, dass in der Anklageschrift der Inhalt der Vereinbarung in
einem maßgeblichen Punkt unzutreffend wiedergegeben wird. In der Vertragsurkunde vom 27.10.2006
wird als Grund für die Abtretung unter 1. wörtlich angeführt: „Prof. Dr. X (XX) (Adresse) hat ... [Initialen
des Zeugen C] bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Fa. M aktiv unterstützt.“
(Hervorhebung nur hier). Obgleich hier somit ein deutlicher Bezug zu der Unterstützung hergestellt wird,
die der Kläger dem Zeugen C persönlich hat zukommen lassen, spricht die Anklageschrift demgegenüber -
in nicht nachvollziehbarer Abweichung vom Wortlaut - von einer aktiven Unterstützung des
„Unternehmens“ „bei der Umsetzung der strategischen Ausrichtung der Fa. M“. Mit dieser Formulierung
wird zu Unrecht der Eindruck erweckt, bereits aus der Vereinbarung ergebe sich eine unmittelbare
Verknüpfung zwischen der den Kläger begünstigenden Abtretung und einem Tätigwerden des Klägers
zugunsten der XY, der Fa. M ... oder der Fa. M.
280 β) Ferner hat die Beweisaufnahme keine greifbaren Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die Vereinbarung
mit Kenntnis oder Billigung von Verantwortlichen der XY, insbesondere des Zeugen D, geschlossen wurde.
281 In der mündlichen Verhandlung ist die Vereinbarung vom 27.10.2006 den Zeugen D und E vorgehalten
worden. Beide haben daraufhin übereinstimmend angegeben, diese sei ihnen nicht bekannt gewesen bzw.
erst im Laufe des Verfahrens bekannt geworden (Niederschrift, Anlage 4, S. 20 f.; Anlage 5, S. 16 f.).
Konkrete Anhaltspunkte für die Unglaubhaftigkeit dieser Darstellung sind für den Senat nicht ersichtlich.
Die Zeugen haben bereits im Rahmen ihrer Vernehmungen im Strafverfahren so ausgesagt (E, Akten
Strafverfahren, Bd. VII, S. 1863; D, Bd. VII, S. 1648; vgl. auch die schriftliche Einlassung des Zeugen D,
Schriftsatz RA ... vom 30.03.3009, Akten Strafverfahren, Bd. III, S. 229) und im Übrigen auch der Zeuge C
bestritten hat, dass der Zeuge D bzw. die beiden Zeugen etwas von der Vereinbarung gewusst haben (vgl.
Akten Strafverfahren, Bd. VI, S. 1301; Niederschrift, Anlage 3, S. 23). Allein aus dem Umstand, dass am
Ende der Vereinbarung die mit der Unterschrift zu bestätigende Kenntnisnahme durch den Zeugen D
vorgesehen war, dort allerdings die Unterschrift fehlt, kann nichts Abweichendes geschlossen werden.
282 Für eine mangelnde Kenntnis der Zeugen D und E von der Vereinbarung (und den unter eee) dargestellten
Zahlungen an den Kläger) sprechen im Übrigen die Bekundungen des Zeugen E, wonach dieser im Sommer
2007 von eigenmächtig vom Zeugen C vorgenommenen Gewinnausschüttungen und Barabhebungen
Kenntnis erlangt und diese „Selbstbedienung“ daraufhin gestoppt habe. Der Zeuge E hat detailliert,
stimmig und unter eindrucksvoller Schilderung seiner Gefühlsregungen („Lebemensch“, „Dann hat mir das
irgendwann mal so gestunken, ...“, „klare Ansage“, „kein Murren und kein Meckern“) erklärt, dass sich
diese Geldabhebungen durch den Zeugen C aus seiner Sicht verboten hätten, weil der Fa. M ..., 51% der
Anteile an der Fa. M zugestanden hätten und im Übrigen erst einmal „Geld verdient“ hätte werden
müssen, bevor man es ausschütten könne (Niederschrift, Anlage 5, S. 16 f.; vgl. auch den
Gesellschaftsvertrag der Fa. M BMO Reg.-Nr. 22). Der Zeuge C hat diese Reaktion seitens der
Verantwortlichen von XY auf von ihm - auch an den Kläger geleistete - Zahlungen im Kern bestätigt (vgl.
Anlage 3, S. 21). Eine Kenntnis der Zeugen D und E von der Vereinbarung ließe sich schließlich auch nur
schwer vereinbaren damit, dass man von Seiten der XY nach durchgeführter rechtlicher Prüfung einer
Beteiligung des Klägers an der zu gründenden Fa. M explizit eine Absage erteilt hatte.
283 γ) Ist nach dem Vorstehenden davon auszugehen, dass die vereinbarte Abtretung des Gewinnanteils allein
mit Kenntnis und Willen des Zeugen C und nicht auch von Verantwortlichen der XY erfolgt ist, bestehen
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erhebliche Zweifel daran, dass das maßgebliche Motiv für die
Zuwendung des Vorteils eine Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY oder speziell im Interesse
der Fa. M gewesen ist oder die Honorierung einer solchen Dienstausübung. Vielmehr spricht vieles dafür,
dass die Gewinnbeteiligung im Zusammenhang stand mit der besonderen - privaten und geschäftlichen -
Beziehung des Zeugen C zum Kläger bzw. - im Einklang mit dem Wortlaut der Vereinbarung - mit der
Unterstützung, die der Zeuge C persönlich von Seiten des Klägers erfahren hat.
284 Der Zeuge C und der Kläger stehen seit langem in Geschäftsbeziehungen und sind insbesondere auch
gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden. Schon 1999 nahm der Kläger im Zusammenhang mit der
Vermarktung des Aromatesehemmers die Dienste des Zeugen C in Anspruch, der damals als Berater bei
der ... tätig war (Niederschrift, Anlage 3, S. 41). Beide sind seit 2005 Gesellschafter der A M GmbH, deren
Gegenstand die Verwaltung eigenen Vermögens, insbesondere der Erwerb und die Verwaltung von
Beteiligungen an anderen Unternehmen und die Übernahme von deren Geschäftsführung ist (vgl. § 2 Abs.
1 des Gesellschaftsvertrags, BMO Reg.-Nr. 57). Tatsächlich ist die GmbH Inhaberin von Patenten und hält
gesellschaftsrechtliche Beteiligungen des Klägers (etwa an der E-GmbH und der C-GmbH). Sie dient dabei
(u.a.) dem Zweck der Vermarktung von Patenten und sonstigen Innovationen aus dem
Gesundheitsbereich, die der Kläger mitentwickelt hat (vgl. Schriftsatz RA ... vom 16.12.2009, Akten
Strafverfahren, Bd. V, S. 1015). Bei Gründung der GmbH hatte der Zeuge C, der von Beginn an auch als
Geschäftsführer fungierte, 20%, der Kläger 80% der Geschäftsanteile. Die Anteile des Zeugen C wurden
(wohl) im Oktober 2007 auf 51% aufgestockt. In Bezug auf die Rollenverteilung bei der Verfolgung des
Unternehmenszwecks tragen der Kläger und der Zeuge C übereinstimmend und schlüssig vor, der Kläger
habe Patente und Beteiligungen eingebracht, die auf seinem wissenschaftlichen Know-How beruhten, der
Zeuge C habe das kaufmännische Know-How eingebracht (Niederschrift, Anlage 3, S. 22; Protokoll vom
23.01.2008 über ein am 22.01.2008 geführtes Gespräch mit dem Kläger, S. 4, Akten des Beklagten).
285 Neben der geschäftlichen bestand und besteht zwischen dem Zeugen und dem Kläger auch eine persönlich-
freundschaftliche Beziehung. Diese geht auf die Unterstützung zurück, die der Kläger dem Zeugen und
seiner Familie im Zusammenhang mit der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes des Zeugen und seiner
Frau im Jahre 2002 hat zu teil werden lassen. Dieses Kind ist schwerstbehindert zur Welt gekommen und
bis heute 100% pflegebedürftig. Der Kläger hat Kontakte zu ärztlichen Experten hergestellt und dazu
beigetragen, dass das Kind - umgehend und in Abweichung von den üblichen langen Wartezeiten - einen
Heimplatz in einem speziellen Pflegeheim in Karlsruhe erhalten hat (vgl. auch Schriftsatz RA ..., Akten
Strafverfahren, Bd. V, S. 991).
286 Vor diesem Hintergrund mag es sein, dass der Zeuge C und der Kläger auch die Fa. M als gemeinsame
Unternehmung betrachtet haben. Es kann jedoch - entgegen der Annahme in der Anklageschrift - nicht mit
hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es bei der internen hälftigen Beteiligung des
Klägers an dem Geschäftsanteil des Zeugen C an der Fa. M das maßgebliche Motiv des Zeugen C war, auf
eine Dienstausübung des Klägers im Interesse der XY bzw. der Fa. M Einfluss zu nehmen. Vielmehr spricht
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme angesichts der sehr begrenzten Rolle des Klägers bei der
Anbahnung des Rahmenvertrags und vor allem mit Blick auf die besondere persönliche wie geschäftliche
Beziehung zwischen dem Kläger und dem Zeugen C einiges dafür, dass der Vortrag des Zeugen C zu den
der Beteiligung zugrunde liegenden Motiven zutrifft.
287 Der Kläger hatte bereits in seiner frühen schriftlichen Einlassung gegenüber dem Beklagten vorgetragen,
alle Zuwendungen hätten auf persönlichen Beziehungen zum Zeugen C oder gesellschaftsrechtlichen
Verpflichtungen diesem gegenüber beruht (Schriftsatz RA ... vom 18.01.2008, Akten Beklagter). Nach den
Bekundungen des Zeugen C hatten der Zeuge und der Kläger - jedenfalls zum Zeitpunkt des Abschlusses
der Vereinbarung vom Oktober 2006 - die Vorstellung, die von beiden Seiten in gemeinsame
Unternehmungen eingebrachten „Leistungen“ in der Weise zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen,
dass man jeweils eine hälftige Beteiligung an den Erträgen aus diesen Unternehmungen vorsah. Dem
Zeugen ist die Vereinbarung vom 27.10.2006 in der mündlichen Verhandlung vorgehalten worden. Er hat
hierauf erklärt, die Grundlage sei gewesen, dass man gesagt habe, dass man alles „halbe/halbe“ mache
(Niederschrift, Anlage 3, S. 22). Für die Glaubhaftigkeit einer grundsätzlichen Absprache, Erträge aus
gemeinsamen Unternehmungen hälftig zu teilen, spricht dabei zunächst die nachvollziehbare Darstellung
der Rollenverteilung zwischen dem Kläger und dem Zeugen im Zusammenhang mit gemeinsamen
Unternehmungen, das unterschiedliche Gewicht der in die Unternehmungen jeweils eingebrachten
wirtschaftlichen Werte und die dem Zeugen daraus erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile (Anlage 3, S.
22, 37). Der Sache bestätigt wird diese Darstellung auch durch die erste Reaktion des Klägers auf die
gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Rahmen einer Besprechung beim Beklagten am 22.01.2008 (Protokoll
vom 23.01.2008, enthalten in den Akten des Beklagten). Ferner erscheint es insbesondere schlüssig, wenn
der Zeuge der Sache nach die Abtretung des Gewinnanteils an der Fa. M auch damit begründet, dass sein
Anteil an der Fa. M die einzige „werthaltige“ Beteiligung“ von seiner Seite gewesen sei, die er in
gemeinsame Unternehmungen eingebracht habe (Anlage 3, S. 22, 24 f.). Ein weiteres Indiz für die
behauptete generelle Absprache ist in dem Umstand zu sehen, dass etwa auch die zunächst 20%ige
Beteiligung des Zeugen C an der A M GmbH im Oktober 2007 auf eine 51%ige Beteiligung aufgestockt
wurde. Die Tatsache, dass dieser Vorgang erst eine gewisse Zeit nach dem Abschluss der Vereinbarung
erfolgte, stellt das Vorhandensein einer entsprechenden generellen Motivation zum Zeitpunkt der
Vereinbarung nicht grundsätzlich in Frage. Für die Richtigkeit dieser Bekundungen spricht weiterhin, dass
sie im Wesentlichen mit den Darstellungen des Zeugen im Strafverfahren (Akten Strafverfahren, Bd. VI, S.
1299; Schriftsatz RA ... vom 04.05.2009, Bd. IV, S. 431) und mit den Einlassungen des Klägers
übereinstimmen (vgl. bereits den über eine Besprechung am im Universitätsklinikum gefertigten
Aktenvermerk des RA ... vom 25.01.2008, S. 2, enthalten in der Akte des Beklagten, sowie den Schriftsatz
RA ... vom 16.12.2009, Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1023). Der Beklagten-Vertreter hat dem Zeugen in
der mündlichen Verhandlung der Sache nach vorgehalten, dass er im Strafverfahren in Bezug auf die
Absprache einer hälftigen Beteiligung erklärt habe, das habe er zur Absicherung des Klägers gemacht, da
sei nicht von gemeinsamen Geschäften in der Zukunft, sondern von einer grundsätzlichen, auch die
Vergangenheit umfassenden Absprache gesprochen worden (Niederschrift, Anlage 3, S. 36 f.). Daraus, dass
der Zeuge in der mündlichen Verhandlung auch erklärt hat, die Gewinnbeteiligung habe „einzig und allein
damit zu tun, dass man gesagt hat, man macht zukünftige Geschäfte wirklich hälftig“ (Anlage 3, S. 23),
vermag der Senat - auch mit Blick auf die übrigen Ausführungen des Zeugen etwa zum Ungleichgewicht
der in die Unternehmungen eingebrachten wirtschaftlichen Werte und zu der engen persönlichen
Beziehung zum Kläger - indes keine ernsthaften Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen ableiten. Der
Zeuge hat auf den Vorhalt des Beklagten-Vertreters der Sache nach erklärt, dass er im Zusammenhang mit
der hälftigen Gewinnbeteiligung das Alter und die finanziellen Probleme des Klägers sowie die
„menschliche persönliche Verpflichtung“ ihm gegenüber habe bedenken müssen und er sich insoweit
moralisch verpflichtet gefühlt habe (Anlage 3, S. 37). Auch dies erscheint dem Senat vor allem angesichts
der Unterstützung, die der Zeuge seitens des Kläger in einer ausgesprochen schwierigen Lebenssituation
erfahren hat, gut nachvollziehbar. Insoweit hatte der Zeuge - an anderer Stelle - ersichtlich mit
emotionaler Anteilnahme, schlüssig und überzeugend erklärt, wie der Kläger dem Zeugen und seiner Frau
nach der Geburt des schwerstbehinderten Sohnes geholfen und ihnen „ein normales Leben ermöglicht“
habe (Anlage 3, S. 19).
288 Vor dem Hintergrund der engen persönlichen Beziehung zwischen dem Zeugen und dem Kläger erweisen
sich die Angaben des Zeugen auch nicht als widersprüchlich. Vielmehr erscheint insoweit die Annahme
lebensnah, dass die Gewinnbeteiligung des Klägers nicht auf ein isoliertes Motiv zurückgeführt werden
kann, sondern auf Seiten des Zeugen C ein „Motivbündel“ vorlag, das verschiedene wirtschaftliche wie
persönliche Beweggründe umfasste. Hierfür spricht ein weiterer Aspekt. Denn als speziell der Person des
Zeugen C zugutekommende Leistung des Klägers im Zusammenhang mit der Fa. M und damit
korrespondierend als Grund für die Gewinnbeteiligung liegt auch nahe, dass der Zeuge C die für ihn
lukrative Stellung als Geschäftsführer und Gesellschafter der Fa. M letztlich dem Kläger verdankte, weil
dieser den Kontakt zu D hergestellt hatte (vgl. hierzu § 7 Abs. 1 des Geschäftsführervertrags vom
28.08.2006, BMO Reg.-Nr. 25 „Der Geschäftsführer erhält ein monatliches Festgehalt von EUR 5.000,- “).
Dass dieser Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 27.10.2006 eine Rolle spielte, ist
bereits im Strafverfahren nachvollziehbar vorgetragen (vgl. den Schriftsatz RA ... vom 04.05.2009, Akten
Strafverfahren, Bd. IV, S. 423; Schriftsatz RA ... vom 30.03.2009, Bd. III, S. 229) und vom Zeugen C bei
seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung im Kern bestätigt worden (Anlage 3, S. 25).
289 Schließlich erscheint auch der - durch den Wortlaut der Vereinbarung gestützte - Vortrag, der Kläger habe
den Zeugen C - unabhängig vom Rahmenvertrag mit dem Beklagten - bei der strategischen Ausrichtung
der Fa. M unterstützt, nicht aus der Luft gegriffen, sondern im Gegenteil schlüssig und nachvollziehbar.
Sowohl aus den Akten des Strafverfahrens wie aus der Beweisaufnahme vor dem erkennenden Senat
ergeben sich greifbare Anhaltspunkte dafür, dass es - jenseits der rahmenvertraglichen Beziehung zum
Beklagten - erhebliche weitere Aktivitäten der Fa. M und diesbezügliche beratende Unterstützung seitens
des Klägers gegeben hat (vgl. u.a. die in den Schriftsätzen des RA Dr. ... vom 21.02.2008 und vom
04.05.2009 angesprochenen Planungen geschäftlicher Expansionen in Süddeutschland, in der Schweiz und
in Österreich sowie die Protokolle der Fa. M vom 25.11.2006, BMO Reg.-Nr. 33 und 42, vom 30.11.2006,
BMO Reg.-Nr. 35, vom 17.12.2006, BMO Reg.-Nr. 36 und den „Strukturvorschlag“ für Österreich, BMO
Reg.-Nr. 38 sowie Unterlagen betreffend eine „M Schweiz AG“ BMO Reg.-Nr. 39; vgl. weiter die
Ausführungen in den Schriftsätzen der RA ... vom 18.01.2008, S. 4 [Akten Beklagte], Dr. ... vom
21.02.2008 [S. 189 f.] und ... vom 16.12.2009 [S. 1023 f.]; vgl. schließlich die Angaben des Zeugen C,
Anlage 3, S. 22). Dabei ist hervorzuheben, dass mit Blick darauf, dass die Fa. M zunächst allein zu dem
Zweck gegründet worden war, den Rahmenvertrag mit dem Beklagten zu realisieren (vgl. das Protokoll
des Zeugen C vom 25.04.2006 und die E-Mail des Zeugen E vom 26.04.2006, BMO Reg.-Nr. 12; Aktennotiz
Steuerberater Q vom 30.05.2006, BMO Reg.-Nr. 14), die in der Vereinbarung vom 27.10.2006 - also nach
Abschluss des Rahmenvertrags - enthaltene Formulierung der „strategischen Ausrichtung“ schon
angesichts der Chronologie darauf hindeutet, dass als Gegenstand der angesprochenen Unterstützung
durch den Kläger andere Tätigkeitsfelder der Fa. M gemeint waren als der Rahmenvertrag mit dem
Beklagten.
290 Vor dem Hintergrund der dargelegten Plausibilität und Wahrscheinlichkeit anderer, in der Anklageschrift
weitgehend ausgeblendeter Motive, bestehen gravierende Zweifel daran, dass der Zeuge C mit der den
Kläger begünstigenden Abtretung das Ziel verfolgt hat, auf die künftige Dienstausübung des Klägers im
Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M Einfluss zu nehmen und/oder seine vergangene
Dienstausübung im Interesse der XY oder speziell im Interesse der Fa. M zu honorieren.
291 Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil es angesichts seiner engen persönlichen Beziehung zum Kläger
nicht nahe liegt, dass der Zeuge C - wie vom Beklagten angenommen - ohne weiteres dem „Lager“ der XY
zugerechnet werden konnte und es an greifbaren Anhaltspunkten dafür fehlt, dass er einen Grund gehabt
hätte, Einfluss auf das dienstliche Verhalten des Klägers zu nehmen.
292 (ddd) Zuwendung eines Darlehens in Höhe von 15.000,-- EUR
293 Bereits das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf die im Ermittlungsverfahren durchgeführten
Nachermittlungen festgestellt, dass die dem Kläger im November 2006 über den Zeugen C gezahlten
15.000,- EUR in keinem Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag zwischen der Fa. M und dem Beklagten
standen, sondern aus einer Vertragsbeziehung des Klägers zu einer Fa. ... stammten (vgl. den
Ergänzungsbericht des Regierungspräsidiums ..., Landespolizeidirektion, vom 06.07.2010, S. 19f.).
Anhaltspunkte, die diese Feststellung in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen worden noch sonst
ersichtlich.
294 (eee) Gewinnausschüttungen der Fa. M in Höhe von 39.000,00 EUR im Zeitraum Februar bis Juli 2007
295 In der Anklageschrift wurde dem Kläger schließlich vorgeworfen, im Zeitraum von Februar 2007 bis Juli
2007 wie ein echter Gesellschafter von der Fa. M verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe von insgesamt
39.000,- EUR erhalten zu haben, wobei die Einzelauszahlungen 11.000,- EUR am 09.02.2007, 5.000,-
EUR am 17.04.2007, 8.400,-- EUR am 14.05.2007, 6.000,-- EUR am 01.06.2007, 5.500,- EUR am
20.06.2007 sowie 3.100,-- EUR am 16.07.2007 betragen hätten (vgl. das Dokument
„Gewinnausschüttungen der Fa. M“, BMO Reg.-Nr. 39, sowie den diesbezüglichen Auswertungsbericht des
Regierungspräsidiums Karlsruhe, Landespolizeidirektion, vom 22.01.2008). Die Zahlungen sollten - wie den
Angeschuldigten Prof. Dr. X, D und C bewusst gewesen sei - dazu dienen, weiterhin den Angeschuldigten
Prof. Dr. X im Sinne einer einseitigen Dienstausübung zu Gunsten von XY gewogen zu halten.
296 Auch an der Berechtigung dieses Vorwurfs bestehen gewichtige Zweifel.
297 α) Zunächst hat die Beweisaufnahme keine greifbaren Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die
vorgeworfenen Zahlungen mit Kenntnis oder Billigung von Verantwortlichen der XY, explizit der Zeugen D
und E, erfolgt sind.
298 In der mündlichen Verhandlung ist den Zeugen D und E das Dokument „Gewinnausschüttungen Fa. M“
vorgehalten worden. Beide haben daraufhin übereinstimmend angegeben, diese Aufstellung sei ihnen nicht
bekannt gewesen und sie hätten auch anderweitig von den „Gewinnausschüttungen“ nicht gewusst
(Anlage 4, S. 17 f.; Anlage 5, S. 21 f.). Konkrete und hinreichende Anhaltspunkte für die Unglaubhaftigkeit
dieser Angaben sind für den Senat nicht ersichtlich. Sie stimmen überein mit ihren Bekundungen im
Rahmen der Vernehmungen im Strafverfahren (E, Akte Strafverfahren, S. 1865; D, S. 1649; vgl. auch die
schriftliche Einlassung des Zeugen D, Schriftsatz RA ..., S. 357). Auch der Zeuge C hat auf konkrete Frage
des Senats in Abrede gestellt, dass die Zeugen D und E von den Zahlungen gewusst hätten (Anlage 3, S.
21). Im Übrigen hatten die Zeugen D und E bereits im Strafverfahren grundsätzlich erklärt, der Kläger
habe von ihnen keine Zuwendungen erhalten, die im Zusammenhang mit dem Rahmenvertrag gestanden
hätten; der Kläger habe auch nie Zuwendungen oder Vorteile gefordert (Akte Strafverfahren, S. 1659; S.
1871; vgl. auch bereits den Ergänzungsbericht vom 06.07.2010 unter 3.1 zum Ergebnis der
Nachermittlungen im Hinblick auf Zuwendungen an den Kläger).
299 Für eine mangelnde Kenntnis der Zeugen D und E von den aufgezeigten Zahlungen an den Kläger
sprechen ferner die glaubhaften Bekundungen des Zeugen E, wonach dieser im Sommer 2007 von
eigenmächtig vom Zeugen C vorgenommenen Gewinnausschüttungen und Barabhebungen Kenntnis
erlangt und diese „Selbstbedienung“ daraufhin gestoppt habe. Der Zeuge C hat diese Reaktion seitens der
Verantwortlichen von XY auf von ihm - auch an den Kläger geleistete - Zahlungen im Kern bestätigt (vgl.
Anlage 3, S. 21). Eine Kenntnis der Zeugen D und E von den Zahlungen und damit von einer praktizierten
Gewinnbeteiligung des Klägers ließe sich schließlich nur schwer vereinbaren damit, dass man von Seiten
der XY nach durchgeführter rechtlicher Prüfung einer Beteiligung des Klägers an der zu gründenden Fa. M
eine Absage erteilt hatte.
300 β) Damit geht der Senat davon aus, dass Zuwendungen an den Kläger aus Mitteln der Fa. M allein vom
Zeugen C veranlasst worden sind.
301 Aus dem Auswertungsbericht vom 22.10.2008 ergibt sich, dass die in der Liste (BMO Reg.-Nr. 39)
aufgeführten Zahlungen der Fa. M in Höhe von 20.000 EUR an die Muttergesellschaft M GmbH sowie
90.000 EUR an den Geschäftsführer, den Zeugen C, anhand von Kontenunterlagen nachvollzogen werden
konnten. Die Zahlungen wurden als „Gewinnvorab-ausschüttung oder Gewinnvorabentnahme" bezeichnet
und tatsächlich geleistet. Ferner konnten in der Liste ausgewiesene, vom Zeugen C veranlasste Zahlungen
in Höhe von 39.000,00 EUR an den Kläger über Kontoauszüge nachvollzogen werden.
302 Der Senat hegt indes auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme erhebliche Zweifel daran,
dass der Zeuge C mit den Zahlungen an den Kläger darauf abzielte, auf die künftige Dienstausübung des
Klägers zugunsten der XY bzw. zugunsten von Fa. M Einfluss zu nehmen bzw. seine vergangene
Dienstausübung zu honorieren.
303 αα) Der Zeuge C hat auf Vorhalt der Liste „Gewinnausschüttung“ in der mündlichen Verhandlung erklärt,
es handele sich um eine von ihm persönlich erstellte Aufstellung. Auf der linken Seite sei die
Gewinnausschüttung der Fa. M zu sehen, die er bzw. die M GmbH bekommen habe. In dem rechten Feld, in
dem „E, XX, Steuer und C“ aufgeführt sei, habe er nur vermerkt, was er mit diesem Geld gemacht habe.
Es sei ein seiner privaten Buchhaltung entsprechendes Dokument gewesen über die Mittelverwendung.
Diese Ausführungen erscheinen im Grundsatz nachvollziehbar.
304 Der Senat hat dem Zeugen vorgehalten, er habe bei seiner Vernehmung im Strafverfahren auf die Frage
nach direkter oder indirekter Partizipation des Klägers an den Gewinnen von M erklärt: „Herr Prof. X hat
mittelbar daran partizipiert, weil die Zahlungen an Prof. Dr. X, die andere Gründe hatten, aus Mitteln der
M GmbH stammten.“ Er hat daraufhin die Richtigkeit dieser Aussage bekräftigt und die „anderen Gründe“
als persönliche Gründe qualifiziert, die in keinem Zusammenhang mit der Fa. M gestanden hätten (vgl.
Anlage 3, S. 27 f.). Nach der Auffassung des Senats spricht einiges dafür, dass diese Darstellung zutrifft.
305 Der Zeuge C hat in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass es von seiner Seite Zahlungen an
den Kläger bereits vor seiner Tätigkeit und auch nach seiner Tätigkeit für die Fa. M gegeben habe.
Insbesondere habe es Überweisungen an den Kläger bereits im Jahr 2005 gegeben, also zu einem
Zeitpunkt, zu dem er den Zeugen D noch nicht gekannt habe. Teilweise wird die Darstellung des Zeugen
durch die dem Senat vorliegenden Akten bestätigt: Denn aus den sichergestellten Bankunterlagen sind
beispielsweise zwei bereits im Dezember 2015 vom Zeugen C veranlasste Darlehensgewährungen an den
Kläger zu entnehmen (vgl. den Sachstandsbericht vom 26.10.2007, Akten Strafverfahren, Bd. I, S. 559;
vgl. ferner die Einlassung des Klägers im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2009,
„allein im zweiten Halbjahr 2005 erfolgten vier weitere Zahlungen auf das Konto 04, nämlich am
25.07.2005 ein Betrag in Höhe von 1.000 EUR, am 27.08.2005 ein Betrag in Höhe von 500 EUR, am
07.09.2005 ein Betrag in Höhe von 1.500 EUR und am 17.09.2005 ein Betrag in Höhe von 950 EUR“,
Akten Strafverfahren, Bd. V, S. 1015). Damit trifft jedenfalls die Äußerung des Beklagten-Vertreters
gegenüber dem Zeugen in der mündlichen Verhandlung, wonach es doch feststehe, „dass alles, was sie
letztlich dem Herrn Prof. X zugeleitet haben an Geldmitteln, aus dem Bereich XY kam“, nicht zu. Greifbare
Anhaltspunkte für eine Unglaubhaftigkeit der Darlegungen des Zeugen sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Angaben in der mündlichen Verhandlung stimmen mit seinen Bekundungen im Strafverfahren wie auch
mit den dortigen schriftsätzlichen Einlassungen im Kern überein. Bei seiner Vernehmung im Strafverfahren
hat er angegeben, „auch in den Jahren davor immer wieder Prof. Dr. X Geld gegeben“ zu haben, „wenn es
ihm möglich gewesen sei und er es gebraucht habe“. Er habe ihm meistens Geld geliehen (Akte
Strafverfahren, S. 1297). Diese Bekundungen stehen im Kern im Einklang mit Angaben des Klägers bei
einer Besprechung im Büro des Kaufmännischen Direktors am 22.10.2008 (Aktenvermerk vom
25.01.2008, S. 2, enthalten in der Akte des Beklagten) und mit der schriftlichen Einlassung des Klägers im
Strafverfahren (RA ..., Schriftsatz vom 16.12.2009, Akte Strafverfahren, S. 991, mit dem Hinweis auf das
für den Kläger eingerichtete Unterkonto). Sie können im Übrigen gerade auch vor dem Hintergrund der
engen persönlichen Beziehung zum Kläger sowie dessen desolater finanzieller Lage gut nachvollzogen
werden.
306 Darüber hinaus deutet die jeweilige Höhe der konkreten Beträge, die der Zeuge C nach der Liste dem
Kläger jeweils hat zukommen lassen, nicht darauf hin, dass damit die Vereinbarung der hälftigen
Beteiligung an den Gewinnen der Fa. M „erfüllt“ worden wäre. Auf einen entsprechenden Vorhalt des
Beklagten-Vertreters hat der Zeuge in jedenfalls plausibler Weise darauf verwiesen, dass bei einem
Vergleich der Gesamtausschüttung und der jeweils dem Zeugen und dem Kläger zugeteilten Beträge ein
„Ungleichgewicht“ festzustellen sei.
307 Indiz für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen sind auch seine Angaben, im Hinblick auf die einzelnen
Zahlungen dem Kläger gegenüber keinen Zusammenhang mit den Gewinnen der Fa. M hergestellt zu
haben und dass er sich sicher sei, dass der Kläger nie gewusst habe, welche Höhe die Gewinnausschüttung
gehabt habe (Niederschrift, Anlage 3, S. 27).
308 Der Senat geht schließlich davon aus, dass die oben in Bezug auf die den Kläger begünstigende Abtretung
festgestellte Plausibilität und Wahrscheinlichkeit anderer Motive der Zeugen C angesichts der Eigenart der
Beziehung zwischen dem Zeugen und dem Kläger in gleicher Weise für die hier gegenständlichen
Zuwendungen gelten. Auch insoweit verbleiben jedenfalls gravierende Zweifel daran, dass der Zeuge C mit
diesen Zuwendungen das Ziel verfolgt hat, auf die künftige Dienstausübung des Klägers im Interesse der
XY oder speziell im Interesse der Fa. M Einfluss zu nehmen und/oder eine entsprechende vergangene
Dienstausübung zu honorieren.
309 (fff) Diese Bewertung der gegen den Kläger erhobenen Verdachtsgründe wird durch die vom Beklagten u.a.
unter Bezugnahme auf die Anklageschrift, den Beschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 15.07.2010 - 1 K
2586/89 - sowie die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 in den Vordergrund gerückten
belastenden Umstände nicht erschüttert.
310 Der Senat verkennt nicht, dass die massive Verschuldung des Klägers im maßgeblichen Zeitraum ersichtlich
für diesen ein Motiv hätte darstellen können, sich in seiner Dienstausübung etwa durch die vom Zeugen C
erhaltenen Zuwendungen beeinflussen zu lassen. Er hatte beim Finanzamt ..., bei Kreditinstituten sowie
bei privaten Gläubigern Schulden in Höhe von mehreren Millionen Euro. Zahlreiche Gläubiger gingen im
Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Kläger vor, der nur sporadisch in der Lage war, gewisse
Teilzahlungen zu leisten (zum Stand der wirtschaftlichen Situation des Klägers vgl. das Protokoll vom
01.11.2006, BMO Reg.-Nr. 32). Indes hat der Senat bei einer Gesamtschau aller Umstände hinreichend
konkrete und aussagekräftige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines derartigen Zusammenhangs nicht
festzustellen vermocht. Dies gilt umso mehr, als der Umstand der Verschuldung ohne weiteres mit den
aufgezeigten alternativen Gründen für die Zuwendungen durch die Zeugen D und C in Einklang gebracht
werden kann und sogar geeignet ist, diesen Gründen besondere Plausibilität zu verleihen. So kann etwa
vor dem Hintergrund des engen persönlich-freundschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Kläger und dem
Zeugen C auf der Grundlage dessen glaubhafter Darstellungen davon ausgegangen werden, dass dieser
gerade angesichts der finanziellen Lage des Klägers eine besondere Verantwortung verspürt hat, diesem
immer wieder finanziell auszuhelfen. Dass Zahlungen höherer Beträge vermehrt in dem hier
gegenständlichen Zeitraum stattfanden (in der Anklageschrift als „graduelle Steigerung des „Anfütterns“
des Klägers deklariert), lässt sich auch damit erklären, dass der Zeuge C - insbesondere aufgrund seiner
Stellung in der Fa. M - in diesem Zeitraum über mehr Geldmittel verfügte, was nicht zwangsläufig eine
Verknüpfung mit der Dienstausübung durch den Kläger belegt. Damit kommt auch dem Hinweis in der
Anklageschrift auf das Protokoll der Fa. M vom 01.11.2006 (BMO Reg.-Nr. 32) kein entscheidender
Beweiswert zu.
311 Entsprechendes gilt letztlich, soweit zur Begründung des Verstoßes gegen die Verpflichtung, bei der
Erfüllung von dienstvertraglich geschuldeten Aufgaben nicht unberechtigt eigene Vorteile wahrzunehmen,
- letztlich pauschal - darauf abgehoben wird, dass die im zeitnahen Umfeld zu den persönlichen Kontakten
erfolgten Zahlungen an den Kläger „zu auffällig und ungewöhnlich“ seien (so die Formulierung im
Beschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 15.07.2010) bzw. „die zeitlichen Koinzidenzen von
wiederholten Geldleistungen an den Kläger“ „in der Summe nicht plausibel mit Zufällen“ zu erklären seien
(so die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 06.08.2010 zum Ergebnis der Nachermittlungen).
Demgemäß sind in dem genannten Beschluss des Verwaltungsgerichts auch die dem Kläger vorgeworfenen
Zahlungen von insgesamt 85.500,-- EUR in den Jahren 2005 bis 2007 pauschal aufgelistet und ist
ausgeführt worden, dass ausnahmslos alle Zahlungen von Konten der zur XY gehörenden Firmen erfolgt
seien. Indes hat eine eingehende und differenzierende Betrachtung der unterschiedlichen Zuwendungen
auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der besonderen
Beziehungen des Klägers insbesondere zum Zeugen D wie zum Zeugen C (vgl. oben unter [aaa] bis [eee])
jedenfalls hinreichend konkrete und aussagekräftige Anhaltspunkte dafür erbracht, dass den Zuwendungen
andere Zielsetzungen zugrunde lagen als die vom Beklagten letztlich unterstellten konkludenten
Unrechtsvereinbarungen. Dabei ist festzuhalten, dass den aus der Sphäre des Klägers und der Fa. M
stammenden Aufzeichnungen, vertraulichen Protokollen und Korrespondenzen auch Aussagekraft für die
Annahme entlastender Umstände zukommt (vgl. etwa die Aktennotiz des Steuerberaters Q über eine
„Besprechung in Sachen Kooperation Uni-Klinik ...“ am 30.05.2006 [BMO Reg.-Nr. 14]). Darüber hinaus
lassen sich ausreichend konkrete dienstliche Berührungspunkte zwischen den potentiellen Vorteilsgebern
D bzw. C und dem Kläger auch deshalb nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, weil
letzterer - wie dargelegt - unstreitig auf die Verhandlungen und den Abschluss des Rahmenvertrags keinen
Einfluss hatte. Bei dieser Sachlage entbehrt auch der bloße Hinweis auf die zeitliche Nähe der Geldflüsse
zu den Vertragsverhandlungen einer hinreichend greifbaren Tatsachengrundlage für die Annahme der
„großen Wahrscheinlichkeit“ einer konkludenten Unrechtsvereinbarung.
312 Schließlich vermag auch der Umstand, dass gegen den Kläger bereits im Jahre 1999 ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme bzw. der Untreue eingeleitet worden war
(420 Js 11807(98), die Beweislage nicht entscheidend zu verändern. Dieses Verfahren wurde von der
Staatsanwaltschaft gemäß § 153a StPO gegen eine Geldauflage ein Höhe von 30.000,-- EUR eingestellt, da
sich der Kläger nach den durchgeführten Ermittlungen selbst wirtschaftlich nicht bereichert hatte und ein
wirtschaftlicher Schaden für andere nicht festzustellen war.
313 (c) Insgesamt vermag der Senat trotz verbleibender Verdachtsmomente nicht festzustellen, dass im
Kündigungszeitpunkt die für die Annahme des dringenden Tatverdachts erforderliche große
Wahrscheinlichkeit erheblicher Pflichtverletzungen vorlag.
314 dd) Vor dem Hintergrund der vorstehenden Darlegungen kann offen bleiben, ob die vor der Erklärung der
Verdachtskündigung durchgeführte Anhörung des Klägers durch den Beklagten den in der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Anforderungen (vgl. BAG, Urteil vom 18.06.2015 - 2 AZR 256/14 -
, juris, und vom 23.05.2013 - 2 AZR 102/12 -, juris; Eylert, NZA-RR 2014, 393, 400 ff.) gerecht geworden
ist.
315 ee) Ebenso wenig bedarf es einer Interessenabwägung. Zwar ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine
Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines
dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, in einer
Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen und hat eine Bewertung des
Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG, Urteile vom
19.04.2012 - 2 AZR 258/11 -, juris, Rn. 14, vom 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 -, juris, und vom 10.06.2010 -
2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Hier hat der Senat indes auf der Grundlage des Ausführungen
unter (bb) und (cc) bereits den dringenden Verdacht erheblicher Pflichtverletzungen des Klägers und damit
eine unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung nicht festzustellen vermocht.
III.
316 Danach war die mit Schreiben des Beklagten vom 30.09.2009 erklärte Kündigung des Dienstvertrags vom
24.07.2007 unwirksam. Das Dienstverhältnis bestand somit bis zum 31.03.2012 fort (vgl. § 11 Abs. 4 2.
Spiegelstrich des Dienstvertrags).
317 Der Senat hat oben bereits festgestellt, dass mit der Kündigung des Dienstvertrags durch den Beklagten
auch die Abberufung des Klägers von der Leitung der Abteilung Klinische Chemie verbunden war. Damit
kam der weiteren, ausdrücklichen Abberufungsentscheidung vom 20.01.2010 keine eigenständige
rechtliche Wirkung mehr zu. Unabhängig davon hat der Beklagte auch diese Entscheidung maßgeblich auf
den Verdacht schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen gestützt. Da die Berechtigung dieses Verdachts
nach den Ausführungen unter II. erheblichen Zweifeln begegnet, würde sich die weitere Abberufung
jedenfalls als materiell rechtswidrig erweisen.
318 Auch die mit Erlass des MWK vom 09.02.2010 ausgesprochenen Funktionsänderung, gegen die der Kläger
Widerspruch erhoben hat, war nicht geeignet, aus, vor dem 31.03.2012 eine Beendigung des
Dienstvertrags herbeizuführen (vgl. § 11 Abs. 4 erster bzw. dritter Spiegelstrich des Dienstvertrags).
C.
319 Da der Kläger bereits mit dem Hauptantrag erfolgreich war, bedarf es keiner Entscheidung über die
Hilfsanträge.
D.
320 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
321 Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
322
Beschluss vom 1. Dezember 2016
323 Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 792.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52
Abs. 1 GKG). Die Höhe des wirtschaftlichen Interesses des Klägers hat der Senat aus den sich im
maßgeblichen Zeitraum (01.04.2010 bis 31.03.2012) nach § 8 Abs. 1 und 2 des Dienstvertrags vom
24.07.2007 ergebenden Abschlagssummen abgeleitet (vgl. den Streitwertbeschluss des
Verwaltungsgerichts ... vom 11.03.2014).
324 Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).