Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 25.11.2016

wichtiger grund, rücktritt, treu und glauben, prüfungsordnung

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 25.11.2016, 9 S 75/16
Nachträglicher Rücktritt von der Prüfung
Leitsätze
Zum nachträglichen Rücktritt von der Prüfung wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2015 - 13 K
5078/13 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1 Auf der Grundlage eines Zulassungsbescheids vom 04.09.2009 sowie eines Ausbildungsvertrags mit der
Firma L. GmbH & Co. KG nahm der Kläger am 01.10.2009 bei der Beklagten das Studium im Bachelor-
Studiengang „BWL - Spedition, Transport und Logistik“ auf.
2 Mit Schreiben vom 23.03.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er im Modul
Logistikinformationssysteme IV nicht mindestens die Note ausreichend (4,0) erreicht habe; die
Wiederholungsprüfung wurde auf den 15.05.2012 terminiert. Diese wurde ebenfalls mit „nicht ausreichend“
bewertet.
3 Bereits unter dem 09.03.2012 hatte die Beklagte den Kläger darüber informiert, dass die aus dem 5.
Semester nachzuholende (Teil-)Prüfungsleistung „Mitarbeiterführung“ des Moduls ABWL VI auf den
19.04.2012 festgelegt worden sei. Der Kläger nahm an dieser Prüfung teil; seine Leistung wurde mit „nicht
ausreichend“ (4,1) bewertet.
4 Zu den Teilklausurprüfungen „Integrative Managementsysteme“ und „Unternehmensführung“ des Moduls
ABWL VI am 23.03.2012 erschien der Kläger krankheitsbedingt nicht. Die Nachholklausuren wurden mit
Schreiben der Beklagten vom 27.06.2012 auf den 07.08.2012 festgelegt. Auch diesen Termin nahm der
Kläger aus Krankheitsgründen nicht wahr. Er legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Facharztes für
Allgemeinmedizin Dr. Sch. vom 06.08.2012 vor, in der ihm eine Arbeitsunfähigkeit vom 09.07.2012 bis
10.08.2012 attestiert wurde. Auf Anforderung der Beklagten übersandte der Kläger am 08.08.2012 ein
Attest desselben Arztes vom gleichen Tag, in dem es heißt: (Der Kläger) „ist im Rahmen einer
episodenhaften - offensichtlich psychischen - Störung in seiner Leistungsfähigkeit physisch und psychisch
alltagsrelevant derart eingeschränkt, dass deshalb derzeit eine Arbeitsfähigkeit und insbesondere
Prüfungsfähigkeit nicht besteht. Bis zur weiteren gebietsärztlichen Einordnung und spezifischen
Therapieeinleitung ist eine Dauer nicht konkret festzulegen, jedoch sicher über die nächsten 4 Wochen.“
Daraufhin legte die Beklagte mit Schreiben vom 17.08.2012 einen erneuten Nachholtermin auf den
10.10.2012 (und Nachholtermine für weitere Klausuren auf den 08.10. und 09.10.2012) fest. Auch zu
diesem Termin erschien der Kläger nicht. Wenige Minuten vor Beginn der Klausur rief er im Sekretariat des
Studiengangs an und meldete sich abermals krank. Auf den schriftlichen Hinweis der Beklagten vom
12.10.2012, dass es für die Geltendmachung einer Krankheit eines qualifizierten ärztlichen Attests bedürfe,
erklärte der Kläger mit E-Mail vom 15.10.2012, dass er keine Krankmeldung einreichen werde. Unter dem
18.10.2012 teilte die Beklagte ihm mit, er sei zum Prüfungstermin ohne wichtigen Grund nicht erschienen.
Daher würden beide Teilklausurprüfungen mit der Note „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet. Ein
Wiederholungstermin für alle drei zu wiederholenden Teilprüfungsleistungen des Moduls ABWL VI wurde mit
Schreiben der Beklagten vom 02.11.2012 auf den 04.12.2012 bestimmt. Die von dem Kläger an diesem Tag
erzielten Leistungen in allen Teilklausurprüfungen wurden jeweils mit der Note 4,3 (nicht ausreichend)
bewertet.
5 Mit Bescheid vom 18.12.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er in den schriftlichen
Wiederholungsprüfungen in den Modulen des dritten Studienjahres „Logistikinformationssysteme IV“ (Note
4,2) und „ABWL VI: Führung“ (Note 4,3) keine ausreichenden Leistungen erzielt und diese Module nicht
bestanden habe. Da nach § 14 Abs. 4 der Studien- und Prüfungsordnung eine zweite Wiederholungsprüfung
nur dann möglich sei, wenn im Studienjahr nur ein Modul nach Ausschöpfung der ersten
Wiederholungsprüfung nicht bestanden worden sei, was in seinem Fall nicht zutreffe, sei eine Wiederholung
von Modulprüfungen nicht möglich. Aus diesem Grund sei ihm die Zulassung zum Studium an der Dualen
Hochschule Baden-Württemberg Heidenheim zu entziehen.
6 Gegen diesen Bescheid legte der Kläger - wie auch gegen den Bescheid der Beklagten vom 07.01.2013, mit
dem er zum 31.03.2013 exmatrikuliert wurde - am 18.01.2013 Widerspruch ein. Nach Aufforderung durch
die Beklagte nahm er den Widerspruch gegen die Exmatrikulation mit anwaltlichem Schriftsatz vom
12.08.2013 zurück und begründete mit diesem Schriftsatz den Widerspruch gegen den Bescheid vom
18.12.2012 unter Vorlage von ärztlichen Attesten vom 02.07.2013 (Dr. Sch.) und 11.07.2013 (Dr. W.). Ein
Fall des Nichtbestehens der Wiederholungsprüfung im Fach ABWL VI liege nicht vor, da er wirksam von den
Prüfungen am 10.10.2012 und 04.12.2012 zurückgetreten sei. Er könne einen Wiederholungsversuch im
Fach ABWL VI beanspruchen, da er krankheitsbedingt die Wiederholungsklausur vom 10.10.2012 nicht habe
antreten können und daher gemäß § 9 Abs. 1 der Prüfungsordnung wirksam aus wichtigem Grund von der
Prüfung zurückgetreten sei. Zwar habe er die Anforderungen in § 9 Abs. 1 der Prüfungsordnung nicht
gewahrt, da er zur Glaubhaftmachung seiner krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit nicht unverzüglich
ein ärztliches Attest vorgelegt habe. Diese Ausschlussfrist sei vorliegend jedoch nicht anwendbar, da er zu
vernunftgemäßem Handeln unfähig gewesen sei und sich in einem die freie Willensbestimmung
ausschließenden Zustand krankhafter seelischer Störung befunden habe. Er habe auch von der Klausur am
04.12.2012 wirksam zurücktreten können, da er sich auch zu diesem Zeitpunkt ausweislich der vorgelegten
Atteste in einem Zustand unerkannter Prüfungsunfähigkeit befunden habe. Diesen Zustand habe er erst
erkannt, nachdem ihm der streitbefangene Bescheid zugegangen sei. Seine Rechte habe er durch Einlegung
des Widerspruchs vom 15.01.2013 gewahrt und die Voraussetzungen einer unverzüglichen Anzeige der
Prüfungsunfähigkeit durch Vorlage der Widerspruchsbegründung erfüllt.
7 Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der
Kläger habe die vorgetragenen Krankheitsgründe für die Versäumnis bzw. das Ergebnis der
Prüfungsleistungen am 10.10.2012 und 04.12.2012 nicht ausreichend glaubhaft gemacht.
8 Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Bescheid der Beklagten vom
18.12.2012 und deren Widerspruchsbescheid vom 19.11.2013 mit Urteil vom 15.01.2015 aufgehoben und
die Beklagte verpflichtet, den Kläger an den Prüfungen im Modul ABWL VI teilnehmen zu lassen. Im Übrigen
- soweit der Kläger die erneute Teilnahme an den Prüfungen im Modul Logistikinformationssysteme IV
begehrt hat - hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Klage sei
überwiegend zulässig und, soweit sie zulässig sei, auch begründet. Die Zulassung des Klägers zum
Studiengang BWL/Spedition, Transport und Logistik sei nicht gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 LHG in der Fassung
vom 10.07.2012 erloschen, denn der Kläger habe die Prüfungsleistungen im Modul ABWL VI und
Logistikinformationssysteme IV nicht endgültig nicht bestanden. Er habe Anspruch auf Nachholung der drei
Prüfungsklausuren in den Fächern „Mitarbeiterführung“ (2. Versuch), „Unternehmungsführung“ und
„Integrative Managementsysteme“ (1. Versuch) im Modul ABWL VI. lm Falle des Bestehens dieser Klausuren
habe er auch einen Anspruch auf die Ablegung einer Wiederholungsprüfung im Modul
Logistikinformationssysteme IV. Denn er sei sowohl am 10.10.2012 als auch am 04.12.2012 (unerkannt)
prüfungsunfähig und auch krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, vor Abgabe der
Widerspruchsbegründung im August 2013 diese krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit zu erkennen und
dementsprechend rechtzeitig zurückzutreten bzw. die Prüfungsfähigkeit alsbald auch durch entsprechende
ärztliche Atteste zu belegen. Deshalb seien die beiden Klausuren in den Fächern „Unternehmensführung“
und „Integrative Managementsysteme“, an denen der Kläger am 10.10.2012 krankheitsbedingt nicht
teilgenommen habe, aber auch nicht umgehend ein ärztliches Attest vorgelegt habe, zu Unrecht als nicht
bestanden erklärt worden, und auch von den am 04.12.2012 mitgeschriebenen Klausuren sei der Kläger
noch rechtzeitig zurückgetreten. Der Kläger habe zwar die als wichtigen Grund angeführte
Prüfungsunfähigkeit erst mit der Widerspruchsbegründung vom 12.08.2013 - also zehn Monate bzw. acht
Monate nach den beiden Prüfungsterminen - geltend gemacht. Dies sei jedoch trotz des ungewöhnlich
langen Zeitraums nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausnahmsweise noch als unverzüglich im Sinne
des § 9 Abs. 1 Satz 4 der Prüfungsordnung zu werten, weil sich der Kläger in einem Zustand unerkannter
Prüfungsunfähigkeit befunden und vorher nicht über die erforderliche Krankheitseinsicht verfügt habe. Denn
er sei - wie die Beweisaufnahme ergeben habe - in der Zeit von September 2012 bis August 2013 an einer
Erschöpfungsdepression erkrankt gewesen, aufgrund derer er bei den streitigen Prüfungsterminen am
10.10.2012 und am 04.12.2012 - unerkannt - prüfungsunfähig gewesen sei. Wie die sachverständigen
Zeugen Dres. Sch. und M. in der mündlichen Verhandlung der Sache nach übereinstimmend erklärt hätten,
sei diese Erkrankung durch die Symptome Erschöpfungszustände, Müdigkeit, Schlafbedürfnis,
Schwächegefühle, Konzentrationsstörungen, Rastlosigkeit der Gedanken, ungute Gefühle, Ängste, Hang
zum Grübeln und Sinnieren, Insuffizienzgefühle bzgl. der Erfüllung unterschiedlichster Pflichten und sowie
das Unvermögen, zu erkennen, dass eine psychische Erkrankung vorliege einschließlich darauf beruhender
unlogischer Verhaltensweisen wie Absehen von Prüfungsrücktritt und Krankmeldung bzw. Attestvorlage,
gekennzeichnet. Wie der Aussage des den Kläger behandelnden Hausarztes Dr. Sch. entnommen werden
könne, habe dieser zum ersten Mal bei einer Konsultation durch den Kläger anlässlich eines grippalen Infekts
am 15.12.2011 den Verdacht gehabt, dass diese Erkrankung auch psychische Ursachen gehabt haben
könnte. Es seien dann drei weitere Konsultationen gefolgt, von welchen zwei dazu geführt hätten, dass der
Zeuge dem Kläger Prüfungsunfähigkeit wegen unterschiedlicher Erkrankungen attestiert habe, und in der
dritten Konsultation am 09.07.2012 seien dann auch erstmals psychische Faktoren mit angesprochen
worden. Wie Dr. Sch. ausgeführt habe, habe er dem Kläger, dem er zur medikamentösen Therapie auch
„Trimipramin“ verordnet habe, anlässlich dieser Konsultation eine Überweisung an den Psychiater Dr. W.
ausgestellt, den der Kläger dann auch am 09.08.2012 aufgesucht habe. Dieser habe laut Attest vom
12.09.2014 anlässlich der Konsultation am 09.08.2012 eine Dysthymie diagnostiziert, also laut DSM eine
ernste Form der chronischen Depression, die mindestens zwei Jahre andauere, aber weniger akut und
schwerwiegend sei als eine schwere Depression. Nach Aussage des Zeugen Dr. Sch. habe Dr. W. anlässlich
dieser Konsultation den Kläger auch schon an einen Psychotherapeuten überwiesen gehabt. Daraus folge,
dass der Kläger auch am 10.10.2012 und am 04.12.2012 noch an dieser Erkrankung gelitten haben müsse,
da es sich um eine chronische Erkrankung handele und der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch keine
Psychotherapie begonnen gehabt habe. Demzufolge sei die von Dr. Sch. in seinem Attest vom 20.09.2014
auch mindestens für diesen Zeitraum unterstellte Prüfungsunfähigkeit einleuchtend dargelegt, obwohl der
Kläger ihn weder am 10.10.2012 noch am 04.12.2012 konsultiert habe. Nach Aussage von Dr. Sch. habe der
Kläger bei ihm darüber hinaus auch noch am 20.06.2013, am 28.01.2014 und am 17.09.2014 persönlichen
Rat gesucht, so dass er auch zu diesen Zeitpunkten noch einen persönlichen Eindruck von der psychischen
Befindlichkeit des Klägers habe gewinnen können. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger am
09.10.2012 an einer Klausur in einem anderen Fach teilgenommen und diese mit der Note 3,7 bestanden
habe und am 03.12.2012 ebenfalls an vier Klausuren teilgenommen habe, von denen er drei bestanden
habe. Denn wie der sachverständige Zeuge Dr. M. in seiner Vernehmung durch das Gericht dargelegt habe,
sei typisch für diese Erkrankung gerade „dieses auf und ab, dass es mal wieder klappe und dann mal wieder
nicht“, und in diesem Sinne sei auch das Attest von Dr. Sch. vom 20.09.2014 zu verstehen, wonach das
Verhalten betreffend die Teilnahme an einzelnen Prüfungen gerade die Problematik der psychischen Störung
widerspiegele. Deshalb stelle auch der Umstand, dass sich der Kläger für den 10.10.2012 entgegen der
Empfehlung der Beklagten weder krank gemeldet noch ein ärztliches Attest vorgelegt habe und auch am
04.12.2012 nicht umgehend krankheitsbedingt von der Prüfung zurückgetreten sei und demzufolge auch
kein ärztliches Attest vorgelegt habe, keine Verletzung der sich aus dem Prüfungsverhältnis ergebenden
Mitwirkungspflicht des Klägers dar. Denn der Kläger habe - wie auch die am 10.10.2012 gegenüber dem
Prüfungsleiter geäußerten Worte, er befände „sich mit neuer Motivation in einer guten
Vorbereitungsphase“, belegten - offenbar krankheitsbedingt auch nicht erkannt, dass er prüfungsunfähig
gewesen sei. In diesem Sinne verstehe das Gericht auch die Ausführungen des Herrn Dr. M. in dessen Attest
vom 12.09.2014, wonach der Kläger sich schon im November 2012 bei ihm gemeldet habe, aber „glaubte,
die Beanspruchungen von Krankheitswert noch bewältigen zu können“. Aber auch aus dessen Aussage vor
Gericht, nach welcher der Kläger dann zum ersten Mal am 28.11.2013 als sehr verzweifelter Mensch zu ihm
gekommen sei, sei zu schließen, dass der Kläger bis zum August 2013, als er sich dann endlich zur
Durchführung einer Therapie entschlossen habe, seine Erkrankung noch nicht wirklich habe erkennen bzw.
anerkennen können. Wie Herr Dr. M. nämlich weiter ausgeführt habe, habe der Kläger auch noch bei diesem
ersten Besuch wenig Kontrolle über seine Gedanken und Emotionen gehabt und sei bestürzt und verletzt
gewesen, dass er in eine solche Situation geraten sei, denn es habe keineswegs seinem Selbstbild
entsprochen, nicht mehr zu funktionieren oder eine solche Schwäche an sich selbst wahrnehmen zu
müssen. In diesem Sinne sei auch die Aussage des Herrn Dr. Sch. auf die Frage des Gerichts zu verstehen, ob
es seiner Meinung nach zu dem Krankheitsbild gehöre, dass bei einer solchen Erkrankung der Patient in der
Regel eine Krankheitseinsicht später entwickele als bei anderen Krankheiten, bzw. ob die mangelnde
Krankheitseinsicht als Symptom dieser Krankheit anzusehen sei. Herr Dr. Sch. habe dazu nämlich
ausgeführt, dass es zum Wesen einer solchen psychischen Erkrankung gehöre, dass der Patient zunächst
eine Abwehr entwickele. Damit übereinstimmend habe auch der sachverständige Zeuge Dr. M. überzeugend
dargelegt, dass es durchaus zum Krankheitsbild gehöre, dass man nicht vernünftig handeln könne, also nicht
rechtzeitig oder gar keine Atteste vorlege, obwohl man sich nicht in der Lage gefühlt habe, an der Prüfung
teilzunehmen. Denn man versuche bei diesem Krankheitsbild so lange zu kompensieren, bis es nicht mehr
gehe, und verhalte sich deshalb bisweilen unlogisch.
9 Der Kläger habe auch krankheitsbedingt bei einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ seine
Prüfungsunfähigkeit nicht vor August 2013 erkennen können, denn auf die Frage an Herrn Dr. M., wann dies
seiner Meinung nach beim Kläger hätte möglich gewesen sein müssen, habe dieser darauf hingewiesen, dass
der Kläger selbst bei seinem ersten Besuch bei ihm im November 2013 noch geäußert habe, er sei nicht
gerne auf fremde Hilfe angewiesen und dies belege, dass er keinen Zugang zu sich selbst gehabt habe, und
dass das ein Symptom dieser Erkrankung sei, dass (der Patient) eben nur schlecht bzw. gar nicht erkennen
könne, was mit ihm los sei. Deshalb gehe das Gericht davon aus, dass der Kläger, der selbst in der
mündlichen Verhandlung nicht in der Lage gewesen sei, dazu eindeutige Angaben zu machen, nicht über die
notwendige Krankheitseinsicht verfügt habe, bevor er sich im Sommer 2013 zur Durchführung einer
Therapie entschlossen und sich bei Dr. M. dazu angemeldet und seinen Prozessbevollmächtigten damit
beauftragt habe, den Widerspruch mit Schriftsatz vom 12.08.2013 damit zu begründen, dass er an einer
psychischen Erkrankung leide, nachdem er auch noch am 20.06.2013 bei Herrn Dr. Sch. nochmals Rat
gesucht und mit diesem ein persönliches Gespräch geführt habe. Bei der Erkrankung des Klägers habe es
sich auch nicht um ein solches Dauerleiden gehandelt, welches nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts nicht zur Rechtswidrigkeit einer für den erkrankten Prüfling negativen
Prüfungsentscheidung führe. Soweit die Klage darauf gerichtet sei, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger
auch an den Prüfungen in dem Modul Logistikinformationssysteme IV teilnehmen zu lassen, sei sie als
vorbeugende Verpflichtungsklage unzulässig, weil der Kläger auf eine weitere Wiederholungsprüfung in
diesem Fach gemäß § 14 Abs. 4 der Prüfungsordnung nur dann einen Anspruch habe, wenn er die Prüfungen
im Modul ABWL VI bestehe bzw. bestanden habe.
10 Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 11.01.2016 (- 9 S 422/15 -) die Berufung
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit der Klage stattgegeben worden ist.
11 Mit ihrer rechtzeitigen Berufungsbegründung macht die Beklagte geltend, die Herleitungen, Ansichten und
Beweiswürdigungen des Verwaltungsgerichts seien konstruiert, spekulativ und damit unhaltbar. Das
erstinstanzliche Gericht komme aufgrund seiner falschen Einschätzung zu dem fälschlichen Schluss, der
schriftliche Vortrag acht bzw. zehn Monate nach dem Datum der Prüfungsleistungen sei (noch)
„unverzüglich“ im Sinne der StuPrO erfolgt und stelle eine „unverzügliche“ schriftliche Anzeige und
schriftliche Glaubhaftmachung des wichtigen Grundes dar. Die Ausschlussfrist „unverzüglich“ wäre im Falle
der Richtigkeit einer solchen Bewertung faktisch ad absurdum geführt. Sie könnte keinen ordnungsgemäßen
Prüfungsbetrieb mehr durchführen, wenn die ca. 2500 Studierenden an der Studienakademie Heidenheim
bzw. die 34.000 Studierenden insgesamt selbst bei Unterstellung tatsächlich vorgelegener Symptome wie
Müdigkeit, Lustlosigkeit und dergleichen sich nach Bekanntwerden von „nicht bestandenen“
Prüfungsleistungen jeweils über Monate hinweg Zeit lassen könnten, den nächsten Arzt aufzusuchen, der
dann ohne persönliche Konsultation des Patienten auf den vor Monaten zurückliegenden Prüfungszeitraum
rekonstruierte „Atteste“ ausstelle, die sich zudem in vagen Äußerungen eines Allgemeinarztes erschöpften
und in dem spekulative Krankheitszeiträume definiert würden, um dies dann acht oder zehn Monate später
bei der Hochschule formgerecht anzuzeigen und diese sog. Atteste vorzulegen, welche sie als
Prüfungsbehörde dann quasi ohne Möglichkeit eines Gegenbeweises als Glaubhaftmachung eines wichtigen
Grundes zu akzeptieren hätte.
12 Für die Definition von Unverzüglichkeit sei korrekterweise auf das Bundesverwaltungsgericht abzustellen.
Entscheidend sei danach, ab welchem Zeitpunkt der Kläger in zumutbarer Weise unter Berücksichtigung
seiner prüfungsrechtlichen Mitwirkungspflicht seine (behauptete) Krankheit ihr gegenüber hätte anzeigen,
sich hätte attestieren lassen und das Attest hätte vorlegen können. Aus der für sie nicht nachvollziehbaren
Sichtweise des Gerichts sei - exakt! - der 12.08.2013 dieser frühestmögliche Zeitpunkt gewesen, in dem
man dies vom Kläger in zumutbarer Weise habe erwarten können. Denn vorher habe er, so das Gericht,
nicht über die erforderliche Krankheitseinsicht verfügt. Es gehe mithin im Kern um die „erforderliche
Krankheitseinsicht“. Hierzu habe der Zeuge Dr. Sch. ausdrücklich am Ende der Vernehmung auf die Frage,
ob beim Kläger seit Sommer 2012 eine gewisse Krankheitseinsicht vorgelegen habe, gesagt: „Ja, das würde
ich sagen, denn er (sic!) hat sich ja damals entschlossen, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen bzw.
eingesehen (sic!), dass dies erforderlich wäre“. Allein mit dieser Aussage hätte der Rechtsstreit vom Gericht
anders entschieden werden müssen. Damit habe der Kläger nicht nur eine vage Vorstellung, sondern sogar
Kenntnis von seiner Prüfungsunfähigkeit gehabt, weil ihm spätestens zu diesem Zeitpunkt sein
gesundheitlicher Zustand in den wesentlichen Merkmalen bewusst gewesen sei und er die Auswirkungen
der Erkrankung auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ erfasst
gehabt habe. Wenn „erforderliche Krankheitseinsicht“ so subjektiv definiert werde, wie es das
erstinstanzliche Gericht im Urteil getan habe, im Sinne von „Wann hat der Kläger trotz objektiv
vorhandener Krankheitszeichen eine bestehende Krankheit rein für sich gesehen akzeptiert?“, dann könnte
künftig jeder ihrer Studierenden jederzeit von jeder gewünschten Prüfungsleistung nach eigenem
Gutdünken mit dem Argument zurücktreten, man habe eben im Zeitpunkt der Prüfungsleistung einfach
diese oder jene körperliche oder psychische Einschränkung für sich noch nicht akzeptiert gehabt. Das könne
nicht richtig sein.
13 Das Gericht würdige fälschlicherweise auch insbesondere die Aussage des Zeugen M. als wesentlich. Und
dies, obwohl der Zeuge am Ende der Vernehmung auf die Frage, ob er eine verbindliche Aussage über den
Gesundheitszustand des Klägers am 10.10. und 04.12.2012 machen könnte, antworte: „Nein, kann ich
nicht.“ Auch diese Würdigung einer definitiv nicht „würdigungsfähigen“ Aussage durch das erstinstanzliche
Gericht sei unhaltbar. Das Gericht überhöhe hier einzelne Aspekte der Aussagen des Zeugen M., was
letztlich zu abstrusen Schlüssen führe, wie etwa der pseudo-psychologischen Unterstellung des Gerichts,
dass die Mitteilung des Klägers, er befinde sich mit neuer Motivation in einer guten Phase, ein Ausdruck
seiner Verdrängungsstrategien sei. Selbst schlichteste Aussagen des Zeugen, der Kläger habe ihm gegenüber
geäußert, er sei nicht gerne auf fremde Hilfe angewiesen, würden für die Beweiswürdigung des Gerichts
herangezogen und müssten als vermeintlicher Beleg für verdeckte Prüfungsunfähigkeit herhalten.
Insgesamt lasse das erstinstanzliche Gericht wichtige, aus ihrer Sicht entscheidende Aspekte weg und
schließe in unzulässiger Weise aus den Aussagen von Zeugen, die den Kläger im Zeitraum der streitigen
Prüfungstermine nicht gesehen oder konsultiert hätten, auf eine bestehende Prüfungsunfähigkeit als Folge
eines „auf und ab“, in diesem Falle eines „ab“, während es jeweils tags zuvor erwiesenermaßen noch ein
„auf“ gewesen sei, weil der Kläger die meisten seiner dort absolvierten Prüfungsleistungen bestanden habe.
Dem Umstand, dass der Kläger jeweils an den Tagen zuvor an weiteren Prüfungen teilgenommen habe, die
er überwiegend auch bestanden habe, werde nicht der erforderliche Beweiswert zuerkannt. Es sei völlig
unglaubwürdig, wenn das Gericht annehme, dass der Kläger zu einem solchen vernunftgemäßem Handeln
wie an den Vortagen am 10.10.2012 sowie am 04.12.2012 und auch im Anschluss daran über acht oder
zehn Monate hinweg kontinuierlich nicht in der Lage gewesen sei. Insgesamt gesehen habe die mündliche
Verhandlung vom 15.01.2015 genau das Gegenteil dessen erwiesen, was im Urteil entschieden worden sei,
dass nämlich das Versäumnis der Prüfungsleistungen am 10.10.2012 nicht entschuldigt gewesen sei und
dass hinsichtlich der Prüfungsleistungen am 04.12.2012 keine verdeckte Prüfungsunfähigkeit gegeben
gewesen sei.
14 Die Beklagte beantragt,
15 das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2015 - 13 K 5078/13 - zu ändern und die
Klage insgesamt abzuweisen.
16 Der Kläger beantragt,
17 die Berufung zurückzuweisen.
18 Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, die Zeugen hätten schlüssig und nachvollziehbar den
besonderen Krankheitsverlauf geschildert und insbesondere darauf verwiesen, dass die Krankheit als ernste
Depression zu werten sei, die hier einen typischen Verlauf genommen habe. Dieser sei geprägt von Phasen,
die eher als gut zu bezeichnen seien, bei denen auch Leistungen erbracht werden könnten, aber auch von
Phasen, die so schlecht seien, dass keinerlei logische, planvolle, gesteuerte Handlung möglich sei, wie sie
jedem Gesunden sonst leicht falle. Es sei das Wesen der Krankheit, im Auf und Ab zu verlaufen. Die
Geltendmachung der unerkannten Prüfungsunfähigkeit in der Widerspruchsbegründung sei auch
unverzüglich erfolgt. Erstmals am Freitag, den 09.08.2013 habe er die Diagnose seines Arztes Dr. Sch.
wirklich annehmen können, im Sinne einer Durchbrechung seitheriger Verhaltensweisen. Er habe dann
umgehend seinen Anwalt beraten und sei über den juristischen Punkt der unerkannten Prüfungsunfähigkeit
aufgeklärt worden. Dies sei ihm zuvor in dieser pointierten Form nicht bekannt gewesen. Sein Anwalt habe
dann am Montag, den 12.08.2013 seine Widerspruchsbegründung gefertigt. Da ihm erst im Rahmen der
Mandatierung die unerkannte Prüfungsunfähigkeit offenbar geworden sei, habe er, indem er das Mandat
erteilt habe, alles getan, was ihm in diesem Moment möglich gewesen sei. Der Anwalt habe dann sehr
zeitnah den Schriftsatz erstellt und bewege sich damit innerhalb der angemessenen Überlegungszeit.
Sämtliche Argumente der Beklagten, die damit einhergingen, er sei schon vorher ein schlechter Student
gewesen oder es gäbe organisatorische Probleme, wenn sich jeder Studierende auf unerkannte
Prüfungsunfähigkeit berufe, seien unsachlich bzw. irrelevant.
19 Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen
Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts
Stuttgart verwiesen.
Entscheidungsgründe
20 Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie
ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat sie zu Unrecht verpflichtet, den Kläger (erneut) an den
Prüfungen im Modul ABWL VI teilnehmen zu lassen. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu.
Der Bescheid der Beklagten vom 18.12.2012 und ihr Widerspruchsbescheid vom 19.11.2013 sind
rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 Das Begehren des Klägers ist an § 14 Abs. 4 Satz 1 der Satzung der Dualen Hochschule Baden-Württemberg
über das Studium und die Prüfungen im Studienbereich Wirtschaft (Studien- und Prüfungsordnung DHBW
Wirtschaft - StuPrO DHBW Wirtschaft, im Folgenden: StuPrO) vom 18.05.2009, geändert durch Satzung
vom 22.12.2010, zu messen (vgl. § 23 Satz 3 StuPrO DHBW Wirtschaft vom 22.09.2011). Dort ist
bestimmt: „Wurde nach Ausschöpfung der ersten Wiederholungsprüfungen pro Studienjahr nur ein Modul
nicht bestanden, so ist für dieses Modul eine zweite Wiederholungsprüfung in der Regel innerhalb von zwei
bis sechs Wochen nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses möglich; diese wird als mündliche Prüfung
durchgeführt und entscheidet nur noch über die Note „ausreichend“ (4,0) oder „nicht ausreichend“ (5,0).
Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt: Er hat in den schriftlichen Wiederholungsprüfungen
des dritten Studienjahres in zwei Modulen, nämlich Logistikinformationssysteme IV und ABWL VI, keine
ausreichenden Leistungen erzielt und diese Prüfungen damit endgültig nicht bestanden. Damit ist seine
Zulassung zum Studiengang BWL - Spedition, Transport und Logistik nach § 32 Abs. 1 Satz 5 LHG i.d.F. vom
10.07.2012 (GBl. S. 457) erloschen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat er keinen
Anspruch auf die Nachholung der drei Prüfungsklausuren in den Fächern „Mitarbeiterführung“ (2. Versuch),
„Unternehmungsführung“ und „Integrative Managementsysteme“ (1. Versuch). Die Ansicht des
Verwaltungsgerichts, dass der Kläger sowohl am 10.10.2012 als auch am 04.12.2012 (unerkannt)
prüfungsunfähig und auch krankheitsbedingt nicht in der Lage war, vor Abgabe der
Widerspruchsbegründung im August 2013 diese Prüfungsunfähigkeit zu erkennen und dementsprechend
rechtzeitig zurückzutreten bzw. die Prüfungsfähigkeit unverzüglich durch entsprechende ärztliche Atteste
zu belegen, trifft nicht zu.
22 Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StuPrO gilt eine Prüfungsleistung als mit der Note „nicht ausreichend“ (5,0)
bewertet, wenn die zu prüfende Person zu dem Prüfungstermin ohne wichtigen Grund nicht erscheint oder
nach Beginn der Prüfung ohne wichtigen Grund von der Prüfung zurücktritt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StuPrO
muss der für das Versäumnis oder den Rücktritt geltend gemachte wichtige Grund der Studienakademie oder
dem Prüfungsausschuss unverzüglich schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden. Bei Krankheit ist
nach Satz 5 unverzüglich ein ärztliches Attest vorzulegen. Dies gilt entsprechend für den Fall des
nachträglichen Rücktritts wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit.
23 Hier hat der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.08.2013 - ungeachtet der auf einen bereits
erfolgten Rücktritt weisenden Formulierungen („ist wirksam zurückgetreten“) - erstmals den Rücktritt von
den Prüfungen am 10.10.2012 und 04.12.2012 erklärt. Diese Erklärung erfolgte jedoch nicht unverzüglich
(1.). Der Kläger hat die geltend gemachten Rücktrittsgründe auch nicht unverzüglich durch ein ärztliches
Attest belegt (2.). Darüber hinaus hat er auch einen wichtigen Grund im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 StuPrO
nicht glaubhaft gemacht (3.).
24 1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 25.11.1992 - 6 B 27.92 -,
Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306, und vom 03.01.1994 - 6 B 57.93 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen
Nr. 327) gebietet es auch der das gesamte Prüfungsverfahren beherrschende, verfassungsrechtlich
gewährleistete Grundsatz der Chancengleichheit, dass der nachträgliche Rücktritt unverzüglich geltend
gemacht wird, wobei an die Unverzüglichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Ein Prüfungsrücktritt ist
danach dann nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling die Rücktrittserklärung nicht zum
frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben hat, zu dem sie von ihm zumutbarerweise hätte erwartet werden
können. Die Entscheidung, wann ein Rücktritt aus krankheitsbedingten Gründen zu erfolgen hat, hängt
allein davon ab, wann der Prüfling ihn in zumutbarer Weise, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, hätte erklären
können und müssen, wann ihm also die Verletzung seiner sich aus dem Prüfungsrechtsverhältnis
ergebenden Obliegenheit zur Mitwirkung im Sinne „eines Verschuldens gegen sich selbst“ vorwerfbar ist
(BVerwG, Urteil vom 07.10.1988 - 7 C 8.88 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 259). Ob ein Prüfling den
Rücktritt unverzüglich erklärt hat, kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls
festgestellt werden.
25 a) Davon ausgehend sprechen bereits die eigenen Angaben des Klägers in der Widerspruchsbegründung vom
12.08.2013 gegen eine Unverzüglichkeit des Rücktritts. Dort hat er nämlich geltend gemacht, den Zustand
der Prüfungsunfähigkeit habe er erst erkannt, nachdem ihm der streitbefangene Bescheid zugegangen sei.
Seine Rechte habe er durch Einlegung des Widerspruchs vom 15.01.2013 gewahrt. Vor dem Hintergrund,
dass der die Kenntnis auslösende Bescheid dem Kläger am 20.12.2012 zugestellt worden ist, ist die
Rücktrittserklärung im August 2013 ersichtlich nicht unverzüglich erfolgt.
26 b) Dies gilt aber auch unabhängig von diesen Angaben des Klägers.
27 Denn sowohl nach Erhalt des Bescheids vom 18.10.2012 als auch und insbesondere nach Zugang des
Bescheids vom 18.12.2012 über das Nichtbestehen der schriftlichen Wiederholungsprüfungen in den
genannten Modulen des dritten Studienjahres hätte sich der Kläger, selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt
eine Prüfungsunfähigkeit nicht erkannt hätte bzw. hätte erkennen können, in Anbetracht der laufenden
Widerspruchsfrist zumindest umgehend mit der Frage beschäftigen müssen, ob das negative
Prüfungsergebnis auf von ihm nicht zu vertretenden, insbesondere gesundheitlichen Gründen beruhen
konnte, so dass ein nachträglicher Rücktritt in Betracht kam (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 26.11.2009 - 7
ZB 09.1423 -, juris). Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang Folgendes: Wer keine erhebliche
Verminderung seines Leistungsvermögens bemerkt, ist in der Regel auch nicht prüfungsunfähig. Selbst
Krankheiten, seien sie offen oder latent, führen keine Prüfungsunfähigkeit herbei, solange sie das
Leistungsvermögen nicht oder nur unerheblich beeinträchtigen. Bemerkt der Prüfling aber eine erhebliche
Verminderung seines Leistungsvermögens, so kann er sich auf unerkannte Prüfungsunfähigkeit ohnehin
nicht berufen. Ob er seinen Zustand als Prüfungsunfähigkeit erfasst, ist dabei unerheblich (BVerwG,
Beschluss vom 17.01.1984 - 7 B 29.83 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 190; Niehues/Fischer/Jeremias,
Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 289 f.). Für die Feststellung der Prüfungsunfähigkeit ist in erster Linie der
Prüfling selbst verantwortlich. Er hat sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch
außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und er hat
bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu
ziehen. Das ergibt sich aus der auf dem Prüfungsrechtsverhältnis beruhenden Obliegenheit des Prüflings, im
Prüfungsverfahren mitzuwirken, die ihren Rechtsgrund in dem auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden
Grundsatz von Treu und Glauben hat (BVerwG, Beschluss vom 17.01.1984, a.a.O.). Dieser
Mitwirkungspflicht kommt bei der Geltendmachung einer ausnahmsweise zu berücksichtigenden
unerkannten Prüfungsunfähigkeit und im vorliegenden Fall zudem aufgrund der Vorgeschichte eine
besondere Bedeutung zu.
28 Der Zeuge Dr. Sch. hat vor dem Verwaltungsgericht ausgesagt, er habe am 09.07.2012 ein längeres
Gespräch mit dem Kläger geführt, in dem auch psychische Faktoren mit angesprochen worden seien. Er habe
dem Kläger auch eine Überweisung an den Kollegen Dr. W. ausgestellt. Auf Nachfrage hat er ergänzt, er
würde sagen, dass beim Kläger seit Sommer 2012 eine gewisse Krankheitseinsicht vorgelegen habe. Er habe
sich ja da erstmals entschlossen, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen bzw. eingesehen, dass dies
erforderlich sei. Auch Dr. M. hat in seinem Attest vom 12.09.2014 ausgeführt, der Kläger habe sich bei ihm
schon im November 2012 gemeldet, aber geglaubt, die Beanspruchungen von Krankheitswert noch
bewältigen zu können. Vor diesem Hintergrund hätte sich der Kläger in unmittelbarem zeitlichen
Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Klausuren und zumal vor dem Hintergrund, dass er jeweils
an den Vortagen (offenbar unbeeinträchtigt) an Klausuren teilgenommen und diese überwiegend bestanden
hatte, um die Aufklärung über die Gründe einer Änderung seiner Konstitution bemühen müssen. Eine
zeitnahe ärztliche Untersuchung hätte sich auch deshalb aufdrängen müssen, weil es, wie die Zeugen
bekundet haben, in der Natur der geltend gemachten Beeinträchtigung liegt, dass sie im „Auf und Ab“
verläuft (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 03.01.1994 - 6 B 57.93 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen
Nr. 327).
29 Dieser Obliegenheit zur unverzüglichen Aufklärung der in seiner Sphäre liegenden Ursachen des Misserfolgs
ist der Kläger jedoch nicht nachgekommen. Er hat unter dem 15.01.2013 Widerspruch gegen den Bescheid
vom 18.12.2012 eingelegt und eine Begründung „im Rahmen der gesetzlichen Frist“ angekündigt. Es
bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er in den Wochen davor oder danach zumindest versucht
hätte, sich etwa durch Vorstellung bei einem Arzt näheren Aufschluss über mögliche medizinische Ursachen
der negativen Prüfungsergebnisse zu verschaffen. Eine solche Aufklärung war ihm zuzumuten und mit
keinem besonderen Aufwand verbunden. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er dazu
krankheitsbedingt nicht in der Lage war. Da er dies nicht getan hat, hat er die ihm obliegenden
Mitwirkungspflichten im Prüfungsverfahren verletzt. Seine Rücktrittserklärung vom 12.08.2013 - etwa
sieben Monate nach der Widerspruchseinlegung - ist deshalb ungeachtet des Umstands nicht unverzüglich
erfolgt, dass auch eine bis zum August 2013 ununterbrochen fortwährende, eine Prüfungsunfähigkeit und
eine Unfähigkeit zum Rücktritt bedingende Erkrankung des Klägers mit Blick auf seine sonstigen
Klausurteilnahmen, seine schriftlichen Äußerungen und seine Berufstätigkeit bei der Firma L. nicht
erkennbar ist. Auch die von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen enthalten hierzu ebenso
wenig konkrete und belastbare Angaben wie die Aussagen der Zeugen Dr. Sch. und Dr. M. vor dem
Verwaltungsgericht.
30 2. Entgegen der aus § 9 Abs. 1 Satz 4 und 5 StuPrO folgenden Verpflichtung hat es der Kläger darüber
hinaus auch versäumt, die angezeigten Rücktrittsgründe durch ein ärztliches Zeugnis glaubhaft zu machen.
Denn die dem Widerspruchsschreiben beifügten ärztlichen Atteste belegen eine Prüfungsunfähigkeit nicht.
31 Dr. W. bestätigt unter dem 11.07.2013, dass sich der Kläger am 09.08.2012 einmalig zur Untersuchung in
seiner Praxis befunden habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er bei ihm eine Dysthymie sowie eine
Anpassungsstörung bei Ambivalenzkonflikt diagnostiziert. Danach habe er den Kläger nicht mehr gesehen.
Insoweit sei es ihm leider nicht möglich, aus der einmaligen Kontaktaufnahme irgendetwas zum Befund des
Klägers am 10.10.2012 oder 04.12.2012 aussagen zu können. Dem hat der Senat nichts hinzuzufügen.
32 Dr. Sch. gibt unter dem 02.07.2013 an, dass der Kläger im Rahmen der Konsultationen in seiner Praxis seit
Dezember 2011 wiederholt vorstellig gewesen sei. Die gesundheitliche Beeinträchtigung habe auch eine
fachärztliche Mitbehandlung erforderlich gemacht. Aufgrund dieser Situation sei seit mindestens Juli 2012 bis
September 2012 eine Prüfungsfähigkeit nicht mehr gegeben gewesen. Prospektiv sei auch darüber hinaus
diese Situation anzunehmen aufgrund seiner Kenntnis der gesundheitlichen Problematik. Auch dieses Attest
belegt - wie auch das im Klageverfahren vorgelegte Attest vom 20.09.2014 - nicht ansatzweise, dass der
Kläger zum Zeitpunkt der Prüfungen am 10.10.2012 und 04.12.2012 tatsächlich prüfungsunfähig war. Das
ärztliche Attest hat in diesem Zusammenhang die Funktion, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des
Prüflings zu beschreiben und anzugeben, welche Auswirkungen sich daraus für das Leistungsvermögen in
der konkreten Prüfung ergeben, um eine sachgerechte Beurteilung der Prüfungsbehörde über die
Prüfungsfähigkeit zu ermöglichen (BVerwG, Beschluss vom 06.08.1996 - 6 B 17.96 -, Buchholz 421.0
Prüfungswesen Nr. 371; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.07.2014 - OVG 10 S 5.14 -, NVwZ-RR
2014, 889). Diesen Anforderungen entspricht das vorgelegte Attest ersichtlich nicht. Dr. Sch. hat den Kläger
in zeitlichem Zusammenhang mit den Prüfungstagen nicht gesehen; dementsprechend enthält sein Attest
keine tragfähigen Aussagen über die Art der Erkrankung an den Prüfungstagen und deren Auswirkungen auf
die Leistungs(un)fähigkeit des Klägers.
33 3. Unabhängig davon ist schließlich auch ein wichtiger Grund für den Rücktritt von den Klausuren am
10.10.2012 und 04.12.2012 nicht gegeben.
34 a) Der Kläger hat in seiner Widerspruchsbegründung vorgetragen, er habe die Klausur vom 10.10.2012
krankheitsbedingt nicht antreten können. Der Aufforderung der Beklagten, ein ärztliches Attest vorzulegen,
habe er nicht entsprochen, weil er aufgrund seiner bestehenden psychischen Erkrankung nicht in der Lage
gewesen sei, seine aus der Studien- und Prüfungsordnung resultierenden Obliegenheiten zu erfüllen. Er sei
aufgrund seiner psychischen Erkrankung zu vernunftgemäßem Handeln unfähig gewesen und habe sich in
einem Zustand krankhafter seelischer Störung befunden, welcher seine freie Willensbestimmung
ausgeschlossen habe. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
35 Dies gilt schon deshalb, weil es an Anhaltspunkten für einen derartigen Zustand des Klägers völlig fehlt.
Nachdem er am 09.10.2012 an der für diesen Tag angesetzten Klausur teilgenommen (und diese bestanden)
hatte, hat er sich am 10.10.2012 wenige Minuten vor Beginn der Teilklausurprüfungen „Integrative
Managementsysteme“ und „Unternehmensführung“ im Sekretariat des Studiengangs telefonisch krank
gemeldet und ausweislich der gefertigten Aktennotiz erklärt, er wolle keine Krankmeldung einreichen. Mit
Schreiben des Studiengangsleiters vom 12.10.2012 wurde er darauf hingewiesen, dass es im Falle einer
Erkrankung eines qualifizierten ärztlichen Attestes zur Frage der Prüfungsfähigkeit bedürfe. Abschließend
heißt es: „Sollten Sie nicht beabsichtigen, Krankheit oder einen anderen wichtigen Grund für Ihr Fernbleiben
für die beiden o.g. Teilklausurprüfungen anzuführen, bitte ich um eine kurze Mitteilung per E-Mail. In diesem
Fall wären die beiden Teilklausurprüfungen jeweils mit der Note „nicht ausreichend“ (5.0) zu bewerten.“
Daraufhin antwortete der Kläger mit E-Mail vom 15.10.2012: „Ich werde auch keine Krankmeldung für
Mittwoch einreichen. Deswegen sind ich und mein Unternehmen auch gespannt auf das Ergebnis der
Klausur von Dienstag Spedition und Logistik V… Ich befinde mich gerade mit neuer Motivation in einer guten
Vorbereitungsphase.“ Dies knüpft an an eine Mail vom 10.10.2012, dem Klausurtag, in der der Kläger um
21:38 Uhr an den Studiengangsleiter geschrieben hat: „Ich habe Sie heut versucht telefonisch zu erreichen.
Würde mich gerne mit Ihnen persönlich kurz unterhalten und will Sie auch nicht nerven. Ich habe nur die
Prüfung am Di mitgeschrieben und die beiden anderen von Montag und heute leider nicht, da ich fast die
ganze letzte Woche aufgrund eines grippalen Infekts flach gelegen bin und deshalb nicht optimal vorbereitet
war und für mich es keinen Sinn gemacht hätte. Deswegen muss ich in den kommenden Wochen die beiden
Prüfungen wiederholen, da ich auch nicht beim Arzt bzgl. einer Krankmeldung war. Zurzeit habe ich echt
das Pech etwas gemietet, aber ich hoffe, die Zeiten werden wieder besser. Ich fühle mich wieder energievoll
und leistungsfähig um die letzten Aufgaben in meinem Studium zu bewältigen.“
36 Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte für einen die freie Willensbestimmung
ausschließenden krankhaften Zustand des Klägers. Dies erfährt Bestätigung durch sein Verhalten in der
Folgezeit. Auf die Mitteilung des Wiederholungstermins am 04.12.2012 hin schrieb der Kläger am
01.12.2012 an den Studiengangsleiter: „Mir ist erst gestern auf Ihrem Schreiben aufgefallen, dass
anscheinend das komplette Modul inkl. Mitarbeiterführung wiederholt werden muss. Ist das so korrekt?“
Nachdem der Studiengangsleiter ihm dies bestätigt hatte, antwortete der Kläger mit Mail vom 02.12.2012:
„Tja dann war es wohl strategisch falsch nicht zum Arzt zu gehen. Nichtsdestotrotz muss ich die Klausuren
unter den gegebenen Bedingungen bestreiten.“
37 Dieses Verhalten und diese Äußerungen des Klägers widerlegen insgesamt seine Behauptung, er sei
aufgrund seiner psychischen Erkrankung zu vernunftgemäßem Handeln unfähig gewesen und habe sich in
einem Zustand krankhafter seelischer Störung befunden, welcher seine freie Willensbestimmung
ausgeschlossen habe (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 22.09.1993 - 6 B 36.93 -, Buchholz 421.0
Prüfungswesen Nr. 318). Keine andere Bewertung rechtfertigen, wie dargelegt, die dem
Widerspruchsschreiben beifügten ärztlichen Atteste.
38 b) Hinsichtlich der Klausuren am 04.12.2012, die der Kläger - nach dem oben wiedergegebenen E-Mail-
Verkehr - mitgeschrieben hat, macht er geltend, ausweislich der vorgelegten Atteste sei er auch am
04.12.2012 prüfungsunfähig gewesen. Dies trifft aus den unter 2. angeführten Gründen nicht zu.
39 c) Soweit das Verwaltungsgericht meint, die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger in der Zeit von
September 2012 bis August 2013 an einer Erschöpfungsdepression erkrankt gewesen sei, aufgrund derer er
bei den streitigen Prüfungsterminen unerkannt prüfungsunfähig gewesen sei, ist dem nicht zu folgen. Die
Aussagen der vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen rechtfertigen diese Annahme nicht.
40 Dr. Sch. hat auf die Frage, welche Diagnose er für den 10.10.2012 und 04.12.2012 für den Kläger stellen
würde, ausgeführt, dazu könne er unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er nur Allgemeinarzt sei und
kein Psychiater oder Psychotherapeut, antworten, dass er als Diagnose eine Persönlichkeitsstörung
attestieren würde. Seines Erachtens lägen auch Anklänge einer Neurasthenie vor und er wolle sagen, dass
er eine fachpsychiatrische Überprüfung des Gesundheitszustands des Klägers unbedingt für dringend
notwendig halte. Auf Frage, ob er den Kläger in zeitlicher Nähe zu den Terminen 10.10.2012 und
04.12.2012 gesehen bzw. behandelt habe, hat er erklärt, er habe ihn zu beiden Zeitpunkten nicht mehr
konkret behandelt, nachdem der Kläger im August/September 2012 den Arzt gewechselt habe. Die Kontakte
zum Kläger seien danach nur noch über die Krankenkasse gelaufen bzw. es seien telefonische Rücksprachen
bezüglich vorausgegangener Krankmeldungen erfolgt. Auf weitere Frage hat er ausgeführt, es habe auch
nach August/September 2012 mit dem Kläger noch persönliche Kontakte gegeben; er habe bei ihm Rat
gesucht und so habe es z.B. persönliche Gespräche gegeben am 20.06.2013, am 28.01.2014 und am
17.09.2014.
41 Der Zeuge Dr. M. hat auf die Frage, was er zur Prüfungsunfähigkeit des Klägers am 10.10.2012 und
04.12.2012 sagen könne, erklärt, er könne das nur rekonstruieren, denn der Kläger sei zum ersten Mal am
28.11.2013 bei ihm gewesen. Er sei zu ihm als ein sehr verzweifelter Mensch gekommen, bei dem er eine
Erschöpfungsdepression diagnostiziert habe. Auf die Frage, ob er eine verbindliche Aussage über den
Gesundheitszustand des Klägers am 10.10. bzw. 04.12.2012 machen könne, hat er geantwortet, das könne
er nicht.
42 Diese Aussagen der Ärzte, die hinreichend verlässliche und konkrete Angaben zum Gesundheitszustand des
Klägers bei den streitigen Prüfungsterminen nicht machen konnten, hat das Verwaltungsgericht nicht
hinreichend in den Blick genommen. Ebenso wenig hat es berücksichtigt, dass die Ärzte gerade nicht erklärt
haben, dass der Kläger im Zeitraum von September 2012 bis August 2013 an einer zur Prüfungsunfähigkeit
führenden Erschöpfungsdepression erkrankt gewesen sei - daran ändern auch die mangels konkreter
Feststellungen nicht plausiblen „prospektiven Unterstellungen“ von Dr. Sch. nichts, die im Übrigen auch
nicht auf den vom Verwaltungsgericht angenommenen Zeitraum führen -, sondern schon nachvollziehbare
Angaben zum Zeitraum der Erkrankung nicht machen konnten. Auch fehlen Angaben zu den Auswirkungen
der angenommenen Erschöpfungsdepression auf das Leistungsvermögen des Klägers an den
streitgegenständlichen Klausurtagen völlig. Greifbare Anhaltspunkte für die Annahme des
Verwaltungsgerichts, der Kläger sei in der Zeit von September 2012 bis August 2013 an einer
Erschöpfungsdepression erkrankt gewesen, aufgrund derer er bei den streitigen Prüfungsterminen am
10.10.2012 und am 04.12.2012 unerkannt prüfungsunfähig gewesen wäre, bestehen auch darüber hinaus
nicht.
43 Vor diesem Hintergrund ist eine aus einer Erkrankung resultierende Prüfungsunfähigkeit des Klägers an den
Prüfungstagen und damit ein wichtiger Grund für den Rücktritt nicht glaubhaft gemacht.
44 Der Senat hat auch keinen Anlass gesehen, der Anregung des Klägers zu folgen, ein
Sachverständigengutachten zur Frage seiner Prüfungs(un)fähigkeit einzuholen. Dies gilt schon deshalb, weil
dazu zahlreiche ärztliche und fachärztliche Äußerungen vorliegen, die nicht unklar oder widersprüchlich
sind. Im Übrigen müsste der Kläger einen derart außergewöhnlichen Zustand, bei dem er trotz der
Bearbeitung von Klausuraufgaben (Klausur vom 04.12.2012) bzw. seiner eindeutigen Erklärungen zur
Nichtbearbeitung (Klausur vom 10.10.2012) prüfungsunfähig und selbst nach Zugang der Prüfungsbescheide
über Monate hinweg wegen seines Zustandes nicht in der Lage gewesen ist, dies geltend zu machen,
substantiiert dartun (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 22.09.1993 - 6 B 36.93 -, Buchholz 421.0
Prüfungswesen Nr. 318). Auch daran fehlt es.
45 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
46 Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.
47
Beschluss vom 25. November 2016
48 Der Streitwert des Verfahrens wird unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom
15.01.2015 gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 18.4
der Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2013 (NVwZ-Beilage 2/2013, 57) für beide Rechtszüge auf jeweils
10.000,-- EUR festgesetzt.
49 Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).