Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 17.12.2015

aufschiebende wirkung, gebäude, verwaltungsakt, ermessensfehler

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 17.12.2015, 8 S 2187/15
Vollstreckung einer unanfechtbaren Abbruchanordnung - Einwendungen gegen
die Grundverfügung
Leitsätze
1. Ist ein Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, kommt es im Rahmen seiner
Vollstreckung nicht darauf an, ob er rechtmäßig ist.
2. Die systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands und die Verfolgung
eines Konzepts beim Einschreiten gegen rechtswidrige Bauten gehört zu den
Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen, den Anforderungen des Art. 3 GG gerecht
werdenden Ermessensbetätigung beim Erlass einer Abbruchsanordnung im Sinne
des § 65 Satz 1 LBO, wenn trotz einer Mehrzahl rechtswidriger baulicher Anlagen
nicht flächendeckend gegen diese vorgegangen werden soll. Die Beachtung dieser
Anforderungen ist deshalb im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung einer solchen
Anordnung nicht erneut zu prüfen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Sigmaringen vom 21.Oktober 2015 - 7 K 2547/14 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der
Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 237,50
EUR festgesetzt.
Gründe
1 Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete
Beschwerde (§§ 146 f. VwGO) ist unbegründet. Mit dem angefochtenen Beschluss
hat das Verwaltungsgericht den Senatsbeschluss vom 27.02.2014 - 8 S 2146/13 -
insoweit geändert, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des
Antragsgegners gegen die Zwangsgeldandrohungen in dem Bescheid des
Landratsamts Alb-Donau-Kreis vom 22.05.2013 angeordnet worden ist, und den
Antrag auch insoweit abgelehnt. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten
Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt
ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen
Anlass.
2 1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die im Ermessenswege
getroffene Entscheidung, Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten,
hinreichend begründet worden sei. Das Landratsamt habe darauf abgestellt, dass
die Rückbauverfügung aus dem Jahr 1997 rechtskräftig sei und Gespräche mit
dem Antragsgegner über deren Umsetzung erfolglos geblieben seien. Es sei nun
auch begründet worden, weshalb im Falle des Antragsgegners
Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet würden, obwohl in anderen Fällen noch
keine - bestandskräftigen - Beseitigungsverfügungen vorlägen.
3 a) Der Antragsgegner macht hiergegen geltend, dass in der Begründung des
ergänzenden Bescheids vom 22.05.2014 darauf hingewiesen werde, dass sein
Anwesen mehrere bauliche Anlagen mit insgesamt 440 m3 umbauten Raum im
Außenbereich umfasst. Der ergänzende Bescheid enthalte keine Ausführungen
zur Vergleichbarkeit dieser Anlagen mit weiteren Baulichkeiten im Gebiet der
Erbacher Seenplatte. Dies werde dem Begründungserfordernis, das der Senat in
seinem Beschluss vom 27.02.2014 festgehalten habe, in keiner Weise gerecht.
4 b) Dieses Vorbringen vermag den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht
erfolgreich in Zweifel zu ziehen.
5 aa) Nach § 39 Abs. 1 LVwVfG ist u.a. ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer
Begründung zu versehen (Satz 1). In der Begründung sind die wesentlichen
tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer
Entscheidung bewogen haben (Satz 2). Die Begründung von
Ermessensentscheidung soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von
denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (Satz 3).
Bei der Pflicht aus § 39 Abs. 1 LVwVfG handelt es sich um eine nur formale Pflicht.
Darauf, ob die von der Behörde gegebene Begründung auch inhaltlich trägt und
die getroffene Entscheidung hinreichend zu rechtfertigen vermag, kommt es
deshalb in diesem Zusammenhang nicht an (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
12.08.2014 - 9 S 1722/13 - juris Rn. 50 m.w.N.).
6 bb) Diesen Vorgaben wird die Begründung der Zwangsgeldandrohung, wie sie
sich im ergänzenden Bescheid vom 22.05.2014 findet, erkennbar gerecht. Denn in
der Begründung wird erläutert, weshalb die Verwaltungsvollstreckung eingeleitet
worden ist, weshalb das Zwangsmittel des Zwangsgelds gewählt wurde und
welche Erwägungen den Antragsteller bei der Bestimmung der Höhe des
jeweiligen Zwangsgelds geleitet haben. Die von der Beschwerde im
Zusammenhang mit dem Begründungserfordernis aufgeworfenen Fragen richten
sich jeweils auf die inhaltlichen Anforderungen einer Ermessensentscheidung und
deren Rechtmäßigkeit. Diese sind, wie dargelegt, im Rahmen des § 39 Abs. 1
LVwVfG entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht zu prüfen.
7 2. Das Verwaltungsgericht hat weiter entschieden, dass die Erwägungen in dem
ergänzenden Bescheid vom 22.05.2014 im Ergebnis nicht zu beanstanden seien.
Der Vergleich der baulichen Anlagen des Antragsgegners mit den von ihm in
Bezug genommenen Vergleichsfällen zeige, dass die unterschiedliche
Behandlung dieser Fälle sachlich gerechtfertigt sei. Die bezeichneten
Vergleichsobjekte seien überwiegend deutlich kleiner und wiesen häufig einen
provisorischen Charakter auf, während die Anlagen des Antragstellers sich eher
als „Freizeitpark“ darstellten. Auch sei anerkannt, dass rechtswidrige Zustände
nicht stets flächendeckend zu bekämpfen seien. Vielmehr dürfe die zuständige
Behörde auch anlassbezogen vorgehen. Befänden sich innerhalb eines
bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen und werde nicht
gegen alle eingeschritten, müsse dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der
jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zu Grunde liegen. Voraussetzung sei
dafür u.a. eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Diesem
Erfordernis habe der Antragsteller jedenfalls mit den weiteren, im vorliegenden
Verfahren angestellten Ermittlungen genügt.
8 a) Der Antragsgegner macht hiergegen geltend, dass dem Bescheid nach wie vor
ausreichende Ermessenserwägungen dazu fehlten, weshalb gegen zahlreiche
ungenehmigte Bauten, die seit den 1980er Jahren Gegenstand von mehreren
Bestandsaufnahmen gewesen seien, im Einzelnen nicht vergleichbar seien. Der
Bescheid berücksichtige überdies nicht, dass sich die baulichen Anlagen auf
verschiedenen Grundstücken befänden und nicht - wie im Bescheid geschehen -
als ein umbauter Raum zusammengerechnet werden könnten. Die einzelnen
Gebäude seien mit anderen rechtswidrigen Einzelgebäuden zu vergleichen. Sie
stellten keineswegs eine Gesamtanlage dar. Weiter wird vorgebracht, dass es für
zwei ungenehmigte Gebäude im Bereich der Erbacher Seenplatte
Abbruchverfügungen aus dem Jahr 1978 gebe. Weder seien die Anlagen
abgebrochen worden noch habe der Antragsteller die Verfügungen vollstreckt.
9 b) Auch dieses Vorbringen zieht den angegriffenen Beschluss nicht erfolgreich in
Zweifel.
10 aa) Der Ansatz sowohl des Verwaltungsgerichts als auch der Beschwerde, eine
zutreffende Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Androhung des
Zwangsgelds erfordere, dass eine systematische Erfassung des rechtswidrigen
Baubestands erfolge, trifft bereits nicht zu.
11 (1) Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung ist, dass der zu vollstreckende
Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist (§ 2 Nr. 1 LVwVG) oder die
aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt (§ 2 Nr. 2 LVwVG). Ist ein
Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, kommt es im Rahmen seiner
Vollstreckung nicht darauf an, ob er rechtmäßig ist. Denn es ist ein tragender
Grundsatz des Verwaltungsvollstreckungsrechts, dass die Wirksamkeit und nicht
die Rechtmäßigkeit Bedingung für die Rechtmäßigkeit der folgenden Akte und
letztlich der Anwendung des Zwangsmittels ist (BVerwG; Urteile vom 13.04.1984 -
4 C 31.81 - NJW 1984, 2591 <2592> und vom 25.09.2008 - 7 C 5.08 - NVwZ 2009,
122 Rn. 12; Senatsurteil vom 10.01.2013 - 8 S 2919/11 -VBlBW 2013, 341; VGH
Baden-Württemberg, Urteil vom 08.01.2008 - 10 S 2350/07 - VBlBW 2008, 305;
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.04.2012 - 13 E 64/12 - ZfWG 2012,
208). Dieser Grundsatz ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss
vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 - NVwZ 1999, 290).
12 Einwendungen gegen die Grundverfügung können im Vollstreckungsverfahren
allenfalls in Analogie zu § 767 Abs. 2 ZPO dann zu berücksichtigen sein, wenn sie
nach deren Unanfechtbarkeit entstanden sind und ihre Aufrechterhaltung als
rechtswidrig erscheinen lassen (so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
20.02.1980 - III 1333/79 - BauR 1980, 346; offengelassen im Senatsbeschluss
vom 02.06.1997 - 8 S 577/07 - VBlBW 1998, 19). Ob § 767 Abs. 2 ZPO in diesen
Fällen tatsächlich zur Anwendung gelangt, kann auch im vorliegenden Verfahren
offen bleiben, denn der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren keine
Einwendungen gegen die Grundverfügung vorgetragen, die nach dem 13.01.2009
- dem Tag der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das
Bundesverwaltungsgericht (4 B 70.08) im Verfahren um die Anfechtung der
Abbruchanordnung vom 08.10.1997 - entstanden wären.
13 (2) Hiervon ausgehend legen das Verwaltungsgericht - und ihm insoweit im Ansatz
folgend - die Beschwerde zu hohe Maßstäbe an die Ermessensentscheidung des
Antragstellers zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens an. Es steht für das
Vollstreckungsverfahren zunächst bindend fest, dass die zu vollstreckende
Abbruchanordnung vom 08.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des
Regierungspräsidiums Tübingen vom 25.03.2004 rechtmäßig ist. Die vom
Verwaltungsgericht geforderte systematische Erfassung des rechtswidrigen
Baubestands und die Verfolgung eines Konzepts beim Einschreiten gegen
rechtswidrige Bauten gehört zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen,
den Anforderungen des Art. 3 GG gerecht werdenden Ermessensbetätigung beim
Erlass einer Abbruchsanordnung im Sinne des § 65 Satz 1 LBO, wenn trotz einer
Mehrzahl rechtswidriger baulicher Anlagen nicht flächendeckend gegen diese
vorgegangen werden soll (Senatsurteil vom 29.02.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR
1997, 465; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2014 - 3 S 1962/13 - juris).
Die Beachtung dieser Anforderungen ist deshalb im Rahmen der
Verwaltungsvollstreckung einer solchen Anordnung nicht erneut zu prüfen.
14 Vielmehr ist die Ermessensentscheidung, ob eine bestandskräftige
Abbruchsanordnung mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll, hinsichtlich des
Gleichbehandlungsgrundsatzes nur daraufhin zu überprüfen, ob bei mehreren
vollstreckbaren Grundverfügungen hinreichend sachliche Gründe dafür vorhanden
sind, dass allein eine dieser Verfügungen vollstreckt wird, während die
Vollstreckung von Abbruchanordnungen gegenüber anderen Adressaten
unterbleibt. Unter anderem kann die Baurechtsbehörde ohne Rechtsverstoß aus
ihrer Sicht besonders schwerwiegende Verstöße - auch mit Blick auf eine mögliche
Vorbildwirkung - zum Anlass nehmen, die Vollstreckung einzuleiten während sie in
anderen Fällen von einer Vollstreckung absieht (vgl. OVG Saarland, Urteil vom
07.11.1995 - 2 R 17/94 - BRS 57 NR. 251).
15 bb) Gemessen an diesen Maßstäben legt die Beschwerde einen Ermessensfehler
nicht dar. Mit ihr werden allein zwei Fälle benannt, bei denen trotz
bestandskräftiger Abbruchanordnung bis heute kein Abbruch und keine
Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt seien. Auch ohne Untersuchung der Gründe für
die fehlende Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens in diesem Einzelfall lässt
sich aus dem Beschwerdevorbringen eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu
vereinbarende Ermessensausübung zulasten des Antragsgegners nicht ableiten.
Dies käme nur in Betracht, wenn die Handhabung zu seinen Lasten willkürlich
wäre. Dies legt der Antragsgegner jedoch nicht dar. Mit seinem Vortrag, zwei
Verfügungen zum Abbruch einmal einer Hütte mit einer Grundfläche von 31 -32 m2
und einmal eines ungenehmigten Gebäudes jeweils aus dem Jahr 1978 seien bis
heute nicht vollstreckt worden, legt der Antragsgegner nicht dar, dass es sich
bezogen auf die von der an ihn gerichteten Abbruchanordnung vom 08.10.1997
erfassten Gebäude um gleichgelagerte Fälle handelt. Insbesondere vermag der
Antragsgegner mit seinem Vorbringen, seine zum Abbruch anstehenden Gebäude
stellten keine Gesamtanlage dar, im Rahmen der im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sachlage
nicht durchzudringen. Vielmehr drängt sich angesichts der - nicht angegriffenen -
Funktionsbezeichnungen „Gebäude mit Hausmeisterwohnung“, Gebäude mit
Dusche, Sauna und WC“, „Bootshaus“ und „Wochenendhaus“ der Schluss, es
handele sich insgesamt um einen großzügig angelegten, ungenehmigten
Freizeitpark, geradezu auf. Rechtlich unerheblich für die Einordnung der baulichen
Anlagen als Gesamtanlage ist, ob die einzelnen von der Abbruchverfügung
erfassten baulichen Anlagen auf verschiedenen Grundstücken stehen. Vielmehr
kommt es allein auf den optischen Eindruck sowie den funktionalen
Zusammenhang der baulichen Anlagen und nicht auf vor Ort nicht ohne Weiteres
wahrzunehmende Grundstücksgrenzen an. Einen Ermessensfehler zeigt die
Beschwerde daher nicht auf.
16 Dies gilt auch, soweit mit der Beschwerde geltend gemacht werde, die baulichen
Anlagen könnten nicht als ein umbauter Raum zusammengerechnet werden. Es
trifft zwar zu, dass in der am 22.05.2014 ergänzten Begründung der
Zwangsgeldandrohung angegeben wird, dass die baulichen Anlagen insgesamt
440 m3 umbauten Raumes aufwiesen. Hingegen geht der Vorwurf fehl, der
Antragsteller gehe letztlich von einem umbauten Raum aus. Der Bescheid mit
seiner ergänzten Begründung lässt deutlich erkennen, dass es dem Antragsteller
bewusst war, dass hier verschiedene bauliche Anlagen in Rede stehen.
17 3. Auch das Vorbringen, nach so langer Zeit fehlten die Gründe, die für einen
Sofortvollzug sprächen, die Antragstellerin müsse sich fragen lassen, weshalb
nach so langer Zeit und einem so langen Abbruchsverfahren die Vollstreckung im
Wege des Sofortvollzugs durchgeführt und nicht jedenfalls auf das
Hauptsacheverfahren gewartet werde, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
18 a) Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zu prüfen, ob überwiegende öffentliche
Belange dafür streiten, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen einstweilen
zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen
Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Der Rechtsschutzanspruch des
Betroffenen ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je
schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der
Verwaltung Unabänderliches bewirkt. Das gilt unabhängig davon, ob der
Sofortvollzug eines Verwaltungsakts einer gesetzlichen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.
1-3 VwGO) oder einer behördlichen Anordnung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO) entspringt (BVerfG, Beschluss vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 - BVerfGE
69, 220 < 228 f.>; BVerfG (K), Beschluss vom 11.05.2007 - 2 BvR 2483/06 -
BVerfGK 11, 179 < >). Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das
Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reicht - auch
bei gesetzlich angeordnetem Sofortvollzug - nicht aus, um die Umsetzung der
Maßnahme vor der endgültigen Klärung ihrer Rechtmäßigkeit im
Hauptsacheverfahren zu rechtfertigen. So bedürfen etwa vorläufige Berufsverbote
und Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung von Ausländern eine besondere
Rechtfertigung, die von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und
eine Gefährdungsprognose bezogen auf den Zeitraum zwischen beabsichtigtem
Vollzug und Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren erfordert
(BVerfG (K), Beschluss vom 24.08 2011 - 1 BvR 1611/11 - NVwZ 2012, 104
<105>).
19 b) Gemessen hieran vermag die lange Dauer des Verwaltungsverfahrens das
besondere Vollzugsinteresse nicht in Frage zu stellen. Denn die zeitnahe
Durchsetzung bestandskräftiger Entscheidungen mit den Mitteln des
Verwaltungszwangs steht einerseits bereits regelmäßig im öffentlichen Interesse,
wenn der Betroffene ihr nicht freiwillig Folge leistet. Weder das faktische Ruhen
des Widerspruchsverfahrens gegen die Abbruchanordnung in der Zeit zwischen
Oktober 1997 und März 2004 - der Antragsgegner begründete seinen Widerspruch
erst am 29.03.2003 - noch die Dauer des Verwaltungsrechtsstreits gegen die
Abbruchanordnung lassen das besondere öffentliche Interesse am Vollzug der
Zwangsgeldandrohung entfallen oder gering erscheinen. Vielmehr durfte der
Antragsteller bis zum Eintritt der Bestandskraft der Abbruchanordnung nicht im
Vollstreckungswege tätig werden, insbesondere wäre die Anordnung des
Sofortvollzugs der Abbruchanordnung rechtlich nicht zulässig gewesen (vgl.
Senatsbeschluss vom 11.03.2013 - 8 S 159/13 -juris). Dagegen besteht nunmehr
das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Rechtsordnung in besonderer
Weise.
20 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung und
Abänderung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1
Nr. 2, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und folgt den
Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013
(NVwZ-Beilage 2013, 56) in Nrn. 1.5 und 1.7.1). Danach ist bei der Androhung von
Zwangsmitteln die Hälfte der Höhe des Zwangsgelds in Ansatz zu bringen. Im
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist nur ein Viertel hiervon als Streitwert
in Ansatz zu bringen (1.900 EUR x ½ x ¼ = 237,50 EUR), was das
Verwaltungsgericht übersehen hat.
21 Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.