Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 22.02.2017

psychiatrisches gutachten, beweisantrag, notlage, waffengleichheit

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 22.2.2017, 4 S 2369/16
Leitsätze
Im verwaltungsgerichtlichen, vom Grundsatz der Amtsermittlung geprägten Verfahren sind Aufwendungen für
ein Privatgutachten nicht notwendig, wenn ein ohne weitere Sachkunde gestellter Beweisantrag Aussicht auf
Erfolg gehabt hätte.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Die Beschwerde, über die die Berichterstatterin als Einzelrichterin nach § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG entscheidet,
ist zulässig, aber unbegründet.
2 Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Kosten des vom Kläger eingeholten
Privatgutachtens nicht erstattungsfähig sind, weil die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 VwGO nicht
vorliegen, sie also nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren. Das
Beschwerdevorbringen gibt ebenso wenig wie der übrige Akteninhalt Anlass zu einer abweichenden
Einschätzung.
3 Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, er habe mangels genügender eigener Sachkunde sein Begehren
tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen können. Ex ante - zum Zeitpunkt
der Beauftragung des Privatgutachtens - habe er sich auch in einer prozessualen Notlage befunden. Es sei
unklar gewesen, ob der Senat ein Gutachten anfordern würde, das die allgemeine Dienstfähigkeit aus
neurologischer und psychiatrischer Sicht beurteilen würde. Um die Waffengleichheit gegenüber der Aussage
des Dr. O. herzustellen, sei eine entsprechende Begutachtung zwingend erforderlich gewesen. Dass der
erkennende Senat selbst ein entsprechendes Gutachten mit Beschluss vom 13.11.2015 einholen würde, habe
er zum Zeitpunkt der Beauftragung des Privatgutachters am 10.09.2015 nicht wissen können.
4 Dieses Vorbringen greift nicht durch. Die Einholung eines Privatgutachtens ist ausnahmsweise nur dann als
notwendig anzuerkennen, wenn der Beteiligte mangels genügender eigener Sachkunde sein Begehren
tragende Behauptungen nur mithilfe eines Privatgutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Dies
kann im verwaltungsgerichtlichen, vom Grundsatz der Amtsermittlung geprägten Verfahren etwa der Fall
sein, wenn das Gutachten erforderlich ist, um das Gericht mit einiger Aussicht auf Erfolg zu einer förmlichen
Beweisaufnahme zu veranlassen. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Insbesondere hätte im
vorliegenden Verfahren, in dem im Zeitpunkt der Beauftragung des Privatgutachters noch kein
psychiatrisches Gutachten durch das Gericht nicht eingeholt worden war, auch ein ohne weitere Sachkunde
gestellter Beweisantrag Aussicht auf Erfolg versprochen, was auch die zwei Monate später erfolgte Einholung
eines entsprechenden Gutachtens von Amts wegen mit Beschluss vom 13.11.2015 belegt. Der Kläger hatte
zu diesem Zeitpunkt weder einen Beweisantrag gestellt, noch dem Senat mitgeteilt, dass er ein
Privatgutachten in Auftrag gegeben hatte und dieses inzwischen vorlag. Erst mit Schriftsatz vom 03.12.2015
wurde das Gutachten vom 04.11.2015 vorgelegt und um Prüfung gebeten, ob sich die Einholung des
gerichtlichen Gutachtens nicht zumindest teilweise erledigt habe, bzw. um Berücksichtigung dieses
Gutachtens im Rahmen der gerichtlichen Begutachtung. Dieses Vorgehen einen erfolgversprechenden
Beweisantrag nicht zu stellen und stattdessen ein Privatgutachten einzuholen, mag - ggf. bei Zweifel des
Beteiligten daran, ob eine Beweisaufnahme zu einem für ihn günstigen Ergebnis führen wird - auf taktischen
Erwägungen beruhen, notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO sind die hierdurch entstehenden
Aufwendungen aber nicht.
5 Zutreffend hat das Verwaltungsgericht bereits dargelegt, dass es - schon im Hinblick auf die hier
vorzunehmende ex-ante-Betrachtung - ohne Bedeutung ist, dass der Senat dem gerichtlichen
Sachverständigen das Privatgutachten vorgelegt und dieser sich hiermit auseinandergesetzt hat.
6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es im Hinblick auf
Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis) nicht.
7 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).