Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 10.12.2010
VGH Baden-Württemberg: psychologisches gutachten, medizinische untersuchung, vollziehung, empfehlung, vollzug, strafbefehl, verfügung, personenschaden, wiedererteilung, fahreignung
VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 10.12.2010, 10 S 2173/10
Entziehung der Fahrerlaubnis - zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bei Vorliegen zweier nicht tilgungsreifer
Verkehrsverstöße unter Alkoholeinfluss
Leitsätze
1. Die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung ist bei Vorliegen zweier nicht tilgungsreifer Verkehrsverstöße unter
Alkoholeinfluss geboten, auch wenn zwischen ihnen ein vergleichsweise langer unauffälliger Zwischenraum liegt (hier über 9 Jahre).
2. Die Fragestellung für den psychologischen Teil der Untersuchung hat darauf abzustellen, ob der Proband das Führen von Fahrzeugen und einen
die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum hinreichend sicher trennen kann.
3. Die Fragestellung für den medizinischen Teil der Untersuchung kann sich jedenfalls dann auf etwaige alkoholkonsumbedingte
fahreignungsrelevante Leistungsbeeinträchtigungen erstrecken, wenn Anzeichen für einen unkontrollierten Alkoholkonsum vorliegen (hier bejaht
bei zwei Trunkenheitsfahrten tagsüber).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. August 2010 - 3 K 1450/10 - geändert.
Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des
Landratsamts Waldshut vom 3. August 2010 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf je 3.750,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Unrecht stattgegeben. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der
Fahrerlaubnisentziehung begegnet weder formell-rechtlich (1) noch, wie vom Verwaltungsgericht angenommen und vom Antragsgegner
substantiiert mit der Beschwerde angegriffen, materiell-rechtlich (2) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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1. Entgegen der im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Rüge des Antragstellers genügt die Begründung für die Anordnung der sofortigen
Vollziehung im Bescheid des Antragsgegners vom 03.08.2010 noch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Im Bereich des
Gefahrenabwehrrechts, zu dem funktional auch das Fahrerlaubnisrecht zählt, ist anerkannt, dass die den Erlass des Verwaltungsakts
rechtfertigenden Gesichtspunkte zugleich die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können (vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 RdNr. 148 ff. m.w.N.). Mit dieser Maßgabe bedarf freilich auch in den Fällen, in denen für die Anordnung der
sofortigen Vollziehung dieselben Elemente des öffentlichen Interesses maßgeblich sind wie für den Verwaltungsakt selbst, die
Vollzugsanordnung einer Begründung im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 80 RdNr. 86). Dem hat das
Landratsamt entgegen der Auffassung des Antragstellers hier aber entsprochen. Es hat in der Begründung seiner Verfügung auf das öffentliche
Interesse an der umgehenden Umsetzung der Entziehungsverfügung abgehoben, da nur so die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten
Kraftfahrzeugführers mit damit verbundenen unmittelbaren Gefahren für die anderen Verkehrsteilnehmer verhindert werden könne. Dies genügt
den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, mag auch in diesem Kontext eine vom Antragsteller vermisste zusätzliche
Würdigung des - im Ergebnis rechtlich unerheblichen - beträchtlichen Zeitabstands zwischen den beiden Trunkenheitsfahrten des Antragstellers
naheliegend gewesen sein. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normiert lediglich eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Ob die insoweit
verlautbarten Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen, ist für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses nicht von Bedeutung
(vgl. Senatsbeschluss vom 22.11.2004 - 10 S 2182/04 -, VBlBW 2005, 279 m.w.N.). Das Gericht nimmt im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine
eigene Interessenabwägung vor und ist nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 VwGO beschränkt (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 05.06.2001 - 1 SN 38/01 -, NVwZ-RR 2001, 610).
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2. Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich, dass abweichend von der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids des Landratsamts Waldshut vom
03.08.2010 Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers einzuräumen ist, vom Vollzug des Bescheids vor einer endgültigen
Entscheidung über dessen Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist sehr wahrscheinlich,
dass der Widerspruch und eine eventuell nachfolgende Anfechtungsklage des Antragstellers keinen Erfolg haben werden. Es besteht der
dringende Verdacht, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet ist. Deshalb ist ernstlich zu befürchten, dass er
bereits vor einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden wird. Damit überwiegt aber das
öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheids.
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Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren
Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder
Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum
Führen eines Kraftfahrzeugs begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die
Anordnung der Vorlage von ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVG, §
46 Abs. 3 FeV). Wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten
nicht fristgerecht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der
Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere
anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 20.04.2010 - 10 S 319/10 -, VBlBW 2010, 323 m.w.N. auch zur
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
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Diesen Anforderungen genügt die Gutachtensanordnung im vorliegenden Fall. Der Senat teilt nicht die rechtliche Würdigung des
Verwaltungsgerichts, dass die vom Landratsamt formulierte Fragestellung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegne. Dies gilt
insbesondere für die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Frage, ob als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums
Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Klassen BE in Frage stellen, eines hinreichenden Anlasses
entbehre und deshalb unangemessen und unverhältnismäßig sei.
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a) Das Landratsamt hat die Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV gestützt.
Nach dieser Vorschrift ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn wiederholt
Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die
Gutachtensanordnung lagen vor. Dies hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend im Einzelnen dargelegt. Danach fallen dem Antragsteller
zwei rechtlich verwertbare Zuwiderhandlungen zur Last: zum einen die Verurteilung durch Strafbefehl des Amtsgerichts Lörrach vom 28.11.2000
wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung wegen eines im Zusammenhang mit einer
Trunkenheitsfahrt am 27.09.2000 verursachten Unfalls mit Personenschaden (BAK 0,61 Promille). Da dem Antragsteller im Strafbefehl zugleich
die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für deren Wiedererteilung angeordnet worden war, betrug die Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 1 Satz
2 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Nr. 3 StVG zehn Jahre; sie begann gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG erst mit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am
28.08.2001 zu laufen und endet demgemäß am 28.08.2011. Zum anderen führte der Antragsteller am 02.01.2010 ein Kraftfahrzeug im
Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,93 Promille, weshalb gegen ihn wegen Verstoßes gegen § 24a StVG ein Bußgeld
verhängt und gemäß § 25 StVG ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet wurden. Dass zwischen den beiden Zuwiderhandlungen ein Zeitraum
von über neun Jahren liegt, wie der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren betont hat, ändert nichts an ihrer rechtlichen Relevanz für die
Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV. Hiernach war die Fahrerlaubnisbehörde gehalten, eine
medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen. Wegen dieser normativ zwingend ausgestalteten Rechtsfolge war kein Raum für die
vom Antragsteller vorgeschlagenen milderen Maßnahmen (wie Anordnung einer Nachschulung, einer verkehrspsychologischen Beratung, einer
theoretischen oder praktischen Fahrprüfung).
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b) Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist auch nach den in der jüngeren Senatsrechtsprechung
entwickelten strengen Maßstäben zunächst in formell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (vgl. dazu Beschluss vom 20.04.2010, a.a.O.;
vom 16.10.2010 - 10 S 956/10 -). Sie entspricht den Anforderungen insbesondere des § 11 Abs. 6 FeV, wie das Verwaltungsgericht zutreffend
dargelegt hat. Anders als das Verwaltungsgericht beurteilt der Senat die mit der Anordnung verbundene Fragestellung aber auch als inhaltlich
angemessen und verhältnismäßig. Diese lautet:
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„Ist zu erwarten, dass Herr B. auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen als Folge eines
unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Klassen BE in Frage stellen?“
10 Dass diese Fragestellung, wie der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorträgt, einer Empfehlung in einem einschlägigen Erlass des
Innenministeriums Baden-Württemberg sowie auch einer Empfehlung des TÜV Life Service („Anlässe und Fragestellungen der medizinisch-
psychologischen Untersuchungen“) für Gutachtensanordnungen nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV entspricht, besagt für sich allein
noch nicht, dass sie damit auch im konkreten Fall als anlassbezogen und verhältnismäßig anzusehen sind. Das Gericht ist, da es an einer
normativen Qualität der Empfehlungen fehlt, ohnedies nicht an diese gebunden, sondern hat im Einzelfall zu prüfen, ob die Fragestellung den
genannten rechtlichen Kriterien genügt. Dies ist hier aber der Fall.
11 Anlass für die Gutachtensanordnung waren in tatsächlicher Hinsicht die beiden genannten Verkehrszuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss,
die an den betreffenden Tagen um 15:45 Uhr bzw. um 11:45 Uhr festgestellt wurden. In rechtlicher Hinsichtlich hat die daran anknüpfende
Gutachtensanordnung darauf Bedacht zu nehmen, dass die bindend vorgeschriebene medizinisch-psychologische Untersuchung sich, wie aus
diesem normativen Begriff ohne Weiteres erhellt, aus einem medizinischen und einem psychologischen Teil zusammensetzt und die
anlassbezogene Fragestellung grundsätzlich beide Aspekte einzubeziehen hat. Dem entspricht die hier vom Antragsgegner gewählte
Formulierung, indem im ersten Teil der Fragestellung eine psychologische Untersuchung und Prognose künftigen etwa alkoholbeeinflussten
Verkehrsverhaltens aufgegeben wird und im zweiten Teil die Feststellung etwaiger medizinischer Befundtatsachen, die wegen
alkoholkonsumbedingter Leistungseinschränkungen möglicherweise einer Bejahung des Fortbestehens der Fahreignung entgegenstehen
(siehe dazu auch Schubert/Schnei-der/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, 2. Aufl., Kapitel
3.11.1.1, Leitsätze Buchst. c: „Es lassen sich keine körperlichen Befunde erheben, die auf missbräuchlichen Alkoholkonsum hindeuten...“; Buchst.
d.: „Verkehrsrelevante Leistungs- oder Funktionsbeeinträchtigungen als Folgen früheren Alkoholmissbrauchs fehlen...“).
12 Was den ersten Teil der Fragestellung angeht, so entspricht er nahezu wörtlich der einschlägigen Passage in der Anlage 15 zur Fahrerlaubnis-
Verordnung, die ihrerseits den Rang der Fahrerlaubnis-Verordnung als Rechtsverordnung teilt (vgl. Anlage 15 zur Fahrerlaubnis-Verordnung, Nr.
1 Buchst. f). Allerdings weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass es in Deutschland keine 0,0 Promille-Grenze gibt (abgesehen
vom Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen gemäß § 24c StVG). Daher ist die Formulierung des ersten Teils der Fragestellung
in der Tat nur dann bedenkenfrei, wenn sie in dem Sinn verstanden wird wie in Anlage 4 Nr. 8.1 zur Fahrerlaubnis-Verordnung: ob nämlich das
Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. In
diesem Sinne ist die Formulierung des ersten Teils der Fragestellung aber zu verstehen und wird sie nach der dem Senat bekannten Praxis der
Untersuchungsstellen auch verstanden, wie auch das Verwaltungsgericht annimmt. Deshalb besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, diese
Formulierung als unangemessen oder auch nur die Willensbildung des Antragstellers zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen
Gutachtens irreführend beeinflussend zu beanstanden. Der Antragsteller hat Derartiges selbst zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht. Gleichwohl
dürfte es sich empfehlen, die Fragestellung künftig mit der genannten Präzisierung zu formulieren, um etwaige Missverständnisse von vornherein
auszuschließen. Dass dieser so verstandene erste Teil der Fragestellung sodann dem Anlass - zweimalige Trunkenheitsfahrten - gerecht wird
und verhältnismäßig ist, haben auch der Antragsteller und das Verwaltungsgericht nicht in Zweifel gezogen.
13 Aber auch der zweite Teil der Fragestellung dürfte als hinreichend bestimmt, sachlich angemessen und verhältnismäßig zu beurteilen sein.
Dabei ist zunächst die Verknüpfung mit „und/oder“ hier nicht etwa dahin zu verstehen, dass offen bleibt, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen
auch der zweite Teil der Fragestellung Gegenstand des zu erstellenden Gutachtens sein soll. Diese der genannten ministeriellen
Formulierungsempfehlung entsprechende Verknüpfung soll wohl im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der rechtlichen Notwendigkeit
Rechnung tragen, dass nur die dem Untersuchungsanlass entsprechenden und für eine verlässliche Klärung der Fahreignung notwendigen
Untersuchungen angeordnet werden sollen. Insoweit könnte es freilich im Einzelfall Missverständnissen vorbeugen, wenn die
Fahrerlaubnisbehörden eine gewollte Kumulation sprachlich durch Weglassen des „oder“ verdeutlichen bzw. ansonsten eine konditionale
Verknüpfung wählen würden. Im Ergebnis ist es jedenfalls grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden, wenn entsprechend der zwingenden
Vorgabe in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV ein kumuliertes medizinisches und psychologisches Gutachten mit entsprechender, beide Aspekte
abdeckender Fragestellung angeordnet wird.
14 Ist hiernach davon auszugehen, dass dem Antragsteller, wie er selbst nicht verkennt, auch eine medizinische Untersuchung entsprechend dem
zweiten Teil der Fragestellung aufgegeben wurde, so kommt es auf die vom Verwaltungsgericht problematisierte, vom Senat bejahte Frage der
Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der konkreten Fragestellung an. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang
hinreichende aktenkundige Anhaltspunkte dafür vermisst, dass „als Folge unkontrollierten Alkoholkonsums“ fahreignungsrelevante
Beeinträchtigungen in Betracht kommen, kann der Senat offen lassen, ob ein solcher unkontrollierter Alkoholkonsum sich bereits (vor der
medizinisch-psychologischen Untersuchung) aus den Akten als zumindest naheliegend ergeben muss oder ob sein etwaiges Vorliegen erst
(auch) zum Gegenstand der gutachterlichen Exploration gemacht werden kann. Selbst wenn diese Frage im erstgenannten Sinne beantwortet
wird, genügen die aktenkundigen Umstände im vorliegenden Fall den insoweit zu stellenden, angesichts des Gefährdungspotentials
ungeeigneter Kraftfahrer nicht zu überspannenden Anforderungen.
15 Zwar mag auf den ersten Blick der beträchtliche zeitliche Abstand zwischen den beiden Trunkenheitsfahrten des Antragstellers von ca. 9 ¼
Jahren gegen ein (permanent) „unkontrolliertes“ Konsummuster sprechen. Insoweit ist aber zum einen die infolge der geringen Kontrolldichte
hohe Dunkelziffer zu bedenken (ohne dass es auf deren exakte Quantifizierung ankommt; nach der nicht näher belegten Angabe des
Antragsgegners 1:600). Zum anderen hat der Antragsteller die beiden Trunkenheitsfahrten zu auffälligen Tageszeiten durchgeführt: die
strafrechtlich geahndete Trunkenheitsfahrt mit Personenschaden im Jahre 2000 am mittleren Nachmittag (Unfallzeitpunkt 15:45 Uhr) und die
weitere Trunkenheitsfahrt im Jahre 2010 am späten Vormittag (Kontrollzeitpunkt 11:45 Uhr). Dies sind jedenfalls gewichtige Indizien für ein
normabweichendes, unkontrolliertes Trinkverhalten, das hinreichenden Anlass für eine daran anknüpfende Untersuchung auf daraus
möglicherweise resultierende fahreignungsrelevante Leistungsbeeinträchtigungen bietet. Dass die Frage eines etwaigen unkontrollierten
Alkoholkonsums auch als Vorfrage zum Gegenstand der medizinisch -psychologischen Untersuchung gemacht werden soll, ist vor diesem
Hintergrund um so weniger rechtlich zu beanstanden.
16 Daran, dass die Fragestellung anlassbezogen, angemessen und verhältnismäßig ist, bestehen hiernach nach Auffassung des Senats keine
begründeten Zweifel. Angesichts des vom Antragsteller gesetzten Gefahrenverdachts sind die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der
spezifisch an die Trunkenheitsfahrten des Antragstellers anknüpfenden Fragestellung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt.
Nichts anderes gilt für die Wahrung des Übermaßverbots. Angesichts der überragenden Bedeutung des Schutzes der anderen
Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Fahrzeugführern ist die Gutachtensanordnung als unterhalb der Schwelle der Fahrerlaubnisentziehung
verbleibender Gefahrerforschungseingriff mit der, wie dargelegt, sachgerechten rechtsfehlerfreien Fragestellung dem Antragsteller ohne
Weiteres zuzumuten. Es liegt bei ihm, die Gelegenheit zur Abwendung gravierenderer privater und ggf. beruflicher Folgen der wegen seiner
Verweigerungshaltung erfolgten Fahrerlaubnisentziehung wahrzunehmen, indem er sich der medizinisch-psychologischen Untersuchung stellt.
17 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
18 Die Streitwertfestsetzung und -änderung findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2 und 3, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 sowie § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den
Empfehlungen 1.5 und Nrn. 46.3 und 46.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 (VBlBW 2004, 467). Der
Antragsteller war im Besitz der Fahrerlaubnisklassen BE, so dass von einem Streitwert von 7.500,-- EUR für das Hauptsacheverfahren
auszugehen ist; für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergibt sich durch Halbierung ein Streitwert von 3.750,-- EUR
(vgl. ausführlich Senatsbeschluss vom 13.12.2007 - 10 S 1272/07 -, juris). Die hiervon abweichende Streitwertfestsetzung im Beschluss des
Verwaltungsgerichts ändert der Senat in Ausübung seiner Befugnis nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
19 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.