Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 19.03.2009

VGH Baden-Württemberg: ärztliche verordnung, masseur, bademeister, heilpraktiker, krankenversicherung, behandlung, psychotherapie, eignungsprüfung, berufsausübung, physiotherapie

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 19.3.2009, 9 S 2518/08
Masseure und medizinische Bademeister benötigen keine Heilpraktikererlaubnis, wenn sie ohne ärztliche Verordnung tätig werden; keine
Erteilung einer beschränkten Heilpraktikererlaubnis für diesen Personenkreis
Leitsätze
Die Berufsausübung eines nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 MPhG zugelassenen Masseurs und medizinischen Bademeisters stellt keine Ausübung der
Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG dar. Sie setzt daher auch dann nicht das Vorliegen einer Heilpraktikererlaubnis voraus, wenn sie
selbständig und ohne ärztliche Verordnung erfolgt.
Der Erteilung einer auf den Aufgabenbereich eines Masseurs und medizinischen Bademeisters beschränkten Heilpraktikererlaubnis steht überdies
entgegen, dass insoweit ein gegenständlich abgrenzbarer, vom Bereich der allgemeinen Heilkunde hinreichend ausdifferenzierter Teilbereich nicht
vorliegt.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31. Juli 2008 - 4 K 5809/07 - geändert. Die Klage wird
abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Rechtsstreit betrifft die Zulässigkeit der Erteilung einer gegenständlich beschränkten Heilpraktikererlaubnis für einen Masseur und
medizinischen Bademeister.
2
Der Kläger hat nach zweieinhalbjähriger Ausbildung und Abschluss der Prüfung im Jahr 1985 von der Regierung von Oberbayern die Erlaubnis
erhalten, eine Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung „Masseur und medizinischer Bademeister“ auszuüben und ist freiberuflich in eigener Praxis
tätig. Mit Schreiben vom 21.05.2007 beantragte er unter Bezugnahme auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom
21.11.2006 die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis, beschränkt auf den Bereich der physikalischen Therapie und der Physiotherapie ohne
weitere Eignungsprüfung und unter Freistellung von der Verpflichtung, die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ zu führen. Angesichts der Tatsache,
dass die Erlaubnis auf ein Gebiet beschränkt sei, für das bereits eine staatliche Prüfung vorliege, müsse die Eignungsprüfung entfallen.
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Mit Bescheid vom 04.06.2007 lehnte das Landratsamt Heilbronn den Antrag ab, auch der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos und
wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2007 zurückgewiesen. Die Heilpraktikererlaubnis lasse sich
bereits nicht auf den Bereich des Physiotherapie abgrenzen, weil eine gegenständliche Teilbarkeit wie im Falle der Psychotherapie nicht
angenommen werden könne. Darüber hinaus belege die Ausbildung zum Physiotherapeut oder Masseur nicht zugleich die Eignung für die
begehrte Tätigkeit als Heilpraktiker. Denn dieser werde selbständig und ohne vorgeschaltete Entscheidung eines Arztes tätig. Ein Absehen von
der Eignungsprüfung komme daher angesichts der Unterschiedlichkeit der Tätigkeiten und im Interesse des Schutzgutes der Volksgesundheit
nicht in Betracht.
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Der am 15.11.2007 erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart durch Urteil vom 31.07.2008 statt und verpflichtete den Beklagten,
dem Kläger ohne weitere Eignungsprüfung und unter Freistellung von der Verpflichtung, die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ zu führen, die
Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung bezogen und beschränkt auf den Bereich der physikalischen Therapie im Sinne des § 3
des Gesetzes zur Regelung der Berufe in der Physiotherapie (MPhG) mit Ausnahme der Behandlung zur Traktion der Wirbelsäule und der
Durchführung von Thermalbädern als Vollbäder inklusive Stangerbäder zu erteilen. Angesichts der im MPhG enthaltenen Aufgabenabgrenzung
erweise sich der Tätigkeitsbereich eines „Masseurs und medizinischen Bademeisters“ als hinreichend genau beschränkbar. Wegen der
vorhandenen, berufsqualifizierenden Ausbildung bedürfe es auch keiner Eignungsprüfung. Dies gelte auch im Hinblick auf die mit der
Heilpraktikererlaubnis verbundene selbständige Tätigkeit, denn ausweislich der Ausbildungsvorschriften erlerne der Auszubildende auch
Behandlungsindikationen und Kontraindikationen selbständig zu erkennen. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, warum der Masseur und
medizinische Bademeister im Bereich der Differenzialdiagnose in seinem Tätigkeitsbereich über schlechtere Fähigkeiten verfügen solle, als ein
Heilpraktiker. Schließlich habe der Kläger auch nicht die Verpflichtung, die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ zu führen, weil dies für den
Absolventen einer qualifizierten heilkundlichen Berufsausbildung diskriminierend sein könne.
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Der Beklagte hat hiergegen die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die prüfungslose
Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für Masseure und medizinische Bademeister sei nach geltender Rechtslage nicht möglich.
Anders als für den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Bereich der Psychotherapie seien auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin keine
Teilbereiche eigenständig ausdifferenziert und abgegrenzt. Jedenfalls die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Beschränkung auf den
Bereich der physikalischen Therapie könne nicht erfolgen, weil sie bereits im Tätigkeitsfeld des Orthopäden enthalten sei. Insbesondere aber
verkenne das Verwaltungsgericht, dass das im MPhG geregelte Berufsbild des Masseurs und medizinischen Bademeisters nur einen
unselbständigen Heilhilfsberuf umfasse, nicht aber die selbständige Tätigkeit. Dementsprechend sei weder die Tätigkeit noch die Ausbildung
darauf ausgerichtet, eine selbständige Diagnosetätigkeit durchzuführen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bereits die Ausbildung zum
Masseur und medizinischen Bademeister reiche für die Annahme aus, dieser könne auch selbständig gefahrlos Heilkunde betreiben, verkenne
daher den grundlegenden Charakter der Heilhilfsberufe. Die Ausübung der eigenständigen Heilkunde ohne jede ärztliche Vordiagnose setze
insbesondere voraus, dass andere Krankheiten ausgeschlossen werden könnten. Bereits das vom Kläger benannte Urteil des OVG Rheinland-
Pfalz vom 21.11.2006 erweise sich daher als falsch; jedenfalls aber könne es nicht vom dort entschiedenen Physiotherapeuten auf den
vorliegenden Fall des Masseurs übertragen werden. Dieser durchlaufe keine dreijährige, sondern nur eine zweijährige Ausbildung und erreiche
angesichts des als Eingangsvoraussetzung lediglich statuierten Hauptschulabschlusses auch kein entsprechendes Ausbildungsniveau.
Schließlich könne auch nicht von der Titelführungspflicht befreit werden, weil die bloße Bezeichnung als „Masseur“ nicht erkennen lasse, dass
eigenständige Heilkunde ausgeübt werde.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31. Juli 2008 - 4 K 5809/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
10 Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Beklagte verkenne, dass sich das eigenständig abgrenzbare Berufsfeld des
Masseurs und medizinischen Bademeisters bereits aus dem MPhG ergebe. Die tatsächliche Ausdifferenzierung der Tätigkeiten im Bereich des
Heilpraktikerrechts in eigenständige Berufe werde beispielhaft durch den Physiotherapeuten, den Logopäden oder den Podologen sichtbar. Es
sei daher kein Grund dafür ersichtlich, eine sektorale Heilpraktikererlaubnis nicht auf den Bereich der physikalischen Therapie zu beschränken.
Angesichts der Ausbildungsinhalte verfüge ein Masseur und medizinischer Bademeister auch über ausreichende differenzialdiagnostische
Fähigkeiten, um selbständig Patienten zu behandeln. Im Übrigen sei durch die vorhandenen Gutachten belegt, dass die Ausbildung des
Masseurs und medizinischen Bademeisters in seinem Bereich jedenfalls gründlicher sei, als die als Negativtest aufzufassende Ausbildung des
Heilpraktikers.
11 Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten einschließlich der vom Kläger vorgelegten Sachverständigengutachten sowie die
beigezogenen Behördenakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
12 Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und den Anforderungen des § 124a Abs. 3 VwGO entsprechende Berufung, über die der Senat gemäß
§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Die Klage ist zwar zulässig (I.); das
Verwaltungsgericht hätte die Klage aber abweisen müssen, da dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht und die Klage daher
unbegründet ist (II.).
I.
13 Die Klage ist zulässig.
14 Für den vom Kläger begehrten Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts ist die erhobene Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO
statthafte Klageart. Auch die hierfür vorgeschriebenen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt; insbesondere ist die Klagebefugnis gegeben, weil
die Anspruchsgrundlage aus §§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung
(Heilpraktikergesetz) vom 17.02.1939 (RGBl. I S. 251, BGBl. III 2122-2; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.10.2001, BGBl. I S. 2702 - HeilprG -
) i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung vom
18.02.1939 (RGBl. I S. 259; zuletzt geändert durch Verordnung vom 14.12.2002, BGBl. I S. 4456 - 1. DVO-HeilprG -) ein Recht auf
Erlaubniserteilung vermittelt, sofern ein gesetzlich normierter Versagungsgrund nicht vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 - 3 C 34/90 -,
BVerwGE 91, 356).
15 Dem Kläger kommt auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den geltend gemachten Anspruch zu, obwohl ihm bereits nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 16
Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1084; zuletzt geändert durch Gesetz vom
30.09.2008, BGBl. I S. 1910 - MPhG -) die Erlaubnis erteilt wurde, die Berufsbezeichnung „Masseur und medizinischer Bademeister“ zu führen.
Einerseits ist nach gegenwärtiger Rechtslage bereits unsicher, ob mit dieser Erlaubnis auch die Berechtigung verbunden ist, entsprechende
Behandlungen selbständig und ohne vorherige ärztliche Verordnung durchzuführen. Andererseits begehrt der Kläger mit der Erteilung einer
Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz eine Erweiterung des ihm bislang zugesprochenen Rechtskreises.
II.
16 Die Klage ist aber nicht begründet. Die begehrte Heilpraktikererlaubnis kann bereits deshalb nicht erteilt werden, weil der gegenständlich
beschränkte Tätigkeitsbereich des Masseurs und medizinischen Bademeisters keine Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG umfasst (1.).
Darüber hinaus fehlt es für die beantragte Teilerlaubnis an einer gegenständlichen Abgrenzbarkeit und an hinreichenden
Rechtfertigungsgründen, um von einer eigenständigen Heilpraktikerüberprüfung abzusehen (2.).
17 1. Voraussetzung für die Erteilung der begehrten Heilpraktikererlaubnis ist zunächst, dass die vom Kläger begehrte Tätigkeit eine Ausübung der
Heilkunde darstellt; nur diese unterliegt der Erlaubnispflicht aus § 1 Abs. 1 HeilprG.
18 Nach der in § 1 Abs. 2 HeilprG enthaltenen Legaldefinition ist die Ausübung der Heilkunde jede berufs- und gewerbsmäßig vorgenommene
Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von
anderen ausgeübt wird. Diese, sehr weite Begriffsbestimmung ist vom Bundesverwaltungsgericht indes im Hinblick auf das traditionelle
Verständnis der Heilkunde und um die mit dem Erlaubniszwang verbundene Beschränkung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht
unverhältnismäßig auszudehnen, eingeschränkt worden. Ein wesentlicher Bestandteil des Begriffs „Ausübung der Heilkunde“ ist demnach, dass
die betreffende Behandlung ärztliche (oder heilkundliche) Fachkenntnisse erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.01.1966 - 1 C 73/64 -, BVerwGE
23, 140) und dass die Behandlung gesundheitliche Schäden verursachen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1993 - 3 C 45/91 -, BVerwGE 94,
269). Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so rechtfertigt der Gesetzeszweck, der Bevölkerung einen ausreichenden Rechtsschutz
gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch Unberufene zu geben, das Erfordernis der Erlaubniserteilung nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom
25.06.1970 - 1 C 53/66 -, BVerwGE 35, 308). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung ein nur geringfügiges Gefahrenmoment nicht
ausreichend, um die Erlaubnispflicht auszulösen; weil diese Rechtsfolge für Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur
Folge haben können, unverhältnismäßig wäre.
19 Sog. Heilhilfstätigkeiten, zu denen das Bundesverwaltungsgericht den Funktionsbereich der „medizinischen Masseure“ ausdrücklich gezählt hat
(vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - 1 C 53/66 -, BVerwGE 35, 308), erfüllen danach den Tatbestand der „Ausübung der Heilkunde“ nicht. Die
Berufsausübung erfordert hier nur eingeschränkt spezifisch heilkundlichen Fachkenntnisse und die Risiken durch die Behandlung eines auf die
bestimmte Verrichtung spezialisierten Masseurs sind abschätzbar. Auch die selbständige Berufsausübung des Masseurs ohne ärztliche
Anweisung unterfällt der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz daher nicht (vgl. auch Schnitzler, Das Recht der Heilberufe, 2004, S. 103
f. m.w.N.).
20 Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichts Würzburg (Urteil vom 04.08.2008 - W 7 K 08.906 -) überzeugt bereits deshalb nicht, weil die
Entscheidung selbst (im Zusammenhang mit der angenommenen Entbehrlichkeit einer eigenständigen Heilpraktikerüberprüfung, vgl. RdNr. 18)
davon ausgeht, dass die angewandten Verfahren eines Masseurs und medizinischen Bademeisters nach § 3 MPhG „selbst bei einer unterstellen
Fehldiagnose für sich genommen ungefährlich sind“. Auf Basis dieser Annahmen ist nach den dargestellten Maßstäben aber nicht von einer
Ausübung der Heilkunde auszugehen; diese scheidet vielmehr aus, wenn die Behandlung keine Gefahr für den Patienten bedeutet (vgl. auch
BVerfG, Urteil vom 24.10.2002 - 2 BvF 1/01 -, BVerfGE 106, 62 [106f.]). Heilkundliche Verrichtungen, die keine nennenswerten
Gesundheitsgefahren zur Folge haben können, fallen nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, auch wenn sie zu
ordnungsgemäßer Vornahme ärztliche Fachkenntnisse erfordern (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - I C 53/66 -, BVerwGE 35, 308).
21 Ein anderes Verständnis kommt im Übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil es dazu führen würde, dass die Tätigkeit eines Masseurs und
medizinischen Bademeisters ohne ärztliche Verordnung erlaubnispflichtig im Sinne des Heilpraktikergesetzes wäre und der Masseur sich damit
bei selbständigen Behandlungen eines nach § 5 HeilprG strafbewehrten Verstoßes schuldig machen würde. Dass dieses Ergebnis realitätsfremd
und unverhältnismäßig wäre, liegt auf der Hand.
22 Soweit sich das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-
Pfalz vom 21.11.2006 (- 6 A 10271/06 -, MedR 2007, 496) bezieht, geht dies bereits deshalb fehl, weil diese Entscheidung keinen Masseur,
sondern einen Physiotherapeuten betrifft. Im Übrigen tritt der Senat aber auch der vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vertretenen
Meinung nicht bei, das Berufsbild des MPhG umfasse nur Verrichtungen nach Maßgabe einer ärztlichen Diagnose. Weder dem MPhG selbst
noch einer anderen ersichtlichen Rechtsbestimmung kann eine Beschränkung der Berufsausübung auf unselbständige, erst nach ärztlicher
Verordnung zulässige Maßnahmen entnommen werden. Insbesondere lässt sich aus den in §§ 3 und 8 MPhG enthaltenen Beschreibungen des
Ausbildungsziels ein derartiger Ansatz nicht entnehmen. Denn die Bezugnahme auf „Hilfen“ zur Heilung enthält ersichtlich nur eine
Beschreibung des Funktionsbereichs, nicht aber eine Einschränkung, die eine Berufsausübung im Einzelfall von der Anweisung und
Überwachung eines Arztes erforderlich machen würde. Eine entsprechende Einengung des Berufsfeldes entspräche auch weder der
Funktionsabgrenzung von Masseur/ Physiotherapeut und Arzt, der angesichts der erforderlichen Spezialkenntnisse die Verrichtungen eines
Physiotherapeuten praktisch gar nicht kontrollieren kann (vgl. Sachverständigengutachten Prof. Dr. B. vom 18.07.2008, S. 12 und 14), noch dem
Ausbildungscurriculum für Physiotherapeuten, das u.a. Unterricht von mindestens 100 Stunden in physiotherapeutischen Befund- und
Untersuchungstechniken vorschreibt (vgl. dazu ausführlich das Senatsurteil vom heutigen Tage - 9 S 1413/08 -).
23 Das Erfordernis einer ärztlichen Verordnung ergibt sich daher nicht aus dem Berufsrecht, es entstammt vielmehr dem Leistungsrecht der
Krankenversicherungen. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung sieht nach §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V eine
Erstattung für die Behandlung durch einen Masseur und medizinischen Bademeister nur vor, wenn sie vom Arzt (oder Zahnarzt) angeordnet und
von ihm verantwortet worden ist. Diesem Ansatz folgt grundsätzlich auch das Leistungsrecht der privaten Krankenversicherung (und damit
korrespondieren regelmäßig auch das Beihilferecht), allerdings mit dem Unterschied, dass hier grundsätzlich auch eine Verordnung durch den
Heilpraktiker für ausreichend erklärt wird (vgl. § 4 Abs. 3 der Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung MB/KK). Die
Einbeziehung des Masseurs und medizinischen Bademeisters in das Erstattungssystem der Krankenversicherung setzt daher eine vorherige
Verordnung durch einen Arzt (oder Heilpraktiker im Falle der privaten Krankenversicherung) voraus.
24 Die Vorschriften des SGB V und die Richtlinien zur Erstattungsfähigkeit von Heilbehandlungskosten enthalten indes keine Aussagen zur
Gefährlichkeit entsprechender Behandlungen ohne vorherige ärztliche Verordnung; sie regeln vielmehr nur das Rechtsverhältnis zwischen der
Krankenversicherung und dem Versicherten und bezwecken vorrangig eine Kostenkontrolle (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V: „ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten“). Der Regelungszweck der im SGB V enthaltenen Leistungskataloge ist daher
maßgeblich von finanzwirtschaftlichen Erwägungen geprägt (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 -, BVerfGE 115, 25), so
dass den Vorschriften - und damit auch dem dort angeordneten Erfordernis einer vorherigen Anordnung durch einen Arzt oder Heilpraktiker - für
die hier ausschlaggebende Fragestellung der Gefahrenabwehr keine Aussagekraft zukommt.
25 2. Soweit - unabhängig von der selbständig bestehenden Befugnis, Tätigkeiten im Aufgabenfeld des Masseurs und medizinischen Bademeisters
verrichten zu dürfen - die Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis begehrt wird, sind die Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt.
26 a) Dies ergibt sich bereits daraus, dass eine gegenständliche oder sektorale Abgrenzung der Heilkunde auf „den Bereich der physikalischen
Therapie im Sinne des § 3 MPhG“ nicht möglich erscheint.
27 Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die Erteilung einer auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkten Heilpraktikererlaubnis für zulässig
und erforderlich erachtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.01.1993 - 3 C 34/90 -, BVerwGE 91, 356). Die hierfür maßgeblichen Erwägung, dass sich
die Psychotherapie als spezielle und eigenständige heilkundliche Tätigkeit erst nachträglich ausdifferenziert habe, lässt sich auf die vorliegende
Fallgestaltung indes nicht übertragen (vgl. auch Erdle/Becker, Recht der Gesundheitsfachberufe und Heilpraktiker, Stand: Mai 2008, § 1 HeilprG
RdNr. 10; VG Koblenz, Urteil vom 06.02.2006 - 3 K 855/05 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22.08.2007 - 7 K 2003/05 - sowie Stellungnahme des
Bundesministeriums für Gesundheit vom 04.12.2007, Az. 316-4334-0/1). Denn das in Rede stehende Tätigkeitsfeld des Masseurs und
medizinischen Bademeisters ist in gegenständlicher Hinsicht nicht hinreichend abgrenzbar und aus dem allgemeinen Feld der Heilkunde
ausdifferenziert (vgl. zu diesem Maßstab auch OVG Bremen, Urteil vom 20.12.2005 - 1 A 260/04 -, NordÖR 2006, 171; OVG Nord- rhein-
Westfalen, Urteil vom 13.08.1998 - 13 A 1781/96 -, DVBl 1999, 1052).
28 Anders als im Falle des Psychotherapeuten geht es nicht um spezielle heilkundliche Bereiche, für welche die allgemeinen heilkundlichen
Grundkenntnisse einschließlich der Kenntnisse im Bereich der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Arzneimittelkunde in der Praxis nicht
erforderlich oder verwertbar sind (wie dies das Bundesverwaltungsgericht für den Psychotherapeuten angenommen hat). Ein Blick auf die
Ausbildungs- und Prüfungsinhalte des MPhG verdeutlicht vielmehr, dass die genannten Kenntnisse auch für Masseure und Physiotherapeuten
von erheblicher Bedeutung sind und mit hohem Zeitaufwand geschult und unterrichtet werden. Unstreitig gehört das Aufgabenfeld der Masseure
und Physiotherapeuten auch grundsätzlich zur allgemeinen Heilkunde, so dass insoweit von einer speziellen Ausgliederung nicht ausgegangen
werden kann. Im Gegensatz zu der in Bezug genommenen Entwicklung im Bereich des Psychotherapeuten hat sich hier daher in der Praxis kein
„selbständiger Zweig“ der Heilkunde ausdifferenziert, der mit der Erteilung einer beschränkten Heilpraktikererlaubnis nachvollzogen werden
könnte.
29 Selbst wenn man eine derartige Abspaltung vornehmen wollte, ließe sich diese jedenfalls nicht auf den beantragten Bereich der physikalischen
Therapie nach § 3 MPhG begrenzen. Denn in heilkundlicher Hinsicht gehört die Mehrzahl der Tätigkeiten aus diesem Aufgabenbereich zum
Fachbereich der Orthopädie (vgl. Sachverständigengutachten Prof. Dr. P. vom 27.02.2008, S. 3; Richter, Vergleichsstudie zu Möglichkeiten der
Einführung des Prinzips „First-Contact Practitioner bei deutschen Heilmittelerbringern, Diplomarbeit der Fachhochschule Nordhessen, 2007, S.
39), so dass allenfalls eine auf dieses Gebiet beschränkte Spezialerlaubnis denkbar erscheint (vgl. auch Senatsurteil vom 25.07.1997 - 9 S
558/97 -). Dass hierfür aber mit der Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 MPhG nicht notwendig alle erforderlichen Kenntnisse vermittelt sind, liegt
angesichts des über den Bereich der physikalischen Therapie hinausgehenden Heilkunde-Teilbereichs auf der Hand.
30 Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, wie und inwieweit eine gegenständliche Abgrenzung zwischen dem Tätigkeitsfeld eines Masseurs und
medizinischen Bademeisters von dem eines Physiotherapeuten erfolgen könnte (vgl. auch von der Twer, Die Rechtsstellung des
Physiotherapeuten, 2001, S. 6). Welche konkreten Differenzierungen sich hierfür aus §§ 3 und 8 MPhG ergeben könnten, legt das
Verwaltungsgericht nicht dar. Auch das Ausbildungscurriculum legt eher den Schluss nahe, dass beide Berufe im selben Berufsfeld tätig werden
und sich das Aufgabenfeld des Masseurs und medizinischen Bademeisters nicht als „Aliud“, sondern als „Minus“ erweist (ebenso VG Würzburg,
Urteil vom 04.08.2008 - W 7 I 08.906 -, das allerdings dennoch - ohne inhaltliche Begründung - von einer gegenständlichen Abgrenzbarkeit
ausgeht). Hierauf deutet auch die Anrechnung des Lehrgangs zum Masseur und medizinischen Bademeister im Falle der nachfolgenden
Ausbildung zum Physiotherapeuten nach § 12 MPhG hin. Anhaltspunkte für eine hinreichend gegenständlich abgrenzbare Ausdifferenzierung
sind damit nicht ersichtlich. Dies gilt erst recht im Hinblick auf die maßgebliche Orientierung an Heilkundetätigkeiten, auf die sich die Erlaubnis
nach §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 HeilprG bezieht.
31 Schließlich würfe die Annahme einer gegenständlich abgrenzbaren Heilpraktikererlaubnis die Schwierigkeit auf, dass eine eigenständige
Heilpraktikerüberprüfung für diese Teilerlaubnis eingerichtet und angeboten werden müsste. Denn wenn die Heilpraktikererlaubnis sektoral
aufgespalten werden kann, gilt dies grundsätzlich unabhängig von der nach dem Heilpraktikergesetz gerade nicht maßgebenden, zuvor
erworbenen Berufsqualifikation. Für die Fälle, in denen eine Gefahr für die Volksgesundheit nicht bereits durch das Vorhandensein einer
entsprechenden staatlichen Abschlussprüfung verneint werden kann, wäre daher eine reduzierte Heilpraktikerüberprüfung für den
gegenständlich begrenzten Tätigkeitsbereich erforderlich - wie dies gegenwärtig bereits im Bereich der Psychotherapie durch den Beklagten
praktiziert wird. Die weitere Aufsplitterung der Heilpraktikererlaubnis führte daher im Ergebnis zur Einführung oder jedenfalls Ausdehnung der
sektoralen „Kurierfreiheit“, was dem Anliegen des Heilpraktikergesetzes diametral entgegensteht und mit dem Standard anderer europäischer
Staaten kaum in Einklang gebracht werde kann.
32 b) Unabhängig hiervon ist auch nicht ersichtlich, warum der Kläger für die von ihm beantragte Heilpraktikererlaubnis von der in § 2 Abs. 1 lit i. 1.
DVO-HeilprG hierfür vorgeschriebenen Überprüfung freizustellen sein sollte.
33 Zwar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Forderung einer eigenständigen Heilpraktikerprüfung unangemessen erscheinen
kann, wenn eine solche Prüfung mit der Tätigkeit, die der Beschwerdeführer auszuüben beabsichtigt, kaum noch in einem erkennbaren
Zusammenhang steht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.06.2004 - 2 BvR 1802/02 -, BVerfGK 3, 234). Davon, dass die geforderten Kenntnisse in
Anatomie, Physiologie, Pathologie, Diagnostik und Therapie bei der Berufstätigkeit des Klägers nicht verwertet werden könnten (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 02.03.2004 - 1 BvR 784/03 -, NJW-RR 2004, 705) kann im Falle des Masseurs und medizinischen Bademeisters indes nicht die
Rede sein. Anders als in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen des „Geistheilers“ oder Psychotherapeuten besteht
vorliegend ein ausreichender Zusammenhang zum beabsichtigten Tätigkeitsfeld des Klägers, sodass von einer Unzumutbarkeit der Prüfung
nicht ausgegangen werden kann. Vielmehr berühren die in Nr. 4.3 der Richtlinien des Sozialministeriums zur Durchführung des
Heilpraktikergesetzes vom 21.11.2003 (GABl. S. 983) geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten die beabsichtigte Tätigkeit unmittelbar (vgl. dazu
auch Senatsbeschluss vom 10.07.2006 - 9 S 519/06 -).
34 Umgekehrt ist zu Recht auf die Problematik hingewiesen worden, dass ein Heilpraktiker in seinem Tätigkeitsfeld, abgesehen von den dem
ärztlichen Beruf vorbehalten Tätigkeiten, die gesamte Heilkunde ausüben darf und damit grundsätzlich auch befugt ist, Injektionen zu
verabreichen, operative Eingriffe vorzunehmen und Narkosen durchzuführen. Weder hinsichtlich der hierfür erforderlichen Kenntnisse und
Fähigkeiten noch im Hinblick auf die für derartige Eingriffe erforderliche Diagnosetätigkeit liegen mit der Ausbildung zum Masseur und
medizinischen Bademeister aber ausreichende Nachweise vor, die eine Heilpraktikerüberprüfung als überflüssig oder unzumutbar erscheinen
lassen könnten.
35 Will ein Masseur und medizinischer Bademeister oder Physiotherapeut also sein durch die Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 MPhG bereits bestehendes
Berufsfeld erweitern, so ist ihm im Interesse der Volksgesundheit auch zumutbar, sich der für das angestrebte Tätigkeitsfeld erforderlichen
Überprüfung zu unterziehen. Dass hierfür bereits bestehende Nachweise berücksichtigt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.05.1988
- 1 BvR 482/84 u.a. -, BVerfGE 78, 179; dazu auch Horn, NdsVBl 2003, 201), steht vorliegend nicht im Streit. In Abgrenzung zu der vom Kläger
herangezogenen Fallgruppe der Psychotherapeuten ist indes auch nicht zu übersehen, dass diese ein abgeschlossenes Hochschulstudium und
eine nachfolgende Therapeutenausbildung von mindestens 3 Jahren absolviert haben (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 PsychThG), während
Voraussetzung für die Erlaubnis, die Berufsbezeichnung Masseur und medizinischer Bademeister zu führen, lediglich ein nach
Hauptschulabschluss durchgeführter Lehrgang von 2 Jahren ist (vgl. §§ 4 Abs. 2 Satz 2, 5 Nr. 2 MPhG) - was eine der kürzesten Ausbildungen im
gesamten Heilberufesektor sein dürfte.
III.
36 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten
Zulassungsgründe vorliegt.
37
Beschluss vom 19. März 2009
38 Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 14.1 des
Streitwertkatalogs 2004 der Verwaltungsgerichtsbarkeit).
39 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).