Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 08.05.2008

VGH Baden-Württemberg: recht am eigenen bild, beschlagnahme, ex nunc, ex tunc, persönlichkeitsrecht, öffentliches interesse, rechtswidrigkeit, film, hauptsache, wiederholungsgefahr

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 8.5.2008, 1 S 2914/07
Fotografieren einer Person in der Öffentlichkeit; allgemeines Persönlichkeitsrecht; polizeiliches Einschreiten
Leitsätze
Auch das Fotografieren einer Person, die sich nicht im persönlichen Rückzugsbereich, sondern in der Öffentlichkeit aufhält, kann gegen das
allgemeine Persönlichkeitsrecht (Recht am eigenen Bild) verstoßen und nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 PolG das Einschreiten der Polizei
rechtfertigen.
Tenor
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des
Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. April 2007 - 3 K 3158/05 - ist insoweit unwirksam.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. April 2007 - 3 K 3158/05 - zurückgewiesen.
Der Kläger trägt 4/5, der Beklagte trägt 1/5 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beschlagnahme eines Films rechtswidrig war.
2
Am 29.06.2005 hielt sich der Kläger im Lesesaal der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe auf. Dort fotografierte er ohne deren Einwilligung
eine andere Bibliotheksnutzerin, Frau ..., die ihm seiner Ansicht nach den von ihm benutzten Arbeitsplatz streitig gemacht hatte. Der Aufforderung
von Frau ..., den Film herauszugeben, kam der Kläger nicht nach. Der hinzu gerufene Polizeivollzugsdienst verbrachte den Kläger zum
Polizeirevier Karlsruhe-Marktplatz, wo der Film beschlagnahmt und in Verwahrung genommen wurde. In der dem Kläger ausgehändigten
Beschlagnahmeverfügung wird als Grund für die Beschlagnahme angegeben „Schutz privater Rechte (KUG)“. Im Vermerk des Polizeipräsidiums
Karlsruhe - Polizeirevier Marktplatz - vom 09.08.2005 wird ausgeführt, dass weder strafrechtliche noch ordnungswidrigkeitenrechtliche
Vorschriften verletzt worden seien; es seien ausschließlich die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu schützen gewesen. Diese sei
angewiesen worden, sich unverzüglich an das Amtsgericht Karlsruhe zu wenden, um dort eine Entscheidung über den Verbleib des Films zu
erwirken.
3
Mit Schriftsatz vom 09.08.2005 erhob Frau ... vor dem Amtsgericht Karlsruhe Klage gegen den Kläger und begehrte die Herausgabe des Films,
Schadensersatz und Schmerzensgeld. Nachdem das Amtsgericht den zugleich gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit
Beschluss vom 20.09.2005 abgelehnt hatte, verfolgte Frau ... die Klage nicht weiter.
4
Mit seinem am 29.07.2005 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass eine nach § 22 KUG allein verbotene Veröffentlichung oder
Verbreitung des Bildes nicht zu befürchten sei. Eine andere Vorschrift, die das Fotografieren von Personen hindere, sei nicht ersichtlich.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2005 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch zurück. Die Beschlagnahme sei auf
Antrag der Besucherin der Landesbibliothek erfolgt, um das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, das bereits durch das Herstellen
eines Bildes berührt sei, zu schützen. Von einer missbräuchlichen Verwendung der Bilder durch den Kläger sei auszugehen. Die
Beschlagnahme habe als vorläufige Sicherungsmaßnahme der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gedient. Die gefertigten Bilder würden
bis zu einer gerichtlichen Entscheidung beim Polizeirevier Karlsruhe-Marktplatz verwahrt.
6
Der Kläger hat hiergegen zunächst Anfechtungsklage erhoben, zu deren Begründung er geltend gemacht hat, dass er Frau ... zum Zwecke der
Identifizierung fotografiert habe. Sie habe ihn als „devil“ bezeichnet. Auch habe der Verdacht bestanden, dass sie an den gegen ihn gerichteten
Giftangriffen beteiligt gewesen sei; denn er habe den Platz am Fenster bewusst gewählt, nachdem in der Bibliothek verschiedentlich an anderen
Stellen Giftstoffe emittiert worden seien. Aus der Entscheidung des Amtsgerichts ergebe sich, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht
gegeben gewesen sei; eine Beschlagnahme dürfe aber nicht an Stelle einer unzulässigen zivilrechtlichen einstweiligen Verfügung erfolgen.
Nach einem gerichtlichen Hinweis, dass die Beschlagnahme zwischenzeitlich nach Ablauf der sechsmonatigen Höchstdauer gemäß § 33 Abs. 3
Satz 2 PolG automatisch außer Kraft getreten sei, hat der Beklagte mitgeteilt, dass der beschlagnahmte Film der Stadt Karlsruhe zugeleitet
worden sei, die allerdings eine Einziehung nicht verfügt habe. Der Kläger hat daraufhin u.a. auf eine Wiederholungsgefahr und eine
diskriminierende Wirkung der polizeilichen Maßnahme verwiesen. Darüber hinaus hat er ausgeführt, dass er bei der Einsicht in die Gerichtsakten
im Verwaltungsgericht mit Giftgasen angegriffen worden sei.
7
Mit Urteil vom 02.04.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage, mit der nunmehr sachdienlich ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren verfolgt
werde, abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Aufgrund der Umstände der Beschlagnahme - heftige verbale Dispute in der Bibliothek und die
anschließende Verbringung des Klägers auf das Polizeirevier - bestehe ein Rehabilitationsinteresse des Klägers. Die Klage sei aber nicht
begründet. Die Beschlagnahme sei rechtmäßig gewesen. Aufgrund der Gesamtumstände des Lebenssachverhalts habe jedenfalls die
Anscheinsgefahr bestanden, dass der Kläger die von ihm angefertigten Fotos zur Begehung von Rechtsverstößen habe verwenden wollen. Die
Polizei habe aufgrund des Verhaltens des Klägers und seiner Einlassungen bei verständiger Würdigung des Falles davon ausgehen dürfen,
dass der Kläger bei Nichtbeschlagnahme der Bilder gegen § 240 oder § 164 StGB verstoßen werde. Die Beschlagnahme sei insoweit auch für
die volle Dauer von 6 Monaten erforderlich gewesen, da der Kläger auch über diese Frist hinaus die Verdächtigungen gegenüber der
fotografierten Frau aufrechterhalten habe. Unbeachtlich sei, dass in der Beschlagnahmeverfügung und im Widerspruchsbescheid auf eine
andere Begründung abgestellt worden sei.
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Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 12.12.2007 - 1 S 1146/07 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger, nachdem die
Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung teilweise für erledigt erklärt haben, nunmehr vor: Für die Rechtmäßigkeit einer
Beschlagnahmeverfügung komme es allein darauf an, ob die zum Zeitpunkt der Beschlagnahme angenommenen Gründe die
Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage erfüllten. Der handelnde Beamte habe indessen zu Unrecht angenommen, dass ein Verstoß
gegen das Kunsturhebergesetz vorliege. Rechtswidrig wäre die Beschlagnahme aber auch dann, wenn auf das erst im Widerspruchsbescheid
herangezogene allgemeine Persönlichkeitsrecht abgestellt würde. Es sei bereits zweifelhaft, ob es bei einer Aufnahme außerhalb des Bereichs
der geschützten Privatsphäre überhaupt tangiert sei. Jedenfalls stehe der Beschlagnahme die Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG
entgegen. Er habe nämlich keine Anstalten gemacht, weitere Fotos zu machen. Im Übrigen könne allein die Tatsache, dass die Durchsetzung
privater Rechte über die Gerichte stets schwieriger sei als die Vollstreckung durch einen Hoheitsträger, das Eingreifen der Polizei nicht
rechtfertigen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass Verstöße gegen die Strafgesetze unmittelbar bevorgestanden hätten, sei völlig aus
der Luft gegriffen. Im Übrigen führe eine solche Auswechslung der Begründung entweder zum unzulässigen Verlust der Wesensidentität des
Verwaltungsakts oder mache diesen zumindest ermessensfehlerhaft. Denn ohne Kenntnis des zu schützenden Rechtsguts habe der
Polizeibeamte eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht treffen können.
9
Der Kläger beantragt,
10
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. April 2007 - 3 K 3158/05 - zu ändern und festzustellen, dass die
Beschlagnahmeverfügung des Polizeireviers Karlsruhe-Marktplatz vom 29. Juni 2005 von Anfang an rechtswidrig war.
11 Der Beklagte beantragt,
12
die Berufung zurückzuweisen.
13 Er ist der Auffassung, dass mangels Wiederholungsgefahr eine Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht bestehe.
14 Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren
Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Entscheidungsgründe
15 Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung im Anschluss an die vom Vertreter des Beklagten zu Protokoll gegebene Erklärung den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 125 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 3
Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit unwirksam (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
16 Im Übrigen ist die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch ansonsten zulässige Berufung nicht begründet. Das Verwaltungsgericht
hat die Klage, soweit noch Gegenstand des Berufungsverfahrens, im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I.
17 1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Die angefochtene Beschlagnahmeverfügung hat sich nach der Klageerhebung
erledigt. Allerdings hat die Beschlagnahme nicht automatisch durch Zeitablauf ihren Regelungsgehalt, nämlich die Anordnung eines
behördlichen Gewahrsams (siehe Dolderer VBlBW 2003, 222), verloren. Zwar bestimmt § 33 Abs. 3 Satz 2 PolG, dass eine Beschlagnahme
längstens sechs Monate aufrechterhalten werden darf. Wird diese materiell-rechtliche Vorgabe in einer Beschlagnahmeverfügung nicht beachtet,
ist diese rechtswidrig; sie verliert deswegen aber nicht automatisch ihre Wirksamkeit. Im Widerspruchsbescheid wurde die Beschlagnahme nicht
auf eine Höchstdauer von sechs Monaten beschränkt, sondern vielmehr „bis zu einer gerichtlichen Entscheidung“ angeordnet. Eine solche
Entscheidung, mit der nach den Ausführungen im Bescheid nur eine zivilgerichtliche gemeint sein konnte, war zwar schon im Zeitpunkt des
Widerspruchsbescheids bei objektiver Betrachtung nicht mehr zu erwarten; denn Frau ... hatte nach Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags
durch das Amtsgericht ihre Klage nicht mehr weiter betrieben. Der Widerspruchsbescheid erstreckte die Geltungsdauer indessen bis zu einem
solchen unbestimmten Zeitpunkt. Die Beschlagnahmeverfügung hat sich demnach erst dann erledigt, als das Polizeipräsidium den Film an die
Stadt Karlsruhe weitergeleitet und damit den bei ihm begründeten amtlichen Gewahrsam beendet hat.
18 2. Die Klage ist mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zulässig. Der Kläger ist bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht
darauf beschränkt, die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts bezogen auf den Zeitpunkt feststellen zu lassen, der im
Erledigungszeitpunkt für den mit der ursprünglichen Anfechtungsklage geltend gemachten Aufhebungsanspruch maßgeblich war. Dies ist bei
einem Dauerverwaltungsakt wie der Beschlagnahme grundsätzlich der Zeitpunkt der Erledigung. Allerdings kommt auch bei einem
Anfechtungsstreit insoweit nicht nur eine Aufhebung des Verwaltungsakts ex nunc - nur für die Zukunft -, sondern auch ex tunc - bezogen auf in
der Vergangenheit liegende Zeitpunkte - in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.1994 - 11 C 25.93 -, BVerwGE 97, 214 <220 f.>; Gerhardt in:
Schoch u.a. , VwGO, § 113 Rn. 34 f.). Demnach kann auch in der veränderten prozessualen Situation die Rechtswidrigkeit eines
Dauerverwaltungsakts bezogen auf verschiedene Zeitpunkte geltend gemacht werden (siehe Urteil des erk. Senats vom 17.07.2000 - 1 S
1862/99 -, VBlBW 2001, 100 <101>; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.11.1979 - 3 C 103.79 -, BVerwGE 59, 148 <158 f., 163>).
19 3. Der Kläger kann sich auf ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung stützen.
20 a) Aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr kann dieses aber nicht hergeleitet werden. Denn diese setzte die hinreichend bestimmte
Gefahr aus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird
(vgl. hierzu zuletzt BVerwG, Urteil vom für 12.10.2006 - 4 C 12.04 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23). Hierfür ist aber nichts ersichtlich.
21 b) Ein ideelles Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist hier indessen zu bejahen.
22 Der Kläger beruft sich auf ein Rehabilitierungsinteresse wegen der diskriminierenden Wirkung der behördlichen Maßnahme. Die - behauptete -
Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts als solche reicht hierfür allerdings nicht aus; erforderlich ist eine „Bemakelung“ des Betroffenen, die sich
aus den Gründen des Bescheids oder den Umständen seines Erlasses ergibt, aus der Einstufung als Störer im polizeirechtlichen Sinne aber
nicht automatisch folgt. Hieraus muss sich eine fortwirkende konkrete und objektive Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Betroffenen
ergeben, die gerade durch den gerichtlichen Ausspruch beseitigt werden kann (vgl. nur Urteil des erk. Senats vom 14.04.2005 - 1 S 2362/04 -,
VBlBW 2005, 431 m.w.N.). Ob der Kläger in dem für das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung des Senats in diesem Sinne noch auf merkliche ungünstige Nachwirkungen im persönlichen oder gesellschaftlichen
Bereich verweisen kann, erscheint fraglich, bedarf hier aber keiner weiteren Prüfung. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ideeller Art ist
nicht auf eine Rehabilitation im engen Sinn beschränkt; unter Beachtung verfassungsrechtlicher Garantien ist das Rechtsschutzinteresse bei in
der Vergangenheit liegenden Rechtsverletzungen nicht nur dann gegeben, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, eine
fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen.
23 Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem durch Art. 19 Abs. 4 GG
garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz ein Feststellungsinteresse begründen. Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die
polizeiliche Maßnahmen zum Gegen-stand haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.04.1999 - 1 C 12.97 -, NVwZ 1999, 991; Urteil vom 29.04.1997 - 1
C 2.95 -, NJW 1997, 2543, jeweils m.w.N.; Urteil des erk. Senats vom 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005, 138 <139>). Auch bei der
Beschlagnahme fällt insoweit ins Gewicht, dass aufgrund von deren nur verhältnismäßig kurzer Dauer der gebotene Rechtsschutz in einem
Hauptsacheverfahren kaum gewährt werden könnte.
II.
24 Die Klage ist nicht begründet. Die Anordnung der Beschlagnahme war anfänglich rechtmäßig.
25 1. Die Beamten des Polizeivollzugsdienstes waren nach § 60 Abs. 3 PolG für die auf § 33 Abs. 1 PolG gestützte Maßnahme zuständig. Den
formellen Anforderungen des § 33 Abs. 2 PolG wurde durch die Aushändigung einer schriftlichen Bestätigung entsprochen.
26 2. Die Beschlagnahme war auch materiell rechtmäßig. Sie war durch § 33 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 PolG gedeckt.
27 a) Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG ist die Polizei zur Beschlagnahme einer Sache ermächtigt, wenn dies erforderlich ist zum Schutze des Einzelnen
oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer
bereits eingetretenen Störung. Eine solche Störungslage haben die handelnden Polizeibeamten zutreffend angenommen.
28 Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG umfasst die Rechte und Rechtsgüter der Einzelnen; dazu gehört neben
Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233, 241/81 -, BVerfGE 69, 315 <352>)
auch das durch Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. etwa Urteil des erk. Senats vom 22.02.1995 -
1 S 3184/94 -, VBlBW 1995, 282 <283>; sowie Ruder/Schmitt, Polizeirecht Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2005, Rn. 236; Götz, Allgemeines Polizei-
und Ordnungsrecht, 12. Aufl. 1995, Rn. 91). Dieses wird u.a. durch das Recht am eigenen Bild konkretisiert (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.11.1999 -
1 BvR 653/96 -, BVerfGE 101, 361 <381>; di Fabio in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 173 ff.; Dreier in: ders. , GG, 2. Aufl. 2004, Art. 2
Abs. 1, Rn. 72, jeweils m.w.N.). Eine Verletzung dieses Rechts war hier gegeben.
29 § 22 KUG erwähnt als - nach § 33 KUG strafbewehrte - Verletzungshandlungen nur die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung eines
Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten. § 201a StGB stellt das unbefugte Herstellen von Bildaufnahmen aus dem höchstpersönlichen
Lebensbereich unter Strafe. Es ist indessen anerkannt, dass - nicht zuletzt angesichts der nur fragmentarischen Natur des Strafrechts - diese
Regelungen nicht abschließend sind. Vielmehr kann auch das bloße Herstellen einer Aufnahme einer Person, die sich nicht im persönlichen
Rückzugsbereich, sondern in der Öffentlichkeit aufhält, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen (vgl. Wandtke/Bullinger/Fricke,
Urheberrecht, 2. Aufl. 2006, § 22 KUG Rn. 9; Steffen in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl. 2006, § 6 LPG Rn. 119, 123, jeweils m.w.N.; Urteil des erk.
Senats vom 22.02.1995 - 1 S 3184/94 -, VBlBW 1995, 282 <283>). Denn schon dadurch wird das Erscheinungsbild des Betroffenen in einer
bestimmten Situation von seiner Person abgelöst, datenmäßig fixiert und seiner Kontrolle und Verfügungsmacht entzogen, woraus ein
Schutzbedürfnis erwächst (siehe BVerfG, Urteil vom 15.11.1999 - 1 BvR 653/96 -, BVerfGE 101, 361 <380 f.>; Beschluss vom 26.02.2008 - 1 BvR
1602/07 u.a. - ). Die Feststellung eines unzulässigen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen durch das Anfertigen
eines Bildes erfordert eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und eine Güter- und Interessenabwägung der schutzwürdigen
Rechtsposition der Beteiligten (BGH, Urteil vom 25.04.1995 - VI ZR 272/94 -, NJW 1995, 1955 <1956 f.>). Hiernach ist nichts dafür ersichtlich,
dass die Betroffene die Anfertigung der Bilder durch den Kläger hätte dulden müssen. Ein anerkennenswertes Interesse, die Betroffene zu
fotografieren, hat der Kläger nicht dargetan. Die von ihm geäußerten Vermutungen und Verdächtigungen entziehen sich einer rationalen
Bewertung. Sie sind vielmehr Ausdruck eines offensichtlich schon lang andauernden psychiatrischen Krankheitsbildes, das sich in
Wahnvorstellungen äußert. In einer solchen Situation gewinnt das Interesse der Betroffenen, nicht von einem Unbekannten fotografiert zu
werden, besonderes Gewicht. Denn das Verhalten des Klägers stellte sich aus der Sicht der Betroffenen - auch ohne nähere Kenntnis des
psycho-pathologischen Hintergrunds - so dar, dass die Bandbreite eines allgemein üblichen und verständlichen Vorgehens deutlich
überschritten war; es konnte von ihr als unberechenbar, wenn nicht gar bedrohlich, angesehen werden.
30 Diese materiell-rechtliche Bewertung wird durch den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe im Prozesskostenhilfeverfahren schon deswegen
nicht in Frage gestellt, weil es die mangelnde Erfolgsaussicht des Herausgabeverlangens mit der Erwägung begründet hat, die Polizei, nicht aber
der Kläger, sei im Besitz des Films. Zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht hat es sich gar nicht geäußert.
31 b) Am polizeilichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor Beeinträchtigungen, die - wie hier - weder durch die Strafgesetze noch
durch das Ordnungswidrigkeitenrecht sanktioniert sind und bei denen demnach nicht die Unversehrtheit der Rechtsordnung in Bezug auf
Normen des öffentlichen Rechts in Rede steht, muss nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG ein öffentliches Interesse
bestehen. Dieses Interesse kann sich insoweit allein aus dem im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnden allgemeinen
Justizgewährleistungsanspruch ergeben, der wirkungsvollen Rechtsschutz garantiert (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 08.11.2006 - 2 BvR
578/02 u.a. -, BVerfGE 117, 71 <121 f.> m.w.N.; siehe auch Denninger in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Kap. E
Rn. 30). Damit wird auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 PolG Bezug genommen. Danach obliegt der Schutz privater Rechte der Polizei nur auf
Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr
besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.
32 Der Polizeivollzugsdienst des Beklagten hat diese Voraussetzung nicht verkannt. Er hat die Beschlagnahme als Sicherungsmaßnahme im
Hinblick auf den erst noch zu beantragenden gerichtlichen Rechtsschutz angeordnet (vgl. Urteil des erk. Senats vom 10.07.2000 - 1 S 2239/99 -,
VBlBW 2001, 102 <103>). Dabei ist er zu Recht von einer besonderen Dringlichkeit ausgegangen, da gerade die unbefugte
Verfügungsmöglichkeit des Klägers über eine Fotografie der Betroffenen in Rede stand und ohne einen sofortigen polizeilichen Zugriff
unkontrollierte Vervielfältigungen zu besorgen waren.
III.
33 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 161 Abs. 2 VwGO.
34 Soweit das Verfahren die Feststellung der anfänglichen Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme betrifft, hat der Kläger nach § 154 Abs. 2 VwGO als
unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten zu tragen.
35 Bezüglich des in der Hauptsache erledigten Teils des Verfahrens, dem nach der Interessenlage des Klägers ein verhältnismäßig geringes
Gewicht zukommt, findet die Kostenfolge ihre Grundlage in § 161 Abs. 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist über die Kosten eines in der
Hauptsache erledigten Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hier
entspricht insoweit die Kostenlast des Beklagten der Billigkeit, denn er hat sich durch seine Erklärung in die Rolle des Unterlegenen begeben. Im
Übrigen hätte ein auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids bezogener (Hilfs-)Antrag - soweit insoweit ein
Feststellungsinteresse gleichfalls bejaht würde - auch Erfolg gehabt. Denn jedenfalls in diesem Zeitpunkt war kein Anlass mehr gegeben, im
Wege eines subsidiären polizeilichen Handelns eine zivilgerichtliche Entscheidung offen zu halten. Die Betroffene hatte damals die
Bemühungen um Erlangung von Rechtsschutz vor dem Amtsgericht offensichtlich nicht mehr weiterverfolgt, so dass die Beschlagnahme insoweit
ihren Zweck erreicht hatte (§ 33 Abs. 3 Satz 1 PolG).
36 Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
37
Beschluss
38 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
39 Der Beschluss ist unanfechtbar.