Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 29.10.2009

VGH Baden-Württemberg: vergabeverfahren, hochschule, staatsvertrag, obliegenheit, numerus clausus, unechte rückwirkung, universität, wartezeit, vertrauensschutz, beschränkung

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 29.10.2009, 9 S 1611/09
Zur Vergabe eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Kapazität - Erfordernis einer vorherigen Bewerbung im zentralen
Vergabeverfahren
Tenor
Artikel 2 Satz 2 der Verordnung des Wissenschaftsministeriums zur Änderung der Vergabeverordnung ZVS vom 29. Juni 2009 (GBl. S. 309) wird für
unwirksam erklärt, soweit darin die Geltung von § 24 Satz 2 und Satz 3 Vergabeverordnung ZVS bereits zum Wintersemester 2009/2010 angeordnet
worden ist. Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgewiesen.
Der Antragsteller trägt 2/3 und der Antragsgegner 1/3 der Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob und inwieweit der Landesverordnungsgeber das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen
außerhalb der festgesetzten Kapazität normativ bestimmen und vorgeben darf. Der Antragsteller bezweifelt insbesondere die Rechtmäßigkeit des
angeordneten Erfordernisses einer vorangegangenen ZVS-Bewerbung für den betreffenden Studienort sowie die Anwendbarkeit der
Novellierungen schon im Wintersemester 2009/2010.
2
Die Vergabe eines Studienplatzes in einem ins zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studiengang - wie etwa das vom Antragsteller
begehrte Fach Medizin - setzt einen Zulassungsantrag bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) voraus.
Bewerbungsvoraussetzungen und Auswahlkriterien für diese Studienplatzvergabe sind in einer Reihe von Rechtsnormen geregelt. Einbezogen
in dieses Auswahlverfahren sind indes nur diejenigen Plätze, die als Aufnahmekapazität der Hochschule berechnet und in Gestalt einer
„Zulassungszahl“ festgesetzt worden sind. Neben diesen „ordnungsgemäß“ vergebenen Studienplätzen werden in der Praxis weitere
Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität aufgrund gerichtlicher Anordnung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
vergeben. Hierbei handelt es sich um zusätzliche Ausbildungskapazitäten, deren Vorhandensein erst im gerichtlichen Verfahren aufgedeckt
worden ist. Diese „außerkapazitären“ Studienplätze beruhen mithin auf einer fehlerhaften Kapazitätsberechnung und darauf aufbauend einer zu
niedrigen Festsetzung der Zahl der von der entsprechenden Hochschule aufzunehmenden Bewerber. Um dem verfassungsrechtlich verankerten
Gebot der vollständigen Kapazitätsauslastung Genüge zu tun, werden auch diese Reststudienplätze durch die Verwaltungsgerichte zugewiesen.
3
Normative Vorgaben zu inhaltlichen Kriterien oder Verfahrensmodalitäten für die Vergabe der in der Zulassungszahlenverordnung nicht
berücksichtigten Studienplätze sind indes kaum vorhanden. § 24 Satz 1 der Verordnung des Wissenschaftsministeriums über die zentrale
Vergabe von Studienplätzen - Vergabeverordnung ZVS - in der Fassung vom 27.01.2005 (GBl. S. 167) enthielt insoweit lediglich eine
Fristenregelung. Anträge, mit denen ein Anspruch auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl geltend gemacht wird, waren
danach innerhalb der für den „regulären“ ZVS-Zulassungsantrag geltenden Fristen zu stellen. Die Vorschrift wurde in der Neufassung der
Vergabeverordnung ZVS vom 23.04.2006 (GBl. S. 114) ohne wesentliche Änderung übernommen.
4
Durch die am 08.07.2009 im Gesetzblatt (GBl. S. 309) bekannt gemachte Verordnung des Wissenschaftsministeriums zur Änderung der
Vergabeverordnung ZVS vom 29.06.2009 wurde § 24 Vergabeverordnung ZVS geändert (Art. 1 Nr. 4 der Änderungsverordnung) und um die
streitgegenständlichen Sätze 2 und 3 erweitert. Die Vorschrift lautet nun:
5
§ 24
Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen
Ein Antrag, mit dem ein Anspruch auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl geltend gemacht wird, muss
1. für das Sommersemester bis zum 15. Januar,
2. für das Wintersemester bis zum 15. Juli
bei der Hochschule eingegangen sein (Ausschlussfristen).
Voraussetzung für die Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahlen ist ferner ein Antrag auf Zulassung nach § 3 im zentralen Vergabeverfahren
in dem betreffenden Studiengang für den betreffenden Studienort. Sind Zulassungen außerhalb der festgesetzten Kapazität auszusprechen, hat sich die
Vergabe an den Vergabekriterien im zentralen Vergabeverfahren zu orientieren, wenn die Hochschule für die Bewerber um diese Zulassungen entsprechende
Ranglisten erstellt.
6
Das Inkrafttreten der Änderungsverordnung ist in deren Art. 2 ausdrücklich geregelt und sieht vor:
7
Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft. Sie gilt erstmals für das Vergabeverfahren zum Wintersemester 2009/2010.
8
Der Antragsteller hat am 27.06.2009 die Allgemeine Hochschulreife in Nordrhein-Westfalen mit einer Durchschnittsnote von 2,4 erworben. Er
bewarb sich am 03.07.2009 erfolglos bei der ZVS im Studiengang Medizin und benannte für das Auswahlverfahren der Hochschulen die
Universitäten Greifswald, Jena, Halle, Magdeburg, Saarbrücken und Ulm. Mit Schriftsätzen vom 10.07.2009 ließ der Antragsteller seinen
Bevollmächtigten überdies Anträge auf Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der festen Kapazität an den Universitäten Freiburg,
Heidelberg und Tübingen stellen. Insoweit sind jeweils Eilanträge beim Verwaltungsgericht anhängig.
9
Am 20.07.2009 erhob der Antragsteller Normenkontrollantrag (und zugleich Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO) zum Verwaltungsgerichtshof
Baden-Württemberg gegen die Neufassung des § 24 Vergabeverordnung ZVS. Zur Begründung trägt er vor, die Neuregelung verletze seine
Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG; jedenfalls könne das novellierte Verfahren im Wintersemester
2009/2010 keine Anwendung finden. § 24 Vergabeverordnung ZVS n.F. bewirke, dass der Antragsteller nicht mehr in der Lage sei, alle
Hochschulen des Landes Baden-Württemberg auf die Vergabe eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Kapazität in Anspruch zu
nehmen. Diese Einschränkung verstoße gegen das in Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Recht der Ausbildungsfreiheit, das nach den Grundsätzen des
Grundrechtsschutzes durch Verfahren auch Gewährleistungen gegen eine restriktive, den effektiven Grundrechtsschutz beeinträchtigende
Verfahrensgestaltung beinhalte. Die Rechtsänderung bewirke auch eine Verletzung der Rechtsweggarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil ihm die
Möglichkeit genommen werde, im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren einen Studienplatz zu erstreiten, sofern er sich für die jeweilige
Universität im Rahmen seines ZVS-Zulassungsantrages nicht beworben habe. Insoweit verstoße die Neubestimmung auch gegen das vom
Bundesverfassungsgericht betonte Gebot der vollständigen Kapazitätsausschöpfung, weil es dem Antragsteller unmöglich gemacht werde, alle
Universitäten des Bundeslandes parallel auf eine Zulassung außerhalb der festen Kapazität in Anspruch zu nehmen. Der Regelung fehle eine
verfassungsrechtliche Rechtfertigung, weil sie nicht einer effizienten Durchführung des gerichtlichen Verfahrens, sondern der zielgerichteten
Beschränkung der Bewerbungsmöglichkeiten für Studienplätze außerhalb der festen Kapazität diene. Jedenfalls müsse die Regelung insoweit
als unverhältnismäßig betrachtet werden. Es sei dem Antragsteller unzumutbar, bereits im Rahmen der ZVS-Bewerbung diejenigen Universitäten
auszuwählen, die später im Wege der außerkapazitären Klage in Anspruch genommen werden sollen. Die Eingrenzung auf die sechs, im
Rahmen der ZVS-Bewerbung angegebenen Studienorte widerspreche auch dem verfassungsrechtlichen Prinzip, dass Ortswünsche für die
Wahrnehmung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG bedeutungslos seien. Dementsprechend sei bislang für die Zuweisung
außerkapazitärer Studienplätze auf die Ortswahlentscheidung im Rahmen des ZVS-Antrags auch nicht abgestellt worden. Die Neufassung
verstoße schließlich gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil eine Berücksichtigung des Antragstellers bei der
Vergabe von Studienplätzen an im ZVS-Zulassungsantrag nicht benannten Hochschulen danach selbst dann ausscheide, wenn er eine bessere
Abiturnote oder eine längere Wartezeit als die anderen Antragsteller aufweise. Schließlich bestünden auch Zweifel an der Zuständigkeit des
Verordnungsgebers, da mit der Neufassung Sachurteilsvoraussetzungen eines gerichtlichen Verfahrens und damit Fragen des Prozessrechts
geregelt würden. Jedenfalls könne die Novellierung für das Vergabeverfahren im Wintersemester 2009/2010 noch nicht zur Anwendung
kommen, weil eine angemessene Übergangsfrist nicht gewährt worden sei. Für Altabiturienten liege angesichts des bereits vor Bekanntmachung
der Änderungsverordnung eingetretenen Fristablaufs für eine ZVS-Bewerbung bereits eine echte Rückwirkung vor. Auch der Antragsteller indes
habe bis zum Fristablauf vom 15.07.2009 von der Rechtsänderung nichts erfahren. Insoweit treffe ihn jedoch keine Obliegenheit, sich im
laufenden Bewerbungsverfahren über etwaige Rechtsänderungen kundig zu machen.
10 Der Antragsteller beantragt,
11
§ 24 Satz 2 und Satz 3 der Verordnung des Wissenschaftsministeriums über die zentrale Vergabe von Studienplätzen vom 23.04.2006
in der Fassung der Änderungsverordnung vom 29.06.2009 für unwirksam zu erklären,
12
hilfsweise,
13
Art. 2 Satz 2 der Verordnung des Wissenschaftsministeriums zur Änderung der Vergabeverordnung ZVS vom 29.06.2009 für unwirksam
zu erklären, soweit darin die Geltung von § 24 Satz 2 und Satz 3 Vergabeverordnung ZVS bereits zum Wintersemester 2009/2010
angeordnet worden ist.
14 Der Antragsgegner beantragt,
15
die Anträge abzuweisen.
16 Er hält die Normenkontrolle hinsichtlich der in § 24 Satz 3 Vergabeverordnung ZVS getroffenen Regelung bereits für unzulässig. Da die Vergabe
nachträglich festgestellter Studienplätze auch bereits zuvor in Orientierung an die ZVS-Auswahlkriterien hätten vergeben werden können und
dies auch praktiziert worden sei, regle die Vorschrift nichts Neues. Mit einer Nichtigkeitserklärung könne der Antragsteller seine Rechtsposition
daher in keiner Weise verbessern. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Dies ergebe sich bereits daraus, dass das vom Antragsteller
behauptete Recht, alle Hochschulen auf die Vergabe eines außerkapazitären Studienplatzes verklagen zu dürfen, nicht bestehe. Vielmehr sei
Studienbewerbern auch im ordnungsgemäßen ZVS-Verfahren grundsätzlich nur die Befugnis eingeräumt, sich für sechs Hochschulen zu
bewerben. Das aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete Teilhaberecht könne hinsichtlich der Vergabe von Studienplätzen außerhalb der festgesetzten
Kapazität aber nicht weiter reichen als im ordentlichen Verfahren. Tatsächlich realisiere sich die grundgesetzlich gewährleistete Berufsfreiheit in
erster Linie im ordnungsgemäßen ZVS-Verfahren. Wenn der Gesetzgeber für dieses - grundsätzlich abschließend gedachte - Verfahren
Auswahlkriterien festlege, sei damit jedoch grundsätzlich auch die gesetzgeberische Erwartung verbunden, dass auch etwaige weitere
Studienplätze nach diesen Maßstäben vergeben würden. Ziel der Neuregelung sei es daher gewesen, für die Vergabe von Studienplätzen, die
nachträglich durch ein Gericht festgestellt worden sind, eine sach- und chancengerechtere Verteilung zu ermöglichen. § 24 Satz 2 und 3
Vergabeverordnung ZVS orientiere sich daher an den Vorgaben der ordnungsgemäßen Vergabe. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits
festgestellt habe, sei für eine Vergabe nach Ranglisten indes erforderlich, dass sich die jeweiligen Studienbewerber auch bei der ZVS im
zentralen Vergabeverfahren um einen Studienplatz im betreffenden Studiengang beworben hätten. Nur so könnten die zur Ranglistenbildung
erforderlichen Daten zeitnah bereitgestellt werden.
17 Soweit der Antragsteller vorgetragen habe, Ortswünsche dürften für die Wahrnehmung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG keine Bedeutung
haben, werde die Neuordnung des Hochschulzulassungsrechts verkannt. Denn seit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes und dem
Erlass des neuen Staatsvertrages stünden im Interesse der nationalen und internationalen Konkurrenzfähigkeit Wettbewerbsorientierung,
Profilbildung und Differenzierung im Vordergrund. Während es früher ein weitgehend homogenes Lehrangebot gegeben habe, sei
zwischenzeitlich eine stärkere Vielfalt und Schwerpunktbildung bei der Gestaltung der Hochschul- und Ausbildungskonzepte vorhanden. Im
Bereich der medizinischen Lehre etwa gebe es das „Tübinger Programm zur Förderung Innovativer Lehre“, die Studienkonzepte „Heicumed“ und
„Marecum“ der medizinischen Fakultäten Heidelberg und Heidelberg/Mannheim sowie eine besondere Praxisorientierung an der Universität
Ulm. Dieser Profilbildung entsprechend sei Leitgedanke im Hochschulzulassungsrecht gewesen, hochqualifizierten Bewerbern die Auswahl
„ihrer“ Hochschule zu ermöglichen, sowie umgekehrt den Hochschulen die Möglichkeit zu verschaffen, die dem hochschuleigenen
Anforderungsprofil am besten entsprechenden Bewerber selbst auszuwählen. Die Wahl des Studienortes spiele daher gegenwärtig bei der
Vergabe von Studienplätzen eine zentrale Rolle. Mit der Neufassung des § 24 Vergabeverordnung ZVS sei die gesetzgeberische Entscheidung
zur stärkeren Betonung des Ortsbezugs auf die außerkapazitäre Vergabe von Studienplätzen nachvollzogen worden; überdies stelle die
Neuregelung sicher, dass die zeitnahe Erstellung von Ranglisten nach ZVS-Kriterien überhaupt möglich sei. Die angegriffene Verordnung
entspreche deshalb den Vorgaben aus Art. 12 Abs. 1 GG. Eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG scheide schon
deshalb aus, weil diese Grundgesetznorm nicht selbst Rechte gewähre, sondern zu schützende Positionen voraussetze. Im Übrigen stehe der
Rechtsschutz auch bei Anwendung des § 24 Vergabeverordnung ZVS n.F. offen; die Erfolgsaussicht einer etwaigen Klage werde sogar besser
kalkulierbar.
18 Schließlich bewirke die Rechtsänderung auch keine unzulässige Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung liege auch für Altabiturienten nicht vor,
weil das in Rede stehende Verfahren zur Vergabe außerkapazitärer Studienplätze im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Novellierung noch gar
nicht begonnen habe. Gemäß § 24 Satz 1 Nr. 2 Vergabeverordnung ZVS sei Stichtag insoweit vielmehr der 15.07.2009. Die mit der
Änderungsverordnung bewirkte unechte Rückwirkung sei indes zulässig, weil der Antragsteller vor Veränderung des § 24 Vergabeverordnung
ZVS keine Dispositionen auf ein medizinisches Studium getroffen habe, die gegenüber der Gesamtheit der Bewerber schützenswert seien. Denn
er habe sich - wie im ordnungsgemäßen Verfahrensablauf auch vorgesehen - bei der ZVS für sechs Studienorte beworben. Soweit sich der
Antragsteller nun auf prozesstaktische Erwägungen beziehe, seien diese gegenüber der Allgemeinheit nicht schützenswert. Im Übrigen habe der
Antragsteller auch nicht auf die dauerhafte Beibehaltung des Losverfahrens vertrauen dürfen. Denn die bisherige, nicht auf einer gesetzlichen
Regelung fußende Verfahrensweise der Losvergabe sei spätestens seit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2008 in
Frage gestellt. Darüber hinaus seien alle mit Kapazitätsklagen befassten Rechtsanwälte - darunter auch der Bevollmächtigte des Antragstellers -
von der Universität Ulm mit Schreiben vom 08.07.2009 über die neue Rechtslage informiert worden.
19 Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Akten des Senats Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
20 Die Normenkontrollanträge des Antragstellers sind zulässig (I.), aber nur hinsichtlich des Hilfsantrages begründet (II.). Die angegriffene
Neufassung zur Vergabe von Studienplätzen außerhalb der festgesetzten Kapazität in § 24 Satz 2 und 3 Vergabeverordnung ZVS in der Fassung
der Änderungsverordnung vom 29.06.2009 ist mit höherrangigem Recht vereinbar und verstößt nicht gegen die geltend gemachten Rechte aus
Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 oder Art. 3 Abs. 1 GG. Die in Art. 2 Satz 2 der Änderungsverordnung angeordnete Geltung für das Vergabeverfahren
zum Wintersemester 2009/2010 dagegen verstößt gegen den durch das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten
Vertrauensschutz.
I.
21 Die vom Antragsteller erhobenen Anträge sind zulässig.
22 Die Normenkontrolle betrifft die Gültigkeit des § 24 Satz 2 und 3 Vergabeverordnung ZVS in der Fassung vom 29.06.2009 und damit im Range
unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, deren Vollzug zu verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten führt. Der Antrag ist damit gemäß
§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO statthaft und auch innerhalb der in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorgeschriebenen Jahresfrist gestellt.
Der Antragsteller kann auch geltend machen, durch die angegriffene Rechtsvorschrift in seinem Recht auf Berufs- und Ausbildungsfreiheit aus
Art. 12 Abs. 1 GG verletzt zu werden, denn die angegriffene Verordnung regelt die Voraussetzungen, unter denen ein Studienplatz erworben
werden kann.
23 Dem Antragsteller kommt auch ein rechtlich schützenswertes Interesse an der begehrten Normenkontrollentscheidung zu. Soweit der
Antragsgegner vorgetragen hat, § 24 Satz 3 Vergabeverordnung ZVS beinhalte keine Neuregelung, so dass der Antragsteller auch aus einer
etwaigen Nichtigkeitsfeststellung keinen Vorteil ziehen könne, trifft dies nicht zu. Denn nach bisheriger Rechtslage waren die Hochschulen nicht
daran gehindert, im Falle der gerichtlichen Verpflichtung zur Vergabe weiterer Studienplätze auf das Losverfahren als Auswahlkriterium
zurückzugreifen. Vielmehr hat auch der erkennende Senat im Beschluss vom 12.05.2009 (- NC 9 S 240/09 -) die betroffene Hochschule nur
verpflichtet, „eine an den Vergabekriterien der ZVS orientierte Rangliste aufzustellen oder ein Losverfahren durchzuführen“. Dementsprechend
ist die nachfolgende Vergabe auf Grundlage eines auf Grundlage der Abiturnote gebildeten „Zulassungsnähequotienten“ gebilligt worden
(Senatsbeschluss vom 12.06.2009 - NC 9 S 1329/09 -). Unter Geltung des § 24 Satz 3 Vergabeverordnung ZVS kommt den Hochschulen ein
entsprechender Spielraum jedenfalls dann nicht mehr zu, wenn sie entsprechende Ranglisten erstellt haben. Es ist daher nicht ausgeschlossen,
dass der Antragsteller, der die Vergabe im Wege des Losverfahrens erstrebt, seine Rechtsstellung mit der begehrten Feststellung der
Unwirksamkeit verbessert.
II.
24 Die Normenkontrollanträge sind aber nur hinsichtlich des Hilfsantrages begründet.
25 Das beklagte Land durfte die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens für die in der Zulassungszahlenverordnung nicht berücksichtigten
Studienplätze durch eine Änderung der Vergabeverordnung ZVS regeln (1.) und dabei das Erfordernis einer vorherigen Bewerbung im zentralen
Vergabeverfahren statuieren (2.); dies gilt auch im Hinblick auf die in § 24 Satz 2 Vergabeverordnung ZVS angeordnete Beschränkung der
„außerkapazitären“ Platzzuweisung auf diejenigen Studienorte, bei denen eine Bewerbung im „regulären“ Auswahlverfahren stattgefunden hat
(3.). Das in Art. 2 Satz 2 der Änderungsverordnung vom 29.06.2009 geregelte Inkrafttreten der Novellierung dagegen verstößt gegen das
Rückwirkungsverbot und ist unwirksam (4.).
26 1. Die mit dem Normenkontrollantrag angegriffenen Bestimmungen in Art. 1 Nr. 4b der Änderungsverordnung vom 29.06.2009 sind einer
normativen Regelung zugänglich (a). Sie unterfallen der Verbandskompetenz des Landes (b), konnten in Gestalt einer Rechtsverordnung
geregelt werden (c) und sind in der Vergabeverordnung ZVS auch nicht an falscher Stelle verortet (d).
27 a) Die Tatsache, dass Bestimmungen über die Vergabe von Studienplätzen außerhalb der festgesetzten Kapazität einen Fall betreffen, der bei
ordnungsgemäßem Verfahrensablauf nicht eintreten darf, steht einer normativen Regelung nicht entgegen (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom
13.10.1987 - NC 9 S 247/87 u.a. -, DVBl 1988, 406).
28 Es ist für eine Rechtsvorschrift vielmehr nicht ungewöhnlich, Vorkehrungen und Vorgaben für die „Reparatur“ fehlerhafter Entscheidungen
vorzusehen, wie in den Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte in § 48 LVwVfG exemplarisch deutlich wird. Hierfür
besteht auch ein Bedürfnis, denn gerade im Falle vorangegangener Fehler erscheint es nicht angezeigt, die Entscheidung über das ob und wie
der Korrektur sowie das zugehörige Verfahren der situativen Einzelfallbewältigung der Behörden zu überlassen. Mit normativen Vorgaben zur
Bewältigung von Fehlerfolgen übernimmt die Legislative vielmehr die ihr zustehende Aufgabe, Verfahren und Kriterien eines
Verwaltungsverfahrens in geordnete und vorgegebene Bahnen zu lenken.
29 Jedenfalls im Falle grundrechtsrelevanter Tätigkeitsfelder - wie hier der Vergabe von Studienplätzen und der damit verbundenen Zuteilung von
„Lebenschancen“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70 u.a. -, BVerfGE 33, 303 [332]) - erscheinen normative Vorgaben zur
Verfahrensweise im Fehlerfalle dringend geboten. Dabei kann es im Hinblick auf die grundrechtliche Schutzwirkung nicht von Belang sein, ob
die Studienplätze ordnungsgemäß in der Zulassungszahlenverordnung erfasst worden sind oder nicht. Die fehlerhafte Berechnung der
Aufnahmekapazität nimmt den gleichwohl bestehenden Restplätzen nicht deren grundrechtliche Relevanz. Vielmehr besteht auch hinsichtlich
dieser Studienplätze eine rechtlich geschützte Zuweisungschance (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975 - 1 BvR 344/73 -, BVerfGE 39, 258
[272]; Beschluss vom 31.03.2004 - 1 BvR 356/04 -, BVerfGK 3, 135), so dass es auch im Hinblick auf diese Restkapazitäten bei der grundsätzlich
dem Gesetzgeber obliegenden Pflicht verbleibt, für die Erfüllung des verfassungsmäßigen Zulassungsrechts der hochschulreifen Bewerber zu
sorgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.02.1984 - 1 BvR 580/83 u.a. -, BVerfGE 66, 155 [178]). Es liegt daher sogar nahe, den für die Festsetzung
der Zulassungszahl und die Vergabekriterien unstreitig geltenden Gesetzesvorbehalt jedenfalls insoweit auch auf „außerkapazitäre“
Studienplätze zu erstrecken, als nicht nur Verfahrensfragen (vgl. zur Erstreckung auf die Bestimmung des Klagegegners BVerfG, Beschluss vom
09.04.1975 - 1 BvR 344/74 -, BVerfGE 39, 276 [295]), sondern inhaltliche Vorgaben in Rede stehen. Jedenfalls bestehen keine Bedenken
dagegen, dass diese Fragen von der Legislative mit normativen Regelungen bestimmt und konturiert werden.
30 b) Die angegriffenen Bestimmungen zur Vergabe „außerkapazitärer“ Studienplätze unterfallen auch der Regelungskompetenz des Landes.
31 Allerdings hat der Antragsteller zutreffend darauf verwiesen, dass dem Landesverordnungsgeber keine Kompetenz zukommt, prozessrechtliche
Fragen zu regeln. Denn mit Erlass der Verwaltungsgerichtsordnung hat der Bundesgesetzgeber das verwaltungsgerichtliche Verfahren
grundsätzlich erschöpfend geregelt (vgl. dazu bereits BVerfG, Beschluss vom 11.10.1966 - 2 BvL 15/64 -, BVerfGE 20, 238 [248]), so dass für
entsprechende Vorgaben, auch in Gestalt von Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 15.07.1980 - I C 54/75 -, DVBl 1980,
960), kein Gestaltungsraum der Länder mehr verbleibt. Insoweit gingen Ansätze, mit der Bestimmung die Verfahrensweise der Gerichte lenken
oder einschränken zu wollen (vgl. dazu die Stellungnahme des Bevollmächtigten der Universitäten Freiburg, Heidelberg und Ulm vom
22.06.2009 zum Verordnungsentwurf, Bl. 100 der Behördenakten), fehl. Die in § 24 Satz 3 Vergabeverordnung ZVS enthaltene Anordnung ist
aber - jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung - nicht als Regelung des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu
verstehen. Vielmehr knüpft die Bestimmung ersichtlich an den vom erkennenden Senat beschlossenen Tenor vom 12.05.2009 (- NC 9 S 240/09 -
) an, mit dem den Hochschulen die Wahl überlassen worden war, welches der zulässigen Auswahlkriterien für die Vergabe der im
Gerichtsverfahren aufgedeckten Reststudienplätze angewendet werden soll. Mit der vom Antragsgegner erlassenen Bestimmung wird dieses
Ermessen konturiert und gelenkt. Die angegriffene Norm findet also Anwendung, wenn sich die der festgestellten Zulassungszahl zugrunde
liegende Kapazitätsberechnung an einer der Hochschulen des Landes als unzutreffend erweist und daraufhin durch ein Verwaltungsgericht
erneut die Verpflichtung zur vorläufigen Studienzulassung ausgesprochen werden muss. Sie wendet sich damit an die Hochschulen und regelt
die Verfahrensweise, soweit konkrete Vorgaben nicht bereits in der gerichtlichen Anordnung getroffen sind oder die Vergabe entsprechender
Studienplätze nach Abschluss des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens in Rede steht. § 24 Satz 3 Vergabeverordnung ZVS betrifft damit keine
der konkurrierenden (Bundes-)Gesetzgebung unterfallende Frage des Prozessrechts. In dieser Auslegung sind überdies auch die
angesprochenen Bestimmtheitszweifel im Hinblick auf den Normadressaten ausgeräumt.
32 Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist der Landesverordnungsgeber innerhalb seines Kompetenzbereichs grundsätzlich auch nicht
daran gehindert, von der Gesetzgebung anderer Länder abweichende Regelungen zu treffen. Art. 3 Abs. 1 GG ist insoweit bereits nicht berührt,
weil sich der Anspruch auf Gleichbehandlung nur auf den Geltungsbereich des jeweiligen Normgebers erstrecken kann. Es ist aber gerade Sinn
der föderalistischen Kompetenzstruktur des Grundgesetzes, den Ländern Raum für eigenständige Gestaltungen zu belassen und die Länder in
ihrem Zuständigkeitsbereich nicht zur Uniformität zu zwingen. Allerdings stellt die Studienplatzvergabe in den ins zentrale ZVS-Vergabeverfahren
einbezogenen Studiengängen ein zusammenhängendes System dar, das nicht in Gänze der Regelungsmacht des Landes unterstellt ist. Dies
wird bereits daran deutlich, dass die Materie sowohl in § 29 Abs. 1 Satz 1 HRG als auch im Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen
vom 22.06.2006 (GBl. 2007 S. 510) geregelt und unter die Zielsetzung „einheitlicher Maßstäbe“ (vgl. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Staatsvertrags)
gestellt worden ist. Bei derartig übergreifenden Lebenssachverhalten hat der Landesgesetzgeber daher sorgsam zu prüfen, ob sich die innerhalb
seines Kompetenzbereiches getroffene Regelung im Rahmen der Wertentscheidung des Grundgesetzes hält „und ob sie nicht zur Entwertung
von Grundrechten führen würde, wenn andere Länder ebenso verfahren“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70 u.a. -, BVerfGE 33,
303 [352 f.]). Art. 15 Abs. 2 des Staatsvertrages ordnet insoweit ausdrücklich an, dass die in der Regelungsmacht der Länder verbliebenen
Rechtsverordnungen nach Absatz 1 übereinstimmen müssen, soweit dies für eine zentrale Vergabe der Studienplätze notwendig ist.
33 Die angefochtene Bestimmung in § 24 Vergabeverordnung ZVS verweist indes gerade auf die Regelungen des zentralen Vergabeverfahrens, so
dass - unbeschadet möglicher inhaltlicher Zweifel - jedenfalls im Hinblick auf die gebotene Einheitlichkeit Bedenken nicht bestehen. Zweifel
hinsichtlich der Verbandskompetenz des Landes bestehen mithin nicht.
34 Dies gilt um so mehr, als für die Vergabe „außerkapazitärer“ Studienplätze, die ja gerade nicht ins zentrale Vergabeverfahren einbezogen
worden sind, Anforderungen aus dem Gebot der Bundeseinheitlichkeit jedenfalls nur in untergeordnetem Maße zur Geltung gebracht werden
können (vgl. auch Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, S. 455) und insoweit daher
grundsätzlich ein weitreichender Gestaltungsraum der Länder anzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.08.1980 - 7 C 93/77 -, BVerwGE 60,
25 [35]). Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb bereits ausdrücklich ausgesprochen, dass die Regelung der Auswahlmodalitäten für
„außerkapazitäre“ Studienplätze dem Landesrecht unterfällt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 - 7 C 17/89 -, DVBl 1990, 531).
35 c) Die Regelung kann auch auf eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage gestützt werden.
36 Allerdings kommt § 2a Abs. 2 des Gesetzes über die Zulassung zum Hochschulstudium in Baden-Württemberg in der Fassung vom 15.09.2005
(GBl. S. 629, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.11.2007, GBl. S. 511 - HZG -) als Ermächtigungsgrundlage nicht in Betracht, weil die von der
Neufassung des § 24 Vergabeverordnung ZVS umfassten Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität gerade nicht „innerhalb der
Quote nach Artikel 13 Abs. 1 Nr. 3 des Staatsvertrages“ berücksichtigt sind und der Anwendungsbereich aus Absatz 1 der Vorschrift damit nicht
eröffnet ist.
37 Gleiches gilt im Ergebnis für die Ermächtigungsgrundlagen in § 11 Abs. 1 HZG, denn bei der Zuweisung „außerkapazitärer“ Plätze handelt es
sich nicht um eine „Studienplatzvergabe nach §§ 6 bis 10“ des Gesetzes. Im Übrigen wäre dann gemäß § 11 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 und
Nr. 3 HZG auch das Einvernehmen des Kultusministeriums für den Erlass der Rechtsverordnung erforderlich gewesen.
38 Die angefochtenen Bestimmungen können aber auf die Ermächtigung in Art. 15 Abs. 1 Nr. 6 des Staatvertrags über die Vergabe von
Studienplätzen vom 22.06.2006 gestützt werden, die - in Übereinstimmung mit Art. 61 Abs. 1 Satz 3 der Landesverfassung - auch in der
Änderungsverordnung angegeben worden ist. Denn bei den getroffenen Anordnungen zur Obliegenheit einer vorangegangenen ZVS-
Bewerbung und zum Auswahlkriterium handelt es sich um Vorschriften über die Vergabe „aus anderen Gründen frei gebliebener Plätze“.
39 Der Vorschrift kann weder von ihrem Wortlaut noch im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung entnommen werden, dass sie für „außerkapazitäre“
Studienplätze keine Anwendung finden soll. Im Gegenteil sind sowohl die gesetzlichen Regelungen des Hochschulrahmengesetzes als auch der
Staatsvertrag auf die vollständige Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazität gerichtet (vgl. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrags)
und erstrecken sich daher auch auf die Vergabe von Restplätzen, die bei der Festsetzung der Zulassungszahl zunächst unberücksichtigt
geblieben sind (vgl. dazu bereits ausführlich Senatsurteil vom 22.02.2006 - 9 S 1840/05 - zur inhaltsgleichen Vorgängerbestimmung in Art. 16
Abs. 1 des Staatsvertrags vom 24.06.1999). Auch insoweit handelt es sich um die im Staatsvertrag geregelte Zuweisung von Studienplätzen in
einem ins zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studiengang (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrags). Anhaltspunkte dafür, dass von
den Regelungen des Staatsvertrags die Vergabe „außerkapazitärer“ Studienplätze nicht umfasst sein soll, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ordnet
Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des Staatsvertrages (in Übereinstimmung mit §§ 32 Abs. 3 Nr. 3, 31 Abs. 3 Satz 2 HRG) an, dass die Studienplätze „im
Übrigen“ von den Hochschulen nach dem Ergebnis eines Auswahlverfahrens zu vergeben sind. Dies deutet bereits begrifflich auf eine
abschließende Regelung hin. Denn auch Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität werden außerhalb des in Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 und
2 des Staatsvertrags vorgesehenen Verfahrens und damit „im Übrigen“ vergeben. Schließlich spricht auch die offen gehaltene Formulierung der
„aus anderen Gründen frei gebliebenen Plätze“ in Art. 15 Abs. 1 Nr. 6 des Staatsvertrags für eine weite Interpretation. Warum diejenigen Plätze,
die aus Gründen einer fehlerhaften Kapazitätsberechnung frei geblieben sind, hierzu nicht gehören sollten, erschließt sich dem Senat nicht.
Schließlich legt auch die Anordnung in Art. 15 Abs. 2 des Staatsvertrages nahe, dass die Ermächtigung umfassend für die Vergabe aller
grundsätzlich in das zentrale Vergabeverfahren einbezogener Studienplätze gedacht war und das Erfordernis der Bundeseinheitlichkeit weit
gezogen werden sollte. Andernfalls wäre das bei Erlass des Staatsvertrages hinreichend bekannte Problem der Zuweisung „außerkapazitärer“
Studienplätze der alleinigen Regelungsmacht der Länder unterstellt, was den Anforderungen der bundesweit geregelten Materie offenkundig
nicht entspricht.
40 Die Tatsache, dass „außerkapazitäre“ Plätze nicht durch die ZVS, sondern die Hochschulen selbst vergeben werden, steht diesem Ergebnis nicht
entgegen (a.A. offenbar Nds. OVG, Beschluss vom 22.12.2005 – 2 NB 466/05 -, NVwZ-RR 2006, 330). Denn der Staatsvertrag regelt nicht nur die
Vergabe durch die Zentralstelle, sondern enthält auch die Vorgaben für das von den Hochschulen durchzuführende Auswahlverfahren (Art. 13
Abs. 1 Nr. 3) und die durch die Hochschulen auszusprechende Zulassung (Art. 14). Der Staatsvertrag erstreckt sich damit in sachlicher Hinsicht
auch auf die Studienplatzvergabe durch die Hochschulen. Aus § 1 Satz 1 HZG ergibt sich nichts anderes; der dort gegebene Hinweis auf
„ergänzende“ Vorschriften zum Staatsvertrag belegt vielmehr, dass auch der Staatsvertrag Regelungen über die Vergabe von Studienplätzen
durch die Hochschulen enthalten muss.
41 Die Regelungen des Staatsvertrages umfassen daher grundsätzlich alle in das zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studienplätze und
weisen den Ländern in Art. 15 Abs. 1 die Regelungsmacht für ergänzende Vorschriften zu. Da diese Interpretation den Vorgaben des
Gesetzesvorbehalts aus Art. 12 Abs. 1 GG gerecht wird, ist ihr auch im Hinblick auf die Erzielung eines verfassungsgemäßen Zustandes der
Vorzug zu geben. Diese Verordnungsermächtigung ist aber, wie ihr eindeutiger Wortlaut zeigt, nicht nur auf Verfahrensvorschriften beschränkt,
sondern umfasst auch die „dabei anzuwendenden inhaltlichen Kriterien“. Art. 15 Abs. 1 Nr. 6 des Staatsvertrages enthält somit eine hinreichende
und den Maßgaben aus Art. 61 Abs. 1 der Landesverfassung entsprechende Ermächtigungsgrundlage, die sich auch auf die „aus anderen
Gründen“ - nämlich der Nichtberücksichtigung in der Zulassungszahlenverordnung - frei gebliebenen Plätze bezieht. Die Zuständigkeit des
Wissenschaftsministeriums schließlich ist in § 2 Abs. 1 HZG ausdrücklich bestimmt und damit nicht zu beanstanden.
42 Damit ist auch den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts Genüge getan. Dies folgt in formeller Hinsicht bereits daraus, dass auch der
Staatsvertrag selbst den Rang eines Landesgesetzes genießt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 13.06.2008 - NC 9 S 214/08 - m.w.N.) und die
Anordnung damit auf einer gesetzlichen Grundlage beruht. Im Übrigen liegt mit dem Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag über die Vergabe
von Studienplätzen vom 20.11.2007 (GBl. S. 505) auch die unmittelbare Parlamentsentscheidung vor. Insbesondere aber übernimmt § 24 Satz 3
Vergabeverordnung ZVS die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung für die Kriterien zur Vergabe von Studienplätzen und überträgt sie auch
auf die Zuweisung von nachträglich festgestellten Restkapazitäten außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl. Die inhaltlichen Vorgaben des
Gesetzgebers werden deshalb gerade gewahrt, so dass nicht ersichtlich ist, warum es für diese Verfahrensweise einer ausdrücklichen
Entscheidung des Gesetzgebers bedürfte. Insoweit liegt sogar nahe, in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 des Staatsvertrages bereits eine unmittelbare Vorgabe
des Gesetzgebers zu sehen. Denn der Staatsvertrag ist von seinem Selbstverständnis auf die Ausschöpfung der tatsächlich vorhandenen
Ausbildungskapazität gerichtet und betrifft daher die Vergabe aller Studienplätze (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 22.02.2006 - 9 S 1840/05 -).
43 d) Die vom Antragsteller angegriffenen Bestimmungen zur Vergabe „außerkapazitärer“ Studienplätze in Studiengängen, die in das zentrale
Vergabeverfahren einbezogen sind, wurden in der Vergabeverordnung ZVS auch an systematisch zutreffender Stelle geregelt. Auf die Frage,
welche Rechtsfolge sich aus einem etwaigen Verstoß hiergegen ergeben könnte, kommt es daher nicht an.
44 Entgegen der mit dem Normenkontrollantrag vorgebrachten Auffassung wäre eine Regelung in der Verordnung des Wissenschaftsministeriums
über die Vergabe von Studienplätzen in zulassungsbeschränkten Studiengängen durch die Hochschulen vom 13.01.2003 (GBl. S. 53, zuletzt
geändert durch Gesetz vom 20.11.2007, GBl. S. 505 - HVVO -) nicht im Interesse der Normenklarheit und -wahrheit vorzugswürdig gewesen.
Dies folgt bereits daraus, dass die HVVO auf der Ermächtigung des § 11 HZG beruht, die - wie bereits ausgeführt - für die in das zentrale
Vergabeverfahren einbezogenen Studiengänge keine Anwendung finden kann (vgl. dazu auch bereits Senatsurteil vom 22.02.2006 - 9 S
1840/05 -). Eine Regelung an dieser Stelle scheidet daher bereits mangels entsprechender Rechtsgrundlage aus (vgl. Art. 61 Abs. 1 Satz 3 der
Landesverfassung). Die Nichtanwendbarkeit der HVVO wird überdies an deren Regelungsbereich deutlich, der sich materiell auf die Vergabe
von zulassungsbeschränkten Studiengängen durch die Hochschulen und die Vergabe von Studienplätzen für höhere Fachsemester beschränkt.
Auch in tatsächlicher Hinsicht sind damit Regelungen über Studiengänge, die in das zentrale Vergabeverfahren einbezogen sind, in der HVVO
nicht enthalten, so dass sich die mit der Normenkontrolle angegriffenen Bestimmungen hier als Fremdkörper erweisen würden.
45 Zutreffender systematischer Regelungsort für Bestimmungen zu Verfahren und Auswahlkriterien für die Vergabe „außerkapazitärer“
Studienplätze in einem ins zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studiengang ist daher die Vergabeverordnung ZVS. Diese beruht auf der
insoweit zutreffenden Ermächtigungsgrundlage aus Art. 15 Abs. 1 Nr. 6 des Staatsvertrags und trifft auch inhaltlich die hierfür maßgeblichen
Anordnungen.
46 2. Die Vergabe von Studienplätzen innerhalb der festgesetzten Kapazität und die Zuweisung „außerkapazitärer“ Restplätze sind zwar
unterschiedliche Verfahren (a) und bedürfen daher nicht zwingend einer exakten Gleichführung (b), sie sind aber materiell auf dasselbe Ziel
gerichtet und verfahrensmäßig aufeinander bezogen, so dass die vom Verordnungsgeber angeordnete Obliegenheit einer „regulären“
Bewerbung nicht als unzumutbar bewertet werden kann (c).
47 a) Zu Recht hat der Antragsteller indes darauf verwiesen, dass es sich bei der Vergabe von Studienplätzen im zentralen ZVS-Vergabeverfahren
und bei dem Begehren um Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der in der Zulassungszahlenverordnung festgesetzten Kapazität um
unterschiedliche Verfahrens- und Streitgegenstände handelt (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 27.04.2006 - NC 9 S 45/06 -).
48 Hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens sind bereits unterschiedliche - und eigenständige - Zulassungsanträge erforderlich, die im Falle der
„regulären“ Bewerbung an die ZVS, für „außerkapazitäre“ Anträge aber an die jeweilige Hochschule zu richten sind. Insoweit gelten nicht nur
unterschiedliche Regelungen zu Form- und Fristanforderungen, mit denen bereits normativ vorgegeben ist, dass es sich um unterschiedliche
Verwaltungsgegenstände handelt (vgl. dazu bereits Senatsbeschluss vom 22.06.1993 - NC 9 S 59/93 -). Die Unabhängigkeit der Verfahren wird
Verwaltungsgegenstände handelt (vgl. dazu bereits Senatsbeschluss vom 22.06.1993 - NC 9 S 59/93 -). Die Unabhängigkeit der Verfahren wird
vielmehr auch dadurch deutlich, dass für die Geltendmachung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten Kapazität der
Ablehnungsbescheid der ZVS im innerkapazitären Verfahren nicht angefochten werden muss (vgl. Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht,
2003, Rn. 313). Die Bestandskraft des ZVS-Bescheides steht dem Begehren auf Zuweisung eines „außerkapazitären“ Studienplatzes nicht
entgegen, weil der Ablehnungsbescheid zu dieser Frage keine Regelung enthält. Inhaltlich bezieht sich der ZVS-Bescheid nur auf die ins
zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studienplätze, so dass die im „Kapazitätsstreit“ relevante Frage, ob die Hochschule weitere
Studienplätze über die festgesetzte Kapazität hinaus zur Verfügung stellen kann, nicht betroffen ist. Auch vom materiellen Streitgegenstand her
betreffen die Verfahren daher „gänzlich andere Kriterien“ (vgl. bereits Senatsurteil vom 10.09.1986 - NC 9 S 2342/85 -; dazu auch Bahro/Berlin,
Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, S. 455). Die hinsichtlich der „außerkapazitären“ Studienplätze
im Vordergrund stehende Kapazitätsberechnung ist für die „reguläre“ Studienplatzvergabe ohne Bedeutung.
49 Schließlich ergibt sich die Unterschiedlichkeit der Verfahren auch aus der jeweiligen Gerichtszuständigkeit. Denn Rechtsstreitigkeiten im
Zusammenhang mit der Vergabe von Studienplätzen durch die ZVS sind vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen auszutragen (vgl. § 52 Nr. 3
Satz 4 VwGO), während sich die Gerichtszuständigkeit für das Begehren auf Zuweisung eines Studienplatzes außerhalb der festgesetzten
Kapazität nach dem Sitz der jeweiligen Hochschule richtet. Die Differenzierung und Trennung der Beanspruchung eines Studienplatzes
innerhalb der festgesetzten Kapazität von der Geltendmachung weiterer Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität ist daher in der
Senatsrechtsprechung stets betont (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 16.03.1977 - IX 929/76 -) und die Vergabe von Studienplätzen außerhalb
der festgesetzten Kapazität als selbständiges Verfahren qualifiziert worden, das neben dem gesetzlich normierten ZVS-Vergabeverfahren steht
(vgl. Senatsbeschluss vom 17.09.2008 - NC 9 S 1792/08 -).
50 Unterschiede ergeben sich aber nicht nur hinsichtlich des Streitgegenstandes, vielmehr ist auch die tatsächliche Konkurrenzsituation in den
beiden Vergabeverfahren nicht identisch. Denn bei der Zuweisung von Studienplätzen außerhalb der festgesetzten Kapazität, deren Existenz
erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgedeckt worden ist, stehen nur diejenigen Bewerber zur Auswahl, die eine entsprechende
Vergabe beantragt und gerichtlich verfolgt haben. Die Wettbewerbssituation unterscheidet sich daher nicht unerheblich von derjenigen im ZVS-
Vergabeverfahren, weil regelmäßig gerade diejenigen Studienbewerber, die eine Zulassung nur knapp verpasst und daher gute Chancen auf
einen Platz im Nachrückverfahren oder im nächsten Semester haben, von den Mühen und finanziellen Risiken einer gerichtlichen
Studienplatzklage absehen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975 - 1 BvR 344/73 -, BVerfGE 39, 258 [269]).
51 Schließlich ist auch nicht zu verkennen, dass das zentrale Vergabeverfahren der ZVS den Gesetzlichkeiten eines Masseverfahrens folgt, die auf
die meist nur wenige Plätze betreffende Verteilung „außerkapazitärer“ Studienplätze nur eingeschränkt passen. Dies wird etwa an der
Anordnung in § 12 Abs. 1 der Vergabeverordnung ZVS deutlich, die für die Erstellung von Landesquoten einen Anwendungsbereich von mehr
als 15 Studienplätzen voraussetzt, manifestiert sich aber insbesondere in dem in § 6 Vergabeverordnung ZVS geregelten Quotensystem. Denn
die Verteilung im Verhältnis 20 : 20 : 60 setzt eine hinreichende Mindestzahl voraus und wirft im Falle der Zuweisung nur einzelner oder einiger
weniger Plätze erhebliche Aufteilungsschwierigkeiten auf.
52 b) Angesichts dieser Unterschiede ist eine strikte Gleichführung der Vergabemodalitäten nicht zwingend geboten.
53 Um den Besonderheiten des „außerkapazitären“ Vergabeverfahrens sowie der besonderen Eilbedürftigkeit der Zuweisung dieser Plätze (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 21.07.2005 - 1 BvR 584/05 -) Rechnung zu tragen, hat der Senat bislang auch keine strikte Anwendung der ZVS-
Vergabekriterien, sondern lediglich eine an diesen Maßstäben „orientierte“ Zuteilung verlangt (vgl. Senatsbeschluss vom 12.05.2009 - NC 9 S
240/09 -). Er hat demnach etwa die Vergabe anhand eines an Hand der Abiturnote gebildeten „Zulassungsnähequotienten“ gebilligt und
ausgeführt (Senatsbeschluss vom 12.06.2009 - NC 9 S 1329/09 -):
54
„Durch Beschluss vom 12.05.2009 hat der erkennende Senat der Vollstreckungsschuldnerin im Wege der einstweiligen Anordnung die
Verpflichtung auferlegt, 23 weitere Studienbewerber vorläufig zum Teilstudium der Humanmedizin nach den Rechtsverhältnissen des
Wintersemesters 2008/2009 zuzulassen. Abweichend von der früheren Praxis und in Anknüpfung an die zum Wintersemester
2007/2008 vom Senat gegebenen Hinweise (vgl. Beschluss vom 13.06.2008 - NC 9 S 241/08 -) hat der Senat die Hochschule dabei
nicht verpflichtet, die erst im gerichtlichen Verfahren aufgedeckten Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität durch
Losentscheid zu vergeben. Für die Auswahl unter denjenigen Studienbewerbern, deren Anspruch noch im Beschwerdeverfahren
anhängig ist, ist der Hochschule vielmehr aufgegeben worden, „bis zum 15.06.2009 eine an den Vergabekriterien der ZVS orientierte
Rangliste aufzustellen oder ein Losverfahren durchzuführen“. […]
55
Normative Vorgaben zu der Frage, wie und an wen Studienplätze zu vergeben sind, deren Vorhandensein erst in einem Rechtsstreit als
Folge unzureichender Kapazitätsausnutzung nachgewiesen worden sind, bestehen nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975 - 1
BvR 344/73 -, BVerfGE 39, 258 [268]). Auch die Verordnung des Wissenschaftsministeriums über die zentrale Vergabe von
Studienplätzen vom 23.04.2006 (GBl. S. 114; zuletzt geändert durch Verordnung vom 19.05.2008, GBl. S. 164 - Vergabeverordnung
ZVS -) regelt hinsichtlich der Vergabe von Studienplätzen außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl nur Bewerbungsfristen. Nach
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann diese Regelungslücke sowohl durch eine analoge Anwendung der ZVS-
Auswahlkriterien als auch durch eine Vergabe nach Losverfahren geschlossen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.02.1980 - 7 C 93/77
-, BVerwGE 60, 25; Urteil vom 15.12.1989 - 7 C 17/89 -, DVBl. 1990, 531). […]
56
Dieser Maßgabe ist der erkennende Senat mit der Tenorfassung des Beschlusses vom 12.05.2009 gefolgt. Er hat dabei die
Entscheidung über die Auswahl des Vergabekriteriums nicht selbst getroffen, sondern der Hochschule die Wahl belassen, welche der
im Tenor benannten zulässigen Auswahlverfahren zur Anwendung kommen sollen. Mit der Formulierung, dass die Rangliste „an den
Vergabekriterien der ZVS orientiert“ sein muss, ist dabei klargestellt, dass die Vollstreckungsschuldnerin nicht verpflichtet ist, das System
der Vergabeverordnung ZVS unmittelbar und deckungsgleich zu übernehmen, insbesondere also auch nicht das dort normierte
Verhältnis von Abiturbestenquote, Wartezeit und Hochschulauswahlverfahren. Vielmehr ist eine Rangliste auch dann an den
Vergabekriterien der ZVS orientiert, wenn sie nur einer der geltenden und für das zentrale Vergabeverfahren normierten
Auswahlregelungen entspricht (vgl. dazu ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 08.02.1980 - 7 C 93/77 -, BVerwGE 60, 25 [32]). Eine exakte
Nachzeichnung des ZVS-Vergabesystems mit dem dort geltenden Quotensystem ist daher im Tenor des zu vollstreckenden
Beschlusses nicht vorgeschrieben. […]
57
Der Senat hält es indes im Hinblick auf die zu gewährende Chancengleichheit für vorzugswürdig, die im gerichtlichen Verfahren
nachträglich aufgedeckten Restkapazitäten nach denselben Auswahlkriterien zu vergeben, die für die ordnungsgemäß festgesetzten
Studienplätze gelten (vgl. zur diesbezüglichen Entscheidungskompetenz des Senats auch BVerwG, Urteil vom 08.02.1980 - 7 C 93/77 -,
BVerwGE 60, 25 [35]). Nur so kann ein Auseinanderfallen der Auswahlmaßstäbe für die Vergabe der in der
Zulassungszahlenverordnung ausgewiesenen Studienplätze und der erst nachträglich aufgedeckten Studienplätze außerhalb der
festgesetzten Kapazität vermieden werden, die der auch vom Bundesverfassungsgericht geforderten Verteilung aller freien
Studienplätze unter Anwendung einheitlicher Auswahlkriterien (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70 u.a. -, BVerfGE 33, 303
[357]) nicht entspricht und im Ergebnis dazu führt, dass die nachträglich festgestellten Studienplätze solchen Bewerbern zufallen, denen
sie bei ordnungsgemäßer Kapazitätsfeststellung nicht zugestanden hätten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975 - 1 BvR 344/74 u.a. -
, BVerfGE 39, 276 [296]; Beschluss vom 29.09.2008 - 1 BvR 1464/07 -). […]
58
Hierfür ist indes erforderlich, dass sich - wie vorliegend auch durch fast alle Bewerber geschehen - der jeweilige Studienbewerber auch
bei der ZVS im zentralen Vergabeverfahren um einen Studienplatz in dem betreffenden Studiengang beworben hat (vgl. dazu auch
Hamburgisches OVG, Beschluss vom 23.04.2008 - 3 NC 216/07 -). Nur so können die zur Ranglistenerstellung erforderlichen Daten
zeitnah bereitgestellt werden. Diese Verfahrensweise liegt im Übrigen auch deshalb nahe, weil das von einem Studienplatzbewerber
verfolgte Ziel der Vergabe eines Studienplatzes im Studiengang Medizin vorrangig eine ordnungsgemäße Verfahrensbewerbung
erfordert.“
59 Diese Erwägungen hat der Verordnungsgeber mit der Neufassung des § 24 Vergabeverordnung ZVS aufgegriffen.
60 c) Die Obliegenheit einer vorangegangenen Bewerbung im zentralen Auswahlverfahren ist auch in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
Ungeachtet der beschriebenen Unterschiede sind sowohl das „innerkapazitäre“ als auch das „außerkapazitäre“ Verfahren der
Studienplatzvergabe auf dasselbe Ziel gerichtet und in verfahrenstechnischer Hinsicht aufeinander bezogen, so dass die vom Verordnungsgeber
angeordnete Obliegenheit einer „regulären“ Bewerbung nicht als unzumutbar bewertet werden kann
61 Sowohl die Bewerbung im zentralen Vergabeverfahren als auch das Begehren auf Zuweisung eines in der Zulassungszahlenverordnung nicht
ausgewiesenen Studienplatzes zielen auf das Begehren, in dem entsprechenden Semester einen Studienplatz des gewählten Studiengangs zu
erhalten. In tatsächlicher Hinsicht ist das Anliegen daher identisch; denn ob der in Anspruch genommene Studienplatz in der
Zulassungszahlenverordnung berücksichtigt war oder nicht, ist für denjenigen, der im Ergebnis eine Zulassung erreicht, nicht von Belang.
Dementsprechend ist das angestrebte Ziel auch nur einmal erreichbar, denn § 60 Abs. 4 Satz 2 LHG lässt grundsätzlich nur die Zulassung an
einer Hochschule zu. „Unabhängig“ voneinander sind die Verfahrenswege daher nicht.
62 Überdies sind die beiden Verfahrenswege auch in rechtlicher Hinsicht aufeinander bezogen und in wechselseitigem Abhängigkeitsverhältnis
verwoben. Dies folgt bereits daraus, dass Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität nur als Folge einer fehlerhaften Bestimmung der
im „innerkapazitären“ Verfahren zu vergebenden Plätze entstehen und daher bereits von ihrem Wesen her nachrangig sind. Restkapazitäten
sind ausschließlich denkbar, wenn die Aufnahmekapazität in der Zulassungszahlenverordnung unzutreffend berechnet worden ist; sie sind damit
eine Form der Fehlerkorrektur. Die vom Antragsteller erstrebte Vergabe im Wege gerichtlicher Anordnung ist indes nicht die einzig denkbare
Möglichkeit, eine vollständige Ausschöpfung der Ausbildungskapazitäten zu erreichen. Insoweit besteht auch kein Anspruch auf Beibehaltung
gerade dieses – normativ nicht vorgegebenen – Systems. Dementsprechend ist in der Senatsrechtsprechung geklärt, dass „außerkapazitäre“
Studienplätze nicht ausschließlich für diejenigen Bewerber „reserviert“ oder vorbehalten sind, die derartige Studienplätze im Wege eines gegen
die Hochschule gerichteten Gerichtsverfahrens geltend gemacht haben. Eine derartige Kontingentierung findet im geltenden Recht keine Stütze.
Vielmehr tritt die im Hochschulrahmengesetz, im Staatsvertrag, in den einschlägigen Landesgesetzen und Rechtsverordnungen vorgesehene
Normierung für die Vergabe von Studienplätzen nur für den Fall zurück, dass ein vorhandener Studienplatz infolge unzureichender
Kapazitätsermittlung nicht ins Vergabeverfahren einbezogen wird und daher ungenutzt bliebe (ebenso Brehm/Zimmerling, NVwZ 2008, 1303
[1308]). Ein derartiger Fall muss im Hinblick auf den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der vollständigen Kapazitätsauslastung
vermieden werden.
63 Führen jedoch auch andere Wege zur Verhinderung des von Verfassungs wegen zu vermeidenden Zustandes einer Nichtausschöpfung
vorhandener Ausbildungskapazitäten, sind hiergegen grundsätzliche Einwände nicht zu erheben. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben
gebieten nicht, in der Zulassungszahlenverordnung nicht ausgewiesene Studienplätze gerade oder ausschließlich im Wege der
„Studienplatzklage“ zu vergeben. Vielmehr können entsprechende Restplätze auch durch Nachmeldung (vgl. Senatsbeschluss vom 31.01.2003 -
NC 9 S 45/02 u.a. -), Überbuchung (vgl. Senatsbeschluss vom 02.10.1995 – NC 9 S 19/95 –; Hess. VGH, Beschluss vom 18.01.2001 – 8 GM
3131/00.SO.T -, NVwZ-RR 2001, 448) oder andere Korrektursysteme (vgl. zur „Auffüllung“ etwa Senatsbeschluss vom 17.09.2008 – NC 9 S
1792/08 -) vergeben und eine Kapazitätsausschöpfung damit gewährleistet werden. Hierdurch werden subjektive Rechte etwaiger
Studienplatzkläger jedenfalls dann nicht berührt, wenn sie nicht nachträglich und ohne sachlichen Grund um die Früchte des bereits
beschrittenen Gerichtsverfahrens gebracht werden - was vorliegend nicht in Rede steht (vgl. zur Begrenzung der Rechtsschutzmöglichkeiten von
Studienbewerbern auf eigene Rechtspositionen auch BVerfG, Beschluss vom 03.07.1980 - 1 BvR 967/78 u.a. -, BVerfGE 54, 173 [194]). Die
Zulässigkeit anderer Vergabewege gilt aber erst recht, wenn diese Verfahren dichter an den normativen Vorgaben des „regulären“
Vergabeverfahrens liegen oder sogar – wie hier - vom zuständigen Normgeber angeordnet worden sind.
64 Um eine entsprechende Vergabe ermöglichen zu können, ist der Normgeber auch befugt, die Obliegenheit eines „regulären“ Zulassungsantrags
im zentralen Vergabeverfahren zu statuieren. Denn die Rechtsordnung verbietet es nicht, die Durchsetzung des Teilhaberechts aus Art. 12 Abs. 1
GG mit zumutbaren formellen Anforderungen zu verbinden (so bereits Senatsurteil vom 13.10.1987 - NC 9 S 247/87 u.a. -, DVBl 1988, 406).
Diese Einschätzung steht nicht in Widerspruch zu dem Umstand, dass der Senat die vorangegangene ZVS-Bewerbung bislang nicht als
Zulässigkeitsvoraussetzung einer Kapazitätsklage angesehen hat. Denn Anknüpfungspunkt für eine entsprechende Forderung durch das Gericht
wäre die Annahme eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses. Dies aber ist jedenfalls dann nicht ganz frei von Zweifeln, wenn ein etwaiger
Bewerber angesichts seiner Abiturnote und fehlender Wartezeiten keine realistische Chance auf Zulassung im zentralen Bewerbungsverfahren
besitzt (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 08.08.2006 - 7 CE 06.10020 u.a. -, NVwZ-RR 2007, 175). Denn dann könnte nicht ohne weiteres von
einem einfacheren und schnelleren Weg gesprochen werden, der die Inanspruchnahme der Gerichte als überflüssig erscheinen lässt. Ob
anderes im Hinblick auf die Möglichkeit der Bewerbung für das Hochschulauswahlverfahren gilt, bei dem – jedenfalls im Falle geschickter
Ortswahl – eine Zulassungschance wohl nie mit Sicherheit verneint werden kann (vgl. dazu Hamburgisches OVG, Beschluss vom 23.04.2008 - 3
NC 216/07 -), muss vorliegend nicht entschieden werden. Denn durch die vom Verordnungsgeber in § 24 Satz 2 Vergabeverordnung ZVS
statuierte Vergabevoraussetzung steht nicht der Fall eines von der Judikative angenommenen Fehlens des Rechtsschutzinteresses im Streit –
das grundsätzlich nicht restriktiv gehandhabt werden darf (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 20.02.2003 - 8 MM 3953/02.W2 -, NVwZ-RR 2003,
756) –, sondern die Anordnung durch die Legislative im Wege der Rechtsverordnung. Insoweit sind die Maßstäbe nicht identisch, es besteht
vielmehr grundsätzlich ein legislativer Gestaltungsraum des zuständigen Normgebers.
65 Die dargestellte Verfahrensabhängigkeit der Vergabe „außerkapazitärer“ Studienplätze vom zentralen Vergabeverfahren ist aber ein hinreichend
sachlicher Grund und rechtfertigt die vorliegend eingeführte Obliegenheit einer vorangegangenen Bewerbung im „regulären“ Auswahlverfahren
jedenfalls dann, wenn dies für eine an den Kriterien des zentralen Verfahrens orientierte Vergabe der Restplätze erforderlich ist (vgl. dazu auch
Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rn. 351). Anders als im Falle der Losvergabe ist hier ein unmittelbarer Verfahrenskonnex
gegeben, weil die nachträgliche Einordnung etwaiger Bewerber in eine nach ZVS-Kriterien zu erstellende Rangliste ohne entsprechende
Bewerbung unmöglich oder jedenfalls erheblich erschwert würde. Das Erfordernis einer „regulären“ Bewerbung muss auch als zumutbar
bewertet werden, weil mit der Obliegenheit nur eine geringfügige Beeinträchtigung für den Bewerber verbunden ist. Selbst wenn seine
Auswahlchancen im zentralen Vergabeverfahren möglicherweise gering sein mögen und die Bewerbung daher letztlich nur der Offenhaltung
einer „außerkapazitären“ Vergabe dienen sollte, liegt darin keine unerträgliche oder unangemessene Belastung.
66 3. Der Verordnungsgeber durfte die Vergabe eines „außerkapazitären“ Studienplatzes auch an die Voraussetzung einer vorherigen Bewerbung
gerade an der betreffenden Hochschule knüpfen. Die Regelung entspricht der Struktur der Bestimmungen zur Vergabe zusätzlicher Plätze (a)
sowie der Bedeutung der Ortswahlentscheidung im Verfahren der Studienplatzvergabe (b) und führt auch nicht zu unverhältnismäßigen
Beschränkungen des Zulassungsrechts studierwilliger Bewerber (c).
67 a) Systematisch betrachtet handelt es sich bei der Vergabe von Studienplätzen außerhalb der festgesetzten Kapazität um eine Sonderform des
Nachrückverfahrens. Denn die im gerichtlichen Verfahren aufgedeckten Restkapazitäten hätten, wenn ihr Vorhandensein früher bemerkt worden
wäre, nachgemeldet und so im Nachrückverfahren berücksichtigt werden können (vgl. § 5 Abs. 3 KapVO VII, § 10 Abs. 10 Satz 2
Vergabeverordnung ZVS; zum Vorrang der Vergabe nach dem System der Vergabeverordnung ZVS auch Senatsbeschlüsse vom 12.05.2009 -
NC 9 S 240/09 - und vom 31.01.2003 - NC 9 S 45/02 u.a. - sowie Senatsurteil vom 22.02.2006 - 9 S 1840/05 -). Um die Systemgerechtigkeit zu
wahren und die durch die fehlerhafte Kapazitätsfestsetzung entstehenden Folgen und Verzerrungen möglichst gering zu halten, liegt es daher
nahe, die Vergabe dieser in einem besonderen „Nachrückverfahren“ zu vergebenden Plätze möglichst in gleicher Weise zu handhaben wie die
Vergabe „regulärer“ Nachrückplätze. Genau dies aber hat der Verordnungsgeber mit der Neufassung des § 24 Vergabeverordnung ZVS getan.
68 Nach Art. 13 Abs. 4 des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen vom 22.06.2006 und dem folgend § 9 Satz 2 Vergabeverordnung
ZVS werden nicht in Anspruch genommene Studienplätze, die von der ZVS nach dem Grad der Qualifikation und der Wartezeit zuzuweisen
gewesen wären, von den Hochschulen nach dem Ergebnis ihres Auswahlverfahrens vergeben. Ein Nachrückverfahren für das zentral durch die
ZVS durchgeführte Auswahlverfahren der Abiturbesten- und der Wartezeitquote findet folglich nicht statt, diese Plätze werden vielmehr dem
Auswahlverfahren der Hochschulen zugeschlagen. Das Nachrückverfahren berücksichtigt somit das Quotensystem von 20 : 20 : 60 nicht,
sondern bringt ausschließlich das Vergabesystem der jeweiligen Hochschule zur Anwendung. Im Auswahlverfahren der Hochschulen aber sind
gemäß § 10 Abs. 9 Vergabeverordnung ZVS „Ranglisten“ zu erstellen, auf die § 24 Satz 3 Vergabeverordnung ZVS ersichtlich Bezug genommen
hat. Unbeschadet des insoweit unklaren Vortrags des Antragsgegners im vorliegenden Gerichtsverfahren lässt der objektive Regelungsgehalt
der Norm daher den Schluss zu, dass mit den in § 24 Satz 3 Vergabeverordnung ZVS benannten Ranglisten diejenigen des Auswahlverfahrens
der Hochschulen gemeint und benannt sind. Dieses Ergebnis wird durch den systematischen Bezug der in § 24 Satz 3 Vergabeverordnung ZVS
benannten Ranglisten auf die in Satz 2 angeordnete Bewerbung für den betreffenden Studienort bestätigt. Denn das Erfordernis einer
Bewerbung gerade am jeweiligen Studienort besteht nur für eine Vergabe auf Grundlage der Ergebnisse des Hochschulauswahlverfahrens. Das
Gesamtregelungssystem macht daher hinreichend deutlich, dass mit der Bewerbung für den betreffenden Studienort diejenige für das
Auswahlverfahren der Hochschulen in Bezug genommen ist und mit den entsprechenden Ranglisten somit die Ergebnisse des
Hochschulauswahlverfahrens angesprochen sind. Nur die im Hochschulauswahlverfahren gewählten Studienorte werden im Übrigen auch im
ZVS-Ablehnungsbescheid ausgewiesen. Die Ortsangaben in der Abiturbestenquote und nach Wartezeit können dagegen den Bescheiden nicht
entnommen werden, so dass die Bezugnahme auf die für das Hochschulauswahlverfahren benannten Studienorte auch schon aus
Praktikabilitätsgründen nahe liegt. Dies gilt um so mehr, als die Ranglisten des Hochschulauswahlverfahrens ohnehin im zentralen
Vergabeverfahren erstellt werden müssen und die Bezugnahme hierauf damit eine zeitnahe Vergabe der „außerkapazitären“ Studienplätze
erleichtert. Die in § 24 Satz 3 letzter Satzteil Vergabeverordnung ZVS angelegte Alternativvariante ist damit indes ohne Anwendungsfall, denn
entsprechende Ranglisten hat die Hochschule stets zu erstellen. Im Ergebnis werden damit „außerkapazitäre“ Studienplätze nach denselben
Kriterien vergeben wie Nachrückplätze.
69 Für eine Berücksichtigung im Rahmen des Nachrückverfahrens ist aber - sogar im Falle der nachrangigen Vergabe durch Los nach § 10 Abs. 12
Vergabeverordnung ZVS (deren Vereinbarkeit mit Art. 13 Abs. 4 des Staatsvertrags nicht frei von Zweifeln ist) - Voraussetzung, dass eine
Zulassung bei der jeweiligen Hochschule beantragt worden ist. Das Nachrückverfahren, das in seiner Ausgestaltung dem Auswahlverfahren der
Hochschule zugeordnet ist, findet daher stets nur unter denjenigen Bewerberinnen und Bewerbern statt, die sich zuvor bei der entsprechenden
Hochschule um einen Studienplatz in dem jeweiligen Studiengang beworben haben. Die mit dem Zulassungsantrag getroffene
Ortswahlentscheidung behält damit auch für das weitere (Nachrück-)Verfahren Geltung.
70 b) Die Verknüpfung des Nachrückverfahrens mit der gewählten Hochschule entspricht auch der besonderen Bedeutung, die der Ortswahl im
Verfahren der Studienplatzvergabe generell zukommt. Der besondere Stellenwert, den der Gesetzgeber der Ortswahlentscheidung zugemessen
hat, wird zunächst bereits daran deutlich, dass die Bindung an die Ortspräferenz selbst für einen unter die „Abiturbestenquote“ fallenden
Bewerber zum Verlust des Studienplatzes führen kann. Denn der Verteilungswettbewerb findet gemäß § 20 Satz 2 Vergabeverordnung ZVS nur
zwischen den Bewerberinnen und Bewerbern statt, die den betreffenden Studienort an gleicher Stelle genannt haben. Wenn sich also für eine
besonders beliebte Hochschule unter den Abiturbesten mehr Bewerber in gleicher Ortspräferenz gemeldet haben, als die ZVS dort unterbringen
kann, werden die nachrangigen Antragsteller an diesem Studienort nicht zugelassen. Für den an nächster Stelle benannten Studienort kommen
sie indes (unabhängig von ihrem Rangplatz) erst zum Zuge, wenn die Bewerber mit besserer Ortspräferenz vollständig ausgeschöpft worden
sind, so dass die Zulassungschance mit nachrangiger Ortspräferenz deutlich fällt. Durch die Beschränkung auf maximal sechs Ortswünsche
indes kann es so dazu kommen, dass ein im Rahmen der Abiturbestenquote ausgewählter Bewerber keiner von ihm benannten Hochschule
zugeteilt werden kann und damit in der Bestenquote doch keine Zulassung erhält (vgl. dazu auch ZVS-info, S. 10). Eine Ausdehnung auf andere
Studienorte oder ein Nachrückverfahren findet insoweit nicht statt, die übrig gebliebenen Plätze werden vielmehr der Quote für das
Auswahlverfahren der Hochschulen zugeschlagen.
71 Gleiches gilt für das Auswahlverfahren der Hochschulen, in dem der jeweiligen Ortswahl noch größere Bedeutung für die
Zulassungsentscheidung zukommt. Denn die Hochschule darf die Zahl der Teilnehmenden am Auswahlverfahren „nach dem Grad der
Ortspräferenz“ begrenzen (vgl. § 32 Abs. 3 HRG, Art. 13 Abs. 1 des Staatsvertrages sowie § 10 Abs. 5 Vergabeverordnung ZVS), was im Ergebnis
zu einer gravierenden Verengung der grundsätzlich vorgesehenen sechs Ortswünsche führen kann. In Baden-Württemberg etwa haben für den
Studiengang Humanmedizin mit Ausnahme der Universität Ulm alle Hochschulen das Vorauswahlkriterium der ersten (so die Maßgabe der
Universität Tübingen) oder jedenfalls zweiten Ortspräferenz (so die Voraussetzung für eine Teilnahme an den Studienorten Freiburg, Heidelberg
und Mannheim) aufgestellt, sodass im Ergebnis allenfalls drei der fünf möglichen Studienorte des Landes „angewählt“ werden können. Der
Ortswahl wird daher im Vergabeverfahren eine dominierende Rolle eingeräumt, die durchaus zum Verlust einer grundsätzlich bestehenden
Zulassungschance führen kann.
72 Diese Entscheidung hat der Hochschulgesetzgeber auch bewusst getroffen. Denn das insoweit maßgebliche Siebte Gesetz zur Änderung des
Hochschulrahmengesetzes verfolgte gerade den Zweck, die „Profilbildung“ der Hochschulen durch eine Ausdehnung des eigenen
Auswahlrechts zu stärken (vgl. BT-Drs. 15/1498 S. 7; vgl. zur Stärkung der hochschulpolitischen Eigenständigkeit durch Freistellung von den
Bindungen des ZVS-Beispielstudienplans auch Senatsbeschluss vom 13.06.2008 - NC 9 S 241/08 -, ESVGH 59, 12). Durch die eigene
Mitwirkung sollte es den Hochschulen ermöglicht werden, die Qualifikationsprofile von Studienbewerbern besser mit den Anforderungen ihres
Studienganges abzustimmen und sich auf Bewerber mit einer besonderen Identifikation für die Hochschule konzentrieren zu können (vgl. BT-
Drs. 15/3475 S. 7 und 10; dazu auch bereits Bode/Weber, Hochschulzulassung, in: Flämig (Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts Bd. 1, 2.
Aufl. 1996, S. 673 [709]). Die damit verbundenen Einschränkungen für die Studienplatzbewerber sind dabei durchaus gesehen und diskutiert, im
Hinblick auf die Entlastung der Hochschulen aber als erforderlich und zulässig bewertet worden (vgl. dazu auch LT-Drs. 14/5 S. 18 f.).
73 Die Betonung der Ortswahlentscheidung entspricht schließlich auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Denn Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG
garantiert nicht nur die freie Wahl des Berufes, sondern erwähnt ausdrücklich auch die „Ausbildungsstätte“. Insoweit wurde bei den Beratungen
im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates betont, es müsse unter allen Umständen die Freiheit gesichert werden, zwischen den
verschiedenen Universitäten wählen und bei besonders hervorragenden Lehrern hören zu können (vgl. StenBer. über die 44. Sitzung des
Hauptausschusses vom 19.01.1949, S. 575 ff.; vgl. zur aktuellen Bedeutung im Hinblick auf die Herausbildung von „Eliteuniversitäten“ auch
Verfassungsgerichtshof Berlin, Beschluss vom 16.09.2008 - 81/08 u.a. -). Das Recht zur freien Wahl der Hochschule korrespondiert daher mit
dem durch Wissenschaftspluralismus charakterisierten Lernangebot in einer für verschiedene Auffassungen und Schulrichtungen offenen
freiheitlichen Gesellschaft. Auch das Bundesverfassungsgericht hat deshalb klargestellt, dass Auswahl und Verteilung der Studienbewerber
„unter möglichster Berücksichtigung der individuellen Wahl des Ausbildungsortes erfolgen“ muss (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.1972 - 1 BvL
32/70 u.a. -, BVerfGE 33, 303 [338]). Diesem Ansatz entspricht es aber durchaus, die jeweilige Ortswahlentscheidung des Studienbewerbers
ernst zu nehmen und ihr auch im Rahmen des Vergabeverfahrens maßgebliche Bedeutung zukommen zu lassen. Die Orientierung an der
getroffenen Wahl hat als Kehrseite aber auch deren Verbindlichkeit zur Folge. Nicht gewählte Studienorte unterfallen insoweit nicht demselben
Schutz.
74 c) Warum eine dem „regulären“ Zulassungsverfahren entsprechende Regelung für die Vergabe der in der Zulassungszahlenverordnung nicht
berücksichtigten Studienplätze unzulässig sein und ein etwaiger Antragsteller Anspruch auf Beteiligung am Vergabeverfahren jeder beliebigen
Hochschule haben sollte, ist nicht ersichtlich. Für das vom Antragsteller behauptete Recht (und damit auch das Substrat der behaupteten
Verletzung in Art. 19 Abs. 4 GG), alle Hochschulen verklagen zu können, ist eine Grundlage nicht ersichtlich. Vielmehr erscheint es sachgerecht
und entspricht dem Anliegen stimmiger Systembildung, die von Staatsvertrag und Gesetzgeber (vgl. Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag über
die Vergabe von Studienplätzen vom 20.11.2007, GBl. S. 505) vorgesehene Beschränkung der Ortswahl auch in diesem Verfahrensstadium
aufrecht zu erhalten. Der Senat hat insoweit auch bereits bekräftigt, dass das Teilhaberecht in Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen
außerhalb der festgesetzten Kapazität nicht weiter reichen kann als im ordentlichen Vergabeverfahren (vgl. Senatsurteil vom 22.02.2006 - 9 S
1840/05 -).
75 Nur so kann im Übrigen ein Auseinanderfallen der Auswahlmaßstäbe für die Vergabe der in der Zulassungszahlenverordnung ausgewiesenen
Studienplätze und der erst nachträglich aufgedeckten Studienplätze außerhalb der festgesetzten Kapazität vermieden werden, die der auch vom
Bundesverfassungsgericht geforderten Verteilung aller freien Studienplätze unter Anwendung einheitlicher Auswahlkriterien (vgl. BVerfG, Urteil
vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70 u.a. -, BVerfGE 33, 303 [357]) nicht entspricht und im Ergebnis dazu führt, dass die nachträglich festgestellten
Studienplätze solchen Bewerbern zufallen, denen sie bei ordnungsgemäßer Kapazitätsfeststellung nicht zugestanden hätten (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 09.04.1975 - 1 BvR 344/74 u.a. -, BVerfGE 39, 276 [296]; Beschluss vom 29.09.2008 - 1 BvR 1464/07 -). An diesem Befund
vermag ein etwaiges „Unbehagen“ an den bestehenden Auswahlkriterien – und dabei insbesondere der Bezugnahme auf die
Abiturdurchschnittsnote – nichts zu ändern. Dies gilt zunächst schon deshalb, weil sich derartige Angriffe primär gegen das normativ
angeordnete und auch zahlenmäßig viel bedeutsamere „reguläre“ Auswahlverfahren richten müssten. Hinsichtlich der Vergabe
„außerkapazitärer“ Studienplätze gehen die Rügen daher am Kern der Sache vorbei. Überdies soll aber gerade das so gestärkte
Auswahlverfahren der Hochschulen gewährleisten, dass die Vergabe der Studienplätze nicht alleine nach Maßgabe der Abiturdurchschnittsnote
erfolgt und damit auch Studienbewerbern mit schlechteren Schulnoten die Chance verbleibt, den gewünschten Beruf zu ergreifen (vgl. BVerfG,
Urteil vom 18.07.1972 - 1 BvL 32/70 u.a. -, BVerfGE 33, 303 [350]). Mit einer Umstellung der Zuweisung „außerkapazitärer“ Restplätze wird daher
der Fokus auf das rechtlich relevante Problem der Zulassungskriterien im Hochschulauswahlverfahren gerückt. Darüber hinaus ermöglicht die
Abkehr vom Losverfahren auch „gerechtere“ Kostenentscheidungen und trägt dazu bei, prozessuale Schwierigkeiten hinsichtlich der
zutreffenden und sachdienlichen Antragstellung zu vermeiden (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss vom 13.06.2008 - NC 9 S 241/08 -).
76 Überdies ist im Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Hochschulrahmengesetzes wiederholt betont worden, dass es dringend
vermieden werden müsse, den Hochschulen im eigenen Auswahlverfahren abgelehnte Bewerber durch andere Zulassungswege doch noch
zuzuweisen (vgl. etwa BT-Drs. 15/3475 S. 7 f.). Auch dieses Anliegen würde mit einer Abkoppelung der Vergabe „außerkapazitärer“
Studienplätze vom Hochschulauswahlverfahren konterkariert. Der durch die Neufassung des § 24 Vergabeverordnung ZVS hergestellte
Gleichlauf bei der Vergabe „außerkapazitärer“ Studienplätze und deren Einbeziehung ins Auswahlverfahren der Hochschulen dagegen trägt der
vom Gesetzgeber gewollten Eigenständigkeit und Profilbildung der Hochschulen Rechnung und respektiert die vom jeweiligen Bewerber
getroffene Ortswahlentscheidung.
getroffene Ortswahlentscheidung.
77 Soweit der Antragsteller schließlich die Auffassung vertreten hat, es verletze den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein
„außerkapazitärer“ Studienplatz an einen hinsichtlich Abiturnote oder Wartezeit nachrangigen Bewerber vergeben würde, weil sich der
Antragsteller mangels Benennung des Studienortes bereits nicht um die Vergabe habe bewerben können, wird übersehen, dass eine
hinreichend vergleichbare Gruppe nur im Hinblick auf denjenigen Personenkreis angenommen werden kann, der sich im Bewerbungsverfahren
befindet. Das Bundesverfassungsgericht hat zu diesem Einwand ausdrücklich klargestellt, dass „nichtklagende Bewerber mit besseren
Rangstellen am Prozess gar nicht beteiligt sind“ (BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975 - 1 BvR 344/73 -, BVerfGE 39, 258 [273]).
78 Durchgreifende Bedenken an der Verhältnismäßigkeit der Regelung bestehen ebenfalls nicht. Richtig ist indes, dass die vorgesehene
Eingrenzung der Bewerbungsmöglichkeit für „außerkapazitäre“ Plätze auf die bereits im Rahmen der ZVS-Bewerbung angegebenen Studienorte
eine beschränkende Wirkung entfaltet. Diese folgt zwar nicht unmittelbar aus § 24 Satz 2 Vergabeverordnung ZVS, denn diese Vorschrift selbst
begrenzt die Zahl der möglichen Studienorte nicht. Sie ergibt sich aber aus den eingeschränkten Ortswahlmöglichkeiten des in Bezug
genommenen zentralen Vergabeverfahrens. Im Zusammenspiel könnten diese Vorschriften im Endeffekt, wenn sie auch in anderen
Bundesländern eingeführt würden, die Möglichkeit der Bewerbung um einen bei der Festsetzung der Zulassungszahlen nicht berücksichtigten
Studienplatz auf wenige Hochschulen begrenzen. Die bislang vielfach praktizierte Verfahrensweise des „Rundumschlages“ gegen alle oder
jedenfalls zahlreiche Hochschulen wäre damit vereitelt. Damit wird indes kein anderes Ergebnis erreicht als das vom Gesetzgeber im zentralen
Vergabeverfahren gewollte und vorgeschriebene System, das angesichts der Tatsache, dass eine Bewerbung bei mindestens sechs
Hochschulen verbleibt, nicht unangemessen erscheint. Insoweit ist im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass
die Zulassungschance durch die Wahl eines weniger nachgefragten Standortes verbessert werden kann (vgl. BT-Drs. 15/3475 S. 8) und die
Prognoseentscheidung, wo sich Bewerber hinreichende Aussicht auf Erfolg beimessen, mit einer Begrenzung auf sechs Studienorte nicht zu
sehr erschwert wird (S. 9).
79 Eine abweichende Regelung für die außerhalb der festgesetzten Kapazität zu vergebenen Studienplätze ist von Rechts wegen nicht geboten.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass zu den wesentlichen Bestandteilen eines verfassungsgemäßen Rechts auch seine
Durchsetzbarkeit gehört. Insoweit ist auch bei Regelungen zur Ausgestaltung des Verfahrens darauf zu achten, welche Rückwirkungen dies auf
die Erfüllung des Zulassungsrechts haben kann und dass dabei das verfassungsrechtlich vorrangige Ziel einer vollen Kapazitätsnutzung nicht
verfehlt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975 - 1 BvR 344/74 u.a. -, BVerfGE 39, 276 [295]). Da die Vergabe „außerkapazitärer“
Studienplätze aber nur erfolgen kann, wenn ihr Vorhandensein in einem Rechtsstreit aufgedeckt und festgestellt wird, darf die Ausgestaltung des
Verfahrens nicht dazu führen, dass die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Kapazitätsfeststellungen überhaupt unterbleibt. Dies könnte zu
befürchten sein, wenn sich durch restriktive Ortspräferenzregelungen keine oder jedenfalls nicht ausreichend viele Kläger für entsprechende
Verfahren finden würden.
80 Hiervon kann indes nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht ausgegangen werden; jedenfalls sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass
der Verordnungsgeber die ihm insoweit zustehende Prognoseprärogative überschritten hätte. Vielmehr steht angesichts des bestehenden
Bewerberüberhangs an allen medizinischen Fakultäten des Landes mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass auch künftig eine
hinreichende Zahl von Interessenten bei der Studienplatzvergabe durch die Hochschulen nicht berücksichtigt werden kann, und damit potentielle
Kläger zur Ausschöpfung etwaiger Restkapazitäten vorhanden sein werden. Ob diese nachfolgend tatsächlich auch den Rechtsweg beschreiten
und eine Kapazitätskontrolle durch die Gerichte herbeiführen, ist dagegen auch im gegenwärtigen - vom Antragsteller nicht beanstandeten -
Verfahren nicht gesichert. Vielmehr hat etwa für die Berechnungen der Universität Tübingen seit vielen Jahren eine entsprechende Überprüfung
nicht mehr stattgefunden, weil etwaige Gerichtsverfahren durch Vergleich beendet worden sind.
81 Im Übrigen trifft den Gesetz- und Verordnungsgeber bei der Vergabe von Studienplätzen unter den Bedingungen einer absoluten
Zulassungsschranke ohnehin eine verfassungsrechtlich bedingte Beobachtungspflicht, so dass bei etwaigen Entwicklungen, die zu einem
Brachliegen vorhandener Restkapazitäten führen würden, angemessen zu reagieren und die Verfahrensgestaltung zu überdenken wäre.
82 4. Das in Art. 2 Satz 2 der Änderungsverordnung vom 29.06.2009 geregelte Inkrafttreten der Novellierung dagegen verstößt gegen den aus dem
Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Vertrauensschutz. Die hiervon betroffenen Antragsteller konnten sich auf die mit der
Neufassung des § 24 Vergabeverordnung ZVS verbundenen Änderungen nicht mehr einrichten und durften auf den Fortbestand der
bestehenden Regelungen für das Wintersemester 2009/2010 vertrauen.
83 a) Hinsichtlich der sog. Altabiturienten, die ihre Hochschulzugangsberechtigung schon zuvor erworben haben und sich daher bereits zu einem
früheren Semester um einen Studienplatz hätten bewerben können, handelt es sich bei der in Art. 2 Satz 2 der Änderungsverordnung vom
29.06.2009 getroffenen Regelung bereits um eine Anordnung mit echter Rückwirkung. Denn mit der in § 24 Satz 2 Vergabeverordnung ZVS
angeordneten Verpflichtung, sich für eine Bewerbung um einen „außerkapazitären“ Studienplatz zuvor im zentralen Vergabeverfahren um einen
Studienplatz an dem betreffenden Studienort beworben zu haben, ist hinsichtlich des Wintersemesters 2009/2010 eine Änderung statuiert, deren
neue Rechtsfolgen in der Vergangenheit beginnen. Die Bewerbungsfrist für den Zulassungsantrag auf Teilnahme am zentralen
Vergabeverfahren lief für Altabiturienten gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 Vergabeverordnung ZVS am 31.05.2009 ab. Im Zeitpunkt der Verkündung
der Neubestimmung vom 08.07.2009 war das Bewerbungsverfahren daher bereits beendet, so dass die mit der Novelle neu begründeten
Voraussetzungen nachträglich einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt betreffen. Änderungen des Zulassungsantrages sind nach Ablauf der
Bewerbungsfrist nicht mehr möglich (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 5 Vergabeverordnung ZVS).
84 Anders als im Falle der „Rückanknüpfung“ entfalten die neuen Regelungen ihre Wirkung somit nicht erst in der Gegenwart. Vielmehr bewirkt die
veränderte Bedingung für einen ordnungsgemäßen Antrag auf Vergabe eines „außerkapazitären“ Studienplatzes, dass an die Stelle der für
einen vergangenen Zeitraum geltenden rechtlichen Ordnung nachträglich eine andere tritt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19.12.1961 - 2 BvR 2/60 -,
BVerfGE 13, 279 [282]). Um den in § 24 Satz 2 Vergabeverordnung ZVS statuierten Obliegenheiten bereits für das Wintersemester 2009/2010
Genüge zu tun, hätte ein entsprechender Antragsteller sein Verhalten bereits in einem vor Inkrafttreten der Verordnung liegenden Zeitraum
ändern müssen.
85 Derartig echte Rückwirkungen sind angesichts des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes indes grundsätzlich unzulässig (vgl.
BVerfG, Urteil vom 05.02.2004 - 2 BvR 2029/01 -, BVerfGE 109, 133 [181]). Ausreichende Anhaltspunkte für eine mögliche
Ausnahmekonstellation sind nicht ersichtlich. Das Vertrauen etwaiger Antragsteller in den Fortbestand der Bewerbungsmodalitäten war vielmehr
schutzwürdig und musste auch nicht im Hinblick auf unabweisbare Gemeinwohlinteressen zurückweichen. Dies gilt auch in Anbetracht der vom
erkennenden Senat seit dem Beschluss vom 13.06.2008 (- NC 9 S 241/08 -) gegebenen Hinweise auf die Vorzugswürdigkeit einer Vergabe an
Hand der ZVS-Kriterien. Denn aus diesen Anregungen konnte allenfalls auf die mögliche Obliegenheit einer ZVS-Bewerbung an sich
geschlossen werden, die der Antragsteller auch vorgenommen hat. Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Vergabe von Studienplätzen
außerhalb der festgesetzten Kapazität auf die im ZVS-Zulassungsantrag benannten Studienorte dagegen waren der Rechtsprechung nicht zu
entnehmen.
86 Auch der Antragsgegner selbst hat die Problematik im Rahmen des Normgebungsverfahrens im Übrigen erkannt. In den hierzu gefertigten
Aktenvermerken wird die Geltung für das Wintersemester 2009/2010 im Hinblick auf die bereits vorher ablaufende Bewerbungsfrist für
Altabiturienten zutreffend als „besonders kritisch“ eingestuft und darauf hingewiesen, dass „die Vorschrift für das Wintersemester 2009/2010
beanstandet werden könnte“ (Aktenvermerk vom 23.06.2009, Bl. 119 ff. der Behördenakte). Sachliche Gründe für die gleichwohl aufgenommene
Bestimmung finden sich indes auch in den Behördenakten nicht. Danach wird vielmehr deutlich, dass mit der Regelung nur eine befürchtete
Kostenlast der Hochschulen wegen der vom erkennenden Senat geänderten Kostenrechtsprechung im Falle der Vergabe von Studienplätzen
durch Losentscheid (vgl. Senatsbeschluss vom 12.05.2009 - NC 9 S 240/09 -) vermieden werden sollte. Dieses Anliegen ist zwar legitim,
rechtfertigt indes nicht den beschrittenen Weg. Um Kostenbeteiligungen im Kapazitätsprozess zu vermeiden, wäre es vielmehr sachgerecht, eine
zutreffende Berechnung der Ausbildungskapazitäten sicherzustellen.
87 b) Auch die anderen Bewerber, deren Bewerbungsfrist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Vergabeverordnung ZVS am 15.07.2009 – und damit nach
dem Inkrafttreten der Novelle – ablief, wurden indes nicht in hinreichender Weise in die Lage versetzt, ihr Verhalten an den Neuregelungen zu
orientieren.
88 Allerdings kommt der Bestimmung für den Kreis der „Neuabiturienten“ keine Rückwirkung im „echten“ Sinne zu. Denn die am 08.07.2009 im
Gesetzblatt verkündete und damit gemäß Art. 2 Satz 1 der Änderungsverordnung am 09.07.2009 in Kraft getretene Regelung wirkt auch
hinsichtlich des Vergabeverfahrens zum Wintersemester 2009/2010 nicht „zurück“. Vielmehr endete die Bewerbungsfrist für einen
Zulassungsantrag auf Teilnahme am zentralen Vergabeverfahren insoweit am 15.07.2009 und damit zeitlich nach dem Inkrafttreten der
Änderungsbestimmungen.
89 Allein diese Einordnung hat indes nicht die Zulässigkeit des in Art. 2 Satz 2 geregelten Inkrafttretens der Novelle zur Folge. Der Grundsatz des
Vertrauensschutzes ist vielmehr auch für diejenigen Fallkonstellationen von Bedeutung, bei denen die geänderte Rechtsfolge zwar erst in der
Zukunft eintritt und daher nicht im eigentlichen Sinne „zurück“ wirkt, gleichwohl aber an der Vergangenheit anknüpft, weil eine bestehende
Rechtslage abgeändert wird. Vertrauensschutz in diesen Fällen sog. „unechter“ Rückwirkung ist daher auf die in einem Rechtsstaat grundsätzlich
schutzwürdige Erwartung gerichtet, dass die bestehende Rechtsordnung auch in Zukunft Beachtung finden wird (vgl. dazu Maurer,
Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 79 Rn. 12). Die Stoßrichtung dieser
Kontinuitätsgewähr ist folglich nicht gegen den materiellen Gehalt einer Änderung gerichtet, sondern bezieht sich auf den Zeitpunkt der
Verbindlichkeit einer Kursänderung. Abrupte Änderungen, die dem Rechtsunterworfenen nicht die Möglichkeit einer angemessenen Reaktion
belassen, sind daher zu vermeiden, um das Vertrauen in die Beständigkeit und Verbindlichkeit des Rechts sowie die Dispositionsfähigkeit der
Rechtsunterworfenen nicht unnötig zu beeinträchtigen. Die Zulässigkeit derartig „unechter“ Rückwirkungen wird nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts deshalb an dem betroffenen Grundrecht und dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange gemessen
(vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 05.02.2004 - 2 BvR 2029/01 -, BVerfGE 109, 133 [182]).
90 Bei Beachtung dieser Grundsätze kann die in Art. 2 Satz 2 der Änderungsverordnung vom 29.06.2009 getroffene Anordnung der Gültigkeit
bereits für das Vergabeverfahren 2009/2010 keinen Bestand haben. Dies ergibt sich zunächst bereits in Ansehung der grundrechtlichen
Schutzdimension. Denn die vom Verordnungsgeber getroffene Entscheidung hat zur Folge, dass alle Antragsteller, die von der Rechtsänderung
nicht innerhalb der verbliebenen Frist von einer Woche Kenntnis erlangt und zutreffend reagiert haben, von der Vergabe „außerkapazitärer“
Studienplätze im Anwendungsbereich der Vergabeverordnung ZVS des Landes ausgeschlossen sind. Der grundrechtlich verbürgte und vom
Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die absolute Zulassungsschranke einer Numerus-Clausus-Regelung strikt betonte Teilhabeanspruch
an der Vergabe vorhandener Studienplätze wird damit für einen Großteil potentieller Bewerber vereitelt. Die Vorwirkung der Grundrechte auf das
Verfahren gebietet im Hinblick auf eine effektive Rechtsgewährleistung jedoch, auch bei Regelungen zur Ausgestaltung des Verfahrens darauf
zu achten, welche Rückwirkungen dies auf die Erfüllung des Zulassungsrechts haben kann und dass dabei das verfassungsrechtlich vorrangige
Ziel einer vollen Kapazitätsnutzung nicht verfehlt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.1975 - 1 BvR 344/74 u.a. -, BVerfGE 39, 276 [295]).
91 Diesem „Grundrechtsschutz durch Verfahren“ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 -, BVerfGE 53, 30 [65]) wird die Regelung
zum Inkrafttreten nicht gerecht. Anhaltspunkte dafür, dass das Vertrauen in den Fortbestand der in § 24 Satz 1 Vergabeverordnung ZVS
getroffenen Regelung für die Bewerbung um einen „außerkapazitären“ Studienplatz nicht schutzwürdig gewesen sein könnte, liegen nicht vor.
Dies gilt in besonderer Weise, weil die vom Antragsgegner beabsichtigte Änderung des Bewerbungsverfahrens in keiner Weise kommuniziert
worden ist und daher auch für Interessierte selbst bei Durchsicht der Presse- und Internetmitteilungen nicht erkennbar war. Hinsichtlich des
Zeitpunktes hatte der erkennende Senat im Beschluss vom 29.06.2009 (- NC 9 S 1462/09 -) vielmehr noch ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass von der Statuierung der Obliegenheit einer vorangegangen ZVS-Bewerbung „schon im Hinblick darauf, dass die entsprechenden Fristen
bereits abgelaufen sind, vorläufig bewusst abgesehen“ worden war. Klargestellt hat der Senat in dieser Entscheidung im Übrigen auch bereits,
dass es nicht zu rechtfertigen wäre, „Antragsteller, die sich nicht bei der ZVS beworben haben, ohne vorherigen Hinweis von der Vergabe
außerkapazitärer Studienplätze auszuschließen“.
92 Die vom Antragsgegner insoweit ins Feld geführte Benachrichtigung der mit Kapazitätsklagen befassten Rechtsanwälte stellt schon deshalb
keine hinreichende Kompensationsmaßnahme dar, weil ein Großteil der Antragsteller jedenfalls zunächst auf die Inanspruchnahme
rechtsanwaltlicher Hilfe verzichtet. Die aufgeworfene Frage, ob die erstellte Rechtsanwaltsliste vollständig ist und ob der Bevollmächtigte des
Antragstellers hierauf noch im laufenden Bewerbungsverfahren hätte reagieren müssen, bedarf daher keiner weiteren Erörterung. Hieran dürften
indes bereits deshalb Zweifel bestehen, weil in dem Informationsschreiben vom 08.07.2009 nur die materiellen Änderungen des § 24
Vergabeverordnung ZVS zitiert worden sind, auf einen Hinweis, dass die Neuregelung bereits auf das Vergabeverfahren zum Wintersemester
2009/2010 Anwendung finden soll, jedoch verzichtet worden ist.
III.
93 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
94 Ein Grund zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO besteht nicht. Die Rechtssache weist zwar grundsätzliche Bedeutung auf, diese
bezieht sich indes auf Fragen des Landesrechts und ist damit der Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.
95
Beschluss vom 29. Oktober 2009
96 Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs der
Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004).
97 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).