Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 12.03.2007

VGH Baden-Württemberg: wiedereinsetzung in den vorigen stand, rechtsmittelbelehrung, zustellung, versicherung, mangel, verschulden, rechtsberatung, verfügung, unrichtigkeit

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 12.3.2007, 5 S 2405/06
Monatsfrist für die Stellung des Berufungszulassungsantrags bei bezüglich des Adressaten der Berufungsbegründungsschrift unrichtiger
Rechtsmittelbelehrung im verwaltungsgerichtlichen Urteil
Leitsätze
Belehrt das verwaltungsgerichtliche Urteil über das zweistufig aufgebaute Berufungszulassungs-verfahren (vgl. § 124 a Abs. 4 VwGO) hinsichtlich
des zweiten Teils unrichtig - VG statt OVG als Adressat der Begründung -, so löst die Unrichtigkeit insoweit die Rechtsfolge des § 58 Abs. 2 VwGO
nicht auch schon für die Antragstellung aus. Für die Stellung des Zulassungsantrags gilt gleichwohl die Monatsfrist.
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. Juni 2006 - 6 K 1418/05 - wird
abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig, weil die Beklagte die von ihr zu beachtende Antragsfrist von einem Monat nach
Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) versäumt hat und ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60
Abs. 1 VwGO) zu versagen ist.
2 Das vollständige verwaltungsgerichtliche Urteil ist der Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 12.09.2006 zugestellt worden. Ihr
Antrag auf Zulassung der Berufung ist am 13.10.2006 bei dem für die Entgegennahme zuständigen Verwaltungsgericht eingegangen. Er hat
mithin die Monatsfrist, die bereits am 12.10.2006, einem Donnerstag, abgelaufen war, nicht eingehalten.
3 Die Monatsfrist für die Antragstellung ist auch in Lauf gesetzt worden, denn entgegen der Auffassung der Beklagten ist sie insoweit
ordnungsgemäß belehrt worden (vgl. § 58 Abs. 1 VwGO). Wird die Berufung - wie hier - im Urteil des Verwaltungsgerichts nicht zugelassen, so gilt
§ 124a Abs. 4 VwGO. Beim Verwaltungsgericht kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung beantragt
werden. Innerhalb von zwei Monaten nach diesem Zeitpunkt sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die
Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Dieser Regelung
entsprechend hat eine Rechtsmittelbelehrung, soll sie richtig sein, sowohl über die Stellung des Antrags und deren Modalitäten wie auch über die
Notwendigkeit dessen Begründung, die Frist und das zuständige Gericht zu belehren (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1998 - 9 C 6/98 - BVerwGE 107,
117 = NVwZ 1998, 1311). Die Rechtsmittelbelehrung, die der zugestellten Urteilsausfertigung beigefügt war, erfüllte diese Anforderungen nur
hinsichtlich des ersten Verfahrensschritts, war aber unzutreffend, soweit als Adressat für eine nicht sogleich mit dem Antrag erfolgende
Begründung das Verwaltungsgericht statt des Verwaltungsgerichtshofs genannt wurde. Der Fehler, der den zweiten Teil der zweigliedrigen
Belehrung über die Begründung betrifft, führt gemäß § 58 Abs. 2 VwGO zweifellos dazu, dass für die Vorlage der Begründung die Jahresfrist
gegolten hätte. Diese Rechtsfolge des § 58 Abs. 2 VwGO tritt nach Auffassung des Senats hingegen nicht auch für die Antragstellung ein. Die
Gliederung des Verfahrens in zwei Stufen lässt auch die gesonderte Betrachtung unter dem Aspekt der Ordnungsmäßigkeit der
Rechtsbehelfsbelehrung ohne Weiteres zu, so dass es bei der - von der Beklagten hier versäumten - Monatsfrist für die Antragstellung selbst
verbleibt (vgl. auch Sächs.OVG Beschl. V. 15.04.2003 - 1 BS 332/02 - NVwZ-RR 2003, 693) . Der im zweiten Teil der Rechtsmittelbelehrung
unterlaufene Fehler bei der Angabe des für die Entgegennahme der Begründung zuständigen Gerichts war auch nicht geeignet, die
Antragstellung zu erschweren oder die Beklagte von der rechtzeitigen Stellung des Antrags abzuhalten.
4 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der verspäteten Antragstellung kann der Beklagten nicht gewährt werden. Sie hat nämlich
entgegen § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die Antragsfrist einzuhalten. Sie hat in
ihrem Schriftsatz vom 18.10.2006 lediglich ausgeführt, dass der Antragsschriftsatz „am Montag, den 09.10.2006 zum Versand gegeben“ worden
sei, hat die näheren Umstände des behaupteten Vorgangs aber weder im Hinblick auf die tätigen Personen noch den Ablauf im einzelnen
beschrieben und dies auch nicht, etwa durch eidesstattliche Versicherung, glaubhaft gemacht, ein Mangel, auf den auch die Kläger in Entgegnung
auf das Wiedereinsetzungsgesuch hingewiesen haben.
5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
6 Der Beschluss ist unanfechtbar.