Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 13.12.2007

VGH Baden-Württemberg: verwaltungsgerichtsbarkeit, lebensmittel, verfügung, ermessen, stadt, verwahrung, vitamin, verkehr, sicherstellung, gleichbehandlung

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 13.12.2007, 9 S 1958/07
Zum Streitwert für Verkaufsverbote und Sicherstellungen im Lebensmittel- und Arzneimittelrecht
Leitsätze
Der Streitwert für Verkaufsverbote und Sicherstellungen im Lebensmittel- und Arzneimittelrecht ist anhand des Verkaufswerts der betroffenen Waren
zu bestimmen, wobei nicht nur auf den Wert der sichergestellten Ware abzustellen, sondern auch der durch das Verkaufverbot eintretende
Umsatzverlust hinsichtlich noch nicht hergestellter Waren im Wege der Schätzung zu berücksichtigen ist.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 02. Februar 2007 - 11 K
1924/06 - wird zurückgewiesen.
Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird von Amts wegen geändert: der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird
auf 150.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde, mit der der Antragsgegner die Herabsetzung des vom Verwaltungsgericht auf 50.000,-- EUR festgesetzten Streitwerts auf den in
§ 52 Abs. 2 GKG festgelegten Wert von 5.000,-- EUR begehrt, ist zulässig. Insbesondere würde die erstrebte Reduzierung für den
kostenpflichtigen Antragsgegner zu einem Beschwerdegegenstand führen, dessen Wert die in § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG benannten 200,-- EUR
übersteigt. Die Beschwerde ist aber nicht begründet, weil das Verwaltungsgericht den Streitwert nicht zu hoch festgesetzt hat. Der Senat nimmt das
Vorbringen im Beschwerdeverfahren zum Anlass, die Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern.
2 Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich nach der sich aus dem
Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu be-stimmen. Dies gilt auch in Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG). Maßgeblich für diese Bedeutung ist regelmäßig der wirtschaftliche Wert des
Klageziels, das der Kläger mit seinem Antrag unmittelbar erreichen will (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.04.2003 - 7 KSt 4/03 -, NVwZ-RR 2003,
904). Diesen Wert darf und muss das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen bestimmen. Der sogenannte „Auffangstreitwert“ in Höhe von
5.000,-- EUR dagegen ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG nur anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine
genügenden Anhaltspunkte bietet.
3 Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze scheidet die vom Antragsgegner begehrte Festsetzung des Streitwerts auf Grundlage des Auffangwerts
aus § 52 Abs. 2 GKG aus. Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, den Streitwert für Verkaufsverbote und
Sicherstellungen im Lebensmittel- und Arzneimittelrecht anhand des Verkaufswerts der betroffenen Waren zu bestimmen (vgl. etwa
Senatsbeschluss 02.01.2002 - 9 S 2458/01 -; OVG Saarland, Urteil vom 03.02.2006 - 3 R 7/05 -). Diese, den Vorgaben aus Nr. 25.1 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./ 08.07.2004 folgende Einordnung ermöglicht eine einheitliche Praxis und dient damit
den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung.
4 Entgegen der Auffassung des Antragsgegners bietet das Vorbringen der Antragstellerin genügende Anhaltspunkte für eine Streitwertfestsetzung
nach § 52 Abs. 1 GKG, auch wenn diese einen konkreten Streitwert nicht angegeben hat. Dies ergibt sich bereits aus den von der Antragstellerin
im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Zahlen zum Umsatzausfall. Die Beschwerde übersieht jedoch auch, dass das Verwaltungsgericht befugt
war, den Wert der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache auf Basis des vorhandenen Tatsachenmaterials zu schätzen (vgl. etwa Hartmann,
Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 52 GKG Rdnr. 14; Meyer, Gerichtskostengesetz, 8. Aufl. 2006, § 52 Rdnr. 16). Soweit mit der Beschwerde
vorgetragen worden ist, es könne nur auf die sichergestellten Produkte abgestellt werden, verkennt dies den Streitgegenstand des gerichtlichen
Verfahrens. Denn angegriffen hatte die Antragstellerin nicht nur die Sicherstellung der von der Stadt Mannheim in Verwahrung genommenen
Flaschen, sondern (insbesondere) auch die Untersagung, die streitigen Vitamin K 1-Produkte in den Verkehr zu bringen. Diese Anordnung bezog
sich aber nicht nur auf die bereits sichergestellten Produkte; vielmehr sind alle - auch künftig zu produzierenden - Produkte betroffen. Die
wirtschaftliche Bedeutung der Verfügung bestimmt sich somit anhand des Verkaufswerts der betroffenen Waren, der sich in dem von der
Antragstellerin vorgetragenen Umsatzausfall widerspiegelt.
5 Der Senat sieht sich angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Aufstellungen zum Umsatzausfall veranlasst, die Streitwertfestsetzung
(auch) für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern. Es sind keine
Ermessensgesichtspunkte ersichtlich, die es sachgerecht erscheinen lassen würden, die zwischenzeitlich vorhandenen und konkretisierten
Anhaltspunkte für die sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebende Bedeutung der Sache nicht zu berücksichtigen. Dies gilt um so
mehr, als der Senat den Wert des Beschwerdeverfahrens auf Basis dieser Grundlage festzusetzen hat (vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom
heutigen Tage im Verfahren der Beschwerde - 9 S 509/07 -). Grundlage für die Festsetzung ist daher der von der Antragstellerin dargelegte
Umsatzausfall von ca. 300.000,-- EUR/Jahr, der für das hier vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zu
halbieren ist (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./ 08.07.2004).
6 Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung bezüglich des Beschwerdeverfahrens sind entbehrlich, weil das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist
und Kosten nicht erstattet werden (vgl. § 68 Abs. 3 GKG).
7 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).