Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 21.04.2010

VGH Baden-Württemberg: bekämpfung des terrorismus, organisation, bundesamt für migration, verordnung, indien, gasp, ausweisung, resolution, aufenthaltserlaubnis, achtung des privatlebens

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 21.4.2010, 11 S 200/10
Ausweisung und Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis betr. einen indischen Staatsangehörigen wegen terroristischer
Aktivitäten für die "International Sikh Federation - ISYF -"
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
2
Der am ... Mai 1973 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24. Juli 2001 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern
einen Asylantrag.
3
Die Anträge wurden vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt.
4
Die Klagen vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen blieben ohne Erfolg (Urteil vom 15. Oktober 2003 - A 9 K 11243/01 -).
5
In einem vom Kläger eingeleiteten Folgeantragsverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge durch Urteil vom 26. Mai 2006 (A 1 K 10241/05) festzustellen, dass beim Kläger in Bezug auf Indien ein Abschiebungsverbot nach §
60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. In demselben Urteil wurde das Verfahren im Übrigen eingestellt, soweit der Kläger seine Klage bezüglich der
Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hatte. Zur Begründung stellte das Verwaltungsgericht
darauf ab, dem Kläger drohe aufgrund seiner exponierten Stellung als Vorstandsmitglied der Unterorganisation der „International Sikh Youth
Federation“ (ISYF) in Baden-Württemberg im Falle seiner Rückkehr nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter.
6
Am 4. August 2006 beantragte der Kläger bei der unteren Ausländerbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Regierungspräsidium
Tübingen verweigerte jedoch die Erteilung der Zustimmung.
7
Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Ausweisung an und wies in einem weiteren Schreiben vom
19. Juli 2007 ergänzend darauf hin, dass sich die Bedenken am weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland aus seiner Tätigkeit für die ISYF
ergäben, die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft werde.
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Mit Schreiben vom 2. August 2007 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass es eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen
Amtes gebe, nach der die ISYF seit dem Jahr 2000 nicht mehr terroristisch tätig sei. Von der bloßen Funktionärstätigkeit für die ISYF könne auch
nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Kläger Handlungen zuschulden kommen lasse, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten
Nationen zuwiderliefen. Die ISYF werde zwar von den Verfassungsschutzämtern überwacht. Es lägen aber keine konkreten Erkenntnisse über
deren Verwicklung in terroristische Aktivitäten vor. Nach den Ermittlungen und Beobachtungen des Auswärtigen Amtes sei die ISYF seit der
Jahrtausendwende nicht mehr in terroristische Aktivitäten verwickelt.
9
Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Kläger mit Verfügung vom 14. September 2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und
lehnte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 4. August 2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach § 54 Nr. 5
AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung
angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, wobei die
Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden könne, soweit diese eine gegenwärtige
Gefährlichkeit begründeten. Die ISYF sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Sie habe terroristische Aktivitäten bislang
vorwiegend in Indien entwickelt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die ISYF an den Vorbereitungen des Anschlags auf
den indischen Botschafter in Bukarest im Jahre 1991 beteiligt gewesen sei. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht Indien vom 19.
November 2006 aus, dass die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei und sich die dortige
Situation normalisiert habe. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen hätten den Punjab verlassen, operierten jedoch aus
anderen Bundesstaaten oder aus Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhielten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland.
Deutschland diene hier lebenden Sikh-Extremisten als Ruhe- und Finanzierungsbasis. Die deutsche Sektion der ISYF sammle hauptsächlich
Spenden zur Unterstützung der Mutterorganisation in Indien, fördere also den Terrorismus durch Zurverfügungstellung von Geld. Darüber hinaus
organisiere sie gemeinsam mit anderen extremistischen Sikh-Gruppen regelmäßig auch überregionale öffentliche Veranstaltungen und
Protestdemonstrationen anlässlich indischer Nationalfeiertage. Die ISYF werde von der Europäischen Union als terroristische Organisation
angesehen. Auch in Indien werde die ISYF als terroristische Organisation in der Anlage zum Unlawful Activities Prevention Act von 1967
eingestuft. Der Kläger sei Mitglied der ISYF und unterstütze diese. Er sei bereits in Indien für die ISYF tätig gewesen. In Baden-Württemberg sei er
am 25. April 2005 zum Präsidenten der ISYF gewählt worden. Die Unterstützungshandlungen für die ISYF seien dem Kläger auch zurechenbar.
Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die ISYF sowie seiner hervorgehobenen Funktion in dieser Vereinigung seien dem Kläger deren
terroristische Bestrebungen bekannt. Auch aufgrund seiner Aussagen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren wisse er, dass die ISYF zur
Realisierung ihrer Ziele den gewaltsamen Weg befürworte und er legitimiere sogar selbst den Einsatz der Gewalt zur Erreichung eines
unabhängigen Khalistan. Es sei nicht erkennbar, dass er sich von der ISYF oder deren Zielen abgekehrt habe. Ein besonderer
Ausweisungsschutz greife beim Kläger nicht. Eine Ausnahme vom Regelfall liege ebenfalls nicht vor. Die Ausweisung sei auch aus
generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Eine Atypik folge nicht aus der Lebenssituation des Klägers. Es werde nicht verkannt, dass die
Familie des Klägers seit rund sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet lebe und sein in Deutschland geborener Sohn aufgrund eines
Herzfehlers medizinischer Versorgung bedürfe, die aber auch in Indien zur Verfügung stehe. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe
nicht stattgefunden. Seit geraumer Zeit lebe der Kläger von Sozialhilfe. Wegen des bestehenden Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG
scheide eine Beendigung seines Aufenthalts derzeit aus. Auch für den Fall, dass der Kläger Deutschland bei Entfallen einer Foltergefahr
verlassen müsse, liege kein Ausnahmefall vor. Eine Trennung von seiner Familie oder eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland wäre
aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr nicht unverhältnismäßig. Auch eine gemeinsame Rückkehr mit der Familie stelle keine
unverhältnismäßige Härte dar. Das bestehende Abschiebeverbot stelle ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, der den Kläger entlaste.
Hilfsweise sei die Ausweisung auch im Ermessenswege und unter Abwägung der in § 55 Abs. 3, § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien
gerechtfertigt. Die Ausweisung stehe zudem in Einklang mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei
abzulehnen. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt. Einer Erteilung stehe jedoch der besondere
Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. c) AufenthG entgegen. Danach werde eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende
Gründe die Annahme rechtfertigten, dass sich der Ausländer Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der
Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert seien, zuwiderliefen. Die
Unterstützung terroristischer Vereinigungen widerspreche diesen Zielen und Grundsätzen. Durch die Mitgliedschaft in der ISYF und aufgrund
seiner exponierten Aktivitäten für diese terroristische Organisation habe er eine Handlung begangen, die den Zielen und Grundsätzen der
Vereinten Nationen zuwiderlaufe. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme ebenfalls nicht in Betracht. § 25
Abs. 3 AufenthG schließe die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus. Zudem sei die Aufenthaltserlaubnis wegen § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu
versagen. Die Verfügung wurde am 27. September 2007 zugestellt.
10 Der Kläger erhob am 29. Oktober 2007, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Zur Begründung trug er vor, § 25 Abs. 3
Satz 2 lit. c) AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur entgegen, wenn vom Ausländer eine aktuelle Gefährdung ausgehe. Dies
ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, die der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld diene. Entgegen der Auffassung des Beklagten
gehe von der Mitgliedschaft des Klägers in der ISYF derzeit keine Gefährdung für die Ziele der Vereinten Nationen aus. Vermutungen, auch
wenn sie auf schwerwiegende Anhaltspunkte gestützt würden, reichten für einen Eingriff in die Rechtsgüter von Personen nicht aus. Der
Terrorismusvorbehalt sei eng auszulegen. Selbst bei weiter Auslegung des Terrorismusvorbehalts sei eine gegenwärtige Gefahr durch den
Kläger in der ISYF nicht feststellbar. Von dieser Organisation gehe ausweislich der jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes keine
terroristische Gefahr mehr aus. Vielmehr sei sie seit Jahren nur noch politisch tätig, nicht mehr militant.
11 Der Beklagte trat der Klage entgegen und führte ergänzend aus, der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei vor dem Hintergrund
der Resolution Nr. 1373/2001 des UN-Sicherheitsrats zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen. In den Blick zu nehmen sei auch der
gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP), der zur Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats
beschlossen worden sei. Der Rat sei zu dem Schluss gelangt, dass die ISYF an Handlungen im Sinne des gemeinsamen Standpunktes beteiligt
gewesen sei und deshalb nach dem Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) die Maßnahmen nach der Verordnung
2580/2001/EG weiterhin auf die ISYF angewendet werden solle. Die Liste nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG habe als Teil einer
Verordnung nach § 249 Abs. 2 EGV unmittelbare Wirkung mit dem Vorrang vor dem Bundesrecht.
12 Das Verwaltungsgericht erhob Beweis durch Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt vom 14. September 2009.
13 Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung zu seinen aktuellen Aktivitäten für die ISYF befragt. Im Tatbestand des Urteil heißt es in diesem
Zusammenhang: „Fragen wurden teilweise nur auf mehrmaliges Nachfragen ausreichend beantwortet. Als Ergebnis der Befragung des Klägers
kann zusammenfassend das Folgende festgehalten werden: Er spiele in der ISYF keine Rolle mehr. Er habe seine Aktivitäten für die ISYF
vermindert. Dies sei nach der Geburt seines jüngsten Kindes im Jahr 2007 gewesen, das an einer Herzkrankheit leide. Seit Ende 2007 sei er
nicht mehr der Vorsitzende der ISYF in Baden-Württemberg. Nachfolger in seiner ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg sei Pal Singh
geworden. Daneben gebe es noch eine weitere ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg mit Gurinder Singh als Vorsitzendem. Er glaube, dass
sein Nachfolger bei einem Treffen im April 2008 bestimmt worden sei. Er gehe noch zu Veranstaltungen und verteile Flyer. Die Veranstaltungen
fänden hauptsächlich in Frankfurt statt. Mitgliederbeiträge bezahle er nicht, er sei aber noch Mitglied. Er spende Geld für die Herstellung der
Flyer. Die Fahrtkosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen in Frankfurt bezahle er selbst.“
14 Durch Urteil vom 8. Dezember 2009 hob das Verwaltungsgericht die Verfügung vom 14. September 2007 auf und verpflichtete den Beklagten,
dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
15 Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen
die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine
derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe. Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen könne die
Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründe. Diese Voraussetzungen lägen im maßgeblichen
Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greife nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung noch vorliege. Hierzu reiche es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehöre, die früher den Terrorismus
unterstützt habe. Dies folge schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung
des Terrorismus ausgehe („die den Terrorismus unterstützt"). Es folge auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der
Gefahrenabwehr in der Zukunft diene und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des
Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen müsse, folge auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort
werde vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen müsse, wenn seine Mitgliedschaft oder
Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit lägen. Die gegenwärtige Gefahr entfalle
aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstütze. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus sei zwar
nicht erforderlich, da es ausreiche, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigten. Es müssten aber Tatsachen feststellbar sein, auf
die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden könne. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reiche nicht aus. Es könne derzeit nicht
festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstütze. Es könne daher offen bleiben, ob sich
der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg gewesen sei, in einem Sinne von der ISYF distanziert
habe, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr
zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung
allerdings erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen
Verhandlung habe der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass gegeben, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen. Für die
Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handele, die den Terrorismus unterstütze, werte die Kammer
die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel bestehe nicht. Dies gelte
insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15. Juli 2008 zur Aktualisierung des gemeinsamen
Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des
gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 enthalte einen
Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Jedenfalls seit der
Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehöre auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den
Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates
beruhten auf Art. 15 EUV (a.F.). Nach dieser Vorschrift nehme der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten werde
das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten trügen dafür Sorge, dass ihre
einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang stehe. Aus Art. 15 Satz 3 EUV sei der Schluss zu ziehen, dass eine
Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes bestehe. Der gemeinsame Standpunkt sei an die
Mitgliedstaaten gerichtet, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssten. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die
Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liege nicht vor. In seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03) habe sich das Bundesverwaltungsgericht
zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den
das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des
Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folge aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den
Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt werde auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten.
Hiernach seien diese und ihre Anhänge bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstütze, zu berücksichtigen. Auch der
Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen
bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des
Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers verpflichte die Kammer nicht, davon
auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handele. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt sei
eine EG-Verordnung nach Art. 249 EGV (a.F.) verbindlich und gelte unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nehme auch die Liste,
die durch den Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung
2580/2001/EG aufgestellt worden sei, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränke sich aber auf
die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen seien. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung seien in
dieser Verordnung nicht geregelt. Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung lieferten die Aufnahme der
ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG nur Hinweise, die neben anderen
Erkenntnisquellen zu würdigen seien. Der Sikh-Terrorismus im Punjab sei seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen,
insbesondere lägen dem Auswärtigen Amt keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor. Nach
Auswertung und Gewichtung dieser und auch weiterer Erkenntnismittel könne die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine
Vereinigung handele, die aktuell den Terrorismus unterstütze oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Das Auswärtige Amt habe seit
mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig sei. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang
der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, sei danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies sei nochmals auf die
Anfrage der Kammer bestätigt worden. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3
AufenthG.
16 Das Urteil wurde dem Beklagten am 4. Januar 2010 zugestellt.
17 Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte am 27. Januar 2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt
und diese am 25. Februar 2010 unter Stellung eines Antrags, wie folgt, begründet:
18 Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil zu Unrecht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG im maßgeblichen
Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vorgelegen hätten. Bei der ISYF handele es sich um eine terroristische Organisation im Sinne des
§ 54 Nr. 5 AufenthG. Der Ausweisungstatbestand sei vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Resolution des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) in dem Bestreben eingeführt worden, dem internationalen Terrorismus weltweit schon
im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Die aufgrund des VII. Kapitels der Satzung der Vereinten Nationen (SVN) erlassenen Resolutionen
des Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung enthielten gemäß Art. 25 SVN völkerrechtlich bindende Verpflichtungen. Die Bundesrepublik
habe der SVN mit Zustimmungsgesetz vom 6. Juni 1973 den entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG
erteilt und sich in ein System kollektiver Sicherheit eingeordnet. Folglich sei die Bundesrepublik der Bindungswirkung der Resolutionen gemäß
Art. 25 SVN i.V.m. Art. 48, 2 Nr. 7 HS 2 SVN unterworfen. Gemäß Art. 30 Abs. 1 der Wiener Vertragsrechtskonvention in Verbindung mit Art. 103
SVN hätten die Verpflichtungen aus den Resolutionen, die auf Grundlage des VII. Kapitels der SVN erlassen worden seien, zudem grundsätzlich
Vorrang vor den Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der EMRK, wie etwa dem Recht auf Achtung des Privatlebens. Die Resolutionen des
Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung, wie z.B. Nr. 1269 (1999), 1363 (2001) und Nr. 1373 (2001), beinhalteten das Verbot der Lieferung
von Rüstungsgütern, ein Ein- und Durchreiseverbot sowie das Unterbinden von Finanzaktionen. Nach Nr. 2a der Resolution des VN
Sicherheitsrates Nr. 1373 (2001) seien die Staaten verpflichtet, unmittelbare oder auch mittelbare Unterstützung für die Begehung terroristischer
Handlungen in einem umfassenden Sinne zu verhindern. Der Sicherheitsrat habe die Notwendigkeit betont, den Terrorismus mit allen Mitteln, im
Einklang mit der SVN, zu bekämpfen (vgl. Absatz 5 der Präambel der Resolution 1373/2001). Diese Aussage beziehe sich explizit auf die
Verpflichtung der Mitgliedstaaten. Die Generalversammlung habe betont, dass die Bemühungen der Vereinten Nationen darauf gerichtet seien,
die Kohärenz bei der Umsetzung der Strategie zur Terrorismusbekämpfung auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zu fördern (vgl. VN-
Dok. A/RES/62/272 v. 5. September 2008, Abs. 5). Aus Nr. 2c der Resolution Nr. 1373 (2001) folge die Pflicht, denjenigen, die terroristische
Handlungen finanzierten, planten, unterstützten oder begingen, oder die den Tätern Unterschlupf gewährten, einen sicheren Zufluchtsort zu
verweigern. Dies werde auch im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) und im Rahmenbeschluss des
Rates vom 13. Juni 2002 (2002/475/Jl) betont. In der Rechtsprechung des EuGH sei anerkannt, dass angesichts des für die Völkergemeinschaft
grundlegenden Zieles der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte gerechtfertigt seien. Dem
gleichen Zweck dienten die von der Europäischen Gemeinschaft mit Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 vom 27. Dezember 2001 angeordneten
länderunabhängigen Embargomaßnahmen. Dies werde aus dem 3. Erwägungsgrund dieser Verordnung ersichtlich, der auf die Resolution des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) verweise. Im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 würden Organisationen und
Personen aufgeführt, gegen die bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen seien. Der Anhang zur Verordnung (EG)
Nr. 2580/2001, aktualisiert durch die Verordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009, nehme am unionsrechtlichen
Anwendungsvorrang teil. Die Listung von Personen für länderbezogene und länderunabhängige Embargomaßnahmen zur
Terrorismusbekämpfung habe eine rechtlich bindende Wirkung auch im Rahmen der Anwendung ausländerrechtlicher Normen. Wegen des
Ziels der Rechtsakte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, dem Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen
und zu verhindern, dass Rückzugsräume entstünden, seien auch ausländerrechtliche Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die
Organisationen angehörten, welche die Bundesrepublik als Rückzugsraum nutzten. Solange keine Berichtigung des Anhangs zur Verordnung
(EG) Nr. 2580/2001 erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass es sich bei den aufgeführten Organisationen nach Auffassung des Rates der
Europäischen Union um terroristische Organisationen handele und die zuständigen Behörden nach dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit und
Einheit der Rechtsordnung, der sowohl innerhalb des Rechtes der Europäischen Union als auch im Bundesrecht, aus Art. 20 Abs. 3 GG in
Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG gelte, gehalten seien, die entsprechende Organisation als terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5
AufenthG zu behandeln. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts hätte zur Konsequenz, dass es zwischen den für die Finanzsanktionen
zuständigen Behörden seien, und den Ausländerbehörden zu divergierenden Entscheidungen kommen könnte. Die Behörden, die für die
Finanzsanktionen zuständig sind, wären unwiderleglich kraft unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs an die Listung einer Organisation im
Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gebunden, während die Ausländerbehörden eine eigenständige Prüfung vorzunehmen hätten.
Terroristische Anschläge seien heute des Weiteren weit weniger vorhersehbar als beim „klassischen Terrorismus" in der Vergangenheit. Der
Ansatz des Verwaltungsgerichts dürfte eine Überschreitung gewaltenteiliger Befugnisse darstellen. Die ISYF habe auch bisher - soweit
ersichtlich - nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001, soweit die ISYF dort als terroristische
Organisation aufgeführt sei, gemäß Art. 263 AEUV (früher Art. 230 EGV) gerichtlich überprüfen zu lassen. Das EuG überprüfe im Verfahren nach
Art. 263 AEUV, ob die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP)
vorlägen. Gemäß Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) werde die Liste auf
Grundlage genauer Informationen, aus denen sich ergebe, dass eine Verurteilung der Organisation für eine terroristische Handlung vorliege,
erstellt. Im Klageverfahren vor dem EuG werde geprüft, ob der Verbleib auf der Liste gerechtfertigt sei. Hierbei sei es jedoch nicht erforderlich,
dass aktuell Terrorakte nachgewiesen worden seien, sondern es komme darauf an, ob die Beibehaltung der Listung einer Organisation im
Hinblick auf die Gesamtheit der maßgeblichen Umstände weiterhin gerechtfertigt sei. Hierbei stehe dem Rat der Europäischen Union bei der
Beurteilung, ob künftig von einer Organisation Terroranschläge zu befürchten sind, ein weites Ermessen zu. Das Listungsverfahren sei durch
Beschluss des Rates vom 28. Juni 2007 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen
bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Beschlüsse
2006/379/EG und 2006/1008/EG (2007/445/EG) geändert worden. Die Betroffenen erhielten grundsätzlich eine Begründung der gegen sie
ergangenen Listungsentscheidung durch das EU-Ratssekretariat. Die Begründung enthalte einen Hinweis auf das Klagerecht vor dem EuG nach
Art. 263 Abs. 4 AEUV. Darüber hinaus erfolge vor einem neuen Listungsbeschluss eine im Amtsblatt veröffentlichte Mitteilung des Rates an alle
zu diesem Zeitpunkt gelisteten Organisationen, dass der Rat beabsichtige, sie weiterhin in der Liste aufzuführen, nachdem eine Überprüfung
ergeben habe, dass die Gründe für ihre Aufnahme in die Liste nach vor wie vor gültig seien. Dabei würden die Betroffenen über die ihnen
zustehenden Rechte, eine Begründung der Listungsentscheidung anzufordern und eine Überprüfung der Entscheidung zu beantragen,
unterrichtet. Dieses Verfahren sei auch beim Erlass der aktuellen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember
2009 eingehalten worden. Die ISYF sei jedoch nicht den ihr zustehenden Weg der Überprüfung der Listung gegangen. Stattdessen habe sie zur
Umgehung der Sanktionen der Europäischen Union eine Zweitorganisation, die Sikh Federation Germany (SFG), mit identischen Zielen - der
Herauslösung aus dem indischen Staatenverbund und der Errichtung eines selbstständigen Staates Khalistan („Land der Reinen") - und mit den
nahezu gleichen Vorstandsmitgliedern gegründet. Diese Erkenntnisse seien in einem Sicherheitsgespräch mit einem ehemaligen
Vorstandsmitglied der ISYF gewonnen worden. Hieraus lasse sich schließen, dass die SFG als eine Nachfolgeorganisation der ISYF zur
Umgehung der Sanktionen nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gegründet worden sei. Dies werde auch durch die Einlassungen des
Klägers in diesem Verfahren bestätigt. Eine aktuelle Gefahr im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG liege gleichwohl vor, denn es sei obergerichtlich
geklärt, dass die Auflösung einer Organisation allein einer Gefährlichkeit im Sinne der Ausweisungstatbestände nicht entgegen stehe. Der Kläger
sei exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg, in der er seit Ende 2002 als Hauptberater fungiert habe und zu deren Präsidenten er
im April 2005 gewählt worden sei. Der Kläger sei auch nach wie vor Mitglied der ISYF. Ein Persönlichkeitswandel oder eine Distanzierung von
den Zielen der ISYF und dem Einsatz terroristischer Mittel sei nicht erfolgt und nicht ersichtlich. Nach alledem sei die Ausweisungsverfügung
rechtmäßig. Auch die Aufenthaltserlaubnis sei zu Recht versagt worden. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 lit c) AufenthG scheide die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG aus, wenn die Person sich Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und
Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 SVN verankert seien, zuwiderliefen. Der
Ausschlusstatbestand greife auch im Falle des Begehens terroristischer Handlungen ein. Der Sicherheitsrat habe in mehreren Resolutionen Akte
des Terrorismus als Bedrohung für den Frieden im Sinne des Art. 39 SVN betrachtet. Wie dargelegt, sei die ISYF bzw. ihre Nachfolgeorganisation
SFG eine terroristische Organisation. Eine exponierte Stellung in der ISYF stelle somit eine Handlung dar, die den Zielen und Grundsätzen der
Vereinten Nationen zuwiderlaufe.
19 Es seien zwischenzeitlich weitere behördliche Stellungnahmen mit folgenden Kernaussagen eingeholt worden: Das Bundesamt für
Verfassungsschutz habe auf eine aktuelle Anfrage mitgeteilt, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, wonach sich die ISYF öffentlich und
hinreichend eindeutig von ihrer terroristischen Vergangenheit losgesagt habe. Das Bundeskriminalamt teile in seiner Stellungnahme vom 1. April
2010 ebenfalls mit, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, die darauf hindeuteten, dass sich die ISYF von ihren terroristischen Aktivitäten
distanziert hätte oder von ihren extremistischen Bestrebungen absehen würde. Das Sezessionsstreben und damit der Kampf gegen die
vermeintlich indische Vorherrschaft bilde die wesentliche Basis für den Zusammenhalt der Gruppierung. Dies gelte selbst dann, wenn vom
Bundesgebiet aus lediglich Propagandaaktivitäten bzw. Geldsammlungen zu Zwecken der ISYF stattgefunden haben sollten. Von den vom Senat
aufgeführten Quellen würden vom BKA insbesondere die Berichte des „South Asia Terrorism Portals" als von herausgehobener Qualität benannt.
aufgeführten Quellen würden vom BKA insbesondere die Berichte des „South Asia Terrorism Portals" als von herausgehobener Qualität benannt.
Auch der Bundesnachrichtendienst habe in der beigefügten Behördenerklärung vom 13. April 2010 mitgeteilt, dass sich die Bedrohungslage
durch terroristische Gewaltakte im indischen Punjab zwar seit 1993 erheblich entspannt und sich nach dortigen Informationen die letzte
Festnahme militanter Aktivisten der ISYF in Indien im Dezember 2008 ereignet habe. Jedoch werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der
Premierminister SINGH am 4. März 2008 davor gewarnt habe, dass sich extremistische Sikh-Gruppierungen außerhalb Indiens um eine
Wiederbelebung des gewaltsamen Kampfes in Indien bemühen würden. Weiter werde festgestellt, dass versprengte Einheiten in Punjab
tatsächlich immer noch eine Bedrohung darstellten, wie auch mehrere Sprengstoff-, Waffen- und Munitionsfunde nahe wichtiger Einrichtungen
belegten. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien die jüngsten militanten Aktionen aber wohl nicht der ISYF zuzurechnen. Gleichwohl lasse sich
auch der Erklärung des Bundesnachrichtendienstes entnehmen, dass keine eindeutige und glaubhafte Distanzierung der ISYF vorliege und
daher auch zum derzeitigen Zeitpunkt terroristische Aktivitäten seitens der ISYF durchaus noch für möglich gehalten würden.
20 Der Beklagte beantragt,
21
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 Der Kläger beantragt,
23
die Berufung zurückzuweisen.
24 Von der ISYF gingen keine Gefahren für die Ziele der Vereinten Nationen aus, weil diese Organisation nur noch gewaltfrei für einen
eigenständigen Staat Khalistan eintrete. § 54 Nr. 5 AufenthG sei eng auszulegen, um rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Da die
Vorschrift der Gefahrenabwehr diene, müsse vom Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung noch eine Gefahr ausgehen, wie dies auch bei § 60 Abs.
8 Satz 2 AufenthG gefordert werde. Für das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährlichkeit spreche bereits der Wortlaut der Norm, wonach die
betroffene Vereinigung den Terrorismus unterstützen müsse und es nicht genüge, dass sie den Terrorismus unterstützt habe. Insoweit genüge
entgegen der Auffassung der Berufung nicht, dass die ISYF im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum
Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (EU-Terrorliste) aufgeführt
sei. Der Gemeinsame Standpunkt richte sich nur an die Mitgliedstaaten und habe keine Rechtsverbindlichkeit. Die EU-Terrorliste werde ohne
öffentliche Kontrolle erstellt, die Aufnahmekriterien seien undurchschaubar und es spreche einiges für politische und diplomatische
Rücksichtnahmen. Gerade im Falle Indiens liege dies nahe, da ein großes Interesse der EU an dieser aufstrebenden Wirtschaftsmacht bestehe.
Die Aufnahme einer Organisation in diese Liste habe zwar Indizwirkung, genüge aber allein nicht für Feststellungen nach § 54 Nr. 5 AufenthG.
Vielmehr sei eine eigenständige Prüfung der Behörden und Gerichte erforderlich. Umgekehrt sei dem Senat zuzugeben, dass eine längere
Untätigkeit einer vormals terroristisch aktiven Gruppierung nicht per se den Rückschluss auf eine entfallene Gefährlichkeit erlaube. Andererseits
könne aber eine schwierige Informationsgewinnung und unklare Informationslage nicht zu Lasten des Klägers gehen. Denn mangele es an
konkreten und belastbaren Tatsachenfeststellungen, sei der Schluss auf eine aktuelle Gefährlichkeit der Organisation unzulässig und nur dieser
Schluss wiederum rechtfertige den Eingriff in seine Rechte. Gerade wenn die Norm unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten derart problematisch
sei, werde man eine unklare Sachverhaltssituation nicht für einen Eingriff genügen lassen können. Es sei zwischen der Babbar Khalsa einerseits
und der ISYF andererseits zu unterscheiden. Die Babbar Khalsa sei in der Vergangenheit stets die gewaltbereitere Organisation gewesen,
während die ISYF, die in Indien selbst nicht aktiv sei, die auch früher weit weniger militanten Mutterorganisationen AISSF und SSF unterstütze
und ebenso wie diese gespalten sei. So gebe es den sog. Rhode-Flügel, der Gewalt als Mittel zur Schaffung eines selbstständigen Staates
Khalistan abgelehnt habe, und den sog. Bittu-Flügel, der nach der SSF des Daljit Singh Bittu benannt sei. Daljit Singh Bittu sei in Indien lange als
Terrorist gesucht worden und auch verhaftet worden, gelte aber heute - soweit ersichtlich - nicht mehr als militanter Politiker der Sikhs. Nach den
zur Verfügung stehenden Informationen würden militante Aktionen der letzten Jahre zwar der Babbar Khalsa, nicht aber der ISYF oder ihren
Mutterorganisationen zugeschrieben. Der Kläger sei seit einiger Zeit nur noch einfaches Mitglied der ISYF. Wenn aber nach dem Urteil des
BVerwG vom 13. Januar 2009 (1 C 2.08) das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die wegen der Gefährdung der freiheitlich
demokratischen Grundordnung verboten worden sei, für sich genommen regelmäßig noch keine Gefährdung im Sinne des § 54 Nr. 5a AufenthG
begründe, dann deute auch dies darauf hin, dass die Anforderungen an eine aktuelle Gefährlichkeit hoch seien. Die Darlegungs- und Beweislast
für Tatsachen, welche die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass die Vereinigung, der er angehöre, den Terrorismus unterstütze, liege bei dem
Beklagten.
25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 Dem Senat liegen Akten des Regierungspräsidiums Tübingen sowie Akten des Verwaltungsgerichts vor.
Entscheidungsgründe
27 Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung hat Erfolg.
28 Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen ist rechtmäßig
und verletzt schon daher nicht die Rechte des Klägers (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29
I.
30 Der Beklagte hat die Ausweisungsverfügung rechtsfehlerfrei auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Hiernach ist ein Ausländer in der Regel
auszuweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus
unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt hat; dabei gilt für zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen die
Einschränkung, dass hierauf eine Ausweisung nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
31 Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03 – BVerwGE 123, 114) zu der in der Sache nicht wesentlich
unterschiedlichen Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AuslG 1990 (i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) folgende Grundsätze
aufgestellt, die der Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt.
32 Zum Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
33
„Auch die "bloße Teilnahme" an Veranstaltungen und Demonstrationen der der Klägerin vorgehaltenen Art kann unter bestimmten
Voraussetzungen eine durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG sanktionierte Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus darstellen. Als
tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen
Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die
Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR
526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620 und Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG
Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere
Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung
terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl.
BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und
messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB
18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der
Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3
des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 54: "Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig
bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige
Relevanz bleiben außer Betracht.").
34
Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns
für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in
einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10
AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn
jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen
Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in
Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu,
nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls
auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen
(beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus
unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG
vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann
ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche
Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden
Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und
Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und
damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch
ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom
24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung
im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter
Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin)
gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen
Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die
Völkergemeinschaft ausgeht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz
eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu
subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 54).
35
Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die
Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden.
Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der
Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland
darstellt, geboten.
36
Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich (so
aber wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394/04 - InfAuslR 2005, 31 und Marx, ZAR 2004, 275; ZAR 2002, 127
unter Übernahme der zur alten Fassung des Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG 1990, § 10 AuslG 1965 entwickelten Abgrenzung).
Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom
Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH,
Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und
Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der
außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und
konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).
37
Der Beklagte hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die neuen ausländerrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des internationalen
Terrorismus im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen sind, in der die Staaten aufgefordert werden,
die Nutzung ihres Staatsgebiets für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. § 8 Abs.
1 Nr. 5 AuslG in der hier anzuwendenden Fassung ist in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 durch das
Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügt worden in dem Bestreben, in Übereinstimmung mit der UN-
Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. die Begründung des
Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 35)
38
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische Bedrohung weltweit eine neue
Dimension erreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität,
Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den Anschlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logistischer Verknüpfungen und operativer
Strukturen.
39
Die neue Dimension des Terrorismus und dessen internationale Ausprägung stellen die Sicherheitsbehörden vor neue, schwere Aufgaben.
Niemand kann ausschließen, dass nicht auch Deutschland das Ziel solcher terroristischer Attacken wird.
40
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaßnahmen entgegen zu treten.
Aufgabe der Politik ist es, mögliche Gefahren für die innere Sicherheit und Ordnung gegen Angriffe von innen wie von außen frühzeitig zu
erkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Risiko ihres Eintritts zu minimieren.
41
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20. September 2001 in einer von Deutschland initiierten Sondersitzung des Rates Justiz und
Inneres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter anderem Maßnahmen
bei der Visaerteilung, der Grenzkontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket
decken. Deutschland hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die zur Konkretisierung der Schlussfolgerungen des
Sonderrates für Justiz und Inneres sowie der Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 (Nummer 1373) dienen. Die VN-
Resolution fordert unter anderem, durch geeignete Maßnahmen
42
- die Identifizierung von Terroristen vor der Einreise,
- den Schutz von Identitätspapieren und deren missbräuchlicher Verwendung,
- einen beschleunigten nationalen und grenzüberschreitenden Informationsaustausch über Terroristen und deren Bewegungen sowie über gefälschte Dokumente und
- die Verhinderung des Missbrauchs des Flüchtlingsstatus für terroristische Aktivitäten
43
sicherzustellen.
44
Die Verhandlungen zur Umsetzung dieser Vorschläge werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die akute Terrorismusgefahr
sind daher bereits jetzt entsprechende nationale Maßnahmen erforderlich.
45
Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist,
inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz
unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des
Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig
namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer
Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten
Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein
Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem
Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich
selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“
46 Der Senat kann in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, ob die Herausnahme nur ganz unwesentlicher oder geringfügiger
Unterstützungshandlungen sachgerecht ist, oder ob insoweit nicht der Ansatz vorzugswürdig wäre, in diesem Fall eine die Regel
durchbrechende Atypik anzunehmen (so etwa Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 515). Denn solche Handlungen sind im
vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, wie noch darzulegen sein wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich mit Rücksicht auf das Vorbringen
des Klägers darauf hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die der Nr.
5a) weder vom Tatbestand noch nach Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende
konkrete Gefährdung voraussetzt. Eine solche wird nur vorausgesetzt, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder
zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind; hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht,
da der Kläger nach wie vor aktives ISYF-Mitglied ist. Von diesem Verständnis geht das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 zu
Recht aus. Dem liegt die zutreffende und keineswegs mit größerer zeitlichen Distanz zu den Ereignissen des 11. September 2001 überholte
Überlegung zugrunde, dass der internationale Terrorismus ein außerordentliches Gefahrpotential darstellt und die Bestimmung in besonderem
Maße der Umsetzung und Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen soll (vgl. auch Hailbronner,
Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rdn. 31), weshalb das hier zu beurteilende Instrumentarium bereits weit im Vorfeld des unmittelbar ausgeübten
und in die Tat umgesetzten Terrorismus greifen soll und muss.
47 Zum Terrorismusbegriff führt das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. hierzu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 436 ff. sowie
Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 498 ff.):
48
„Das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthält zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der
Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus (vgl. kritisch etwa Marx, ZAR 2002, 127<128 f.> und ZAR 2004, 275). Auch wenn
bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in
vollem Umfang erfolgreich gewesen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 53; Davy, ZAR 2003, 43 f.; Renner, ZAR 2003, 52 f.),
ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die -
völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist (vgl. auch Schmahl, ZAR 2004, 217 <219>
unter Hinweis auf einen weitgehenden Konsens bei der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen
Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl II 2003 S. 1923 und auf die Definition
terroristischer Straftaten auf Gemeinschaftsebene in dem Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl 2002 L164, S. 3; vgl.
ebenso schon den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des
Terrorismus vom 27. Dezember 2001, ABl 2001 L 344, S. 93). Eine Vereinigung, die selbst - wie die PKK jedenfalls in der Vergangenheit
innerhalb und außerhalb der Türkei - ihre politischen Ziele zumindest auch mit terroristischen Mitteln verfolgt hat (vgl. Urteile vom 30. März
1999 - BVerwG 9 C 31.98, 9 C 23.98 und 9 C 22.98 - BVerwGE 109, 1; 109, 12 und 109, 25), gehört zweifellos zu denjenigen Vereinigungen,
die § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Blick hat. In dem erneuten Berufungsverfahren wird sich der Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung der
Terrorismusgefahr durch die PKK im Übrigen auch mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung
des Terrorismus befassen müssen, nach denen die PKK in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen
und Körperschaften aufgeführt ist (vgl. zuletzt Anhang unter 2. Nr. 21 zu dem Gemeinsamen Standpunkt 2005/220/GASP des Rates vom 14.
März 2005 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung
des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/500/GASP, ABl 2005 L 069, S. 59).“
49 Dieses zugrunde gelegt ist hier von Folgendem auszugehen: Der Kläger war nach den Feststellungen des Senats mehrere Jahre bis Ende 2007
Vorsitzender der ISYF Baden-Württemberg und ist in der Folgezeit weiter einfaches, aber aktives Mitglied und nimmt auch in dieser Stellung an
vielfältigen Aktivitäten der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland teil. Mitgliedschaft sowie Aktivitäten wurden im Berufungsverfahren
vom Kläger ausdrücklich nochmals bestätigt.
50 Es steht auch für den Senat hinreichend verlässlich fest, dass die ISYF eine Organisation ist, die nach den dargestellten Grundsätzen und dem
hiernach nicht zu eng zu verstehenden Unterstützungsbegriff den Terrorismus „unterstützt“. Sie ist als Auslandsorganisation der „All India Sikh
Student Federation“ (AISSY) nach den vorliegenden Erkenntnismitteln zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend außerhalb Indiens tätig.
Die ISYF war möglicherweise nicht selbst unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen und hat insbesondere nicht zur Begehung
solcher gerade in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz v. 20. Juli 2004; BKA v. 1. April 2010; vgl.
aber BND v. 13. April 2010, wonach gerade auch Mitglieder der ISYF nach 1984 an Anschlägen beteiligt gewesen und noch im Dezember 2006
militante Aktivisten der ISYF in Indien verhaftet worden seien; vgl. zudem das South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010, das von einer
unmittelbaren Beteiligung spricht). Die Organisation sah und sieht, was ihre Auslandsaktivitäten betrifft, eine wesentliche Aufgabe und Funktion
darin, Gelder zu sammeln, um damit zumindest auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewegung zur gewaltsamen Löslösung eines
unabhängigen Khalistan zu stärken, deren integraler Bestandteil jedenfalls in der Vergangenheit auch die Begehung terroristischer Akte war (vgl.
Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; BND v. 13. April 2010;
South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010). Dass Gelder möglicherweise auch zur Unterstützung der Familien von „Märtyrern“ verwendet
wurden (vgl. hierzu die Äußerungen des Klägers im Asylerstverfahren und hierzu noch im Folgenden) steht dem nicht entgegen, da sich die
Organisation nach den verwerteten Erkenntnismitteln keineswegs als karitativ versteht. Daneben ist die Organisation in vielfältiger Weise,
insbesondere durch die Abhaltung sog. Märtyrergedenktage ideologisch und informatorisch tätig (vgl. hierzu die vorgenannten Erkenntnismittel).
Zwar mag sie allein damit noch nicht den Tatbestand der Unterstützung erfüllen (vgl. hierzu und zu möglichen Bedenken BVerwG, U. v. 15. März
2005 – a.a.O. Rdn. 41). Diese Aktivitäten sind aber geeignet, das Gesamtbild abzurunden. Die AISSY wurde demgegenüber nach allen
vorliegenden Erkenntnismitteln bis in die jüngste Vergangenheit als eine Organisation beschrieben und beurteilt, die personell und materiell
selbst mit dem Sikh-Terrorismus in Indien, der auch in Pakistan einen sicheren Rückzugsraum gefunden hat und findet, in unmittelbarer
Verbindung steht (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008;
Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2008; Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; UNHCR v. 22.
März 2006; Immigration und Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; The Mackenzie Institute, 2006; South Asia Terrorism Portal, Stand 1.
März 2010).
51 Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob – wie der Beklagte meint – dem Umstand, dass die ISYF in den Anhang Ziffer 2 der
aktuell gültigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates v. 22. Dezember 2009 (ABl. L 346, S. 39) aufgenommen wurde, die von
ihm für richtig gehaltene Bindungswirkung zukommen kann, oder ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen dargelegt hat, wegen des
hier nicht gegebenen sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift, eine solche auszuscheiden hätte. Bedenken gegen eine Bindungswirkung
könnten sich aus rechtstaatlichen Überlegungen und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch deshalb ergeben, weil der Kläger individuell
gar nicht in der Lage wäre, den vom Beklagten aufgezeigten Weg einer gerichtlichen Klärung der Aufnahme in den Anhang Ziffer 2 zu
beschreiten (vgl. zu den Aspekten eines effektiven, auch unionsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes EuGH, Urteil v. 3. September
2008 – C- 402/05 P u.a., Kadi - DVBl 2009, 175-178). Gegen eine derartige Bindungs- oder Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Sachs, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 43 Rdn. 154 ff.) spricht auch entschieden, dass es keine etwa den §§ 4 und 42 AsylVfG
vergleichbare normative Vorgabe gibt, die auch nur ansatzweise in diese Richtung deuten könnte.
52 Jedenfalls aber kommt der Aufnahme angesichts der vorgenannten vielfältigen Einschätzungen und Äußerungen eine nicht unerhebliche
Indizwirkung zu. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der genannte unionsrechtliche Rechtsakt seinen Geltungsanspruch u.a. auch aus den
Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. und 28. September 2001 (Nr. 1368 und 1373) ableitet (vgl. den
Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 2001/931/GASP), die den Staaten der Weltgemeinschaft völkerrechtlich bindend
aufgibt, dem internationalen Terrorismus keinerlei – auch nur passive - Unterstützung zu leisten. Insbesondere haben hiernach alle Staaten die
Verpflichtung, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern
Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern (vgl. Ziffer 2 lit. a und c) Resolution Nr. 1373; vgl. zur völkerrechtlichen
Verbindlichkeit Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 496 ff.).
53 Allerdings setzt der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG voraus, dass der unterstützte Terrorismus überhaupt noch aktuell ist und nicht etwa der
Vergangenheit angehört. Dieser einschränkende Aspekt folgt schon aus der Wertung des § 54 Nr. 5 Hs. 2 AufenthG und nicht zuletzt aus dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sanktioniert – anders als möglicherweise Art. 1 F lit. c) GFK bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL (vgl.
hierzu unter II) – nicht etwa in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen, die sich auf terroristische Organisationen und deren Taten bezieht,
die nicht mehr existent, überholt und ohne Gegenwartsbezug sind. Aus dem Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten bzw.
verwerteten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes (vgl. insbesondere Stellungnahme vom 14. September 2009) seit etwa 2000 die den
militanten Sikh-Organisationen zugerechneten terroristischen Gewalttaten nahezu zum Erliegen gekommen sein sollen und diesbezüglich in
dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auszugsweise vorgelegten Jahresbericht 2009/2010 des Ministry of Home Affairs of India nichts
Entsprechendes mehr erwähnt wird (vollständig abzurufen unter http://www.mha.nic.in), kann jedoch gegenwärtig nicht geschlossen werden, im
vorliegenden Fall könnte ein solcher Sachverhalt ohne den erforderlichen Gegenwartsbezug gegeben sein. Denn dieser vom Auswärtigen Amt
konstatierte Zustand kann vielerlei Ursachen haben und lässt keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass das terroristische
Gewaltpotential endgültig aus der Welt sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - maßgebliche Akteure des Terrors nach wie vor
existieren. Denn der Umstand, dass gegenwärtig keine Aktivitäten zu beobachten sind, kann namentlich darauf beruhen, dass die finanziellen
wie auch die personellen Ressourcen defizitär sind bzw. auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend effektiv sind. Der BND (v. 13. April
2010) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass jedenfalls die Strukturen des Sikh-Terrorismus in Indien zumindest weitgehend
zerschlagen sind und ihm eine ausreichende Basis in der Bevölkerung fehlt, um gegenwärtig effektiv arbeiten zu können. Zudem ist zu
bedenken, dass es auch in der jüngsten Vergangenheit durchaus zu Terrorakten gekommen ist, wie etwa der Anschlag im November 2008 in
Mumbai (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009), die nicht zuverlässig zugeschrieben werden können.
54 Von wesentlicher Bedeutung für diese Einschätzung und die vom Senat zu treffende Feststellung eines noch hinreichend aktuellen
Gegenwartsbezugs ist auch, dass in jüngster Zeit verschiedentlich darüber berichtet wurde, es gebe aktuelle Restrukturierungsbestrebungen des
Sikh Terrorismus und insoweit insbesondere auch der Auslandsbetätigungen der ISYF (vgl. etwa Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009;
Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; BND v. 13. April 2010). So wird von
verstärkten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst berichtet und von Regruppierungen in Pakistan (vgl. Jamestown Foundation v. 9.
Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009). Jedenfalls angesichts dieser Entwicklungen wäre es verfehlt und
wenig lebensnah, wollte man verlangen, dass es erst wieder zu konkreten neuen terroristischen Akten kommen muss, bevor man von einer
relevanten terrorismusbezogenen Unterstützung sprechen kann.
55 Unter diesen Umständen wäre das durch § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte und vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005
näher beschriebene und, wie oben ausgeführt, keinesfalls zu hoch anzusetzende Gefährdungspotential allerdings dann entfallen, wenn eine
glaubwürdige öffentliche und auch praktizierte Distanzierung von jeglichen terroristischen Praktiken von Seiten der ISYF erfolgt wäre. Dafür ist
jedoch nichts ersichtlich (vgl. hierzu auch BKA v. 1. April 2010, das ausdrücklich eine erfolgte Distanzierung und entsprechende öffentlich
bekannt gewordene Verlautbarungen verneint). Namentlich hat der Kläger auch auf entsprechende Hinweise im Berufungsverfahren keine
diesbezüglichen Informationen geliefert, im Gegenteil: Er ist gerade in diesem Zusammenhang bemerkenswert einsilbig und unpräzise
geblieben.
56 Zwar wird von in der Vergangenheit erfolgten Spaltungen der AISSY bzw. der ISYF berichtet (vgl. etwa UNHCR v. 22. März 2006; South Asia
Terrorism Portal Stand 1. März 2010; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; BND v. 13. April 2010). In diesem
Zusammenhang wird aber schon nicht einmal deutlich, dass sich zumindest eine hinreichend abgegrenzte und abgrenzbare Fraktion
herausgebildet haben könnte, die überzeugend und glaubwürdig endgültig und ohne „wenn und aber“ dem Terrorismus die Gefolgschaft
verweigert hätte und auch weiter verweigern würde. Abgesehen davon bestehen gerade auch nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren
keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Kläger – so es denn eine solche Fraktion überhaupt geben sollte – eindeutig und glaubwürdig
gerade dieser zugewandt haben könnte und sich mit dieser identifizieren würde (vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG
BVerwG, U. v. 2. Dezember 2009 – 5 C 24.08), sodass von einem Wegfall der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG auszugehen wäre. Auch
hier hat der Kläger unübersehbar jede klare Stellungnahme und Einlassung vermieden und hat im Grunde alles offen und im Ungefähren
gelassen. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Berufungsvorbringens noch darauf hinzuweisen, dass aus den verwerteten
Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte abgeleitet werden können, dass nur die Babbar Khalsa dem Terrorismus zugerechnet werden kann, nicht
jedoch die ISYF.
57 Bei der Würdigung der Person des Klägers und seiner politischen Betätigung sowie der persönlichen Einlassungen im Verfahren kann der Senat
auch nicht außer Acht lassen, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im Asylerstverfahren bestätigt hatte, an der Verteilung von
Geldern an bedürftige Familien, die ihren Ernährer bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Indien verloren hatten, beteiligt gewesen zu sein.
Weiter hatte er davon gesprochen, dass er geheime, ihm allerdings unbekannte Nachrichten als Kurier überbracht haben will. Schließlich hatte er
die Anwendung von Gewalt bei der Schaffung eines unabhängigen Khalistan ausdrücklich gebilligt.
58 Die vom Beklagten hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen lassen keine rechtserheblichen Defizite erkennen. Wenn der Beklagte davon
ausgeht, dass ggf. die gesamte Familie mit dem Kläger ausreisen werde, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn die anderen
Familienangehörigen haben ihrerseits kein Aufenthaltsrecht; auch halten sie sich – ohne dass es zu einer rechtserheblichen Verwurzelung in die
Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gekommen wäre – viel zu kurz im Bundesgebiet auf, als dass ihnen eine Rückkehr nicht
mehr zugemutet werden könnte. Was den im Jahre 2007 geborenen Sohn des Klägers betrifft, kann zwar hinsichtlich eines möglichen
zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots § 42 AsylVfG nicht eingewandt werden, weil dieser wohl kein Asylverfahren durchgeführt hat.
Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass aus Gründen einer Behandlungsbedürftigkeit der Herzkrankheit, über die auch nach dem Ergebnis
der mündlichen Verhandlung jedenfalls keine aktuellen Informationen vorliegen, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG
bestehen könnte. Der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen, dass eine Behandlung in Indien möglich sein werde, was der
Kläger zu keinem Zeitpunkt - weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren – überhaupt, geschweige denn
substantiiert in Zweifel gezogen hat. Insoweit sind die selbstständig tragend angestellten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen nicht zu
beanstanden.
59 Gleichwohl hat der Beklagte zusätzlich unterstellt, dass – nach Entfallen der Foltergefahr – es zu einer Trennung der Familie kommen könnte,
insoweit dann aber mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer konsequenten Bekämpfung des
internationalen Terrorismus, das, wie dargelegt, insbesondere seine Rechtfertigung in den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik
Deutschland findet, einer Trennung der Familie den Vorzug eingeräumt. Insoweit handelt es sich um eine zwar nicht zwingende, gleichwohl
rechtlich mögliche Ermessensentscheidung.
60 Der Umstand, dass die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, solange die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG Bestand hat und kein
aufnahmebereiter Drittstaat in Sicht ist, macht die Ausweisung – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere
auch nicht unverhältnismäßig. Denn immerhin wird mit dieser zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum
anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst.
61
II.
62 Dem Kläger steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu.
63 Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Bundesgesetzgeber mit der in § 25 Abs. 3 AufenthG gewählten Regelungsstruktur die Vorgaben der
Richtlinie 2004/83/EG v. 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) ordnungsgemäß und sachgerecht umgesetzt hat. Diese Umsetzung
war hier bereits zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz und damit vor dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts
Sigmaringen vom 26. Mai 2006 erfolgt.
64 Eine ordnungsgemäße Umsetzung ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht erfolgt. Denn die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 AufenthG
genannten Ausschlussgründe, sind nach den bindenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 QRL solche, die bereits zwingend der
Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit. b) QRL entgegenstehen. Darüber hinaus ist das nationale Recht auch deshalb
defizitär, weil der unionsrechtlich in Art. 18 QRL ausdrücklich auch für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene, dem Flüchtlingsstatus (vgl. Art.
13 QRL und insoweit ordnungsgemäß umgesetzt in § 3 Abs. 4 AsylVfG) vergleichbare förmliche Schutzstatus nicht eingeräumt wird, an den
unmittelbar unionsrechtlich die (zahlreichen) Gewährleistungen der Art. 20 ff. QRL anknüpfen. Dass unionsrechtlich dieser Schutzstatus von
essentieller Bedeutung ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach Art. 19 Abs. 3 QRL die Mitgliedstaaten andererseits verpflichtet sind,
diesen Status unter den dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen wieder zu entziehen, um damit deutlich zu machen, dass Unionsrecht
derartige Rechte nicht vermitteln kann und sich die Betroffenen nicht mehr auf diese Rechte berufen können. Soweit § 60 Abs. 2 AufenthG
daneben und zugleich den völkervertraglichen Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK zum Ausdruck bringt und absichert, ist dagegen aus
unionsrechtlicher Sicht allerdings nichts zu erinnern. Diese Differenzierung zwischen dem nationalen bzw. völkervertraglichen
Abschiebungsschutz und dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und daraus fließenden Schutzstatus ist jedoch, wie dargelegt, von zentraler
und nicht zu vernachlässigender Bedeutung und hätte vom nationalen Gesetzgeber nachgezeichnet werden müssen.
65 Der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 QRL hat hiernach schon im Ansatz systematisch und strukturell unionsrechtlich nichts mit der Frage des
aufenthaltsrechtlichen Status nach Einräumung des Schutzstatus zu tun, weshalb dann auch nach Art. 24 Abs. 2 QRL - vorbehaltlich
entgegenstehender zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - ein unbedingter Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels
besteht. Aus der Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG zugleich unter
Verstoß gegen das Unionsrecht und entgegen Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL das Vorliegen der Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären
Schutzes nach Art. 15 lit. b) QRL feststellt, folgt jedoch unionsrechtlich kein Anspruch der betreffenden Ausländer auf Erteilung eines
Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL. Allerdings kann mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG, auch wenn die
Entscheidung unter Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht (Art. 17 QRL) ergangen ist und eigentlich hätte, was den unionsrechtlichen
subsidiären Schutz betrifft, zu Lasten der Betroffenen ausgehen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL, der § 25 Abs.
3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG entspricht, noch die folgenden Ausführungen), nicht davon ausgegangen werden, dass § 25 Abs. 3 Satz 2
Variante 3 lit. c) AufenthG unmittelbar dem Anspruch auf Erteilung eines Titels nach Art. 24 Abs. 2 QRL entgegen gehalten werden kann;
insbesondere können an sich Sachverhalte, die selbst die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen, im Ausgangspunkt aus
systematischen Gründen nicht unwiderlegbar und gewissermaßen automatisch anspruchsvernichtende zwingende Gründe der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL ausmachen. Gleichwohl bedarf bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung des
Unionsrechts, insbesondere eines ausdrücklichen Verfahrens zur Gewährung eines subsidiären Schutzstatus die Vorbehaltsklausel der
zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der erweiternden Auslegung dergestalt, dass die Ausschlussgründe jedenfalls dem
Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Denn unionsrechtlich folgt aus Art. 17 Abs. 1 QRL, dass, wenn schon der
Schutzstatus zwingend zu versagen ist, gewissermaßen erst recht ein Anspruch auf Erteilung eines auf diesen zurückzuführenden Titels
ausscheiden muss. Wollte man hier einen unionsrechtlichen Anspruch bejahen, so würde der ohnehin gegebene, auf dem Umsetzungsdefizit
beruhende Verstoß gegen das Unionsrecht noch wesentlich verschärft mit der Folge, dass ein dem Unionsrecht noch ferneres Ergebnis erzielt
würde, was offenkundig mit Art. 4 Abs. 3 EUV unvereinbar wäre.
66 Nach alledem kann dann zwar allein der Umstand, dass nach nationalem Recht der Erteilung des Titels § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2
Satz 2) AufenthG entgegenstünde, den Anspruch nach Art. 24 Abs. 2 QRL nicht ohne weiteres entfallen lassen, sondern nur dann, wenn sich in
der Sperrwirkung zugleich zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung manifestieren würden. Dies ist aber der Fall, wenn eine
Ausweisung wirksam und materiell zu Recht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt wird. Namentlich der oben beschriebene völkerrechtliche und
unionsrechtliche Hintergrund dieser Bestimmung sowie das mit ihr zu bekämpfende Gefährdungspotential verkörpern typischerweise derartige
zwingende Gründe, selbst wenn von den jeweils betroffenen Personen keine unmittelbare konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr ausgehen
sollte.
67 Unabhängig hiervon liegen nach Überzeugung des Senats auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL bzw. des § 25 Abs. 3 Satz 2
Variante 3 lit. c) AufenthG vor. Hiernach erfolgt ein Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus bzw. wird der Aufenthaltstitel abgelehnt, wenn
schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und
Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Wortlaut beider Bestimmungen stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 F lit. c) GFK überein.
Beide Bestimmungen weichen allerdings von Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL ab, der die maßgeblichen Ziele der Vereinten Nationen als diejenigen
benennt und konkretisiert, die in der Präambel der UN-Charta und deren Art. 1 und 2 enthalten sind. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen,
das Gemeinschaftsrecht habe eine Entscheidung dahin gehend getroffen bzw. entsprechende in der Literatur und Rechtspraxis vertretene
Auffassungen bekräftigt, wonach hier als in Betracht kommende Akteure nur Repräsentanten von Staaten oder jedenfalls staatsähnlicher
Organisationen gemeint sein können, weil in der UN-Charta an sich nur die Beziehungen von Staaten untereinander in den Blick genommen
werden (so etwa OVG NW, U. v. 27. März 2007 - 8 A 5118105.A - juris; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 97 ff.). Worin
dann allerdings bei diesem Ansatz der anwendungsrelevante Unterschied zu § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. a) AufenthG (bzw. Art. 12 Abs. 2 lit.
a) bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. a) QRL) bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zwar hatte UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur
Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 163) sicherlich mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass die in der Charta genannten Ziele
im Grundsatz nur das Verhältnis der Staaten untereinander betreffen, was die Schlussfolgerung nahe legen konnte, hier liege die Vorstellung
und Konzeption zugrunde, der in den Blick zu nehmende Personenkreis sei auf solche Personen beschränkt, die aufgrund ihrer Stellung in
einem staatlichen Machtapparat einen wesentlichen Beitrag zu einer durch den Staat selbst begangenen Verletzung dieser Grundsätze geleistet
haben (vgl. hierzu auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 17; auch bereits Marx, Handbuch zur
Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, § 63 Stand Dez. 1997, Rdn. 148; vgl. auch BVerwG, U. v. 1. Juli 1975 - 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28
AusIG Nr. 9 mit dem zutreffenden Hinweis, dass in erster Linie Handlungen gemeint sind, die dem internationalen Frieden und der
Völkerverständigung entgegen laufen). Zieht man aber schon den 22. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie in die Überlegungen mit ein,
so kann eine derartige Beschränkung nicht befürwortet werden. Denn dort werden zwar ebenfalls die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der UN-
Charta angesprochen. Daneben werden aber auch ausdrücklich die Resolutionen der UN erwähnt, wonach „Handlungen, Methoden und
Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ stünden und darüber hinaus auch die
wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu gleichfalls mit den Zielen und Grundsätzen
unvereinbar seien. In diesem Zusammenhang ist unübersehbar, dass hier gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erarbeitung der
Konvention mittlerweile ein nicht unerheblicher Bedeutungswandel eingetreten ist. Denn spätestens in der Resolution des Sicherheitsrats Nr.
1373 (2001) vom 28. September 2001 bringt dieser unmissverständlich zum Ausdruck, dass Handlungen, Methoden und Praktiken des
Terrorismus im Widerspruch zu den in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Organisation
stehen. Nach dieser Resolution, deren Umsetzung die hier in Rede stehenden Bestimmungen dienen und die der 22. Erwägungsgrund im Auge
hat (vgl. BTDrucks 14/7386, S. 57), sollen, wie schon oben ausgeführt, die Staaten gegen alles vorgehen bzw. alles unterlassen, was den
Terrorismus in irgendeiner Weise unterstützen könnte. Insbesondere sollen sie die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und
bekämpfen (Nr. 1 a), die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar
durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass die Gelder zur Ausführung
terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen (Nr. 1 b) und diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen,
erleichtern oder begehen, daran hindern, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke zu nutzen (Nr. 2 der Resolution). Hieraus wird deutlich, dass die
ursprünglich für richtig gehaltene Beschränkung des Personenkreises nicht mehr in dieser Weise uneingeschränkt aufrechterhalten werden
kann, denn die dort angesprochenen Akteure des Terrors haben regelmäßig nichts mit (zumindest) staatsähnlichen Organisationen zu tun (a.A.
Marx, InfAusIR 2005, 218 <227>, der zu stark die Entstehungsgeschichte in den Blick nimmt und dabei übersieht, dass die Vorschrift, indem sie
auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen abstellt, für einen Bedeutungswandel offen ist und daher nicht gesagt werden kann, die
GFK stelle statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ab; wie hier etwa OVG RP, U. v. 6. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 -
InfAuslR 2003, 254; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 227; vgl. auch die Vorabentscheidungsersuchen des
Bundesverwaltungsgerichts v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592). Der von
Marx in diesem Zusammenhang weiter erhobene Einwand, bislang sei keine zufriedenstellende praktikable juristische Definition des
Terrorismusbegriffs gefunden worden (vgl. Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 114), ist im Ansatz sicherlich nicht vollständig
von der Hand zu weisen, ein solcher wird auf absehbare Zeit wohl auch nicht weltweit konsensfähig sein. Andererseits liegt der genannten
Sicherheitsratsresolution ein „sicherer" Begriffskern zugrunde, wovon auch das BVerwG im bereits oben angesprochenen Urteil v. 15. März 2005
(1 C 26.03 - a.a.O.) ausgegangen ist.
68 Für die Anwendung des Ausschlussgrundes ist schon vom Wortlaut der Bestimmung, der auf eine retrospektive Sichtweise abstellt, nicht
erforderlich, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt werden kann. Die zugrunde liegende Bestimmung des Art. 1 F lit. c) GFK (wie
generell Art. 1 F GFK) bringt vielmehr vorrangig ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit" zum Ausdruck (vgl. hierzu auch
BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592; Hailbronner,
Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 211 ff.). Gleichwohl stehen auch diese gemeinschaftsrechtlichen und
völkervertraglichen Ausschlussgründe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Liegen die entsprechenden Gründe bzw. Taten zum
Zeitpunkt der Aktualisierung bzw. des Eintritts der flüchtlingsrechtlich zu betrachtenden Verfolgungsgefahr lange zurück und haben sich die
Betroffenen insbesondere mittlerweile glaubwürdig distanziert oder aber wirken sie mittlerweile sogar aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus
mit, so wäre ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr gerechtfertigt (so auch im Ausgangspunkt UNHCR, Richtlinien zur Anwendung
der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff., Nr. 23 f.; ders., Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft,
2003, Nr. 157; vgl. auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.). Zu verlangen ist daher – wenn auch keine konkrete
Wiederholungsgefahr – so doch ein Minimum an Aktualität. Auch wenn im Falle des Art. 1 F lit. b) GFK - anders als in Art. 33 Nr. 2 GFK - nicht
ausdrücklich auf das Vorliegen einer Gefahr abgestellt wird, so ist zwar unübersehbar, dass diese Bestimmung der Abwehr von Gefahren für das
Zufluchtland dient. Gleichwohl ist die Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, denn es geht auch darum, dem Missbrauch des Flüchtlingsstatus
entgegenzuwirken, v.a. aber darum zu verhindern, dass sich die Betreffenden einer berechtigten Strafverfolgung entziehen (vgl. im Einzelnen die
Nachweise bei BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.; a.A. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 84 ff.
m.w.N., wonach sich die beiden Bestimmungen im Wesentlichen nur durch den Ort der Tatbegehung unterschieden, weshalb es nahe liege, von
einem komplementären Charakter der Vorschriften auszugehen und auch hier nach den allgemeinen Maßstäben eine konkrete Gefahr zu
verlangen; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 151; vgl. auch OVG NW, U. v.
27. März 2007 – 8 A 5118/05.A – juris).
69 Der Senat kann offen lassen, ob Personen, die lediglich als Mitläufer bzw. unbedeutende Unterstützer des Terrorismus einzustufen sind,
taugliche Akteure im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL sein können. Der Kläger war jedoch als ehemaliger höher gestellter mehrjähriger
Funktionär der Organisation eine Person, die maßgeblich den Weg der Organisation in der Bundesrepublik mitbestimmen und prägen konnte,
weshalb sein Handeln unmittelbar geeignet war, die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nachteilig zu berühren. Auch liegen diese
Aktivitäten nicht so lange zurück, als dass sie als obsolet angesehen werden könnten. Schließlich kann von einer glaubwürdigen Distanzierung,
wie bereits ausgeführt, keine Rede sein.
70 Wollte man nicht der Auffassung einer unionsrechtswidrigen Umsetzung folgen, so stünde der Erteilung nicht nur § 25 Abs. 3 Satz 2 3. Variante
lit. c) AufenthG entgegen, sondern auch § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG sowie § 5 Abs. 4 AufenthG.
71 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72 Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
73
Beschluss vom 21. April 2010
74 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
75 Der Beschluss ist unanfechtbar.