Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 08.03.2011

VGH Baden-Württemberg: luft, umkehrung der beweislast, lärm, stand der technik, treu und glauben, halle, vereinfachtes verfahren, offene bauweise, vorläufiger rechtsschutz, neue tatsache

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 8.3.2011, 10 S 161/09
Tenor
Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. Dezember 2008 – 2 K 1066/08 – werden
zurückgewiesen.
Die Antragsteller Ziffer 1 und 2 als Gesamtschuldner sowie die Antragsteller Ziffer 3 und 4 als Gesamtschuldner tragen je die Hälfte der Kosten des
Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerden der Antragsteller haben keinen Erfolg.
2
Der Zulässigkeit der Beschwerden und der zu Grunde liegenden Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO steht nicht entgegen, dass die Beigeladene
von der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung u.a. durch Errichtung von baulichen Anlagen zwischenzeitlich
Gebrauch gemacht hat. Das Rechtsschutzinteresse der Antragsteller im vorliegenden Verfahren besteht insoweit jedenfalls im Hinblick auf die
betriebliche Nutzung des Genehmigungsgegenstandes fort.
3
Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet.
4
Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts
in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt. Danach prüft der Verwaltungsgerichtshof nur die in einer rechtzeitig eingegangenen
Beschwerdebegründung dargelegten Gründe. Allerdings sind nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eintretende jedenfalls
offensichtliche entscheidungserhebliche Tatsachen, Rechtsänderungen sowie neue, bislang unverschuldet nicht unterbreitete präsente
Beweismittel und der diesbezügliche Vortrag der Beteiligten grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Dies gebietet, da der Vortrag des
Beschwerdegegners normativ keinen thematischen oder zeitlichen Beschränkungen unterliegt, zugunsten des Beschwerdeführers bereits der
Grundsatz der Waffengleichheit, im Übrigen die Amtsermittlungspflicht. Zugleich sprechen prozessökonomische Gründe dafür, da ansonsten ein
mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartendes Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO provoziert würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse
vom 30.11.2010 - 5 S 933/10 -, juris, und vom 08.07.2008 - 11 S 1041/08 -, VBlBW 2009, 109, jeweils m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., §
146 RdNr. 43; Eyermann/Happ, VwGO, 13. Aufl., 146 RdNrn 26 ff.). Hiervon ausgehend hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die in der
Beschwerdebegründung einschließlich der nach dem Vorstehenden zulässigerweise nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist
vorgetragenen Gründe führen nicht dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. i.V.m. § 80a Abs. 3 VwGO
vorzunehmende Abwägung zu Gunsten des Interesses der Antragsteller ausfällt, vom Vollzug bzw. der Ausnutzung der der Beigeladenen
erteilten immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung des Antragsgegners vom 29.04.2008 in der Fassung der Änderungsverfügungen
vom 21.02.2011 und vom 02.03.2011 bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben.
5
Bei mehrpoligen Rechtsverhältnissen, insbesondere wie hier bei begünstigenden Verwaltungsakten mit belastender Drittwirkung, stehen sich die
Rechtspositionen der entsprechend reziprok betroffenen Privaten grundsätzlich gleichrangig gegenüber. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass sich
der einen Genehmigungsbescheid anfechtende Dritte gegenüber dem Genehmigungsempfänger von vornherein in einer bevorzugten
verfahrensrechtlichen Position befinden müsse, wenn es um die Frage der sofortigen Verwirklichung des Genehmigungstatbestandes geht, ist
weder aus dem geltenden Verwaltungsprozessrecht noch aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleiten. Die einseitige Bevorzugung des Dritten durch die
einstweilige Festschreibung des status quo liefe vielmehr auf eine ungerechtfertigte, mit den Freiheitsgrundrechten des Begünstigten und dem
Gleichheitssatz unvereinbare Privilegierung des Dritten hinaus. Kann mithin nicht von einem prinzipiellen prozessualen Vorrang des einen
Genehmigungsbescheid anfechtenden Dritten ausgegangen werden, so ist die Frage, wer bis zur Hauptsacheentscheidung das Risiko der
Herbeiführung vollendeter Tatsachen tragen muss, primär nach dem materiellen Recht zu beantworten, also nach der Erfolgsaussicht des
Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.10.2008 – 1 BvR 2466/08 -, NVwZ 2009, 240 m.w.N.; Schoch, Vorläufiger
Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, Seite 1003 ff.).
6
Der Senat teilt auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und unbeschadet der im Erörterungstermin des Senats vom 03.05.2010
angestellten übergreifenden Erwägungen im Wesentlichen die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Genehmigung
keinen durchgreifenden, eine überwiegende Aufhebungswahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren begründenden rechtlichen Bedenken
begegnen dürfte (I). Vor diesem Hintergrund sowie der im Widerspruchsverfahren zu erwartenden weiteren Überprüfung der Immissionssituation
und nötigenfalls entsprechender Reaktion seitens des Antragsgegners vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die gebotene
Interessenabwägung gleichwohl eine Suspendierung der Änderungsgenehmigung rechtfertigen könnte, zumal deren Realisierung im Kern keine
Verschlechterung, sondern eher eine Verbesserung der Immissionssituation für die Antragsteller mit sich bringen dürfte und zu einem
erheblichen Teil der Umsetzung von nachträglichen Anordnungen dient (II). Dies schließt andererseits nicht aus, dass der Antragsgegner
gehalten sein kann, den Betrieb der Beigeladenen fortlaufend einer noch engmaschigeren immissionsschutzrechtlichen Kontrolle zu unterziehen
sowie nachträgliche Anordnungen zu erlassen und durchzusetzen, um die Konfliktlage von benachbarter Wohn- und betrieblicher
Grundstücksnutzung möglichst abzumildern (III).
I.
7
Rechte der Antragsteller werden entgegen der Auffassung der Antragsteller durch die Praktizierung des vereinfachten Verfahrens nach § 19
BImSchG nicht verletzt (1). Der angefochtene Genehmigungsbescheid dürfte auch die materiell-rechtlichen Anforderungen drittschützender
Vorschriften, auf die sich die Antragsteller berufen können, wahren, insbesondere die des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG und
nachbarschützender baurechtlicher Bestimmungen (2).
8
1. Mit ihrer Rüge einer verfahrensrechtlich unzulässigen Anwendung des § 19 BImSchG dringen die Antragsteller nicht durch. Entgegen der nicht
näher begründeten Auffassung des Verwaltungsgerichts, die nach seiner rechtlichen Beurteilung aber auch nicht entscheidungserheblich war,
dürfte allein eine falsche Verfahrenswahl grundsätzlich keinen Drittschutz vermitteln (a). Davon abgesehen spricht auch Vieles dafür, dass die
Durchführung des vereinfachten Verfahrens rechtlich nicht zu beanstanden ist (b).
9
a) Ein Drittbetroffener kann die Durchführung eines vereinfachten Verfahrens nach § 19 BImSchG statt des förmlichen Verfahrens nach § 10
BImSchG nach in der Rechtsprechung ganz herrschender Auffassung grundsätzlich nicht als Verletzung eigener Rechte geltend machen (vgl.
OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 07.10.2009 – 1 A 10872/07 -, juris, insoweit bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 29.12.2010 - 7 B 6.10 -,
juris; vom 29.10.2008 – 1 A 11330/07 -, DVBl 2009, 390 mit eingehender Begründung und zahlreichen Nachweisen, insbesondere auch zur
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, sowie zur teilweise anderen Auffassung in der Literatur; a.A. etwa Jarass, BImSchG, 8. Aufl., §
19 RdNr. 22, § 10 RdNrn. 133, 136 m.w.N. zum Streitstand). Entscheidend für den Erfolg einer Anfechtungsklage ist danach, ob eigene materielle
Rechte des Drittbetroffenen verletzt sind.
10 Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend machen, Drittschutz müsse der Verfahrenswahl hier deshalb zukommen, weil sie sich
auf die materiell-rechtliche Position der Antragsteller insofern ausgewirkt haben könne, als mit der angefochtenen Änderungsgenehmigung
„zugleich den Nachbarn gegenüber die Änderungsgenehmigung von 1993 legalisiert werden soll“, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine
„Legalisierung“ benötigt die genannte frühere Änderungsgenehmigung vom 26.02.1993 nicht. Diese ist, wie sich aus den nachstehenden
Ausführungen (s.u. 2.a) ergibt, den Antragstellern gegenüber bestandskräftig geworden.
11 b) Unabhängig von der Frage der Rügbarkeit einer falschen Verfahrenswahl dürfte der von den Antragstellern geltend gemachte
Verfahrensfehler aber auch nicht vorliegen. Denn der Antragsgegner dürfte das Genehmigungsverfahren zu Recht als vereinfachtes Verfahren
nach Maßgabe des § 19 BImSchG durchgeführt haben. Die von den Antragstellern vorgetragenen Einwände gegen diese vom
Verwaltungsgericht vertretene und detailliert begründete Auffassung erweisen sich als nicht stichhaltig.
12 aa) Einschlägig ist insoweit § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 4. BImSchV i.V.m. Nr. 3.7 Spalte 2 des Anhangs. In der zuletzt genannten Vorschrift wird für die
Zuordnung zu Spalte 2 allein darauf abgestellt, ob eine Eisen-, Temper- oder Stahlgießerei eine Produktionsleistung von 2 t bis weniger als 20 t
Gussteile je Tag aufweist. Bei der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 4. BImSchV gebotenen Berücksichtigung des rechtlich und tatsächlich möglichen
Betriebsumfangs spricht beim derzeitigen Erkenntnisstand alles dafür, dass der Betrieb der Beigeladenen die genannte Mengenobergrenze von
20 t Gussteile je Tag deutlich unterschreitet. Dies hat der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung überzeugend dargelegt. Er hat
insbesondere zu Recht darauf hingewiesen, dass für die Zuordnung zur Spalte 1 oder zur Spalte 2 nach der hier anzuwendenden Fassung der
Nr. 3.7 des Anhangs zur 4. BImSchV allein die Menge an produzierten Gussteilen ausschlaggebend ist.
13 Die von den Antragstellern demgegenüber postulierte Aufspaltung der zu diesem Produktionsergebnis führenden einzelnen Arbeitsvorgänge im
Betrieb der Beigeladenen ist verfehlt. Ihr könnte nur dann näher getreten werden, wenn und soweit im Anhang zur 4. BImSchV bestimmte
Arbeitsschritte eigens genannt und einer je gesonderten Regelung in Spalte 1 unterworfen wären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2010 - 7 B
4.10 -, juris). Hierfür ist nichts ersichtlich. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang mit Blick auf die ursprünglich genehmigte, nach der
Änderungsverfügung vom 02.03.2011 hingegen stillzulegende Anlage zum Auftragen von Beschichtungsstoffen auf die Gussteile vor einer
Spritzwand mit Filter (Nr. 1.1.3 der angefochtenen Genehmigung) auf Nr. 3.9 bzw. Nr. 3.10 des Anhangs zur 4. BImSchV verweisen, liegen deren
Voraussetzungen weder qualitativ noch quantitativ vor. Weder handelt es sich bei dem fraglichen Arbeitsvorgang um das Aufbringen von
metallischen Schutzschichten auf Metalloberflächen mit Hilfe von schmelzflüssigen Bädern im Sinne der Nr. 3.9 4. BImSchV noch um eine
Oberflächenbehandlung von Metallen oder Kunststoffen durch ein elektrolytisches oder chemisches Verfahren mit einem Volumen der Wirkbäder
von 30 qm³ oder mehr im Sinne der Nr. 3.10 des Anhangs 4. BImSchV. Sowohl der Beschichtungsvorgang als auch die von den Antragstellern in
diesem Zusammenhang des Weiteren angesprochene Altsandregenerierung sind Verfahrensschritte bzw. Nebeneinrichtungen (vgl. § 1 Abs. 2 4.
BImSchV) zum Gießereibetrieb der Beigeladenen, die diesem dienend zu- bzw. untergeordnet und de lege lata keiner gesonderten
verfahrensrechtlichen Behandlung zugänglich und bedürftig sind. Der von den Antragstellern in diesem Zusammenhang angeführte Begriff der
„Gesamtanlage“, die gewissermaßen subsidiär von der Spalte 1 erfasst sein soll, geht an dem in Nr. 3.7 des Anhangs 4. BImSchV normierten
eindeutigen rechtlichen Anknüpfungspunkt der Produktionsleistung vorbei, die ihrerseits einen entsprechenden Produktionsprozess mit
ineinandergreifenden einzelnen Arbeitsschritten voraussetzt, wie sie für eine Gießerei typisch sind (vgl. dazu etwa Wikipedia, Stichwort „Gießen
(Verfahren)“; allgemein zu Begriff und rechtlicher Zuordnung von „Kernbestand“ und „Nebeneinrichtungen“ einer immissionsschutzrechtlich
genehmigungsbedürftigen Gesamtanlage vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2010, a.a.O.).
14 Soweit die Antragsteller geltend machen, im Rahmen der Änderungsgenehmigung vom 26.02.1993 sei für die dort bezeichneten Anlagenteile
von der Einschlägigkeit der Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV ausgegangen worden, ist dies zwar richtig. Dies hing aber, worauf der
Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat, mit der anderslautenden damaligen Fassung von Nr. 3.7 Spalte 2 4. BImSchV zusammen, die auf
eine Leistung von weniger als 80 t Gussteile je Monat abstellte. Da die genehmigte monatliche Produktionsleistung mit 150 t über dieser
Mengenschwelle lag, war die Anlage seinerzeit in der Tat der Spalte 1 zuzuordnen. Nach der seit 03.08.2001 (vgl. Gesetz vom 27.07.2001, BGBl.
I S. 1950) geltenden Fassung der Nr. 3.7 des Anhangs 4. BImSchV hat es hingegen sein Bewenden mit dem genannten Grenzwert von 20 t
Gussteile je Tag.
15 Die Unterschreitung dieses Grenzwerts bestreitet die Beschwerde zu Unrecht. Zum einen hat sich rechtlich nichts an der in der
Änderungsgenehmigung vom 26.02.1993 erfolgten Festlegung des zulässigen Produktionsumfangs geändert, nach welcher die monatliche
Produktionsleistung auf 150 t beschränkt ist. Der Antragsgegner hat insoweit auch plausibel auf Überprüfungen der zum Einschmelzen
eingekauften Rohwarenmengen im Jahre 2008 verwiesen, die keinen Anhalt für eine Überschreitung der zugelassenen Produktionsleistung
ergeben hätten. Der Antragsgegner hat des Weiteren nachvollziehbar anhand der zugelassenen Arbeitszeiten berechnet, dass die Produktion
von 150 t pro Monat weit unter der bei voller Ausschöpfung der in Nr. 3.7 des Anhangs 4. BImSchV bestimmten Mengenschwelle liegt. Bei
Hochrechnung von täglicher Arbeitszeit und 20 t täglicher Produktionsleistung ergäben sich nämlich 440 t monatlich.
16 Für den Senat gibt es auch keinen greifbaren Anhaltspunkt für die These der Antragsteller, dass in tatsächlicher Hinsicht durch den gleichzeitigen
Einsatz der beiden Schmelztiegelöfen eine höhere Produktionsleistung als 20 t je Tag erzielbar wäre bzw. erzielt würde. Das technische Konzept
des Betriebs der beiden Tiegelöfen ist nach dem Vortrag der Beigeladenen wie auch nach den diesbezüglichen Feststellungen des
Antragsgegners dadurch gekennzeichnet, dass die Tiegelöfen zwar jeweils ein Fassungsvermögen von 1450 kg aufweisen, jedoch nicht
gleichzeitig betrieben werden können, weil sie elektrisch gegeneinander verriegelt sind. Dies haben die Antragsteller auch mit der Beschwerde
nicht substantiiert in Zweifel zu ziehen vermocht. Gegenüber der technischen Erläuterung in der Antragserwiderung, dass die Verriegelung so
eingerichtet sei, dass in einem elektrischen Schaltschrank die Stromversorgung immer nur auf einen Tiegel geleitet werden könne, und
gegenüber dem Hinweis der Beigeladenen, dass die installierte elektrische Leistung für einen gleichzeitigen Betrieb beider Öfen keinesfalls
ausreiche, haben die Antragsteller lediglich gegenteilige Vermutungen in den Raum gestellt sowie den Hinweis, dass es keine rechtliche und
tatsächliche Absicherung gegen eine Produktionserhöhung unter gleichzeitigem Einsatz beider Tiegelöfen gebe. Dem ist entgegenzuhalten,
dass in dem von den Antragstellern selbst angeführten, eine entsprechende Auflage zur Genehmigung vom 26.02.1993 konkretisierenden
Schreiben des Antragsgegners vom 16.03.1995 bestimmt ist, dass die „Schmelzwirkung immer nur auf einen Ofen gehen darf“. Sodann gibt es
auch keinen Anhalt für eine zwischenzeitliche Veränderung der beschriebenen Verriegelungstechnik. Eine solche ist auch nicht etwa, wie von
den Antragstellern geargwöhnt, im Zuge des Austauschs der Schmelzanlage im April 2009 erfolgt. Dies hat der Antragsgegner bei einer
Betriebsbesichtigung am 21.04.2009 festgestellt (vgl. Vermerk vom 31.10.2009, Verwaltungsakte S. 731).
17 bb) Die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nach § 19 Abs. 1 BImSchG ist entgegen dem Vorbringen der Beschwerde auch nicht
deshalb rechtsfehlerhaft, weil es sich im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c 4. BImSchV um eine zur Genehmigung gestellte Anlage
handeln würde, die ungeachtet der Nennung in Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte. Dies ist
mit dem Verwaltungsgericht zu verneinen, das zutreffend auf § 3 c Satz 2 UVPG i.V.m. Nr. 3.7.3 der Anlage 1 zum UVPG abgestellt hat, d. h.
darauf, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nur dann durchzuführen ist, wenn auf der Grundlage einer standortbezogenen Vorprüfung nach
der Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in Anlage 2 Nr. 2 zum UVPG aufgeführten
Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Soweit die Beschwerde auch in diesem Zusammenhang ihre nach
den obigen Ausführungen rechtlich nicht tragfähige Argumentation fortführt, es handle sich bei der mit der Änderungsgenehmigung
zugelassenen Verlagerung der Sandregenerierungsanlage und der Anlage zur Beschichtung der Gussteile um eigenständig zu beurteilende
Anlagen, gilt das hierzu oben Dargelegte entsprechend. Dies hat zur Folge, dass gemäß § 3 c Abs. 1 Satz 2 UVPG im Rahmen der
standortbezogenen Vorprüfung allein zu prüfen war, ob entsprechend den in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche
nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Soweit die Beschwerde eine Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit den Kriterien
in Anlage 2 Nrn. 3.3 bis 3.5 zum UVPG vermisst, verkennt sie, dass das Verwaltungsgericht zutreffend bereits auf der logisch vorrangigen
Prüfungsstufe nach Nr. 2 der Anlage 2 die - ernstlich allein in Betracht kommende - in Nr. 2.3.8 der Anlage 2 alter Fassung bzw. Nr. 2.3.10 der
Anlage 2 neuer Fassung genannte Konstellation verneint hat, dass es sich um ein Gebiet mit hoher Bevölkerungsdichte handelt. Es hat daraus
ohne Rechtsfehler den Schluss gezogen, dass das Vorhaben der Beigeladenen keine Pflicht zur Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung begründet hat und dass die Darlegungen des Antragsgegners im Rahmen der standortbezogenen Vorprüfung
keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen. Hiernach kann auf sich beruhen, ob, wie die Beigeladene vorträgt, in Bezug auf die
von den Antragstellern geltend gemachte Kobaltbelastung eine Überprüfung durchgeführt worden ist, die über das bei einer
Umweltverträglichkeitsprüfung Gebotene sogar hinausgegangen ist.
18 2. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Unrecht wendet sich die Beschwerde gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass die
angefochtene Änderungsgenehmigung auch sonst nicht gegen Rechtsnormen verstößt, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller zu
dienen bestimmt sind.
19 Nach zutreffender abstrakter Kennzeichnung des Prüfungsgegenstandes - des Änderungsvorhabens einschließlich seiner Auswirkungen auf die
vorhandenen Anlagenteile und Verfahrensschritte (vgl. die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zitierten Nachweise u.a. zur
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts) – dürfte das Verwaltungsgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen Verstöße der
angefochtenen Änderungsgenehmigung gegen Schutzpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ebenso zu Recht verneint haben (a) wie eine
Verletzung anderer in § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG in Bezug genommener öffentlich-rechtlicher Vorschriften, soweit diese Drittschutz vermitteln (b).
20 a) Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden, die Schutzpflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisierenden Regelwerke insbesondere
der TA Luft (vom 24.07.2002, GMBl. S. 511, dazu nachstehend aa) und der TA Lärm (vom 26.08.1998, GMBl. S. 530, dazu nachstehend bb) sind
voraussichtlich eingehalten.
21 aa) Die Bestimmung von Immissions-Kenngrößen dürfte nach dem maßgeblichen Erkenntnistand dieser Beschwerdeentscheidung gemäß Nr.
4.6.1.1 TA Luft ohne Rechtsfehler unterblieben sein, weil die für gefasste Quellen in Tabelle 7 zu Nr. 4.6.1.1 TA Luft und für diffuse Emissionen in
Nr. 4.6.1.1 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b i.V.m. Tabelle 7 festgelegten Bagatellmassenströme nicht überschritten werden dürften. Emissionen aus
diffusen Quellen sind, wie in der im Genehmigungsverfahren eingeholten Fachstellungnahme des TÜV Süd Industrie Service GmbH vom
05.09.2007 auch geschehen, gemäß Nr. 4.6.1.1 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b gesondert zu beurteilen und nicht den Emissionen aus gefassten Quellen
zuzuschlagen. Zutreffend weisen die Antragsteller allerdings darauf hin, dass der in jener Fachstellungnahme zugrunde gelegte, auf Grund
früherer Messungen an den bisherigen Quellen prognostizierte Gesamtabluft-Volumenstrom in Höhe von 65.000 cbm/h bei einer Messung an
den mittlerweile installierten Quellen im Juli 2010 deutlich überschritten wurde; bei dieser Messung ist ein Gesamtabluft-Volumenstrom von
82.316 cbm/h festgestellt worden. Dabei handelt es sich durchaus um eine neue Tatsache bzw. ein neues, ohne Verschulden der Antragsteller
erst jetzt zur Verfügung stehendes präsentes Beweismittel, d. h. um einen Umstand, dessen Einbeziehung in die rechtliche Würdigung nach dem
oben dazu Ausgeführten (S. 3) nicht schon im Ansatz durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO präkludiert ist. Eine andere Frage ist, ob im Hinblick auf
die Eigengesetzlichkeit von Emissionsprognosen, die typischerweise vor Errichtung einer Anlage erstellt werden, nur in eingeschränktem
Umfang eine Richtigkeitskontrolle statthaft ist, nämlich auf die methodische Fehlerfreiheit der Prognose, so dass eine Falsifizierung einer
methodisch einwandfreien Prognose durch spätere Messungen im laufenden Betrieb ausscheidet (zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt vgl.
BVerwG, Beschluss vom 11.01.1991 - 7 B 102/90 -, NVwZ-RR 1991, 236; BayVGH, Beschluss vom 25.10.2010 - 22 ZB 10.1622 -, juris).
22 Dies kann hier aber auf sich beruhen. Auch wenn zugunsten der Antragsteller von einer methodischen Angreifbarkeit der früheren Prognose -
etwa wegen der von ihnen geltend gemachten Nichtberücksichtigung von Staubemissionen der neuen Beschichtungsanlage oder von
vornherein zu niedriger Ansetzung des Volumenstroms der Quelle 3 (Putzerei) - ausgegangen wird, und von der Relevanz des neuen Messwerts
für die Emissionsprognose, führt dies nicht dazu, dass nunmehr eine Überschreitung der Bagatellmassenströme nach Tabelle 7 zu Nr. 4.6.1.1 TA
Luft angenommen werden müsste. Denn nicht nur der genannte neue Messwert, der nach dem Vortrag des Antragsgegners den Maximalwert bei
einer Schwankungsbreite nach unten von 30.000 cbm/h darstellt, sondern auch die mit den Verfügungen des Antragsgegners vom 21.02.2011
und 02.03.2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgten Modifizierungen der angefochtenen Genehmigung, bezüglich derer die
Beigeladene nach dem Vortrag des Antragsgegners auch Rechtsmittelverzicht erklärt hat, sind insoweit zu berücksichtigen. Dass der
Antragsgegner die Dispositionsbefugnis über den angefochtenen Verwaltungsakt auch im laufenden gerichtlichen Verfahren behält und
Modifizierungen jedenfalls ebenso rechtlich beachtlich sind wie sonstige (offensichtliche) Tatsachen- oder Rechtsänderungen, bedarf keiner
weiteren Erläuterung, mag es für die Antragsteller auch unbefriedigend erscheinen, dass der Antragsgegner erst auf Vorhalt der Auswirkungen
des gemessenen höheren Gesamtabluft-Volumenstroms die Modifizierungen vorgenommen hat.
23 Dies hat in Bezug auf den für Staub-Emissionen geltenden Bagatellmassenstrom-Grenzwert von 1 kg/h nach der mit der Änderungsverfügung
vom 21.02.2011 bestimmten Herabsetzung des Konzentrations-Grenzwerts (von 15 mg/cbm auf 9 mg/cbm) zur Folge, dass der anzunehmende
Staub-Massenstrom nicht, wie von den Antragstellern im Schriftsatz vom 10.02.2011 bei Ansetzung des früheren Konzentrations-Grenzwerts von
15 mg/cbm errechnet, 1,234 kg/h, sondern nur 0,741 kg/h beträgt. Damit wird der Bagatellmassenstrom-Grenzwert von 1 kg/h deutlich
unterschritten, auch wenn ein bei der Messung im Juli 2010 festgestellter Gesamtabluft-Volumenstrom von 82.316 cbm/h zugrunde gelegt wird.
Dieser Gesamtabluft-Volumenstrom ist mit der weiteren Änderungsverfügung des Antragsgegners vom 02.03.2011 überdies - durch Reduzierung
des zulässigen Volumenstroms der Quelle 3 (Putzerei) auf 20.000 cbm/h und Außerbetriebsetzung der Quelle 4 (Beschichtungsanlage) auf
insgesamt 45.485 cbm/h begrenzt worden, so dass der Bagatellmassenstrom für Staub-Emissionen um so eher eingehalten werden kann. Aber
auch für die übrigen von den Antragstellern problematisierten Parameter der Bagatellmassenströme nach Tabelle 7 zu Nr. 4.6.1.1 TA Luft führt
diese Begrenzung des Gesamtabluft-Volumenstroms nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners zur rechnerischen
Einhaltung der in der Tabelle 7 festgelegten Grenzwerte.
24 Der insoweit von den Antragstellern geäußerten Kritik, mit dieser Begrenzung entstehe ein Missverhältnis zwischen der bei normalem Betrieb
anzunehmenden Absaugmenge an den Betriebseinrichtungen und der gedrosselten Kapazität der Reinigungsanlage, wird im
Widerspruchsverfahren nachzugehen sein. Entsprechendes gilt für die Befürchtung einer Zunahme diffuser Emissionen, auch im
Zusammenhang mit der Stilllegung der Beschichtungsanlage. Die diesbezüglichen Einwendungen sind im Rahmen des vorliegenden
Verfahrens nicht weiter zu klären, sondern an Hand einer von der Beigeladenen beizubringenden näheren Erläuterung der mit den
Änderungsverfügungen vom 21.02. und 02.03.2011 kompatiblen Abluftkonzeption vom Antragsgegner zu prüfen. Diese Verweisung in das
Widerspruchsverfahren hält der Senat auch deshalb für vertretbar, weil selbst eine Überschreitung der Bagatellmassenströme lediglich die
verfahrensrechtliche Konsequenz einer Bestimmung von Immissions-Kenngrößen zeitigt. Sie ist nicht schon mit einer materiellen Verletzung der
Immissionswerte gleich zu setzen, sondern erzwingt nur die Durchführung des standardisierten Verfahrens zum Abgleich von Kenngrößen und
Immissionswerten, mag dem Ausmaß einer - hier nach den obigen Ausführungen bei summarischer Prüfung fehlender - Überschreitung von
Bagatellmassenströmen auch eine gewisse indizielle Bedeutung zukommen.
25 Entgegen der Auffassung der Antragsteller war eine Bestimmung der Immissions-Kenngrößen auch nicht wegen einer besonderen örtlichen
Lage oder besonderer Umstände erforderlich (Nr. 4.6.1.1 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz TA Luft). Ob dieser die Maßgeblichkeit der
Bagatellmassenströme einschränkende Vorbehalt überhaupt für die hier zur Debatte stehende wesentliche Änderung einer Anlage gilt, ist mit
Blick auf Nr. 4.6.1.1 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TA Luft mit dem Verwaltungsgericht als keineswegs zweifelsfrei zu betrachten. Davon abgesehen
vermag der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht dem Heranrücken der Quelle 1 an die Wohnhäuser der Antragsteller auf einen
abstandsflächenrechtlich weiterhin zulässigen Abstand keine die Erforderlichkeit einer Bestimmung der Immissions-Kenngrößen auslösende
Bedeutung beizumessen. Insoweit ist nicht nur die Immissionsbelastungen tendenziell verringernde Erhöhung der Quelle 1 auf die - der
Beigeladenen schon früher aufgegebene - Höhe zu berücksichtigen, sondern als besonderer örtlicher Umstand ergänzend auch die in der
Fachstellungnahme festgehaltene Hauptwindrichtung; danach herrschen, abgesehen von einem „Nebenmaximum“ aus nördlicher bis
nordnordöstlicher Richtung, südliche bis südsüdwestliche Windrichtungen vor, welche sich relativierend auf die Belastungssituation der südlich
der Anlage befindlichen Wohnbevölkerung auswirken.
26 Auf die von den Beteiligten auch im Beschwerdeverfahren kontrovers diskutierte Problematik der Bestandskraft der früher erteilten
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen (vom 10.12.1980 und vom 26.02.1993) kommt es im Zusammenhang mit den ermittelten und
bewerteten Bagatellmassenströmen nicht an. Denn insoweit sind nicht lediglich die Zusatzbelastung durch die Realisierung der angefochtenen
Änderungsgenehmigung vom 29.04.2008 berücksichtigt worden, sondern die Emissionen des gesamten Betriebs, d. h. unter Einbeziehung auch
der schon früher genehmigten Anlagenteile und Verfahrensschritte.
27 Entsprechendes gilt für die von den Antragstellern als unzureichend berücksichtigt - weil nicht zum Gegenstand einer Sonderfall-Prüfung nach
Nr. 4.8 TA Luft gemacht - gerügte Kobaltbelastung. Insoweit dürfte es an „hinreichenden Anhaltspunkten“ im Sinne der Nr. 4.8 dafür fehlen, dass
insoweit schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können. Der Senat verkennt nicht, dass die nach dem Vortrag der Antragsteller
festgestellten Kobaltwerte im Blut bei ihnen verständliche gesundheitliche Besorgnisse ausgelöst haben. Dies hilft indes nicht darüber hinweg,
dass nach den Stellungnahmen des Landesgesundheitsamtes vom 06.06.2007 und vom 30.07.2007 eine kausale Beziehung zu Emissionen aus
dem Betrieb der Beigeladenen fern liegt. Denn die den Stellungnahmen zugrunde liegenden Untersuchungen der Landesanstalt für
Umweltschutz zum Staubniederschlag aus der Luft und Analysen von Bodenproben haben keinen hinreichenden Anhalt für Emissionen von
Kobalt durch den Betrieb der Beigeladenen geliefert. Im Grunde bestätigen dies die Antragsteller, wenn sie in der Beschwerdebegründung
vortragen, bislang stehe weder fest, was genau die Kobaltbelastung verursacht habe bzw. wodurch Kobalt freigesetzt werde, noch seien die
gesundheitlichen Folgen einer Kobaltbelastung wissenschaftlich erforscht. Aus der von den Antragstellern noch vorgelegten Studie zur erhöhten
Sterblichkeit bei Mitarbeitern von Eisengießereien findet sich im Übrigen, worauf die Beigeladene zutreffend hingewiesen hat, kein Anhalt für
Kobaltemissionen aus Eisengießereien und einen entsprechenden Wirkungspfad. Hiernach dürfte es in Bezug auf die geltend gemachte
Kobaltbelastung schon an einer hinreichenden tatsächlichen Basis für die von Nr. 4.8 TA Luft bezweckte Prüfung fehlen, welche nach Nr. 4.8
Abs. 2 Buchst. a der Feststellung dient, zu welchen Einwirkungen die von der Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen im Beurteilungsgebiet
führen. Ergänzend bemerkt der Senat, dass die durchgeführten Untersuchungen des Landesgesundheitsamts und der Landesanstalt für
Umweltschutz der Sache nach einer Sonderfall-Prüfung nahe kommen dürften.
28 Nicht zu folgen vermag der Senat der in diesem Zusammenhang von den Antragstellern vertretene These, das von ihnen geltend gemachte
Fehlen der Bestandskraft der früheren immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen aus den Jahren 1980 und 1993 führe zu einer „Umkehrung
der Beweislast“ in Bezug auf die Unschädlichkeit der betrieblichen Emissionen. Bereits die Prämisse der Antragsteller dürfte nicht zutreffen, dass
die genannten älteren Genehmigungen ihnen gegenüber nicht in Bestandskraft erwachsen seien. Denn die Antragsteller haben nach Aktenlage
jedenfalls nicht fristgerecht Widerspruch gegen jene ältere Genehmigungen erhoben, obwohl deren Existenz, wie das Verwaltungsgericht und
der Antragsgegner sowie die Beigeladene zutreffend dargelegt haben, den Antragstellern jedenfalls im Jahre 2002 konkret bekannt geworden
ist. Dem Antragsteller Ziffer 2 ist die Genehmigung vom 26.02.1993 nach Aktenlage sogar mit Übergabeeinschreiben im Januar 2002
ausdrücklich bekanntgegeben worden, so dass ihm gegenüber im Falle zutreffender Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 70 Abs. 1 VwGO eine
Monatsfrist, ansonsten gemäß §§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 VwGO eine Jahresfrist für eine Widerspruchseinlegung in Lauf gesetzt wurde. Im Übrigen
hätten die Antragsteller, deren Grundstückserwerb nicht ohne Kenntnis des laufenden Betriebs der Beigeladenen vorstellbar ist - nach dem
unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners sind die Antragsteller Ziffer 1 und 2 seit 23.12.1986 und die Antragsteller Ziffer 3 und 4 seit
21.01.1999 Eigentümer der betreffenden Grundstücke - bereits damals vom Vorliegen einer den Betrieb gestattenden Genehmigung ausgehen
und sich nach deren Inhalt erkundigen können, wenn sie gegen den Betrieb hätten vorgehen wollen. Jedenfalls aber nach konkreter
Kenntniserlangung von der Existenz der früheren Genehmigungen z.B. durch die Übersendung des Besprechungsvermerks vom 11.10.2002 und
der nachtäglichen Anordnung vom 16.10.2002 hätten sie im Sinne einer Anstoßfunktion hinreichend Anlass gehabt, sich über den exakten Inhalt
der Genehmigungen zu informieren, und Gelegenheit, dagegen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Nach Treu und Glauben war dies in Anlehnung an §
58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres ab Kenntniserlangung vom Inhalt der Genehmigung bzw. ab dem Zeitpunkt, ab dem die Antragsteller
sich diese Kenntnis hätten verschaffen können, zu erwarten, eine wesentliche spätere Widerspruchseinlegung hingegen prozessual verwirkt (vgl.
außer der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung Kopp/Schenke, a.a.O., § 70 RdNr. 6h; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, Vor § 124 RdNr. 60, jeweils m.w.N.).
29 Dem Akteninhalt ist keine hinreichend klare Äußerung der Antragsteller zu entnehmen, welche mit der prozessrechtlich zu fordernden Klarheit -
unbeschadet der nicht auf die Verwendung des Begriffs „Widerspruch“ beschränkten Wortwahl - als Widerspruchseinlegung zu werten wäre. Die
Antragsteller haben sich darauf beschränkt, die Befolgung von Nebenbestimmungen zu den früheren Genehmigungen bzw. von nachträglichen
Anordnungen des Antragsgegners gegenüber der Beigeladenen einzufordern. Dies spricht dafür, dass die fraglichen Genehmigungen als
rechtlich existent vorausgesetzt wurden. Dem entsprechen auch Ausführungen in der Beschwerdebegründung, die Antragsteller wollten sich gar
nicht gegen die Genehmigung von 1993 wenden und den Rückbau des damals genehmigten Vorhabens verlangen bzw. die Rücknahme der
genehmigten Nutzung; es gehe ihnen lediglich darum zu verhindern, dass die seinerzeit erteilte Genehmigung nunmehr die Grundlage für eine
erneute Erweiterung bilden und darauf dann der Bestandsschutz gegründet werden solle. Schließlich führt auch der Hinweis darauf, dass sich
die Antragsteller bereits vor und nach 1993 häufig beim Antragsgegner über Immissionen aus dem Betrieb der Beigeladenen beschwert hätten,
insoweit nicht zu ihren Gunsten weiter. Diese Beschwerden waren vom Antragsgegner nicht ohne Weiteres als Widersprüche zu werten, sondern
wie geschehen als Aufforderungen zu Überprüfungen des Betriebsablaufs und ggf. zum Erlass nachträglicher Anordnungen.
30 Fehlt es mithin an einer rechtzeitigen Anfechtung der früheren Genehmigungen, so kann auch keine Rede davon sein, dass die nunmehr in Streit
stehende Änderungsgenehmigung vom 29.04.2008 eine „Legalisierung“ der alten Genehmigungen bewirken solle bzw. könne. Einer solchen als
konstitutiv gedachten nachträglichen rechtlichen Unterfütterung bedürfen nach dem Vorstehenden jene alten Genehmigungen zu ihrer
Wirksamkeit und Bestandskraft nicht. Prüfungsgegenstand bleibt daher allein die Änderungsgenehmigung vom 29.04.2008 als solche (in der
Fassung der Änderungsverfügungen vom 21.02. und 02.03.2011).
31 bb) Die Antragsteller dringen im Rahmen des vorliegenden Verfahrens im Ergebnis auch nicht mit ihren Angriffen gegen die vom
Verwaltungsgericht angenommene Vereinbarkeit der angefochtenen Änderungsgenehmigung mit der TA Lärm durch. Ob der Betrieb der
Beigeladenen den - gemäß Nr. 6 TA Lärm als Vorfrage für die Einschätzung der zumutbaren Geräuschimmissionsbelastung bedeutsamen -
Gebietscharakter mitprägt oder aber, wie die Antragsteller meinen, als Fremdkörper außer Betracht zu lassen ist, wird nötigenfalls erst in einem
Hauptsacheverfahren abschließend zu beurteilen sein (zu den Abgrenzungskriterien vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 23.86 -, BVerwGE
84, 322; Beschluss vom 23.12.1998 - 4 B 29.98 -, NuR 1999, 275; Urteil vom 07.12.2006 - 4 C 11.05 -, BVerwGE 127, 231; Brügelmann/Dürr,
BauGB, § 34 RdNr. 32 m.w.N.). Eine von den Antragstellern insoweit angeregte förmliche Beweisaufnahme insbesondere durch
Augenscheinseinnahme ist im vorliegenden Verfahren untunlich und ggf. einem Hauptsacheverfahren vorzubehalten, zumal sich durchaus
aussagekräftige Lagepläne und Angaben zur Art der Grundstücksnutzungen im fraglichen Bereich bei den Akten befinden (vgl. dazu
Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 RdNr. 125; Dawin in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 86 Fn. 246). Nach Aktenlage spricht nach
Auffassung des Senats einiges dafür, dass die vom Verwaltungsgericht und vom Antragsgegner herangezogenen Gesichtspunkte – (bisherige)
Gebäudegröße, Immissionen auf die nähere Umgebung, historischer Bestand des (wohl 1932 oder 1933 gegründeten, seit 1980
immissionsschutzrechtlich genehmigten) Betriebs, landwirtschaftlich genutzte Gebäude und im weiteren Umfeld befindliche weitere
Gewerbebetriebe sowie Festhalle, Feuerwehrgerätehaus und Gaststätte mit Kegelbahn - die Umgebung des Betriebs der Beigeladenen nicht als
insgesamt homogen strukturiert erscheinen lassen, etwa als (faktisches) allgemeines Wohngebiet. Je inhomogener aber ein Gebiet strukturiert ist
und je länger ein durch entsprechende Genehmigungen oder zumindest langjährige Duldung gedecktes Nebeneinander von an sich
konfliktträchtigen Nutzungen - im Sinne eines historisch gewachsenen Ensembles - besteht, umso weniger werden einzelne Nutzungen, etwa die
am stärksten störende oder aber auch eine besonders störungsempfindliche Nutzung, in dem betreffenden Bereich als Fremdkörper bei der
Qualifizierung des Gebietscharakters außer Betracht gelassen werden können. Die Unbeachtlichkeit von sogenannten Fremdkörpern ist als
Ausnahme grundsätzlich auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen ein bestimmtes Vorhaben in besonders krassem Widerspruch zu der
sonstigen, im Wesentlichen homogenen Bebauung steht und außerdem dieses Vorhaben keine größeren städtebaulichen Auswirkungen auf
seine Umgebung hat. Soweit das nicht der Fall ist, müssen auch Vorhaben berücksichtigt werden, die städtebaulich unerwünscht sind, weil sie
von der sonstigen Bebauung abweichen und städtebauliche Spannungen hervorrufen (vgl. Brügelmann/Dürr, a.a.O., m.w.N. zur
Rechtsprechung). Es ist dann Sache des Trägers der Bauleitplanung, eine Entflechtung der kollidierenden Nutzungen ins Auge zu fassen, zum
Beispiel durch eine entsprechende Überplanung des betreffenden Gebiets und/oder Schaffung von Anreizen und Beratung zur Verlagerung der
immissionsträchtigen Nutzungen in ein weniger störungsempfindliches Umfeld. Im vorliegenden Fall ist insbesondere auch die
Ausstrahlungswirkung der betrieblichen Emissionen zu bedenken, die über die Auswirkungen des reinen Baubestands auf die nähere
Umgebung hinausgeht (vgl. dazu auch die Anlehnung an das Beurteilungsgebiet nach Nr. 4.6.2.5 TA Luft 2002 bzw. Nr. 2.6.2.2 TA Luft 1986 in
der Rechtsprechung zur räumlichen Abgrenzung der Klagebefugnis gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, z.B. BayVGH, Urteil
vom 30.11.1988 – 20 A 86.40030 u.a. -, BayVBl 1989, 530).
32 Die zivilrechtliche Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der Ortsüblichkeit der Emissionen, auf die die Antragsteller unter Hinweis auf ein Urteil
des Landgerichts Offenburg vom 13.07.2010 abheben, ist auf die öffentlich-rechtliche Beurteilung des Gebietscharakters nicht ohne Weiteres
übertragbar. Die an das Immissionsniveau in der fraglichen Umgebung anknüpfende Frage der Ortsüblichkeit ist eine andere Fragestellung als
die nach der bauplanungsrechtlich prägenden Wirkung einer mit Emissionen verbundenen Grundstücksnutzung. Jedenfalls vermag der Senat
nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erkennen, dass der Betrieb der Beigeladenen als Fremdkörper bei der Beurteilung des
Gebietscharakters im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB auszuklammern wäre und dass die Eigenart der näheren Umgebung darüber hinaus
einem der Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung - wie von den Antragstellern geltend gemacht einem allgemeinen Wohngebiet -
entsprechen würde mit der Folge, dass daraus in Verbindung mit § 34 Abs. 2 BauGB ein Gebietserhaltungsanspruch gegenüber der
Beigeladenen abgeleitet werden könnte. Im übrigen könnte selbst bei Ausklammerung des Betriebs der Beigeladenen als Fremdkörper
angesichts der vorhandenen sonstigen Grundstücksnutzungen in Betracht zu ziehen sein, dass es sich um ein diffus geprägtes, nicht in den
Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 BauGB fallendes Gebiet handelt.
33 Ist hiernach im vorliegenden Verfahren eher von einer Gemengelage zwischen industrieller Nutzung und Wohnnutzung sowie sonstiger
gewerblicher und landwirtschaftlicher Nutzung auszugehen, so dürfte die auf einem Immissionsrichtwert von 60 db(A) basierende Beurteilung
des Vorhabens nach der TA Lärm in dem TÜV-Gutachten vom 12.06.2007 keinen durchgreifenden Bedenken begegnen (zur bei Gemengelagen
gebotenen Bildung eines Zwischenwerts vgl. Nr. 6.7 TA Lärm; BVerwG, Beschluss vom 12.09.2007 - 7 B 24.07 -, juris; Beschluss vom 28.09.1993
- 4 B 151.93 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 119). Dieser Wert stellt einen angemessenen Zwischenwert zwischen dem für allgemeine
Wohngebiete (gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d TA Lärm: 55 db(A)) und für Industriegebiete (gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. a TA Lärm: 70 db(A)
geltenden (Tages-)Immissionsrichtwert dar, der sich an dem für Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete geltenden Wert orientiert (Nr. 6.1
Satz 1 Buchst. c TA Lärm). Er wäre im übrigen wohl auch bei Ausklammerung des Betriebs der Beigeladenen und Annahme eines auch ohne
diesen diffus - mit Anteilen aus Wohnnutzung, landwirtschaftlicher und gewerblicher Nutzung - geprägten Gebietscharakters naheliegend.
34 Dem insoweit zunächst auch von den Antragstellern nicht in Zweifel gezogenen TÜV-Gutachten ist zu entnehmen, dass der Beurteilungspegel
von 60 db(A) und der nach Nr. 6.1 Satz 2 TA Lärm maximal zulässige, 30 db(A) höhere Spitzenpegel für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen an
allen 12 berechneten Immissionsorten unterschritten wird. Außer bei einem der 12 Immissionsorte - bei diesem handelt es sich mit 58 db(A)
allerdings um das Grundstück der Antragsteller Ziffer 1 und 2 - wird sogar der für allgemeine Wohngebiete maßgebliche Beurteilungspegel von
55 db(A) eingehalten und bei allen 12 Immissionsorten der entsprechend zulässige Spitzenpegel von 85 db(A). Soweit neuere Erkenntnisse in
Gestalt von Messergebnissen höhere, Grenzwerte überschreitende Lärmpegel ergeben, wird der Antragsgegner dem, wie nach seinem
Schriftsatz vom 02.03.2011 teilweise bereits geschehen, mit entsprechenden Auflagen zu begegnen haben.
35 Der ergänzenden Anforderung in Nr. 6.7 TA Lärm dürfte das genehmigte Vorhaben im Ansatz entsprechen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein
Gebiet mit erhöhter Schutzwürdigkeit nur in einer Richtung zur Anlage liegt, dem durch die Anordnung der Anlage auf dem Betriebsgrundstück
und die Nutzung von Abschirmungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen. Die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang vorgebrachte
Kritik an der Annahme des Verwaltungsgerichts, das TÜV-Gutachten belege schlüssig, dass die Änderungsgenehmigung jedenfalls keine
Verschlechterung der Lärmsituation für die Antragsteller mit sich bringe, erscheint schwerlich berechtigt. Der Antragsgegner und die Beigeladene
haben insoweit plausibel insbesondere auf eine Verlagerung von lärm- und erschütterungsintensiven Arbeitsvorgängen in die neue, bessere
Dämmwerte aufweisende Halle 3 hingewiesen. Freilich dürfte das Verbesserungspotential, etwa in Bezug auf weitere
Abschirmungsmöglichkeiten, wie sie auch in der Erörterungsverhandlung des Senats erwogen wurden, noch nicht erschöpft sein. Es wird
Aufgabe des Antragsgegners im Widerspruchsverfahren sein, solche weiteren Möglichkeiten und ggf. den Erlass sachdienlicher nachträglicher
Anordnungen zu prüfen. Dazu gehört auch die Überprüfung und gegebenenfalls Berücksichtigung der von den Antragstellern in der
Erörterungsverhandlung geltend gemachten akustischen Reflektionswirkungen der Südwand der Halle 3 auf die Grundstücke der Antragsteller.
36 cc) Die Antragsteller beanstanden zu Unrecht, dass das Verwaltungsgericht den Verzicht des Antragsgegners auf eine gutachtliche Beurteilung
von - dem Änderungsvorhaben zuzurechnenden - Geruchsimmissionen, etwa nach der Geruchsimmissions-Richtlinie des Länderausschusses
Immissionsschutz – GIRL (abgedruckt bei Ule/Laubinger, BImSchG, LAI 52), gebilligt hat. Für eine solche Gutachtenerhebung bestand nach
Aktenlage kein hinreichender Anlass. Ein solcher ist von den Antragstellern auch im Beschwerdeverfahren nicht dargetan worden. Zum einen
haben Antragsgegner und Beigeladene unwidersprochen vorgetragen, dass stichprobenartige Überprüfungen seitens des
Gewerbeaufsichtsamtes in der Vergangenheit keine betriebsbedingten Geruchsbeeinträchtigungen ergeben hätten. Zwar mag dies nicht
ausschließen, dass gelegentlich doch Geruchsbelästigungen auftreten. Das Verwaltungsgericht hat seine Einschätzung, die von den
Antragstellern gerügten Geruchsimmissionen würden durch die genehmigte Betriebsänderung jedenfalls nicht verstärkt bzw. verschlimmert, aber
plausibel mit den entsprechend zu erwartenden betrieblichen Veränderungen begründet. Dem sind die Antragsteller nicht substantiiert
entgegengetreten.
37 b) Das Verwaltungsgericht dürfte entgegen dem Beschwerdevorbringen auch zu Recht angenommen haben, dass die angefochtene
Änderungsgenehmigung nicht zum Nachteil der Antragsteller gegen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2
BImSchG verstößt, insbesondere nicht gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts.
38 aa) In bauplanungsrechtlicher Hinsicht scheitert der mit der Beschwerde geltend gemachte Gebietserhaltungsanspruch aus § 34 Abs. 2 BauGB
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit daran, dass die nähere Umgebung nicht einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten
Baugebiete entspricht, insbesondere nicht einem allgemeinen Wohngebiet. Hierzu wird auf die obigen einschlägigen Ausführungen verwiesen.
39 Soweit die Antragsteller in Bezug auf die Anwendung des § 34 Abs. 3a BauGB die Annahme des Verwaltungsgerichts rügen, der Antragsteller
habe das in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen auch tatsächlich ausgeübt, dringen sie damit nicht durch. Zwar ist ihnen zuzugestehen, dass
sich in der Begründung der angefochtenen Änderungsgenehmigung keine expliziten Ausführungen zur Ermessensbetätigung finden. Insoweit ist
jedoch mit Blick auf die Normstruktur zu beachten, dass der Ausgleich der verschiedenen öffentlichen und privaten Interessen bereits im Rahmen
der Prüfung der städtebaulichen Vertretbarkeit und der Berücksichtigung nachbarlicher Interessen zu erfolgen hat und deshalb für eine darüber
hinausgehende Ermessensentscheidung nur noch ein sehr eingeschränkter Bereich verbleibt. Wenn eine Befreiung städtebaulich vertretbar ist
und nachbarliche Interessen nicht entgegenstehen, kann es bei der Ermessensbetätigung im Grunde nur noch um den Umfang der Abweichung
von den Anforderungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehen (vgl. Brügelmann/Dürr, BauGB, § 34 RdNr. 107 l). Immerhin hat der Antragsgegner
in der Begründung des angefochtenen Bescheids (S. 20) die Erwägung einer Reduktion der Erschütterungs- und Geräuschimmissionen
angestellt, die gewiss primär auf die genannten Tatbestandsvoraussetzungen zu beziehen ist, nach dem Gesagten jedoch auch in den Bereich
der Ermessensbetätigung hineinreicht. Im Übrigen könnte ein Ermessensausfall noch im Widerspruchsverfahren durch die Widerspruchsbehörde
beseitigt werden.
40 Einen von den Antragstellern im Gegensatz zum Verwaltungsgericht angenommenen Verstoß gegen das in § 34 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 BauGB
inkorporierte Rücksichtnahmegebot vermag der Senat nicht zu erkennen. Hinsichtlich der im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m.
den technischen Regelwerken geprüften Immissionen gilt das hierzu oben bereits Ausgeführte mit der Maßgabe, dass die Einhaltung der in der
TA Luft und der TA Lärm geregelten Grenzwerte insoweit auch die Wahrung des Rücksichtnahmegebots indiziert; denn das Bebauungsrecht
vermittelt gegenüber schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG keinen andersartigen oder weitergehenden
Nachbarschutz als § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1992 - 7 C 7.92 -, DVBl. 1993, 111). Für eine
Ausnahmekonstellation, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen könnte, ist hier nichts ersichtlich. Der Hinweis der
Antragsteller, der in der TA Luft festgelegte Grenzwert für Staubimmissionen entspreche nicht dem Stand der Technik, ist zum einen
unsubstantiiert geblieben. Zum anderen ist in diesem Zusammenhang auch die mit der Verfügung des Antragsgegners vom 21.02.2011 erfolgte
Reduzierung des von der Beigeladenen einzuhaltenden Staubkonzentrations-Grenzwerts auf 9 mg/cbm zu berücksichtigen.
41 Soweit die Antragsteller einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot mit Blick auf die bauliche Erweiterung des Betriebs durch die neue
Halle 3 rügen, weil dieses Gebäude eine erdrückende, abriegelnde Wirkung entfalte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach dem eigenen
Vortrag der Antragsteller beträgt der geringste Abstand der Halle 3 zum Grundstück der Antragsteller 41 m, zum Gebäude 45 m; die Höhe der
Halle 3 beträgt nach den genehmigten Plänen weniger als 11 m. Dies sind räumliche Dimensionen, die keineswegs mit den Konstellationen
vergleichbar sind, in denen die Rechtsprechung trotz der - hier evidenten - Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften
ausnahmsweise eine für die Nachbarschaft erdrückende oder einmauernde Wirkung von Bauvorhaben angenommen hat. Das
Verwaltungsgericht hat insoweit auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Halle 3 zu einem großen Teil bereits bestehende Gebäudeteile
integriert und miteinander verbindet.
42 Ohne Erfolg macht die Beschwerde weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe eine im Sinne des Rücksichtnahmegebots unzulässige
erdrückende Wirkung des nächstgelegenen Kamins (Quelle 1) verkannt. Zwar trifft es auch in diesem Zusammenhang zu, dass die unstreitig
gegebene Wahrung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nur im Regelfall eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots
ausschließt. Für die Annahme einer Ausnahmekonstellation fehlen nach Aktenlage aber auch hier hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte. Der
von den Antragstellern gezogene Vergleich zu Windkraftanlagen ist wegen der bedeutsamen tatsächlichen Unterschiede zwischen diesen und
einem Kamin unergiebig, damit auch die von den Antragstellern herangezogene, unter dem Blickwinkel des Rücksichtnahmegebots zu
Windkraftanlagen ergangene Rechtsprechung. Die störende Wirkung von Windkraftanlagen basiert, worauf der Antragsgegner zutreffend
hingewiesen hat, vor allem auf der durch die Rotoren erzeugten Breitenwirkung sowie dem durch die Rotorbewegungen herbeigeführten
optischen Unruhefaktor. Bei den Maßen des Kamins (ca. 21,20 m Höhe, 1 m Durchmesser) liegt auch nach Auffassung des Senats die Annahme
einer erdrückenden Wirkung eher fern.
43 Die bauplanungsrechtliche Anmerkung der Antragsteller, die grenzständige Halle 1 verstoße gegen § 34 Abs. 1 BauGB, weil sie die in der
näheren Umgebung vorherrschende offene Bauweise missachte, bedarf keiner näheren Erörterung. § 34 BauGB vermittelt insoweit keinen
Nachbarschutz.
44 bb) Die bauordnungsrechtlich orientierte Kritik der Antragsteller am angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts erweist sich nicht als
stichhaltig. Ein im vorliegenden Genehmigungsverfahren relevanter Verstoß gegen die Abstandsflächenflächenvorschrift des § 5 LBO liegt nicht
vor. Die Abstandsflächenproblematik wird durch die von der Beigeladenen beantragte Änderung der Betriebsabläufe insbesondere für die Halle
1 nicht neu aufgeworfen. Denn die Umstrukturierung des Betriebsablaufs in Halle 1 führt, wie der Antragsgegner zu Recht darlegt, nicht zu einer
Verschlechterung der Immissionssituation für die Nachbarschaft, sondern es wird mit dem Modelllager künftig eine deutlich emissionsärmere
Nutzung angesiedelt. Nur nachteiligere Auswirkungen auf die Nachbargrundstücke können aber dazu führen, dass die Abstandsflächenfrage bei
unverändertem Baubestand neu zu stellen und zu beantworten ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.09.1998 - 8 S 2137/98 -,
VBlBW 1999, 26).
II.
45 Nach allem spricht die obige rechtliche Beurteilung (I) für die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheids.
Besondere Umstände, die gleichwohl, etwa wegen bis zur rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung durch die Realisierung der Genehmigung
eintretender gravierender (unzumutbarer bzw. irreparabler) Nachteile, eine Suspendierung des Genehmigungsbescheids nahe legten, vermag
der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht nicht zu erkennen. Auch nach der Einschätzung des Senats führt die Ausnutzung der
Genehmigung insgesamt jedenfalls nicht zu einer Verschlechterung der Immissionssituation für die Antragsteller, sondern eher zu einer
Verbesserung, z.B. durch die Verlagerung emissionsträchtiger Arbeitsvorgänge in die weiter von den Grundstücken der Antragsteller entfernte
neue Halle 3. Die diesbezüglichen überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Seiten 3 f., 13 des Beschlussabdrucks) haben die
Antragsteller nicht durchschlagend zu erschüttern vermocht. Die zuletzt geäußerte Besorgnis der Antragsteller, infolge der mit der
Änderungsverfügung vom 02.03.2011 angeordneten Stilllegung der Beschichtungsanlage sei zu erwarten, dass die Gussteile wieder wie früher
ohne Emissionserfassung beschichtet würden, wird der Antragsgegner im Widerspruchsverfahren aufzugreifen haben.
46 Selbst wenn die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Widerspruchsverfahren bzw. einem etwaigen anschließenden Hauptsacheverfahren als
offen anzusehen wären, würde eine Interessenabwägung im engeren Sinne wohl dazu führen, die sofortige Vollziehbarkeit der
Änderungsgenehmigung einstweilen bestehen zu lassen. Das verständliche Schutzanliegen der Antragsteller erfährt insofern eine gewisse
Relativierung, als es sich um eine historisch gewachsene Gemengelage handelt und die Antragsteller sich in Bezug auf Luft- und Lärmbelastung
in eine durch den bestehenden Betrieb vorbelastete Situation hineinbegeben haben dürften. Die Folgen einer die Änderungsgenehmigung
suspendierenden Entscheidung wären für die Beigeladene, wie sie in der Erörterungsverhandlung sinngemäß geltend gemacht hat,
voraussichtlich schwerwiegend, nachdem sie in (rechtmäßiger) Ausnutzung der sofortigen Vollziehbarkeit der Änderungsgenehmigung die
entsprechenden baulichen Maßnahmen getätigt hat und deren Nutzung kaum ohne Gefährdung des Betriebs suspendiert werden könnten. Dies
ändert nichts daran, dass die Beigeladene im Falle einer etwaigen rechtskräftigen Aufhebung der Änderungsgenehmigung die Folgen zu tragen
hätte, wozu ggf. auch die Erfüllung der dem Antragsgegner gegenüber eingegangenen Rückbauverpflichtung gehört.
III.
47 Ungeachtet dessen hat der Senat erwogen, die zu Gunsten der Beigeladenen wirkende Antragsablehnung zugleich mit Auflagen gegenüber der
Beigeladenen zu versehen, wie sie etwa Gegenstand des im Anschluss an den Erörterungstermin unterbreiteten Vergleichsvorschlags nach §
106 VwGO gewesen sind. Der Senat hat hiervon aus Rechtsgründen abgesehen, da nach herrschender Auffassung Auflagen nach § 80 Abs. 5
S. 4 VwGO nur gegenüber den Hauptbeteiligten zulässig und im Übrigen nicht selbständig vollstreckbar sind, sondern bei Nichtbefolgung nur
Anlass für eine Abänderungsentscheidung nach § 80 Abs. 7 VwGO geben können (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 RdNrn. 169, 207;
Eyermann/Schmidt, a.a.O., § 80 RdNrn. 88 ff., jeweils m.w.N.). Er hält es jedoch für geboten, dass der Antragsgegner im Widerspruchsverfahren
die im Erörterungstermin angeschnittenen Fragen aufgreift, insbesondere die letztlich von der Beigeladenen nicht in Abrede gestellten, infolge
Undichtigkeiten in Dach und Wänden aus der Halle 1 unkontrolliert - soweit nicht von den Quellen 1 und 2 erfasst - entweichenden Emissionen.
Denn unbeschadet der obigen summarischen bauplanungsrechtlichen Einschätzung als Gemengelage steht außer Frage, dass die hier
vorgefundene bodenrechtliche Konstellation permanentes Konfliktpotential enthält, das nur durch Ausschöpfung des rechtlichen
Instrumentariums zur Minderung der wechselseitigen Beeinträchtigungen in akzeptablen Grenzen gehalten werden kann. Zur Ausschöpfung
dieses Instrumentariums einschließlich der zwangsweisen Durchsetzung z.B. von nachträglichen Auflagen nach § 17 BImSchG und Maßnahmen
nach §§ 26 ff. BImSchG besteht gegenüber der Beigeladenen Anlass, die es in der Vergangenheit mehrfach an Kooperationsbereitschaft und an
Information der zuständigen Behörde wie auch der Antragsteller über betriebliche Änderungen oder Störfälle hat fehlen lassen. Dass die
Antragsteller und die Beigeladene selbst im Sinne des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses und des Rücksichtnahmegebots das ihrerseits
Mögliche und Erforderliche zu einer erträglichen Gestaltung der Gemengelage beitragen, solange die bauplanungsrechtliche Konstellation
fortbesteht und keine Verlagerung des Betriebs in ein geeigneteres Umfeld gelingt, liegt nach Auffassung des Senats in ihrem ureigensten
Interesse.
IV.
48 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 159 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Für eine
Kostenbeteiligung des Antragsgegners bzw. der Beigeladenen sieht der Senat keine hinreichende rechtliche Grundlage. Mit den
Änderungsverfügungen vom 21.02. und 02.03.2011 hat der Antragsgegner von seiner Dispositionsbefugnis Gebrauch gemacht, die angegriffene
Änderungsgenehmigung in im Laufe des Verfahrens als rechtlich problematisch erkannten Punkten zu ändern statt sehenden Auges eine
Suspendierung der Genehmigung und den Prozessverlust in Kauf zu nehmen. Dies kann angesichts der verfassungsrechtlichen Bindung auch
der Verwaltungsbehörden an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG), die sie in jeder Lage des Verfahrens zu beachten haben, nicht beanstandet
oder gar als schuldhafte Kostenverursachung etwa im Sinne des § 155 Abs. 4 VwGO gewertet werden. Es hätte den Antragstellern freigestanden,
auf die Änderungsverfügungen hin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Im Falle der dann zu erwartenden
entsprechenden Erledigungserklärungen der anderen Beteiligten wäre eine Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO unter
Berücksichtigung des bisherigen Streitstands zu treffen gewesen, die auch eine Anknüpfung an die Herbeiführung der Erledigung in der Sphäre
des Antragsgegners bzw. der Beigeladenen erlaubt hätte. Da die Antragsteller jedoch ungeachtet der Änderungsverfügungen den Rechtsstreit -
mit prozeduraler wie inhaltlicher Kritik an diesen Verfügungen - fortgeführt haben, muss es sein Bewenden mit der Anwendung der oben
genannten Kostenvorschriften haben.
49 Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren stützt sich auf § 63 Abs. 3, § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 2.2.2, 1.1.3 und 1.5
des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (VBlBW 2004, 467).
50 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.