Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 12.11.2009
VGH Baden-Württemberg: grundstück, erlass des beitrags, kläranlage, satzung, stadt, bad, entsorgung, vergleich, klageänderung, eigentümer
VGH Baden-Württemberg Urteil vom 12.11.2009, 2 S 434/07
Verteilungsmaßstab für die Erhebung eines Abwasserbeitrags
Leitsätze
1. Verteilungsmaßstäbe, die im Rahmen der Erhebung eines Anschlussbeitrags auf das Maß der zulässigen Grundstücksnutzung abheben, sind
vorteilsgerechte Maßstäbe, weil der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks - und damit der beitragsrechtliche Vorteil - im Wesentlichen
von dem Maß der zulässigen baulichen Nutzung abhängt (st. Rspr.).
2. Bei Grundstücken, die als Frachtzentrum eines Flughafens genutzt werden, liegt im Hinblick auf die Entwässerung der Grundstücke keine
atypische Vorteilssituation vor, die es rechtfertigt, die Höhe des Abwasserbeitrags nach einem anderen Maßstab als bei Grundstücken, die eine
Wohnnutzung oder sonstige gewerbliche Nutzung aufweisen, festzusetzen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2006 - 2 K 1247/05 - wird nach Maßgabe des
geänderten Klageantrags zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin, die Betreiberin des Flughafens ..., wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Abwasserbeitrag.
2
Die Klägerin ist u. a. Eigentümerin des 5.162 qm großen Grundstücks Flst.-Nr. ... auf der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück war früher
Teil eines größeren Grundstücks Flst.-Nr. ... mit ca. 150.000 m², das von den amerikanischen Streitkräften militärisch genutzt wurde. Das
Grundstück war damals mit einem Verwaltungs- und Mannschaftsgebäude, einem Hangar und verschiedenen Nebeneinrichtungen bebaut.
3
Mit Schreiben vom 17.05.1988 forderte die Beklagte von den amerikanischen Streitkräften - Direktor of Engineering & Housing, Greater Stuttgart
Military Community - auf der Grundlage ihrer Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 12.12.1993 für das Verwaltungs- und
Unterkunftsgebäude im militärischen Teil des Flughafens einen Abwasserbeitrag in Höhe von insgesamt 124.772,-- DM an. Mit weiterem
Schreiben vom 24.05.1988 - gerichtet an das Bundesvermögensamt Stuttgart - erläuterte die Beklagte, dass mit Schreiben vom 17.05.1988 für
das genannte Verwaltungs- und Unterkunftsgebäude ein Abwasserbeitrag auf der Basis einer Baumasse von 18.626 m³, einer überbauten
Grundstücksfläche von 3.012 m², von zwei Vollgeschossen und einer Geschossflächenzahl von 0,8 angefordert und bezahlt worden sei.
4
Das streitbefangene Grundstück befindet sich heute im Areal des sog. „Frachtzentrums Süd“ des Flughafens ... das zusammen mit einer Reihe
weiterer Grundstücke Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000 war. Der
Planfeststellungsbeschluss setzt für den das Grundstück erfassenden Bereich ein Sondergebiet für flughafenbezogene Nutzungen,
Luftfahrtbetriebe, Flugbetriebsflächen, Fracht, Dienstleistung und Parkierung, eine Grundflächenzahl von 1,0 sowie eine Baumassenzahl von 9,0
fest. Nach der Umnutzung ist der Westflügel des ehemaligen Mannschaftsgebäudes erhalten geblieben und in die Neubauten des
Frachtzentrums Süd integriert worden; die beiden anderen Flügel des ehemaligen Mannschaftsgebäudes sind abgerissen und durch Neubauten
ersetzt worden.
5
Der Flughafen ... verfügte bereits vor der Umnutzung der ehemals militärisch genutzten Flächen auf der Flughafensüdseite über ein
Entwässerungssystem, das die auf dem Rollfeld, den Rollwegen und der Start- und Landebahn anfallenden Enteisungsabwässer sammelte und
der Kläranlage der Stadt Stuttgart zuleitete. Die Errichtung dieses Entwässerungssystems vereinbarten u. a. die Klägerin, die Beklagte und die
Stadt Stuttgart mit öffentlich-rechtlichem Vertrag vom 17.08.1993. Im Zuge dieser Vereinbarung errichtete die Klägerin auf eigene Kosten auf
ihrem Areal ein eigenes Entwässerungssystem mit einem mehrere Kilometer langen Zuleitungskanal zum Klärwerk der Stadt Stuttgart und sie
beteiligte sich auch an den Kosten der durch die Behandlung der Enteisungsabwässer notwendigen Ertüchtigung des Klärwerks.
6
Nach Umnutzung der Flughafensüdseite und der damit verbundenen Verlagerung des bis dahin auf der Flughafennordseite angesiedelten
Frachtbereichs nach Süden erfolgt die Entsorgung des gesamten Oberflächenwassers der Flughafensüdseite auf der Basis des
Planfeststellungsbeschlusses vom 20.09.1999/ 10.11.2000 in die Kläranlage der Stadt Stuttgart. Nach dem Erläuterungsbericht zum
Planfeststellungsantrag vom 29.06.1998 ist für die Oberflächenentwässerung der Flughafensüdseite die Ausnutzung der vorhandenen Reserven
des Gesamtentwässerungssystems des Flughafens vorgesehen. Dafür wird das Oberflächenwasser im Sommerbetrieb über verschiedene
Regenrückhaltebecken bzw. Regenklärbecken gesammelt und gepuffert einem Vorfluter zugeleitet. Im Winterbetrieb kann dieses - dann mit
glykolhaltigen Enteisungsmitteln versetzte - Oberflächenwasser nicht direkt in den Vorfluter eingeleitet werden, sondern wird über das
Flughafenentwässerungssystem zusammen mit den Abflüssen von der Start- und Landeplan und den Rollbahnen einem besonderen
Speicherbauwerk zugeführt und anschließend zur Weiterbehandlung der Kläranlage der Stadt Stuttgart zugeleitet.
7
Im Hinblick auf die dargestellte Entsorgung des kompletten Oberflächenwassers in der Kläranlage Stuttgart sieht die hier einschlägige
Abwassersatzung der Beklagten vom 16.06.2003 getrennte Abwasserbeitragssätze für Grundstücke, die nur über die Möglichkeit verfügen,
Schmutzwasser einzuleiten, vor (§ 32 Abs. 2 der Satzung).
8
Mit Bescheiden vom 14.01.2004 zog die Beklagte die Klägerin für das streitgegenständliche Grundstück Flst.-Nr. ... im Wege der
Nachveranlagung wegen erhöhter baulicher Ausnutzbarkeit zu einem Abwasserbeitrag (Schmutzwasserbeitrag) für Kanalisation und Klärwerk in
Höhe von 68.063,20 EUR heran. Den dagegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch vom 29.01.2004 wies die Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 zurück.
9
Die Klägerin hat am 12.04.2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Antrag, den Abwasserbeitragsbescheid vom
14.01.2007 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 aufzuheben, und zur Begründung geltend gemacht: Die
vorgenommene Nachveranlagung verstoße gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, weil bereits die als Beitragsbescheid
zu wertende „Rechnung“ vom 17.05.1988, die gegenüber den amerikanischen Streitkräften ergangen sei, einer Nacherhebung entgegenstehe.
Darüber hinaus führe die mit Planfeststellungsbeschluss zugelassene Erhöhung des Nutzungsmaßes für das streitgegenständliche Grundstück
nicht dazu, dass diesem Grundstück ein beitragsrechtlich relevanter weiterer Vorteil zuteil würde.
10 Ein relevanter Vorteil im Beitragsrecht für leitungsgebundene Anlagen liege nach allgemeiner Auffassung darin, dass für die angeschlossenen
oder anschließbaren Grundstücke ein Gebrauchsvorteil durch die Anschlussmöglichkeit entstehe, weil die anschließbaren Grundstücke das
anfallende Abwasser beseitigen und sich mit Frischwasser versorgen könnten. Durch diese Anschlussmöglichkeit steige die bauliche Nutzbarkeit
des Grundstücks, was wiederum den Gebrauchswert des Grundstücks steigere. Bei dem Problem der Quantifizierbarkeit dieses wirtschaftlichen
Vorteils behelfe sich das Beitragsrecht damit, dass ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werde, mit dessen Hilfe in Relation zum Ausmaß der
wahrscheinlichen (also erfahrungsgemäß zu erwartenden) Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung der Vorteil abgegriffen werden solle.
Die üblichen (auch in der Abwassersatzung der Beklagten enthaltenen) Beitragsmaßstäbe stellten danach grundstücksbezogene
Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe dar, die durch Bezugnahme auf Art und Maß der zulässigen baulichen Nutzung die - unterstellte - Steigerung des
Gebrauchswerts des Grundstücks mit zunehmender Intensität der baulichen Nutzbarkeit und folglich zunehmender Intensität der
Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung zu erfassen versuchten. Vor diesem rechtlichen Hintergrund sei aber der dem
Wahrscheinlichkeitsmaßstab gedanklich zugrunde liegende Zusammenhang zwischen der Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks
und der Inanspruchnahmemöglichkeit der öffentlichen Einrichtung im hier zu beurteilenden Fall nicht gegeben. Denn nach Aufsiedelung der
Flughafensüdseite mit dem Frachtzentrum der Klägerin werde die öffentliche Einrichtung der Beklagten in wesentlich geringerem Ausmaß in
Anspruch genommen als dies vor der Umnutzung der ehemals militärisch genutzten Flächen der Fall gewesen sei. Schon im Erläuterungsbericht
zum Planfeststellungsantrag werde festgehalten, dass die Einleitungsmengen für das häusliche Abwasser unterhalb der Werte liegen würden,
die von den US-Streitkräften an die Ortskanalisation der Beklagten übergeben worden seien. Danach würden statt 20,9 l/sec. zu Zeiten der
militärischen Nutzung des Geländes seit Aufsiedelung des Frachtzentrums nur noch 12 l/sec. häusliches Abwasser in den
Entwässerungsanlagen der Beklagten entsorgt. Schon diese Sondersituation, die durch die eindeutige Nutzungsfestlegung im
Planfeststellungsbeschluss hervorgerufen werde, führe dazu, dass der Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht anwendbar sei.
11 Darüber hinaus verfüge die Klägerin nicht über eine vollwertige Anschlussmöglichkeit ihrer Grundstücke an die Schmutzwasserentwässerung
der Beklagten. Das Oberflächenwasser, das auf dem Areal der Klägerin (auch auf dem Vorfeld vor dem Frachtzentrum Süd und damit auf
Gemarkung der Beklagten) anfalle, werde im Winter mit Enteisungsmitteln versetzt, die gewährleisteten, dass die Rollflächen und Vorfelder und
die Flugzeuge selbst nicht vereisen könnten. Werde aber das Oberflächenwasser in dieser Form mit Enteisungsmitteln versetzt, so unterfalle es
dem Abwasserbegriff nach § 45 a Abs. 3 WG, gelte also als Schmutzwasser im Sinne der Satzung der Beklagten. Da die Beklagte technisch nicht
in der Lage wäre, das anfallende Enteisungsabwasser in ihren eigenen Anlagen zu behandeln und zu reinigen, würde dieses
Enteisungsabwasser in der Kläranlage der Stadt Stuttgart entsorgt. Die Klägerin habe sich zur Sicherstellung der schadlosen Beseitigung dieses
Abwassers auch an den Investitionskosten für den Ausbau dieses Klärwerks beteiligt und vom Flughafen dorthin eine Leitung gebaut. Deshalb
löse allein die Möglichkeit, die anfallenden geringen Mengen häuslichen Abwassers der Flughafensüdseite in die Anlagen der Beklagten
abzuleiten, nicht den vollen beitragsrechtlich relevanten Vorteil aus. Die höhere Intensität der baulichen Nutzung der Flughafensüdseite habe
mithin keine Auswirkungen auf die öffentliche Einrichtung der Beklagten. Der gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der auch hier auf das Maß
der baulichen Nutzungsmöglichkeit abhebe, werde aufgrund der Atypik (erheblich größere bauliche Ausnutzung des Grundstücks und damit
einhergehend geringere Benutzung der öffentlichen Einrichtung) dem vorliegenden Fall nicht gerecht. Er lasse sich auch nicht durch Verweis auf
die „Typengerechtigkeit“ des Beitragsmaßstabs rechtfertigen. Es liege keine in diesem Sinne vernachlässigungsfähige „Atypik“ mehr vor, da das
Flughafengelände 6,4 % der Gesamtbemessungsfläche auf der Gemarkung der Beklagten ausmache. Nach alledem sei der Bescheid
rechtswidrig, weil die Satzung keinen Maßstab für die atypische Situation der Flughafengrundstücke vorsehe.
12 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert: Der beitragsrechtliche Vorteil bestehe in der Wertsteigerung eines Grundstücks,
die sich aus der Anschlussmöglichkeit und der daraus resultierenden Bebaubarkeit ergebe. Ein Grundstück mit hoher baulicher Nutzbarkeit habe
daher grundsätzlich auch dann einen hohen Vorteil von der Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung, wenn die intensive bauliche
Nutzbarkeit nicht mit einem entsprechend hohen Bedarf hinsichtlich der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung einhergehe. Die hier zu
Beiträgen herangezogenen Grundstücke besäßen wegen der aufgrund der leitungsmäßigen Erschließung bestehenden baulichen
Nutzungsmöglichkeiten zweifellos einen erheblichen wirtschaftlichen Wert. Dieser Wert bestehe unabhängig davon, ob für die Flughafennutzung
im Vergleich zum Maß der Nutzbarkeit viel oder wenig Wasser benötigt werde bzw. viel oder wenig Abwasser anfalle. Daran vermöge auch der
Umstand, dass auf den betreffenden Grundstücken planungsrechtlich keine andere Nutzungsart zulässig sei, nichts zu ändern.
13 Die Behauptung der Klägerin, die vermeintlichen Besonderheiten des Falles dürften wegen des hohen Anteils der Flughafenflächen an der
Gesamtbemessungsfläche der Globalberechnung nicht mehr unter dem Aspekt der Typengerechtigkeit vernachlässigt werden, überzeuge schon
bereits deshalb nicht, weil der Anteil der Flughafenfläche an der Gesamtfläche (6,4 %) unter der nach ständiger Rechtsprechung anerkannten
Typisierungsgrenze von 10 % liege.
14 Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehe für die Schmutzwasserbeseitigung auch eine vollwertige Anschlussmöglichkeit. Denn das im
Winter anfallende Enteisungsabwasser sei nicht als Schmutzwasser, sondern als Niederschlagswasser zu qualifizieren. Selbst wenn das
Enteisungsabwasser aber als Schmutzwasser anzusehen wäre, führe dies nicht zwangsläufig zu einem in der städtischen Abwassersatzung
nicht berücksichtigten beitragsrechtlichen Mindervorteil. Die Satzung sehe zwar lediglich für diejenigen Grundstücke einen geringeren
Beitragssatz vor, von denen nur Schmutzwasser eingeleitet werden dürfe und differenziere nicht danach, ob das gesamte Schmutzwasser oder
nur eine Teilmenge eingeleitet werden könne. Im vorliegenden Fall sei aber zu beachten, dass das Enteisungsabwasser des Flughafens
unbestritten derart stark verschmutzt sei, dass es von der Beklagten nicht ohne eine (mit erheblichen Mehrkosten verbundene) Erweiterung ihrer
Abwasserbeseitigungsanlagen hätte behandelt und gereinigt werden können. Für solche Fälle sehe die Satzung in § 7 die Möglichkeit eines
Ausschlusses von der Abwasserbeseitigung oder eine Möglichkeit zum Abschluss einer Mehrkostenvereinbarung vor, durch die der
Grundstückseigentümer die für den Bau und Betrieb der öffentlichen Abwasseranlagen entstehenden Mehrkosten übernehme. Solche
Mehrkostenvereinbarungen ließen das Beitragsschuldverhältnis aber unberührt. Dies bedeute, dass die vereinbarte Erstattung der Mehrkosten
zusätzlich zum satzungsmäßigen Beitrag zu leisten wäre. Dadurch werde ersichtlich, dass der „normale“ Schmutzwasserbeitrag nur für den von
der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung gebotenen „normalen“ Vorteil erhoben werde. Dies entspreche im vorliegenden Fall der
Möglichkeit, das auf dem Flughafengelände anfallende häusliche Abwasser einzuleiten.
15 Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 12.12.2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt: Die Klägerin wende
erfolglos ein, dass eine Nachveranlagung ausnahmsweise wegen eines fehlenden tatsächlichen Vorteils ausgeschlossen sei. Der
Planfeststellungsbeschluss lege nicht fest, dass höhere Abwassermengen durch die dort vorgesehene Bebauung gegenüber dem vorigen
Zustand nicht zugelassen würden. Im Übrigen sei die tatsächlich eingeleitete Abwassermenge für die Bemessung des beitragsrechtlichen
Vorteils - im vorliegenden Falle des erhöhten nachveranlagten Vorteils - unerheblich. Vielmehr komme es nur auf die sich im Regelfall auf den
Verkehrswert eines Grundstücks auswirkende erhöhte bauliche Nutzbarkeit an. Diese liege bei der deutlichen Erhöhung der
Geschossflächenzahl von zuvor 0,8 auf jetzt 2,57 offensichtlich vor.
16 Der Klägerin sei auch nicht darin zu folgen, dass die durch den Planfeststellungsbeschluss genau festgelegte Bebauung einen geringeren
Vorteil biete als die durch einen Bebauungsplan ermöglichte bauliche Nutzung. Zwar sei die Klägerin an die im Planfeststellungsbeschluss
festgesetzten (eingeschränkten) Nutzungsmöglichkeiten gebunden. Dies liege in der Natur der Sache. Der Planfeststellungsbeschluss setze
gerade eine maßgeschneiderte Nutzung entsprechend den Anträgen und Bedürfnissen der Klägerin fest. Dies gelte gerade auch für die auf dem
streitgegenständlichen Grundstück festgesetzte Baumassenzahl. Zudem sei mit der Planfeststellung allenfalls die Nutzungsart, nicht jedoch das
Nutzungsmaß in einer Weise eingeschränkt, die einen erhöhten Vorteil in Frage stellen könne.
17 Die weitere Einwendung der Klägerin, ihr Vorteil sei auch dadurch eingeschränkt, dass sie lediglich häusliches Schmutzwasser und kein
Oberflächenwasser - insbesondere kein Enteisungsabwasser - einleiten dürfe, sei ebenfalls unbegründet. Zum Einen falle auf dem
streitgegenständlichen Grundstück kein Enteisungsabwasser des Flughafens an, und die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung
bekräftigt, dass sie Grundstücke, auf denen Enteisungsabwasser - egal ob man es als Schmutz- oder Oberflächenwasser ansehe - anfalle, nicht
zum Abwasserbeitrag veranlage. Zum Anderen sei der fehlenden Einleitungsmöglichkeit von Oberflächenwasser bereits durch die Veranlagung
lediglich zum entsprechenden Teilbeitrag für Schmutzwasser Rechnung getragen worden.
18 Soweit die Klägerin meine, die Satzungsregelungen zum Beitragsmaßstab seien grundsätzlich auf sie nicht anwendbar, da sie der Atypik der
Flughafenfälle mit der genau durch einen Planfeststellungsbeschluss festgelegten Nutzung nicht Rechnung tragen würden, könne dem ebenfalls
nicht gefolgt werden. Selbst wenn man insoweit einen „Mindervorteil“ annehmen würde, dürfe dieser beitragsrechtlich unberücksichtigt bleiben,
wenn nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem abgerechneten Typ entsprächen. Dabei sei maßgeblich für die
Bestimmung der genannten Grenze nicht der Flächenanteil der eingeschränkt bevorteilten Grundstücke, sondern deren Anzahl. Im vorliegenden
Fall betrage die Gesamtfläche des Flughafengeländes an der Gemeindefläche darüber hinaus auch nach den Angaben der Klägerin lediglich
6,4 %. Der Prozentsatz der Anzahl der betroffenen Grundstücke liege noch deutlich darunter.
19 Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor: Die
gängigen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe des Abgabenrechts knüpften stets an eine Angebotsplanung an. Gleich, ob ein Grundstück nach § 34
BauGB baulich genutzt werden dürfe oder eine bauliche Nutzung durch Bebauungsplan zugelassen sei, ermöglichten diese Formen des
Planungsrechts immer eine gewisse Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks. Diese Bandbreite führe gleichzeitig dazu, dass
den ver- und entsorgungspflichtigen Kommunen auferlegt werde, auch für diese gesamte planungsrechtlich zugelassene Bandbreite
Erschließungsleistungen vorzuhalten. Deshalb werde dem Beitragsmaßstab gedanklich stets die Nutzungsmöglichkeit zugrunde gelegt, die die
umfangreichste Inanspruchnahmemöglichkeit umfasse. Dieser Regelfall sowohl einer Angebotsplanung als auch eines vorgehaltenen
Erschließungsangebots, der dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab „zulässige Geschossfläche“ gedanklich zugrunde liege, sei im hier zu
beurteilenden Fall aber gerade nicht gegeben. Es sei hier nicht eine bestimmte Bandbreite von Nutzungen zulässig, sondern ausschließlich die
Nutzung, die im Planfeststellungsbeschluss genau beschrieben sei. Die Beklagte müsse deshalb ein Erschließungsangebot nicht allgemein
vorhalten, das etwa geeignet sei, im Gewerbegebiet sowohl eine Schreinerei als auch einen abwasserintensiven Betrieb (beispielsweise
Konservenfabrik) zu erschließen.
20 Hinzu komme bei der hier zu beurteilenden Sonderkonstellation, dass die Erhöhung des Nutzungsmaßes auf der Flughafensüdseite gegenüber
der vorher bestehenden militärischen Nutzung gerade nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung geführt habe.
Der von der Beklagten gewählte Beitragsmaßstab der zulässigen Geschossfläche sei folglich offensichtlich ungeeignet, um eine planfestgestellte
Fläche wie die hier im Streit stehende vorteilsgerecht zu veranlagen, weil sich aus dem konkreten Planfeststellungsbeschluss ohne weiteres
entnehmen lasse, dass die mit der Planfeststellung verbundene Erhöhung des Nutzungsmaßes gerade nicht mit einer Erhöhung der
Inanspruchnahme der Kapazität der öffentlichen Einrichtungen verbunden sein dürfe. Für die Flächen der Flughafensüdseite insgesamt bestehe
keine Korrelation zwischen baulicher Ausnutzbarkeit und Erschließungsangebot durch die Kommune, die üblicherweise im Rahmen von
Wahrscheinlichkeitsmaßstäben Grundlage für die Beitragserhebung sei.
21 Auch die Voraussetzungen für eine, durch das Kommunalabgabengesetz 1996 zugelassene, grundstücksbezogene Nachveranlagung seien
nicht erfüllt. Im Falle der Nachveranlagung liege der Beitragserhebung die Überlegung zugrunde, dass die Kommune in diesen Fällen ein
Erschließungsangebot mache, das erst geeignet sei, die Eigentümer der Grundstücke in die Lage zu versetzen, dieses erhöhte Nutzungsmaß
realisieren zu können. Daran fehle es hier. Die Klägerin habe sich einen erhöhten Vorteil für ihre Grundstücke vielmehr selbst dadurch schaffen
müssen, dass sie ihr Entwässerungssystem auf eigene Kosten ausgebaut und ertüchtigt habe. Der Beklagten dagegen sei für die Aufsiedelung
der Flughafensüdseite kein zusätzlicher Aufwand entstanden. Dies werde nach den Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses auch nicht in
Zukunft der Fall sein.
22 Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht auch angenommen, die Frage des Enteisungsabwassers könne hier außer Betracht gelassen werden,
weil auf dem streitgegenständlichen Grundstück kein Enteisungsabwasser abgeleitet werde und die Beklagte insgesamt nur einen
Schmutzwasserbeitrag erhebe. Die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses erfassten das Gesamtareal. Anders als bei einer aus dem
Baugesetzbuch bekannten Angebotsplanung beschränke die Planfeststellung die Dispositionsfreiheit der Grundstückseigentümer im Bereich
des planfestgestellten Areals. Aufgrund dieser Besonderheiten planfestgestellter Flächen sei es nicht sachgerecht, ein einzelnes Grundstück
willkürlich herauszugreifen und die beitragsrechtliche Beurteilung dieses Grundstück völlig losgelöst davon vorzunehmen, dass das Grundstück
Gegenstand einer Gesamtregelung im Rahmen der Planfeststellung sei und insoweit erheblichen und gegenüber dem Planungsrecht nach dem
Baugesetzbuch sehr viel weitergehenden Einschränkungen unterliege. Die Gesamtnutzung des planfestgestellten Areals basiere auf einer
grundsätzlichen Trennung zwischen Schmutz- und Niederschlagswasser und überdies darauf, dass nicht das gesamte Schmutzwasser, sondern
nur das häusliche Abwasser in die öffentliche Einrichtung der Beklagten abgeleitet werden könne. Vor diesem Hintergrund sei eine einheitliche
Betrachtung dahingehend vorzunehmen, dass auch dem hier streitgegenständlichen Grundstück keine vollwertige Schmutzwasserentsorgung
geboten werde, weil nur „häusliche Abwässer“ abgeleitet werden könnten.
23 Hilfsweise werde im Berufungsverfahren im Wege der Klageerweiterung der Erlass des Abgabeanspruchs nach § 227 AO geltend gemacht. Die
Klageänderung sei im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich. Sowohl bei der Anfechtungsklage gegen die Beitragserhebung als auch bei
der Verpflichtungsklage auf Erlass gehe es im Kern darum, ob hier eine atypische Fallkonstellation gegeben sei, die entweder zur
Rechtswidrigkeit des angefochtenen Abgabenbescheids oder (hilfsweise) zu dessen Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit führe. Die Atypik
ergebe sich daraus, dass die Klägerin nicht nur bezüglich der Nutzung ihrer Grundstücke durch den Planfeststellungsbeschluss beschränkt sei,
sondern auch bezüglich der Ver- und Entsorgung dieser Grundstücke. Dieses Ver- und Entsorgungskonzept basiere ausdrücklich auf der von der
Beklagten akzeptierten Prämisse, dass durch die Aufsiedelung der Grundstücke der Flughafensüdseite eine über das bisherige Maß
hinausgehende Inanspruchnahme der Anlagen der Beklagten nicht erfolgen dürfe. Zudem habe die Beklagte durch ihre Beteiligung an dem
Vertrag über die Ableitung und Behandlung des Enteisungsabwassers ausdrücklich akzeptiert, dass die Klägerin auf der Basis eigener
erheblicher Investitionen für eine Erweiterung des Klärwerks der Stadt Stuttgart dafür Sorge getragen habe, dass das Enteisungsabwasser
insgesamt nicht in die Anlagen der Beklagten eingeleitet werde. Dadurch habe sich die Beklagte insoweit ihrer Entsorgungspflicht für das im
Winterhalbjahr anfallende Schmutzwasser (Enteisungsabwasser) des Flughafens entledigt.
24 Die Klägerin beantragt,
25
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.12.2006 - 2 K 1247/05 - zu ändern und den Abwasserbeitragsbescheid der
Beklagten vom 14.01.2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 aufzuheben,
26
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 23.04.2007 auf ihren Erlassantrag den
streitigen Beitrag zu erlassen.
27 Die Beklagte beantragt,
28
nach Maßgabe des geänderten Klageantrags die Berufung zurückzuweisen.
29 Da der beitragsrechtliche Vorteil in der Wertsteigerung eines Grundstücks bestehe, die sich aus der Anschlussmöglichkeit und der daraus
resultierenden Bebaubarkeit ergebe, komme es bei der Beitragsbemessung nicht auf den Umfang des potenziellen Wasserbedarfs bzw.
Abwasseranfalls an. Konsequenterweise komme es bei einer grundstücksbezogenen Nachveranlagung nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 KAG
1996 lediglich auf eine Erhöhung der zulässigen baulichen Nutzung an. Eine einengende Auslegung dahingehend, dass zusätzlich eine
Erhöhung der möglichen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zu verlangen sei, sei angesichts des beitragsrechtlichen Vorteilsbegriffs
nicht geboten.
30 Entgegen dem Vortrag der Klägerin bestünden auch keine Einleitungsbeschränkungen dergestalt, dass die Ver- und Entsorgungseinrichtungen
der Beklagten nicht in höherem Maße in Anspruch genommen werden dürften als vor der Erhöhung der baulichen Nutzung. Auf Seite 72 des
Erläuterungsberichts zum Planfeststellungsbericht werde zwar in diesem Zusammenhang angenommen, dass die Abwassermengen unterhalb
der Werte liegen würden, die früher von den US-Streitkräften der Ortskanalisation übergeben worden seien. Dabei handele es sich aber nicht um
eine Einleitungsbeschränkung, sondern lediglich um eine Prognose, die belegen solle, dass die Planung voraussichtlich keinen weiteren Bedarf
an äußeren Erschließungsmaßnahmen durch die Beklagte auslösen werde. Auf Seite 73 des Erläuterungsberichts werde ausdrücklich betont,
dass eine verbindliche Mengenermittlung für das häusliche Abwasser nicht möglich sei.
31 Die Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Entsorgung des Abwassers stünden der Nachveranlagung ebenfalls nicht entgegen.
Die Aufwendungen für die Beseitigung des anfallenden Niederschlagswassers seien bereits deshalb ohne Bedeutung, weil das
streitgegenständliche Grundstück nur zu einem (weiteren) Schmutzwasserbeitrag herangezogen und somit nicht mit Kosten der öffentlichen
Niederschlagswasserbeseitigung belastet worden sei. Die Aufwendungen für die Beseitigung des im Winter anfallenden Enteisungsabwassers
seien - unabhängig von der rechtlichen Einordnung - ebenfalls unbeachtlich, da die Enteisungsabwasserproblematik beitragsrechtlich irrelevant
sei und das im vorliegenden Fall veranlagte Grundstück ohnehin nicht tangiere.
32 In die Klageerweiterung hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrags werde ausdrücklich eingewilligt. Eine sachliche Unbilligkeit liege hier
jedoch nicht vor. In Fällen, wie dem hier zu beurteilenden, in denen eine Erhöhung der baulichen Nutzungsmöglichkeit nicht zu einer
entsprechenden Erhöhung des Bedarfs der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung führe, liege keine vom Gesetzgeber nicht in Kauf
genommene unbillige Härte vor. Der beitragsrechtliche Vorteil orientiere sich - wie dargelegt - nicht am Maß der potenziellen Inanspruchnahme
der öffentlichen Einrichtung, sondern an der Wertsteigerung des Grundstücks, die sich aus der Anschlussmöglichkeit und der daraus
resultierenden Bebaubarkeit ergebe. Da der Wert eines Grundstücks nicht vom Umfang eines potenziellen Wasserbedarfs bzw. Abwasseranfalls
abhänge, könne es für die aus der Anschlussmöglichkeit resultierende Wertsteigerung und somit für den beitragsrechtlichen Vorteil des
Grundstücks ebenfalls nicht auf diesen Aspekt ankommen. Ein baulich bzw. gewerblich intensiv nutzbares Grundstück erfahre somit aus der
Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungseinrichtung auch dann einen adäquaten
beitragsrechtlichen Vorteil, wenn mit der baulichen bzw. gewerblichen Nutzungsmöglichkeit kein entsprechend hoher Bedarf an
Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung einhergehe. Eine andere Beurteilung wäre nur dann geboten, wenn die öffentliche Einrichtung
von der Kapazität her nicht geeignet wäre, eine für die zulässige bauliche Nutzung ausreichende Erschließung zu gewährleisten oder wenn
angesichts der planungsrechtlich vorgegebenen Nutzung kein Bedarf an Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bestünde. Diese
Voraussetzungen lägen hier aber nicht vor.
33 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten sowie die Schriftsätze der Beteiligten
verwiesen.
Entscheidungsgründe
34 Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin zu Recht
abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.01.2004, mit dem die Klägerin zu einem Schmutzwasserbeitrag
herangezogen wurde, und der Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 sind rechtmäßig und verletzen daher die Klägerin nicht in ihren Rechten
(vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; unten I.). Die im Wege der Klageänderung erstmals im Berufungsverfahren hilfsweise erhobene
Verpflichtungsklage auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos; sie ist zwar zulässig, aber unbegründet (unten II.).
I.
35 Die Beklagte stützt den angefochtenen Beitragsbescheid, mit dem das streitgegenständliche Grundstück im Hinblick auf eine erhöhte bauliche
Nutzbarkeit nachveranlagt wurde, zu Recht auf § 10 Abs. 4 Satz 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996,
GBl. S. 481 (im Folgenden: KAG 1996) und ihre Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 16.06.2003 i.d.F. vom 15.12.2003 (im
Folgenden: AbwS). Von Grundstückseigentümern, für deren Grundstücke eine Beitragspflicht bereits entstanden ist, können Beiträge erhoben
werden, soweit sich die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöht (§ 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996). Daran anknüpfend hat die Beklagte ihr
Ermessen dahingehend ausgeübt, dass sie von dieser gesetzlichen Ermächtigung zur grundstücksbezogenen Nachveranlagung Gebrauch
gemacht hat (vgl. Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz für Bad.-Württ., Stand September 2009, § 29 RdNr. 2.3). § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS sieht u.a.
vor, dass eine weitere Beitragspflicht entsteht, soweit bei Grundstücken, für die eine Beitragspflicht bereits entstanden ist bzw. durch Bescheid
begründet worden ist, die bis zum 29.02.1996 zulässige Geschossflächenzahl oder Geschossfläche bzw. genehmigte höhere Geschossflächen
überschritten oder eine größere Geschossflächenzahl oder Geschossfläche allgemein zugelassen wird bzw. zugelassen wurde.
36 1. Dass die Verlagerung des ursprünglich auf der Flughafennordseite angesiedelten Frachtbereichs nach Süden und die damit verbundene
„Aufsiedelung“ der Flughafensüdseite, wie sie mit Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.09.1999/10.11.2000
zugelassen wurde, zu einer für die Nachveranlagung erforderlichen Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit geführt hat, steht außer Streit.
37 2. Auch wenn § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 und die sich daran anschließende satzungsrechtliche Grundlage in § 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS die
verbesserte Vorteilslage nicht ausdrücklich als Nachveranlagungstatbestandsmerkmal nennen, gilt auch für Beitragsnachveranlagungen der
Grundsatz des § 10 Abs. 1 KAG 1996, wonach Beiträge generell vorteilsbezogen zu bemessen sind. § 10 Abs. 4 Satz 1 KAG 1996 enthält
deshalb das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass sich nicht nur die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks erhöhen muss, sondern dass
sich dadurch auch die Vorteilslage verbessert. Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, die mit dem Planfeststellungsbeschluss
zugelassene Erhöhung des Nutzungsmaßes für das streitgegenständliche Grundstück führe nicht dazu, dass diesem Grundstück ein erhöhter
Vorteil zuteil würde; da die Satzung der Beklagten der Atypik der flughafenbezogenen Nutzung des Geländes nicht gerecht werde und hierfür
keinen eigenständigen Maßstab vorsehe, sei sie insoweit unvollständig und damit nichtig. Dem kann nicht gefolgt werden.
38 a) Anschlussbeiträge (und damit auch Beiträge im Wege der Nacherhebung) können nur von denjenigen Grundstückseigentümern erhoben
werden, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses ihrer Grundstücke an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile geboten werden
(§ 10 Abs. 1 Satz 2 KAG 1996; § 20 Abs. 1 Satz 2 KAG 2005). Der die Erhebung eines Anschlussbeitrags rechtfertigende Vorteil besteht nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats in der Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts des Grundstücks, mit der in der Regel auch eine
Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks einhergeht. Der Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks hängt wesentlich von seiner
baulichen Nutzbarkeit ab. Baulich nutzbar ist ein Grundstück nach den §§ 30 ff. BauGB, wenn seine Erschließung gesichert ist, wozu u.a. die
Möglichkeit des Anschlusses an die öffentlichen Ver- und Entsorgungseinrichtungen gehört (vgl. auch § 3 Abs. 1, § 33 Abs. 3 LBO). Der Vorteil,
der einem Eigentümer durch die Möglichkeit des Anschlusses bzw. durch einen tatsächlich hergestellten Anschluss seines Grundstücks an eine
öffentliche Entwässerungseinrichtung geboten wird, besteht dementsprechend in der Gewährleistung der Bebaubarkeit des Grundstücks (VGH
Bad.-Württ., Beschluss vom 07.09.2009 - 2 S 709/09 - juris; Beschluss vom 03.05.2007 - 2 S 1842/06 - juris; Urteil vom 19.10.2006 - 2 S 705/04 -
VBlBW 2007, 311).
39 Danach sind Verteilungsmaßstäbe, die auf das Maß der zulässigen Grundstücksnutzung abheben, vorteilsgerechte Maßstäbe, weil der
Gebrauchs- und Nutzungswert eines Grundstücks - und damit der beitragsrechtliche Vorteil - im Wesentlichen von dem Maß der zulässigen
baulichen Nutzung abhängt (BVerwG, Urteil vom 25.08.1982 - 8 C 54.91 - NVwZ 1983, 289; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.12.1985 - 2 S
2689/83 - VBlBW 1986, 142). Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 11.12.1986 - 2 S 3160/84 -) zwingt das Vorteilsprinzip
den Ortsgesetzgeber ferner grundsätzlich nicht, in der Abwasserbeitragssatzung einen sog. Artzuschlag für gewerblich oder industriell genutzte
oder nutzbare Grundstücke vorzusehen (a.A. OVG Münster, Urteil vom 24.10.1995 - 15 A 890/90 - NWVBl. 1996, 232). Denn es gibt keinen
Erfahrungssatz, wonach gewerblich oder industriell nutzbare Grundstücke typischerweise die kommunale Kanalisation stärker beanspruchen als
etwa im Falle von Wohnnutzung. Nur dann, wenn an die Kapazität und Qualität einer Kläranlage wegen gewerblicher oder industrieller Abwässer
besonders hohe Anforderungen gestellt werden, kann sich die Notwendigkeit einer Differenzierung des Beitragssatzes auch nach der Art der
baulichen Nutzung ergeben. In diesen Fällen besteht der Vorteil, den die Eigentümer von Gewerbe- und Industriegrundstücken durch den
Anschluss ihrer Grundstücke haben, nicht nur in der Abnahme von Abwässern der üblichen Beschaffenheit und Menge, sondern in der Abnahme
und Klärung von stark verschmutzten oder von besonders großen Abwassermengen (vgl. auch Gössl/Reif, aaO, § 31 RdNr. 2.1.3.6). Danach ist
die Aufnahme eines Artzuschlags in der Beitragssatzung in Anlehnung an die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte „Typisierungsgrenze“
dann notwendig, wenn ohne eine Artzuschlagsregelung für gewerblich oder industriell genutzte bzw. nutzbare Grundstücke der durch sie
verursachte beitragsfähige Mehraufwand eine Mehrbelastung der anderen beitragspflichtigen Grundstücke von mehr als 10 v.H. zur Folge hätte
(VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.11.1999 - 2 S 3022/89 - Juris).
40 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung liegt den Regelungen über die Verteilung der Anlagekosten (auch) der Gedanke zugrunde, dass
sich die Quantifizierung des Vorteils und damit die Bestimmung der Höhe des Vorteils danach auszurichten hat, in welchem Umfang - bei
typisierender Betrachtungsweise - erfahrungsgemäß die öffentliche Einrichtung von den einzelnen Grundstücken jeweils benutzt werden wird
(vgl. dazu die Nachweise der Rechtsprechung bei Driehaus in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 8 RdNr. 276). Die
Verteilungsmaßstäbe können allerdings die Relation zwischen dem Umfang der wahrscheinlichen (erfahrungsgemäß zu erwartenden)
Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage und den den jeweiligen Grundstücken zukommenden Vorteilen nur grob und unscharf abbilden.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung wird sich mit der Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung im Regelfall auch der Umfang der zu
erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erhöhen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass innerhalb der einzelnen Nutzungsarten
- und insbesondere innerhalb verschiedener gewerblicher oder industrieller Nutzungen - erhebliche Unterschiede bei der Inanspruchnahme der
öffentlichen Einrichtung auftreten können. Insbesondere bei Gewerbe- oder Industriebetrieben, bei denen Abwassermengen aus
Produktionsprozessen anfallen, liegt eine Inanspruchnahme in unterschiedlichem Umfang auf der Hand. Da eine Abbildung der zu erwartenden
Inanspruchnahme bezogen auf jede einzelne Nutzungsart oder gar innerhalb einer Nutzungsart mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht
geleistet werden kann, können die entsprechend größeren Vorteile etwa der Grundstücke, bei denen Abwassermengen aus
Produktionsprozessen anfallen, im Rahmen einer zulässigen Typisierung vernachlässigt werden. Dieser - zugegeben - grobe Maßstab für die
Quantifizierung des Vorteils bedarf nur dann einer Korrektur, wenn ausnahmsweise die Art der baulichen Nutzung (etwa eine besonders
wasserintensive industrielle Produktion) zu einem Umfang der erfahrungsgemäß zu erwartenden Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung
führt, der - entsprechend den dargelegten Grundsätzen - zu der Einführung eines Artzuschlags nötigt.
41 b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegen im hier zu beurteilenden Fall keine Besonderheiten vor, die für das streitgegenständliche
Grundstück die Verbesserung der Vorteilssituation in Frage stellen könnten.
42 aa) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zunächst darauf, dass die Erhöhung des Nutzungsmaßes auf der Flughafensüdseite gegenüber der
vorher bestehenden militärischen Nutzung durch die amerikanischen Streitkräfte gerade nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahme der
öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung der Beklagten geführt habe. Dem Verteilungsmaßstab liegt - wie dargelegt - grundsätzlich die
Annahme zugrunde, dass Grundstücke, die ein vergleichbares Maß an baulicher Nutzbarkeit aufweisen, auch in etwa in vergleichbarem Umfang
die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage in Anspruch nehmen. Erfahrungsgemäß ist also die zu erwartende Inanspruchnahme der
öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage durch das Grundstück der Klägerin vergleichbar mit dem Umfang der Inanspruchnahme durch ein
Grundstück mit einer gleichen Geschossflächenzahl. Im Hinblick darauf, dass der Verteilungsmaßstab aus den genannten Gründen der
Praktikabilität die Entwässerungsverhältnisse der einzelnen Grundstücke nur grob abbilden kann, kann eine Atypik und damit ein Mindervorteil
nur dann angenommen werden, wenn zu erwarten ist, dass vom zu beurteilenden Grundstück aus die Kanalisation in signifikant geringerem
Umfang in Anspruch genommen wird. Ist etwa im Hinblick auf eine besonders starke Beanspruchung der Kläranlage durch industrielle Abwässer
ein Artzuschlag angezeigt, so könnte man umgekehrt bei besonders geringer Beanspruchung der Abwasserbeseitigungseinrichtung an einen
Abschlag im Falle einer besonders atypischen Nutzung eines Grundstücks denken.
43 Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass vom Frachtzentrum der Klägerin im Vergleich zu einem Gebäude mit Wohnnutzung
oder mit gewerblicher Nutzung, das das gleiche Nutzungsmaß aufweist, in wesentlich geringerem Umfang Schmutzwasser - hier häusliches
Abwasser - der Abwasserbeseitigungsanlage zugeleitet wird. Dies wird im Übrigen auch von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Die
Klägerin hat in diesem Zusammenhang insbesondere keine Umstände vorgetragen, die im Hinblick auf die Nutzung ihrer Gebäude als
Frachtzentrum auf ein im Vergleich mit anderen Frachtgebäuden atypisch geringen Anfall an Abwasser schließen lassen. Mangels anderweitiger
Anhaltspunkte durfte die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die vom Grundstück der Klägerin aus eingeleiteten Abwassermengen in Form
von häuslichem Abwasser sich durchaus im Rahmen des - für ein vergleichbar bebautes Grundstück - Üblichen halten. Danach ist die
Veranlagung des klägerischen Grundstücks nach dem Maßstab der zulässigen Geschossflächen im Vergleich mit den übrigen Grundstücken im
Satzungsgebiet vorteilsgerecht.
44 Es kann - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht darauf ankommen, ob seit Aufsiedelung der Flughafensüdseite nur noch 12 l/sec. häusliches
Abwasser anstatt 20,9 l/sec. zu Zeiten der militärischen Nutzung des Geländes in den Entwässerungsanlagen der Beklagten zu entsorgen sind.
Ob eine Beitragserhebung für ein bestimmtes Grundstück im Gebiet einer Abwasserbeseitigungseinrichtung vorteilsgerecht ist, kann nur im
Vergleich mit den übrigen Grundstücken des Gebiets, auf die die Gesamtkosten der Einrichtung zu verteilen sind, und niemals bezogen auf das
einzelne Grundstück beurteilt werden. Auch ist die konkrete Abwassermenge, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der
Abwasserbeseitigungseinrichtung zugeleitet wird, als Maßstab für die Beitragserhebung mangels Praktikabilität von vornherein ungeeignet. Der
Gemeinde müsste die erforderliche Datenbasis nicht nur bezüglich des Flughafengeländes, sondern auch bezüglich aller anderen Grundstücke
im Satzungsgebiet zur Verfügung stehen. Der Umfang, in dem die amerikanischen Streitkräfte die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage der
Beklagten in Anspruch genommen haben, ist nach alledem für die Beurteilung der Vorteilssituation des klägerischen Grundstücks unerheblich.
Es kann damit auch offenbleiben, ob die ursprüngliche Beitragsveranlagung im Jahre 1988 die damalige Art der baulichen Nutzung des
Grundstücks durch die amerikanischen Streitkräfte überhaupt vorteilsgerecht berücksichtigt hat.
45 bb) Zu Unrecht leitet die Klägerin einen Mindervorteil für das streitgegenständliche Grundstück ferner aus dem Umstand ab, dass die bauliche
Nutzung des Flughafengeländes durch Planfeststellungsbeschluss konkret festgeschrieben ist, während beim Regelfall einer durch
Bebauungsplan zugelassenen baulichen Nutzung eine gewisse Bandbreite von Nutzungsmöglichkeiten für die Grundstücke eröffnet ist. Die
Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, bei einer durch Bebauungsplan zugelassenen Bebauung müsse die Kommune - um die gesamte
Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks abzudecken - auch Erschließungsleistungen für die gesamte Bandbreite von
Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks und damit auch für die umfangreichste Inanspruchnahmemöglichkeit vorhalten. Mit dieser
Argumentation verkennt die Klägerin, dass die Art der baulichen Nutzung - abgesehen von den Fällen eines Artzuschlags - für die Bemessung
des beitragsrechtlichen Vorteils unerheblich ist. Die Notwendigkeit, den Beitragssatz nach der Art der baulichen Nutzung zu differenzieren,
besteht deshalb nicht, weil - wie bereits dargelegt - eine unterschiedliche Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch einerseits
Wohnnutzung und andererseits gewerbliche Nutzung - aber auch innerhalb der verschiedenen gewerblichen oder industriellen Nutzungen - bei
generalisierender Betrachtungsweise nicht feststellbar ist. Dem Beitragsmaßstab liegt damit - entgegen der Auffassung der Klägerin - gerade der
Gedanke zugrunde, dass für die gesamte Bandbreite der Nutzungsmöglichkeiten - unabhängig davon, ob sie im Wege eines
Planfeststellungsbeschlusses oder im Wege eines Bebauungsplanes zugelassen werden - in etwa die gleichen bzw. vergleichbare
Erschließungsleistungen vorgehalten werden.
46 cc) Unerheblich ist auch der Einwand der Klägerin, die Erhöhung des Nutzungsmaßes der Flughafensüdseite habe nicht zu einem entsprechend
höheren Erschließungsaufwand für die Beklagte bzw. zur Notwendigkeit eines weiteren Ausbaus der öffentlichen Einrichtung geführt. § 10 KAG
1996 (heute § 20 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 1 Satz 1 KAG) verpflichtet die Gemeinden, die beitragsfähigen Kosten ihrer öffentlichen
Einrichtungen auf die angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke nach einem Maßstab abzuwälzen, der sich an dem durch die
Anschlussmöglichkeit bzw. den Anschluss gebotenen Vorteil orientiert. Damit hat der Landesgesetzgeber im Interesse der Beitragsgerechtigkeit,
aber auch einer praktikablen Beitragserhebung eine Kostenverteilung nach dem sogenannten Verursacherprinzip grundsätzlich
ausgeschlossen; damit ist eine Kostenverteilung, die sich nicht an der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke, sondern an dem durch das
jeweilige Grundstück verursachten Erschließungsaufwand orientiert, ausgeschlossen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.1990 - 2 S 2098/89
- VBlBW 1991, 263). Der Gesetzgeber hat dabei in Kauf genommen, dass beispielsweise gelände- oder standortbedingte Mehrkosten der
öffentlichen Einrichtung nicht von den die Mehrkosten auslösenden Grundstückseigentümern, sondern von allen Grundstückseigentümern nach
Maßgabe eines vorteilsgerechten Maßstabs getragen werden. Vor diesem Hintergrund spielt es dann aber auch keine Rolle, ob die Aufsiedelung
der Flughafensüdseite mit den Kapazitäten der öffentlichen Einrichtung der Beklagten abgedeckt werden kann oder ob in diesem
Zusammenhang ein weiterer Ausbau der Einrichtung und damit verbundene Mehrkosten entstehen.
47 dd) Zu Unrecht rügt die Klägerin ferner, dass dem streitgegenständlichen Grundstück keine vollwertige Schmutzwasserentsorgung geboten
werde, weil das auf dem Flughafenareal im Winterhalbjahr anfallende (stark verschmutzte) Enteisungsabwasser nicht abgeleitet werden könne,
sondern lediglich die „häuslichen Abwässer“.
48 Die Satzung der Beklagten differenziert zwischen Grundstücken mit der Möglichkeit, Schmutz- und Niederschlagswasser in die öffentliche
Abwasseranlagen einzuleiten (Vollanschlussmöglichkeit) und Grundstücken mit der Möglichkeit, nur Schmutzwasser in die öffentliche
Abwasseranlagen einzuleiten (Teilanschlussmöglichkeit); für Grundstücke mit Vollanschlussmöglichkeit und Grundstücke mit
Teilanschlussmöglichkeit sieht § 32 AbwS jeweils einen unterschiedlichen Beitragssatz für den öffentlichen Abwasserkanal und den Klärbereich
vor. Danach hat die Beklagte das streitgegenständliche Grundstück zutreffend nur zu einem Teilbeitrag für die Möglichkeit, Schmutzwasser in die
öffentliche Abwasseranlagen einzuleiten, veranlagt, weil das Niederschlagswasser des Flughafengeländes insgesamt nicht von der Beklagten
entsorgt wird.
49 Der Teilbeitrag für das streitgegenständliche Grundstück ist bereits deshalb gerechtfertigt, weil das häusliche Abwasser und damit unstreitig
Schmutzwasser, abgeleitet wird. Die Situation des Grundstücks unterscheidet sich damit nicht von der Situation eines Grundstücks, das etwa mit
einem Büro- oder Wohngebäude bebaut ist und das ebenfalls lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser der Einrichtung der
Beklagten zuführt. Grundstücke, von denen lediglich Schmutzwasser in Form von häuslichem Abwasser abgeleitet wird, stellen damit den
„Normalfall“ dar und können deshalb entsprechend ihrem Maß der baulichen Nutzung zum „normalen“ Teilbeitrag für Schmutzwasser
herangezogen werden.
50 Ein Mindervorteil für das Grundstück der Klägerin kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass auf dem Grundstück kein Abwasser
aus Produktionsprozessen anfällt. Gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke, bei denen stark verschmutzte oder unverhältnismäßig hohe
Abwassermengen aus Produktionsprozessen anfallen, müssen unter den genannten Voraussetzungen durch einen Artzuschlag mit höheren
Abwasserbeiträgen belastet werden. Liegen dagegen die Voraussetzungen eines Artzuschlags bei einem gewerblich oder industriell genutzten
Grundstück noch nicht vor, so sind die entsprechend größeren Vorteile dieser Grundstücke, die ihnen durch die Möglichkeit eröffnet ist, auch
Abwasser aus Produktionsprozessen zu entsorgen, wie dargelegt unter Typisierungsgesichtspunkten hinzunehmen und damit zu
vernachlässigen. Umgekehrt führt aber das Nichteinleiten von Abwasser aus Produktionsprozessen nicht zu einem Mindervorteil.
51 Eine atypische Vorteilssituation kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit, das auf der
Flughafensüdseite anfallende Enteisungsabwasser in der Einrichtung der Beklagten zu entsorgen, angenommen werden. Selbst wenn man mit
der Klägerin das Enteisungsabwasser nicht als Niederschlags-, sondern als Schmutzwasser im Sinne von § 32 AbwS qualifizieren würde, würde
es - jedenfalls bezogen auf das hier zu beurteilende Grundstück - an einem Mindervorteil bereits deshalb fehlen, weil auf diesem Grundstück
unstreitig Enteisungsabwasser nicht anfällt und folglich das gesamte Schmutzwasser des Grundstücks auch tatsächlich entsorgt werden kann.
52 Fehl geht in diesem Zusammenhang der Einwand der Klägerin, es müsse nicht jedes einzelne Grundstück der Flughafensüdseite für sich
genommen, sondern das Gesamtareal beitragsrechtlich beurteilt werden. Im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz ist ebenso wie
im Erschließungsbeitragsrecht nach dem Bundesbaugesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom
Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen. Ein Abweichen von diesem Buchgrundstücksbegriff und ein Abstellen auf den
Begriff der wirtschaftlichen Grundstückseinheit, für den maßgebend ist, ob zusammenhängende Flächen - unabhängig von ihrer katastermäßigen
Einheit - ein wirtschaftliches Ganzes bilden und demselben Eigentümer gehören, rechtfertigt sich nur dann ausnahmsweise, wenn es nach Inhalt
und Sinn des Beitragsrechts gröblich unangemessen wäre, am Buchgrundstücksbegriff festzuhalten (allgemeine Meinung, vgl. Driehaus, aaO, §
8 RdNrn. 392, 394; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989 - 2 S 2202/87 -). Ein nach Inhalt und Sinn gröblich unangemessenes Ergebnis bei
Anwendung des Buchgrundstücksbegriffs tritt danach nur dann ein, wenn sie dazu führt, dass ein mangels hinreichender Größe allein nicht
nutzbares Grundstück, das aus diesem Grunde einem Unland ohne Gebrauchswert gleichkommt, bei der Verteilung des umlagefähigen
Aufwands völlig unberücksichtigt bleiben muss, obwohl es zusammen mit einem oder mehreren angrenzenden Grundstücken des gleichen
Eigentümers angemessen genutzt werden kann. Infolgedessen ist kein Raum für ein Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff, wenn das
Grundstück - wie hier - bereits selbständig angemessen bebaubar und damit nutzbar ist.
53 Unabhängig davon ist das Festhalten am Buchgrundstücksbegriff hier auch deshalb nicht gröblich unangemessen, weil die
„Rollbahngrundstücke“ des Flughafens, die das im Winterhalbjahr anfallende stark verschmutzte Enteisungsabwasser der Kläranlage in Stuttgart
und nicht der Anlage der Beklagten zuführen, von der Beklagten überhaupt nicht zu einem Beitrag veranlagt wurden. Wenn die Beklagte aber
bereits große Flächen des Gesamtareals Flughafen im Hinblick auf einen fehlenden Vorteil von der Veranlagung ausgenommen hat, besteht von
vornherein kein Anlass, die gesamten Flächen des Flughafens beitragsrechtlich als ein wirtschaftliches Ganzes anzusehen.
54 ee) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin zur Begründung einer atypischen Vorteilssituation ferner auf das Urteil des Sächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 12.07.2007 (Az. 5 B 565/05). Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat sinngemäß entschieden, dass
Grundstücke, die auf der Grundlage eines Entwässerungskonzepts die gesamten anfallenden Abwässer in eigenen Behandlungsanlagen
entsorgen und damit vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung ausgenommen sind, von dieser keinen beitragsrelevanten Vorteil erfahren
und deshalb nicht auf der Flächenseite der Globalberechnung berücksichtigt werden müssen. Die von der Beklagten veranlagten Grundstücke
der Flughafensüdseite sind aber gerade nicht vom Einzugsbereich der öffentlichen Einrichtung der Beklagten ausgenommen, sondern
hinsichtlich der Beseitigung des Schmutzwassers tatsächlich angeschlossen. Nur für diesen Vorteil werden die Grundstücke auch veranlagt.
55 ff) Schließlich kann ein Mindervorteil für die Grundstücke der Klägerin auch nicht damit begründet werden, dass ihr für die innere und äußere
Erschließung des Flughafengeländes und in diesem Zusammenhang insbesondere für die Entsorgung des Enteisungsabwassers in der
Kläranlage Stuttgart erhebliche Aufwendungen entstanden sind. Dass die Kosten für die innere Erschließung des Flughafengeländes von der
Klägerin und nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind, versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung. Auch die Kosten für die
Entsorgung des Enteisungsabwassers in der Kläranlage Stuttgart sind für die Bemessung des Beitrags für das streitgegenständliche Grundstück
rechtlich unerheblich. Auf diesem Grundstück fällt ebenso wie auf den anderen Grundstücken, die mit dem Frachtzentrum des Flughafens bebaut
sind, kein zu entsorgendes Enteisungsabwasser an. Dass nicht das Gesamtareal der Flughafensüdseite, sondern jedes einzelne Grundstück für
sich genommen beitragsrechtlich zu beurteilen ist, hat der Senat bereits dargelegt und erläutert.
56 3. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung im Wege der Nachveranlagung nicht
entgegen. Der Grundsatz der Einmaligkeit bedeutet, dass derselbe Vorteil nicht mehrmals beitragspflichtig gemacht werden kann. Wenn sich
aber die Verhältnisse bei dem Grundstück, für das bereits eine Beitragspflicht entstanden ist, derart ändern, dass dem Grundstückseigentümer
aus der öffentlichen Einrichtung zusätzliche Vorteile entstehen, können diese neuen Vorteile - wenn sich die Gemeinde wie hier eine
Nachveranlagung der Grundstücke durch eine zulässige satzungsrechtliche Regelung vorbehalten hat - zum Anlass genommen werden, um das
Grundstück zu einem weiteren Beitrag zu veranlagen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.06.1989, aaO). Durch die Erhöhung der
baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks sind der Klägerin aber - wie unter 2. dargelegt - auch zusätzliche Vorteile
zugeflossen.
57 4. Auch die Höhe des geltend gemachten Beitrags hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang für das
streitgegenständliche Grundstück, das eine Grundstücksfläche von 5.162 m² aufweist, zutreffend eine Erhöhung der Geschossflächenzahl von
0,8 (bei der erstmaligen Beitragsveranlagung) auf 2,57 angenommen. Im Einzelnen:
58 Das Maß der baulichen Nutzung wird gemäß § 16 BauNVO bestimmt durch die Grundflächenzahl, die Geschossflächenzahl, die Baumassenzahl,
die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen. Vor diesem Hintergrund sieht § 25 Satz 1 AbwS als Beitragsmaßstab für den
Abwasserbeitrag die zulässige Geschossfläche vor. Diese ergibt sich durch Vervielfachung der Grundstücksfläche mit der Geschossflächenzahl.
Für die Beurteilung der baulichen Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks zum Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung hat sich die
Beklagte in nicht zu beanstandender Weise von folgenden Überlegungen leiten lassen: Die Erstveranlagung erfolgte durch das Schreiben der
Beklagten vom 17.05.1988, mit dem von den amerikanischen Streitkräften für das damalige Grundstück Flst.-Nr. ... ein Abwasserbeitrag
angefordert wurde. Da im Beitragsrecht nach dem Kommunalabgabengesetz aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich
vom Grundstücksbegriff im grundbuchrechtlichen Sinne auszugehen ist, erfasst die damalige Beitragserhebung das Gesamtgrundstück Flst.-Nr.
... und damit automatisch auch die Teilfläche, die das nunmehr streitige Grundstück Flst.-Nr. ... bildet. Der Beitragserhebung im Jahre 1988 lag,
wie sich aus dem an das Bundesvermögensamt gerichteten Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 24.05.1988 ergibt, die Annahme von zwei
Vollgeschossen und eine Geschossflächenzahl von 0,8 zugrunde. Dementsprechend hat die Beklagte für die ursprüngliche Beitragsveranlagung
als Maßstab eine Geschossfläche von 4.130 m² zugrunde gelegt, die sich aus einer „hypothetischen“ Grundstücksfläche von 5.162 m²
(entsprechend der heutigen Fläche des Grundstücks Flst.-Nr. ...) multipliziert mit der Geschossflächenzahl von 0,8 errechnet. Substantiierte
Einwendungen gegen den für die Nachveranlagung maßgeblichen Ausgangswert hat die Klägerin nicht erhoben, sie sind für das Gericht im
Übrigen auch nicht ersichtlich.
59 Auch den Umfang, in dem sich die bauliche Nutzbarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks nunmehr erhöht hat, hat die Beklagte zutreffend
ermittelt. Auszugehen ist von den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses des Regierungspräsidiums Stuttgart vom
20.09.1999/10.11.2000, wonach für das Grundstück u.a. eine Baumassenzahl von 9,0 festgesetzt wird. Für den Fall der Festsetzung einer
Baumassenzahl anstatt der Geschossfläche sieht § 27 Abs. 2 AbwS vor, dass sich die Geschossflächenzahl aus der Teilung der Baumassenzahl
durch 3,5 ergibt; dabei werden Bruchzahlen auf zwei Stellen hinter dem Komma bis einschließlich 0,0050 abgerundet und solche über 0,0050
aufgerundet (§ 27 Abs. 2 Satz 2 AbwS). Dementsprechend ergibt sich auf der Grundlage des Planfeststellungsbeschlusses eine
Geschossflächenzahl von 2,57 und daraus folgend bei gleichbleibender Grundstücksfläche eine Geschossfläche von 13.266 m². Als Maßstab für
die Nacherhebung errechnet sich danach eine Geschossfläche von 9.136 m² (Endwert von 13.266 m² abzüglich Anfangswert von 4.130 m²), die
die Beklagte mit ihrem Beitragssatz für eine Teilanschlussmöglichkeit (hier: Einleitung des Schmutz-, aber nicht des Niederschlagswassers) nach
§ 32 Abs. 2 AbwS multipliziert hat. Auch gegen die Berechnung des der Nachveranlagung zugrunde gelegten erhöhten Nutzungsmaßes hat die
Klägerin substantiierte Einwendungen nicht erhoben.
60 5. Soweit die Klägerin darüber hinaus pauschal auf ihr Vorbringen in erster Instanz verweist und dies zum Gegenstand des Berufungsverfahrens
macht, nimmt der Senat Bezug auf die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab
(§ 130b Satz 2 VwGO).
II.
61 Das Verpflichtungsbegehren auf Erlass der Beitragsforderung bleibt ebenfalls erfolglos.
62 1. Über diesen erstmals mit Schriftsatz vom 22.09.2006 im Berufungsverfahren gestellten Hilfsantrag ist - nach Abweisung des Hauptantrags als
unbegründet - ebenfalls zu entscheiden. Dieser weitere Antrag ist als nachträgliche objektive Klagehäufung anzusehen und deshalb als
Klageänderung in Gestalt der Klageerweiterung nach §§ 44, 91 VwGO zu behandeln, die nach § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch in der
Berufungsinstanz grundsätzlich möglich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 91 RdNr. 21). Die Zulässigkeit der Klageänderung ergibt sich
bereits aus der ausdrücklichen Einwilligung der Beklagten nach § 91 Abs. 1 1. Alt. VwGO. Schließlich ist die geänderte bzw. erweiterte Klage
auch zulässig (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.10.1980 - 6 C 39.80 - BVerwGE 61, 45). Insbesondere fehlt es nicht an der instanziellen
Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs. Zwar zählt die Klage auf Erlass eines Beitrags nicht zu den Verfahren, die dem
Oberverwaltungsgericht nach § 48 VwGO zur Entscheidung im ersten Rechtszug zugewiesen sind, so dass gemäß § 45 VwGO grundsätzlich das
Verwaltungsgericht zuständig ist. Durch die Möglichkeit einer Klageänderung in einem anhängigen Berufungsverfahren werden indessen diese
Zuständigkeitsregelungen modifiziert und erstinstanzliche Zuständigkeiten der Berufungsgerichte begründet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom
13.03.1996 - 6 B 16.96 - Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 15). Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht entgegen, dass bezüglich des
Erlassantrags das durch § 68 VwGO grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren nicht durchgeführt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hält
in ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des § 68 VwGO über die gesetzlich
ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren regelmäßig für entbehrlich, wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen
und deren Abweisung beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sich sein
Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.04.1994 - 11 C 2.93 - BVerwGE 95, 321). Diese Voraussetzungen liegen
hier vor. Denn dem Zweck des Vorverfahrens ist dadurch genügt worden, dass sich die Beklagte als zuständige Widerspruchsbehörde auf die
Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat.
63 2. Die Klage auf Erlass der Beitragsforderung ist aber unbegründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Beitragserlass aus Gründen
der sachlichen Unbilligkeit nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO oder § 227 AO liegen nicht vor.
64 Sachliche Billigkeitsgründe sind nach Auffassung der Rechtsprechung dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des
Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der
beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Dass dabei nicht das (in der Regel ohnehin nicht zuverlässig bekannte) subjektive
Wollen der am Gesetzgebungsprozess beteiligten Personen, sondern der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers als Institution gemeint
ist, versteht sich. Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestands bewusst in
Kauf genommen hat, können einen Billigkeitserlass dagegen nicht rechtfertigen, sondern sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu
beheben (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Kammerbeschluss vom 13.12.1994 - 2 BvR 89/91 - NVwZ 1995, 989; Loose in: Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Kommentar, § 227 Rdnr. 40; Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, aaO, § 163 RdNrn. 32 und 33). Hiervon ausgehend ist die
Einziehung eines Anspruchs aus einem Abgabenschuldverhältnis aus sachlichen Gründen insbesondere dann unbillig, wenn dies dem Gebot
der Gleichheit oder dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widersprechen würde. Dies ist hier bereits deshalb nicht der Fall,
weil für das streitgegenständliche Grundstück eine atypische Vorteilssituation nicht angenommen werden kann und deshalb eine - im Vergleich
zum satzungsrechtlichen „Normalfall“ - nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht vorliegt; insoweit kann vollumfänglich auf die
Ausführungen unter I., 2. b) verwiesen werden.
65 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.
66 Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
67
Beschluss vom 12. November 2009
68 Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 68.063,20 EUR festgesetzt.
69 Der von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Anspruch ist bei der Festsetzung des Streitwerts nicht gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG mit dem
Hauptanspruch zusammenzurechnen, da beide Ansprüche denselben Gegenstand betreffen und somit nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nur der
Wert des höheren Anspruchs maßgebend ist. Die Frage, ob ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch
zusammenzurechnen ist, erfordert eine wirtschaftliche Betrachtung. Eine Zusammenrechnung hat grundsätzlich nur dort zu erfolgen, wo durch
das Nebeneinander von Haupt- und Hilfsantrag eine „wirtschaftliche Werthäufung“ entsteht (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 06.10.2004 - IV ZR
287/03 - NJW-RR 2005, 506 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Daran fehlt es im vorliegenden Fall, weil eine gleichzeitige Zuerkennung des
mit dem Hauptantrag geltend gemachten Anspruchs auf Aufhebung des Beitragsbescheids und des mit dem Hilfsantrag verfolgten Anspruchs auf
Erlass des Beitrags nicht in Betracht kommt. Hinter beiden Anträgen steht das gleiche wirtschaftliche Interesse, nämlich der Wunsch der Klägerin,
den von der Beklagten geforderten Beitrag letztendlich nicht bezahlen zu müssen.
70 Der Beschluss ist unanfechtbar.