Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 08.09.2009

VGH Baden-Württemberg: rentner, erworbenes recht, versorgung, private krankenversicherung, echte rückwirkung, aktiven, eingriff, beihilfe, dienstrecht, verminderung

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 8.9.2009, 4 S 1704/07
Beamtenversorgung - Kürzung der Sonderzahlung nach § 4a BSZG - "Abzug für Pflegeleistungen"
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. April 2006 - 17 K 1437/05 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der am … 1939 geborene Kläger, der zuletzt als Postsekretär (Besoldungsgruppe A 8) im Dienst der Beklagten stand und sich seit 01.03.1996
im Ruhestand befindet, wendet sich gegen eine Kürzung seiner Versorgung.
2
Mit der Bezügemitteilung für den Monat Dezember 2004 erhielt er ein Informationsblatt mit u.a. folgendem Hinweis:
3
„Gesetz zur wirkungsgleichen Übertragung von Regelungen der sozialen Pflegeversicherung in das Dienstrecht und zur Änderung
sonstiger dienstrechtlicher Vorschriften
4
Der Beitrag zur Sozialen Pflegeversicherung, der bisher je zur Hälfte von den Rentnerinnen/Rentnern sowie der gesetzlichen
Rentenversicherung gezahlt wurde, wird seit dem 01.04.2004 in voller Höhe von 1,7% von den Rentnerinnen/Rentnern selbst getragen.
Die Empfänger beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge leisten bisher einen Beitrag zur privaten Pflegeversicherung, der dem von den
Rentnerinnen/Rentnern getragenen hälftigen Beitrag zur Sozialen Pflegeversicherung entspricht. Die Pflegekosten werden den
Versorgungsempfängern von der privaten Pflegeversicherung und durch die Beihilfe vom Dienstherrn erstattet. Der Gesetzgeber hat es
deshalb als gerechtfertigt erachtet, die Versorgungsempfänger ab 01.04.2004 im gleichen Maße wie Rentnerinnen/Rentner an der
Finanzierung der Pflegeleistungen zu beteiligen. Daher werden die seit 01.04.2004 gezahlten Versorgungsbezüge der
Versorgungsempfänger des Bundes bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Sozialen Pflegeversicherung um 0,85% reduziert. Der
Abzug erfolgt jeweils am 01.12. bei der jährlichen Sonderzahlung. Der Kürzungsbetrag ist in der anliegenden Bezügemitteilung als
'Minderung § 4a Abs. 1 BSZG' ausgewiesen. Die Rechtsänderung mit der Einfügung des § 4a BSZG durch Artikel 1 des genannten
Gesetzes ist mit Wirkung vom 01.11.2004 erfolgt (BGBl. I S. 2686).“
5
Mit Schreiben vom 21.12.2004 legte der Kläger Widerspruch gegen die Minderung seiner Bezüge nach § 4a Abs. 1 BSZG ein, der mit
Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 06.04.2005 zurückgewiesen wurde.
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Am 02.05.2005 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und zuletzt - nach Erweiterung der Klage um den
Kürzungsbetrag der Sonderzahlung im Dezember 2005 - beantragt, den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 06.04.2005 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Jahre 2004 und 2005 weitere Sonderzahlungen in Höhe von insgesamt 346,26 EUR zu gewähren. Mit
Urteil vom 25.04.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe die Vorschriften
des Bundessonderzahlungsgesetzes - BSZG - in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur wirkungsgleichen Übertragung von Regelungen der
sozialen Pflegeversicherung in das Dienstrecht und zur Änderung sonstiger dienstrechtlicher Vorschriften vom 04.11.2004 (BGBl. I S. 2686)
richtig angewendet. Die in § 4a BSZG getroffenen Regelungen seien nicht verfassungswidrig. Art. 33 Abs. 5 GG werde durch die
Rechtsänderung nicht berührt, denn der Schutz dieser Vorschrift erfasse nicht das sogenannte 13. Monatsgehalt/die Sonderzahlung. Ein Verstoß
gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor, wenn man die Gruppe der Versorgungsempfänger derjenigen der gesetzlich versicherten Rentner
gegenüberstelle. Dem Gesetzgeber sei im Bereich des Besoldungsrechts ein weiter Spielraum politischen Ermessens eingeräumt, innerhalb
dessen er das Besoldungsrecht den Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte
berücksichtigen dürfe. In diesem Rahmen müsse ihm zugestanden werden, nicht nur das gesamte Besoldungsgefüge, sondern auch
übergreifende Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen. Auch die Berücksichtigung des Versorgungsniveaus aller Versorgungssysteme sei ein
Faktor, der bei der Bemessung einer amtsangemessenen Versorgung mit berücksichtigt werden könne. Der Gleichheitssatz verlange, dass eine
vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung von Personengruppen sich - sachbereichsbezogen - auf einen vernünftigen oder
sonstwie einleuchtenden Grund von hinreichendem Gewicht zurückführen lasse. Der Gleichheitssatz sei nur dann verletzt, wenn sich gesetzliche
Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erwiesen. Dies treffe hier jedoch nicht zu. Schon bisher hätten
nicht nur Beamte und Versorgungsempfänger, sondern auch Rentner einen Beitrag zur Pflegeversicherung entrichten müssen. Der
Beitragsanteil der Rentner habe 0,85 Prozent der monatlichen Rente betragen, der gleiche Anteil sei von der gesetzlichen Rentenversicherung
getragen worden. Seit April 2004 hätten die Rentner den vollen Beitragssatz, nämlich 1,7 Prozent, allein zu tragen. Mit dieser neuen Regelung
sei der Tatsache Rechnung getragen worden, dass die heutigen Rentner regelmäßig nicht oder nur kurze Zeit eigene Beiträge zur Finanzierung
der Pflegeleistungen entrichtet hätten. Dies treffe in gleicher Weise für die Versorgungsempfänger zu. Durch die Reduzierung der
Sonderzahlung im Bereich der Versorgung werde damit wirkungsgleich der Wegfall der Beteiligung der Rentenversicherung am
Pflegeversicherungsbeitrag übertragen. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot durch die in § 4a BSZG getroffene Neuregelung liege
daher nicht vor. Die Behauptung des Klägers, er habe schon vor der Gesetzesänderung einen Beitrag von 1,934 Prozent zur privaten
Pflegeversicherung entrichten müssen, sei nicht nachvollziehbar. Denn nach der bislang geltenden Rechtslage (§ 55 Abs. 1 PflegeVersG i.V.m. §
28 Abs. 2 PflegeVersG, BGBI. 1994 S. 1013 ff.) habe der Beitragssatz für Beihilfeberechtigte 0,85 Prozent betragen.
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Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 24.07.2007- 4 S 1276/06 -, zugestellt am 30.07.2007, die Berufung gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts Stuttgart zugelassen.
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Der Kläger hat die Berufung innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 19.09.2007 begründet.
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Er trägt vor: Der Abzug für Pflegeleistungen im Bundessonderzahlungsgesetz verstoße gegen Art. 14 GG. Dadurch werde auch die
verfassungsrechtlich garantierte Pflicht der Beklagten als Dienstherrin zur amtsangemessenen Alimentation des Klägers und seiner Familie
tangiert. Seine Rechtsposition sei durch Art. 14 GG - an dem sich § 4a BSZG messen lassen müsse - eigentumsrechtlich geschützt, da sie sich
als staatliche Leistung darstelle, bei der der Staat als Gebender in Erscheinung trete für ein erdientes Recht. Daraus ergebe sich eine objektive
rechtliche Institutsgarantie zu seinen Gunsten. Der Eingriff sei auch unverhältnismäßig. Er habe aufgrund des Alimentationsprinzips Anspruch auf
Einhaltung auch des eigentumsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegenüber der Beklagten. Dem Gesetzgeber verbleibe zwar bei
der Konkretisierung der Verpflichtung zur angemessenen Alimentierung der Beamten ein weiter Gestaltungsspielraum, der grundsätzlich auch
Besoldungsabsenkungen oder -kürzungen zulasse. Ein sachlicher Grund für die hier faktisch eingetretene Besoldungskürzung sei aber nicht
erkennbar. Der Eingriff durch den zum 01.11.2004 in Kraft getretenen § 4a BSZG, der damit begründet worden sei, dass die Rentner in der
gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 01.04.2004 den vollen Monatsbeitrag zur sozialen Pflegeversicherung allein aufbringen müssten, weil
der Rentenversicherungsträger den halben Versicherungsbeitrag von 0,85 Prozent nicht mehr übernehme, lasse sich im Hinblick auf Art. 14 GG
nicht rechtfertigen. Er entspreche keiner wirkungsgleichen Übertragung, da die Versorgungsempfänger grundsätzlich in der Vergangenheit eine
niedrigere Besoldung erhalten hätten. Dementsprechend sei die Übertragung der Beitragsbelastung gerade nicht wirkungsgleich. Es handele
sich beim künftigen Wegfall der hälftigen Übernahme der Pflegekosten um eine Beihilfeleistung und deshalb sei die angeblich wirkungsgleiche
Übertragung gerade nicht systemgerecht. Faktisch erfolge eine reine Kürzung der Versorgungsbezüge ohne sachlichen Grund. Er sei
überproportional von dem Eingriff betroffen, da er für private Pflegeleistungen vergleichsweise höhere Eigenleistungen erbringen müsse als
Versorgungsempfänger mit höheren Pensionen und erst recht mit Pensionen, die über der Beitragsbemessungsgrenze lägen. Auch sei Art. 3 GG
in Verbindung mit dem Vertrauensschutzgrundsatz verletzt, da die Rentner der gesetzlichen Rentenversicherung sachlich vollkommen anders zu
behandeln seien als die Versorgungsempfänger. Sein Anspruch beruhe auf eigener Leistung in der Vergangenheit, die ihm in Form von
Versorgungsbezügen zufließe. Die völlig unterschiedliche Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung und der Versorgung der Beamten
rechtfertige den hier erfolgten Eingriff in Art. 14 GG gerade nicht. Die Beamtenversorgung sei, anders als die gesetzliche Rentenversicherung,
keine klassische Versicherung, sondern Ausdruck der Alimentationspflicht des Dienstherrn und unterscheide sich insofern grundlegend von dem
rentenrechtlichen Versicherungsanspruch. Dies spiegele sich auch in den verfassungsrechtlichen Garantien für die beiden
Alterssicherungssysteme wider. Während es für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung in erster Linie wegen der eingezahlten
Beiträge als Basis für die Rentengewährung um Fragen des Eigentumsschutzes des Art. 14 GG gehe, ergebe sich die Verpflichtung des
Dienstherrn, den Beamten amtsangemessen zu versorgen, aus seiner Alimentationspflicht als hergebrachtem Grundsatz des
Berufsbeamtentums, der als institutionelle Garantie in Art. 33 Abs. 5 GG seinen Niederschlag finde. Nichts desto weniger reiche der
Eigentumsschutz des Art. 14 GG auch an beamtenversorgungsrechtliche Ansprüche heran. Hier sei insbesondere die lange Dienstzeit, die der
Beamte im Treueverhältnis verbracht habe, zu berücksichtigen.
10 Der Kläger beantragt (sachdienlich),
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. April 2006 - 17 K 1437/05 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres
Widerspruchsbescheids vom 06. April 2005 zu verurteilen, ihm für die Jahre 2004 und 2005 weitere Sonderzahlungen in Höhe von
insgesamt 346,26 EUR zu bezahlen.
12 Die Beklagte beantragt,
13
die Berufung zurückzuweisen.
14 Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, § 4a BSZG verstoße nicht gegen den Alimentationsgrundsatz des Art. 33 Abs. 5
GG. Die Praxis, den Beamten ein sog. „Weihnachtsgeld“ zu gewähren, habe erst in den Jahren nach 1949 im Bund Eingang gefunden und
gehöre daher nicht zu den beamtenrechtlichen Ansprüchen, die durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich garantiert seien. Der Gesetzgeber
könne diese Bezüge, ohne Art. 33 Abs. 5 GG zu verletzen, jederzeit für die Zukunft mindern oder streichen. Entsprechend stütze der Kläger seine
Argumentation nicht auf Art. 33 Abs. 5 GG, sondern auf Art. 14 GG. Allerdings finde auf die Alimentation der Beamten nur Art. 33 Abs. 5 GG als lex
specialis Anwendung und nicht Art. 14 GG. Der Kläger vermenge in unzulässiger Weise Alimentationsprinzip und Eigentumsschutz. Seine
Berufungsbegründung sei insofern widersprüchlich, als er zunächst richtig die Unterschiede zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und
Beamtenversorgung, nämlich einerseits „klassische Versicherung“ und Art. 14 GG und andererseits Alimentationspflicht und Art. 33 Abs. 5 GG,
aufzeige, dann aber auf Art. 14 GG abhebe, weil offensichtlich der einschlägige Art. 33 Abs. 5 GG gegen seinen Vortrag spreche. Die
Alimentation sei aber gerade kein Entgelt für die Leistung konkreter Dienste und stehe deshalb dem Beamten nicht hinsichtlich der
ziffernmäßigen Höhe, sondern nur hinsichtlich des Kernbestands seines Anspruchs auf standesgemäßen Unterhalt als ein durch seine
Dienstleistung erworbenes Recht zu; ansonsten sei dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Bereits aus der Natur des
Alimentationsprinzips habe der Beamte keinen Anspruch in bestimmter ziffernmäßiger Höhe als „erdientes Recht“, wie ihn der Kläger hinsichtlich
des Abzugs für Pflegeleistungen geltend mache. Es sei aber nicht ersichtlich, dass er durch die Verminderung der Sonderzahlung um 0,85
Prozent der Versorgungsbezüge unzumutbar belastet werde und sein Lebensunterhalt gefährdet sei, zumal diese Verminderung von ihrer Höhe
her geringfügig sei. Im Übrigen gebe es keinen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf Erhaltung des Besitzstands in Bezug auf ein
einmal erreichtes Einkommen. Der Kläger berufe sich zu Unrecht auf eine Verletzung des Vertrauensschutzgrundsatzes. Da die
Sonderzuwendung nicht zum Kernbestand der Alimentation gehöre, sondern beliebig gestrichen werden könne und keinerlei
verfassungsrechtlichen Schutz genieße, könne von vornherein kein schützenswertes Vertrauen entstanden sein. Auch sei sie immer neben den
regulären Dienstbezügen gezahlt und daher als eine besondere Zahlung behandelt worden, die sich bereits optisch von den regulären Bezügen
abgehoben habe. Deshalb habe kein schützenswertes Vertrauen dahin entstehen können, der Staat werde unabhängig von der finanziellen
Lage das „Weihnachtsgeld“ in der bisherigen Höhe weiterbezahlen. Die wesentlich verschlechterte finanzielle Situation der öffentlichen
Haushalte und insbesondere der starke Anstieg der Versorgungslasten machten nachhaltige Konsolidierungsbemühungen erforderlich. Diese
Situation sei den Versorgungsempfängern über die Medien seit langem bekannt. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht eine
Ungleichbehandlung des Klägers im Sinne des Art. 3 GG verneint. Der Wegfall der Beteiligung der Rentenversicherung am
Pflegeversicherungsbeitrag der Rentner werde durch die Reduzierung der Sonderzahlung im Bereich der Versorgung ab 01.04.2004 wirkungs-
und zeitgleich auf die Versorgungsempfänger des Bundes übertragen. Die Gesetzesänderung bewirke, dass Rentner, pflichtversicherte
Versorgungsempfänger und privat versicherte Versorgungsempfänger in gleicher Weise statt bislang grundsätzlich nur den halben
Pflegeversicherungsbeitrag nunmehr den gesamten Beitrag zu tragen hätten. Soweit der Kläger geltend mache, er müsse für private
Pflegeleistungen vergleichsweise höhere Eigenleistungen erbringen als Versorgungsempfänger mit höheren Pensionen, habe er diesen Vortrag
in keiner Weise konkretisiert. Im Übrigen könne er, wenn er eine private Krankenversicherung gewählt und folgerichtig nach § 23 SGB XI auch
eine private Pflegeversicherung habe, nicht geltend machen, dadurch in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt zu sein. Seine
Behauptung, die Versorgungsempfänger hätten grundsätzlich in der Vergangenheit eine niedrigere Besoldung erhalten, erscheine zweifelhaft,
da Beamte keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssten und in der Regel eine höhere Nettoauszahlung hätten als Angestellte mit
entsprechender BAT-Vergütung. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass auch das System der Beihilfe in der gegenwärtigen Form nicht zu den
hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehöre und nicht die Erstattung jeglicher Aufwendungen verlange.
15 Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und der Beklagten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und
Streitstands wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
16 Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
17 Die Berufung des Klägers ist nach der Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.
18 Der Kläger begehrt ungekürzte Sonderzahlungen nach § 4 Bundessonderzahlungsgesetz - BSZG - für die Jahre 2004 und 2005 und macht im
Wege der allgemeinen Leistungsklage den Kürzungsbetrag geltend, um den die Beklagte seine Sonderzahlungen unter Anwendung von § 4a
BSZG reduziert hat.
19 Nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) ist es grundsätzlich ausgeschlossen, einem Beamten
Besoldungs- bzw. Versorgungsleistungen zuzusprechen, die gesetzlich nicht vorgesehen sind (§ 2 Abs. 1 BBesG bzw. § 3 Abs. 1 BeamtVG).
Auch im Fall der - feststellbaren - Verfassungswidrigkeit einer Regelung des geltenden Besoldungs-bzw. Versorgungsrechts wird dem Beamten
grundsätzlich zugemutet, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und eine danach etwa gebotene Neuregelung seines Besoldungs-
bzw. Versorgungsanspruchs durch den Gesetzgeber abzuwarten (BVerwG, Urteil vom 20.06.1996 - 2 C 7.95 -, ZBR 1997, 16 m.w.N.). Mit seiner
Leistungsklage kann der Kläger daher allenfalls dann Erfolg haben, wenn sich § 4a BSZG („Abzug für Pflegeleistungen“) als nichtig erweisen
sollte. Denn nur in diesem Fall wäre es denkbar, dass ihm für die streitgegenständlichen Jahre 2004 und 2005 ein Anspruch auf Gewährung
einer ungekürzten Sonderzahlung zustünde (vgl. Urteil des Senats vom 26.05.2009 - 4 S 1052/07 -). Das aber ist nicht der Fall.
20 Rechtsgrundlage für die jeweils im Monat Dezember 2004 und 2005 gewährte Sonderzahlung ist der am 01.01.2004 in Kraft getretene und im
streitgegenständlichen Zeitraum unverändert gebliebene § 4 BSZG. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 hat derjenige, der am 1. Dezember zu dem
Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 gehört (mithin auch der Kläger als Versorgungsempfänger), vor Anwendung der Ruhens- und
Anrechnungsvorschriften Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von 4,17 Prozent der Versorgungsbezüge für das Kalenderjahr. Durch
Artikel 1 des Gesetzes zur wirkungsgleichen Übertragung von Regelungen der sozialen Pflegeversicherung in das Dienstrecht und zur Änderung
sonstiger dienstrechtlicher Vorschriften vom 04.11.2004 (BGBl. I S. 2686) wurde § 4a BSZG mit Wirkung zum 01.11.2004 in das
Bundessonderzahlungsgesetz eingefügt. Nach dessen Abs. 1 vermindert sich der Betrag nach § 4 Abs. 1 Satz 1 um den hälftigen Prozentsatz
nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI der für das Kalenderjahr gezahlten Versorgungsbezüge (§ 4 Abs. 2) und des Betrages nach § 4 Abs. 1 Satz 1. In
§ 4a Abs. 2 BSZG wird die Verminderung begrenzt auf höchstens den hälftigen Prozentsatz nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI der
Beitragsbemessungsgrenze in der Pflegeversicherung (§ 55 Abs. 2 SGB XI). Nach § 4a Abs. 3 BSZG vermindert sich der Betrag nach § 4 Abs. 1
Satz 1 im Jahr 2004 um 0,85 Prozent der Versorgungsbezüge für die Monate April bis Dezember 2004 (§ 4 Abs. 2) und des sich aus den
Versorgungsbezügen für die Monate April bis Dezember 2004 (§ 4 Abs. 2) ergebenden Betrages nach § 4 Abs. 1 Satz 1, wobei die
Verminderung höchstens 0,85 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Pflegeversicherung (§ 55 Abs. 2 SGB XI), höchstens 266,79 EUR,
beträgt.
21 Eine diesen Anforderungen entsprechende Sonderzahlung hat der Kläger für die Jahre 2004 und 2005 erhalten. Berechnungsfehler werden
insoweit nicht geltend gemacht. Ein Anspruch auf eine höhere Sonderzahlung steht ihm nach den genannten Vorschriften des
Bundessonderzahlungsgesetzes für den streitgegenständlichen Zeitraum - unstreitig - nicht zu.
22 Die Kürzung der Sonderzahlung um einen „Abzug für Pflegeleistungen“ durch § 4a BSZG ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
23 Entgegen der Auffassung des Klägers ist Art. 14 GG nicht Prüfungsmaßstab. Da die Sonderzahlung zu den vermögensrechtlichen Ansprüchen
zählt, die ihre Grundlage in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis haben, geht die verfassungsrechtliche Sonderregelung in Art. 33 Abs. 5
GG als lex specialis Art. 14 GG vor (BVerfG, Beschluss vom 30.09.1987 - 2 BvR 933/82 -, BVerfGE 76, 256 m.w.N.).
24 § 4a BSZG verstößt nicht gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG.
25 Die Vorschrift verlangt weder den Versorgungsempfängern einen eigenen „Beitrag“ zur Finanzierung der Pflegeleistungen ab noch bewirkt sie
den Wegfall von Beihilfeleistungen. Die Beträge, um welche die Sonderzahlungen reduziert werden, stammen nicht aus dem Vermögen der
Versorgungsempfänger und stellen daher - rechtlich gesehen - auch keine „Beiträge“ dieses Personenkreises dar. Die Sonderzahlungen werden
vielmehr von vornherein in verminderter Höhe ausgezahlt. Die Einsparungen sind nicht zweckgebunden, sondern kommen dem Bundeshaushalt
zugute. Die amtliche Überschrift des § 4a BSZG („Abzug für Pflegeleistungen“) nennt nur den Grund, der den Gesetzgeber bewogen hat, die
Sonderzahlungen für Versorgungsempfänger zu kürzen. Dies in die Vorschrift selbst aufzunehmen, mag gesetzestechnisch wenig geglückt sein,
ist aber unschädlich (ebenso BVerfG, Beschluss vom 24.09.2007 - 2 BvR 1673/03 u.a. -, DVBl. 2007, 1435; Urteil des Senats vom 26.05.2009 - 4
S 1052/07 -). § 4a BSZG hat auch nicht den Wegfall oder die Einschränkung von Beihilfeleistungen für Pflegemaßnahmen zur Folge, die
weiterhin unverändert gewährt werden. Deshalb braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die Beitragsfreiheit der Beamtenversorgung sowie
die Gewährung von Beihilfe zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehören (vgl. zur Beitragsfreiheit der
Beamtenversorgung: BVerfG, Beschluss vom 24.09.2007 - 2 BvR 1673/03 u.a. -, a.a.O. mit zahlreichen Nachweisen zum Streitstand; zur Beihilfe:
vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.10.2007 - 2 BvR 1715/03 -, ZBR 2007, 416 sowie Urteil des Senats vom 28.09.2007 - 4 S 2205/06 -, wonach das
System der Beihilfegewährung nicht dem Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG unterfällt).
26 Im Hinblick auf Art. 33 Abs. 5 GG ist es auch nicht zu beanstanden, dass die den Versorgungsempfängern gewährte Sonderzahlung, die ohnehin
geringer ist als diejenige, die den aktiven Beamten gezahlt wird (im streitgegenständlichen Zeitraum nach § 2 Abs. 1 BSZG 5 Prozent der für das
Kalenderjahr zustehenden Bezüge, zuzüglich eines Festbetrags von 100,- EUR für Beamte der Besoldungsgruppen A 2 bis A 8), noch weiter
gekürzt wird, was wiederum bei den aktiven Beamten nicht erfolgt. Denn es existiert kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, der
den Gesetzgeber verpflichtete, den aktiven und den sich im Ruhestand befindlichen Beamten Sonderzahlungen aus Gründen strikter Parallelität
in einheitlicher Höhe zu gewähren (BVerfG, Urteil vom 27.09.2005 - 2 BvR 1387/02 -, BVerfGE 114, 258; Urteil des Senats vom 26.05.2009 - 4 S
1052/07 -). Auch stellt die Gewährung von Sonderzahlungen selbst keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums dar.
Sonderzuwendungen (sog. „Weihnachtsgeld“ oder „13. Monatsgehalt“) wurden erst nach 1949 in das Beamtenrecht übernommen (im Einzelnen:
BVerfG, Beschlüsse vom 29.11.1967 - 2 BvR 668/67 -, JZ 1968, 61, vom 30.03.1977 - 2 BvR 1039/75 -, BVerfGE 44, 249, und vom 28.09.2007 - 2
BvL 5/05 u.a. -, ZBR 2008, 42; BVerwG, Urteile vom 15.07.1977 - VI C 24.75 -, Juris, und vom 28.05.2009 - 2 C 23.07 -, Juris; Urteile des Senats
vom 05.05.1980 - IV 3095/78 -, Juris, und vom 26.05.2009 - 4 S 1052/07 -). Sie begründen daher keinen beamtenrechtlichen Anspruch, der nach
den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums dem Beamten „zustünde“ und deshalb hinsichtlich Bestand und Höhe durch Art. 33
Abs. 5 GG verfassungsrechtlich garantiert wäre. Sonderzahlungen können daher insoweit jederzeit für die Zukunft gemindert oder gestrichen
werden (BVerfG, Beschlüsse vom 06.03.2006 - 2 BvR 2443/04 -, Juris, und vom 29.11.1967 - 2 BvR 668/76 -, a.a.O.; Urteil des Senats vom
26.05.2009 - 4 S 1052/07 -).
27 Auch unter Berücksichtigung des Alimentationsprinzips ergibt sich nichts anderes. Das Alimentationsprinzip gehört zu den hergebrachten
Grundsätzen des Berufsbeamtentums (BVerfG, Beschlüsse vom 11.06.1958 - 1 BvR 1/52 u.a. -, BVerfGE 8, 1, und vom 20.03.2007 - 2 BvL 11/04 -
, BVerfGE 99, 300; stRspr). Es verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm
nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums für
die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen
Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Der Beamte muss über ein Nettoeinkommen verfügen, das seine
rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihm über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus ein
Minimum an Lebenskomfort ermöglicht (BVerfG, Beschluss vom 20.03.2007 - 2 BvL 11/04 -, a.a.O.). Die Besoldung des Beamten stellt kein
Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar, sondern ist eine Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte ihm mit seiner ganzen
Persönlichkeit zur Verfügung stellt und gemäß den jeweiligen Anforderungen seine Dienstpflicht nach Kräften erfüllt. Sie bildet die
Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum
vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe beitragen kann, eine stabile und gesetzestreue Verwaltung zu sichern und damit einen
ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften zu bilden. Die Sicherung eines angemessenen
Lebensunterhalts - zu der auch die Versorgung des Beamten nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zählt (BVerfG, Beschluss vom
30.03.1977 - 2 BvR 1039/75 -, a.a.O.) - ist deshalb ein besonders wesentlicher Grundsatz, zu dessen Beachtung der Gesetzgeber verpflichtet ist
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958 - 1 BvR 1/52 u.a. -, a.a.O., und Urteil vom 27.09.2005 - 2 BvR 1387/02 -, a.a.O.).
28 Bei der Konkretisierung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentierung hat der Gesetzgeber einen weiten
Entscheidungsspielraum (BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958 - 1 BvR 1/52 u.a. -, a.a.O.; stRspr). Dieser ist allerdings eingeengt, wenn es um den
Kernbestands des Anspruchs des Beamten auf standesgemäßen Unterhalt geht, der ihm als ein durch seine Dienstleistung erworbenes Recht
zusteht und durch Art. 33 Abs. 5 GG gesichert ist (BVerfG, Beschluss vom 12.03.1975 - 2 BvL 10/74 -, BVerfGE 39, 196 m.w.N.). Insoweit ist das
Alimentationsprinzip nicht nur Grundlage, sondern auch Grenze der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Dieser darf die Beamtenbesoldung
und -versorgung danach von der allgemeinen Entwicklung nur ausnehmen, wenn dies durch spezifische, im Beamtenverhältnis wurzelnde
Gründe gerechtfertigt ist. Den Beamten und Versorgungsempfängern dürfen keine Sonderopfer zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte
auferlegt werden. Finanzielle Erwägungen und das Bemühen, Ausgaben zu sparen, können für sich genommen in aller Regel nicht als
ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung angesehen werden. Zu den finanziellen Erwägungen müssen vielmehr stets
weitere Gründe hinzukommen, die im Bereich des Systems der Altersversorgung liegen und die Kürzung der Versorgungsleistungen insgesamt
als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen (BVerfG, Urteil vom 27.09.2005 - 2 BvR 1387/02 -, a.a.O., und Beschluss vom 24.09.2007 - 2 BvR
1673/03 u.a. -, a.a.O.).
29 Der Kläger macht geltend, dass die Kürzung der Sonderzahlungen um einen „Abzug für Pflegeleistungen“ sachlich nicht gerechtfertigt sei. Dabei
verkennt er jedoch, dass die Sonderzahlungen - wie bereits erwähnt - nicht zu dem durch Art. 33 Abs. 5 GG gesicherten Kernbestand des
Anspruchs des Beamten auf standesgemäßen Unterhalt zählen (BVerfG, Beschluss vom 29.11.1967 - 2 BvR 668/67 -, a.a.O.). Will der
Gesetzgeber die Sonderzahlungen streichen oder kürzen, unterliegt er demnach nicht den strengen Bindungen durch das Alimentationsprinzip
(BVerwG, Urteil vom 13.06.2008 - 2 C 75.07 -, Juris). Somit kommt es entgegen der Ansicht des Klägers im Rahmen des Art. 33 Abs. 5 GG nicht
darauf an, ob es sachliche Gründe gibt, die eine Kürzung der Sonderzahlungen um einen „Abzug für Pflegeleistungen“ rechtfertigen (vgl. Urteil
des Senats vom 26.05.2009 - 4 S 1052/07 -).
30 Genießen einzelne Versorgungsleistungen - wie die Sonderzahlungen - hinsichtlich ihres Bestands und ihrer Höhe keinen
verfassungsrechtlichen Schutz, kommt ihnen gleichwohl mittelbar als Berechnungsfaktoren für die Ermittlung des Nettoeinkommens der Beamten
verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Streicht oder kürzt der Gesetzgeber eine Leistung, so stellt sich die Frage, ob das dadurch verringerte
Nettoeinkommen noch ausreicht, um den amtsangemessenen Lebensunterhalt zu gewährleisten. Bei einer isolierten Betrachtung der
umstrittenen Kürzung der jährlichen Sonderzahlung um 0,85 Prozent, die sich im Falle des Klägers in einer Verringerung seiner jährlichen
Bruttobezüge um 150,95 EUR (2004) bzw. um 195,31 EUR (2005) ausdrückt, erscheint es jedoch ausgeschlossen, dass dadurch die
Amtsangemessenheit der Versorgung tangiert wäre (Urteile des Senats vom 16.10.2008 - 4 S 725/06 -, VBlBW 2009, 178, und vom 26.05.2009 -
4 S 1052/07 - sowie Beschluss vom 28.07.2004 - 4 S 1132/04 -, NVwZ-RR 2005, 195; Wolff, SächsVBl. 2004, 273, 275). Gegenteiliges trägt auch
der Kläger nicht vor.
31 Da sich das verfassungsrechtlich relevante Nettoeinkommen aus einer Gesamtschau der versorgungsrechtlichen Regelungen ergibt, kann ein
verfassungswidrig zu niedriges Alimentationsniveau seine Ursache allerdings auch darin haben, dass unzureichende Anpassungen der
Versorgungsbezüge sowie Kürzungen oder Streichungen versorgungsrelevanter Leistungen kumulativ zusammenwirken. In diesem Fall kann
die Verletzung der Alimentationspflicht des Gesetzgebers nicht die Verfassungswidrigkeit einer bestimmten Regelung nach sich ziehen, die eine
Leistung kürzt oder streicht, wenn diese - wie die Sonderzahlung - für sich genommen verfassungsrechtlich nicht gewährleistet ist. Sollte also die
Kürzung der Sonderzahlungen im Zusammenwirken mit anderen Versorgungseinschnitten die Amtsangemessenheit der Alimentation in Frage
stellen, so folgte daraus nicht der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung der ungekürzten Sonderzahlungen. Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet
den Gesetzgeber lediglich, durch eine entsprechende Korrektur der Regelungen der Beamtenversorgung ein verfassungswidrig zu niedriges
Alimentationsniveau anzuheben (BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225). Dies kann sowohl dadurch
geschehen, dass er die Versorgungsbezüge erhöht, als auch dadurch, dass er versorgungsrelevante Einschnitte rückgängig macht.
Verfassungsrechtlich ist nur das Ergebnis vorgegeben; die Wahl der Mittel bleibt dem Gesetzgeber überlassen. Ihm ist bei der Gestaltung des
Besoldungsrechts ein weiter Spielraum politischen Ermessens eröffnet, der grundsätzlich erst durch Maßnahmen überschritten wird, die sich als
evident sachwidrig erweisen (BVerwG, Beschluss vom 13.06.2008 - 2 C 75.07 -, a.a.O. m.w.N.).
32 Zwar korrespondiert der Alimentationspflicht des Gesetzgebers ein grundrechtsgleiches Recht der Beamten. Dieses kann aber nur dadurch
geltend gemacht werden, dass der Beamte Klage auf Feststellung erhebt, sein Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen
(BVerwG, Beschluss vom 13.06.2008 - 2 C 75.07 -, a.a.O., und Urteil vom 28.05.2009 - 2 C 23.07 -, a.a.O., jeweils m.w.N.; Urteil des Senats vom
26.05.2009 - 4 S 1052/07 -). Hierauf zielt das Begehren des Klägers jedoch nicht ab. Er hat weder ausdrücklich Klage auf Feststellung erhoben,
seine Alimentation sei in den Jahren 2004 und 2005 verfassungswidrig zu niedrig bemessen gewesen, noch kann seinem Vortrag ein solches
Rechtsschutzbegehren konkludent entnommen werden. Mit seiner Klage verfolgt er nur das Ziel, Sonderzahlungen für die Jahre 2004 und 2005
ohne die umstrittene Kürzung nach § 4a BSZG zu erhalten. Nur hierzu verhält sich sein Vorbringen. Auf die Verfassungsmäßigkeit seiner
Versorgung in den Jahren 2004 und 2005 geht er nicht ein.
33 Die Kürzung der Sonderzahlungen um einen „Abzug für Pflegeleistungen“ verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3
Abs. 1 GG. Hierin liegt insbesondere keine willkürliche Gleichbehandlung von Beamten und Arbeitnehmern bzw. von Versorgungsempfängern
und Rentnern.
34 Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verbietet - auch im Bereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts -, wesentlich Gleiches willkürlich
ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Dieses Verbot ist verletzt, wenn die (un)gleiche Behandlung der geregelten
Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten
Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger,
einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung fehlt. Aufgrund der verhältnismäßig weiten Gestaltungsfreiheit, die Art. 3 Abs. 1 GG dem
Gesetzgeber bei Regelungen des Besoldungs- und Versorgungsrechts belässt, ist nicht zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste,
zweckmäßigste und vernünftigste Regelung getroffen hat. Der Gesetzgeber ist insbesondere frei, darüber zu befinden, was in concreto als im
Wesentlichen gleich und was als so verschieden anzusehen ist, dass die Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Er ist befugt,
aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein
sollen (BVerfG, Beschluss vom 30.09.1987 - 2 BvR 933/82 -, BVerfGE 76, 256 m.w.N.).
35 Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und die ihnen zugrunde liegenden Entwicklungen sind grundsätzlich geeignet,
entsprechende Einschnitte in das System der Beamtenversorgung zu rechtfertigen. Die Berücksichtigungsfähigkeit von Einschnitten in die
Alterseinkünfte der Rentner beruht dabei auf der herausragenden Bedeutung der Einkommen der privatrechtlich beschäftigten Arbeitnehmer für
die verfassungsrechtlich gebotene Alimentierung (BVerfG, Urteil vom 27.09.2005 - 2 BvR 1387/02 -, a.a.O., Beschluss vom 24.09.2007 - 2 BvR
1673/03 u.a. -, a.a.O.; Urteil des Senats vom 26.05.2009 - 4 S 1052/07 -). Bei dem Bemühen, Gesetzesänderungen im Bereich der gesetzlichen
Rentenversicherung systemkonform auf die Beamtenversorgung zu übertragen, kommt dem Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum zu.
Wegen der Unterschiedlichkeit der Systeme ist eine völlig wirkungsgleiche Übertragung von Maßnahmen im Bereich der gesetzlichen
Rentenversicherung auf die Beamtenbesoldung und -versorgung oftmals nicht möglich. Insoweit genügt es, wenn ein gewisser Gleichlauf mit der
Absenkung des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung hergestellt werden soll (BVerfG, Beschluss vom 24.09.2007 - 2 BvR
1673/03 u.a. -, a.a.O.; Urteil des Senats vom 26.05.2009 - 4 S 1052/07 -).
36 Ausgehend hiervon ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit der Kürzung der den Versorgungsempfängern gewährten
Sonderzahlung Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung „wirkungsgleich“ in die Beamtenversorgung übertragen wollte.
37 Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass sich das Recht der Beamten und das der Arbeitnehmer - auch derjenigen im öffentlichen Dienst -
grundlegend unterscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.11.1979 - 2 BvR 513/73 -, BVerfGE 52, 303). Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich
der sozialen Sicherung im Alter und bei Krankheit. Das System der sozialen Pflegeversicherung - eine der gesetzlichen Krankenversicherung
folgende und im Wege des Umlageprinzips finanzierte einkommensabhängige Familienversicherung (vgl. Igl, NJW 1994, 3185; Unverhau, ZBR
1995, 93; Isensee, ZBR 1995, 221) - ist mit dem System der privaten Pflegeversicherung der Beamten, die eine private Pflegepflichtversicherung
abzuschließen haben (§§ 23 Abs. 3, 110 SGB XI) und daneben von ihrem Dienstherrn Beihilfe erhalten, nicht ohne weiteres vergleichbar. Diese
strukturellen Unterschiede hindern den Gesetzgeber jedoch nicht, Veränderungen im Bereich der sozialen Pflegeversicherung in ihren
Wirkungen im Rahmen der Beamtenversorgung nachzuvollziehen.
38 Mit der Kürzung der Sonderzahlung hat der Gesetzgeber auf die durch Art. 6 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3013) erfolgten Änderungen in der gesetzliche Rentenversicherung reagiert,
wodurch die Rentner verpflichtet wurden, den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 Prozent der monatlichen Rente, der
ursprünglich zu gleichen Teilen (je 0,85 Prozent) durch die gesetzliche Rentenversicherung sowie durch die Rentner gezahlt wurde, ab
01.04.2004 allein zu tragen (§ 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Diese Belastung durch den Wegfall des Beitragszuschusses in Höhe von 0,85 Prozent,
die im Ergebnis zu einer Absenkung des Rentenniveaus geführt hat, sollte nach dem Willen des Gesetzgebers wirkungsgleich auf die
Versorgungsempfänger übertragen werden (vgl. BT-Drs. 15/3444 vom 29.06.2004, Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und
Bündnis 90/Die Grünen). Die konkrete Ausgestaltung des § 4a BSZG ist dabei nicht zu beanstanden. Die Versorgungsbezüge der Beamten
werden entsprechend der Höhe der Mehrbelastung der Rentner durch den Wegfall des Arbeitgeberbeitrags zur sozialen Pflegeversicherung um
0,85 Prozent des Bruttoeinkommens abgesenkt. Dabei wird ebenfalls zur „Deckelung“ auf die Beitragsbemessungsgrenze des § 55 Abs. 2 SGB
XI verwiesen, so dass auch insofern eine Gleichbehandlung mit den Rentnern erfolgt.
39 Hierin liegt - entgegen der Auffassung des Klägers - keine unzulässige Benachteiligung im Vergleich zu den Empfängern von
Versorgungsleistungen, die die Beitragsbemessungsgrenze überschreiten. Vielmehr hält sich der (Bundes-)Gesetzgeber im Rahmen seines
Gestaltungsspielraums, wenn er einer möglichst vollständigen Übertragung der Regelungen der sozialen Pflegeversicherung Priorität
eingeräumt hat (anders der Gesetzgeber in Baden-Württemberg, der - ebenfalls in zulässiger Weise - keine „Deckelung“ der Kürzung der
Sonderzahlung durch Verweisung auf die Beitragsbemessungsgrenze in der sozialen Pflegeversicherung vorgenommen, sondern den
Prozentsatz, um den eine Kürzung der Sonderzahlung erfolgt, entsprechend niedriger festgelegt hat; vgl. dazu Urteil des Senats vom 26.05.2009
- 4 S 1052/07 -).
40 Soweit der Kläger vor dem Verwaltungsgericht vorgetragen hat, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege dadurch vor, dass er bereits Prämien
zur privaten Pflegeversicherung zahle, die höher als 0,85 Prozent seines Bruttoeinkommens seien, und damit nun insgesamt Beiträge leiste, die
deutlich höher als 1,7 Prozent seines Bruttoeinkommens seien (1,934 Prozent des Bruttoeinkommens für die private Pflegeversicherung, nach
Anwendung von § 4a BSZG insgesamt 2,784 Prozent), verkennt er zunächst, dass die Einführung des § 4a BSZG an seinen Zahlungen zur
privaten Pflegeversicherung nichts ändert. Auch bisher leistete der Kläger diese Versicherungsprämien, während Rentner bislang (nur) 0,85
Prozent ihres Bruttoeinkommens als Beitrag für die soziale Pflegeversicherung bezahlten. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in
seinem Urteil vom 03.04.2001 (- 1 BvR 1681/94 -, BVerfGE 103, 271) entschieden, dass privat Pflegeversicherte keinen Anspruch darauf haben,
nur Prämien in Höhe der entsprechenden Beiträge für die soziale Pflegeversicherung bezahlen zu müssen; die unterschiedliche Belastung ist
darin begründet, dass die Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung einkommensorientiert sind, während die Prämien in der privaten
Pflegeversicherung risikobezogen sind.
41 Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird auch nicht dadurch verletzt, dass die Kürzung der Sonderzahlungen nur die Versorgungsempfänger, nicht
aber die aktiven Beamten trifft, denen Sonderzahlungen gemäß § 2 Abs. 1 BSZG weiterhin ohne „Abzug für Pflegeleistungen“ gewährt werden.
42 Zwar haben den Gesetzgeber in erster Linie wirtschaftliche Erwägungen zur Kürzung der Sonderzahlungen bewogen (vgl. BT-Drs. 15/3444 vom
29.06.2004, Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, sowie BT-Drs. 15/1502 vom 08.09.2003,
Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung). Derartige finanzielle Erwägungen sind zwar in aller Regel für sich genommen keine
ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung. Daneben intendiert der Gesetzgeber - wie bereits ausgeführt - aber auch die
„wirkungsgleiche Übertragung“ der Änderung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 27.12.2003, welche die Kürzung der Sonderzahlungen als sachlich gerechtfertigt erscheinen lässt.
Da die Belastung der Rentner mit dem vollen Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung aufgrund der Änderung des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zu
einer Absenkung des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung um 0,85 Prozent führt, an welche die Kürzung der
Sonderzahlungen für Versorgungsempfänger anknüpft, besteht insoweit auch ein spezifischer Bezug zum System der Altersversorgung, der es
rechtfertigt, die Kürzung auf die Versorgungsempfänger zu beschränken und die aktiven Beamten hiervon auszunehmen. Im Übrigen ist die
Mehrbelastung sowohl der Rentner als auch der Versorgungsempfänger im Vergleich zu den aktiven Beamten und Arbeitnehmern sachlich darin
begründet, dass die Angehörigen beider Gruppen während ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig nicht oder nur kurze Zeit eigene Zahlungen an
die (soziale oder private) Pflegeversicherung getätigt haben (vgl. zu dieser Erwägung: BT-Drs. 15/3444 vom 29.06.2004, Begründung zum
Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, sowie BT-Drs. 15/1502 vom 08.09.2003, Begründung zum Gesetzentwurf der
Bundesregierung).
43 § 4a BSZG verstößt schließlich auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende Rückwirkungsverbot. Ihm
kommt zunächst keine (echte) Rückwirkung in Form einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen zu. Eine solche liegt vor, wenn der Beginn des
zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm und der Eintritt ihrer Rechtsfolgen auf einen Zeitpunkt festgelegt sind, der vor demjenigen liegt, zu
dem die Norm gültig geworden ist, so dass der Gesetzgeber nachträglich ändernd in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingreift (vgl. BVerwG,
Urteil vom 28.05.2009 - 2 C 23.07 -, a.a.O. m.w.N.). § 4a BSZG wurde durch Artikel 1 des Gesetzes zur wirkungsgleichen Übertragung von
Regelungen der sozialen Pflegeversicherung in das Dienstrecht und zur Änderung sonstiger dienstrechtlicher Vorschriften vom 04.11.2004 mit
Wirkung (bereits) zum 01.11.2004 eingefügt (Art. 5). Zu diesem Zeitpunkt bestand aber weder ein Anspruch noch ein Anwartschaftsrecht des
Klägers auf die Gewährung einer (ungekürzten) jährlichen Sonderzahlung nach § 4 BSZG, der u.a. voraussetzt, dass der Berechtigte zum
Stichtag 1. Dezember Versorgungsempfänger war. Ein einredefreier fälliger Anspruch entsteht damit erst im Dezember des jeweiligen Jahres.
Die Sonderzahlung nach § 4 BSZG ist somit erstmalig zum Stichtag 01.12.2004 entstanden, so dass kein rückwirkender Eingriff in einen
abgeschlossenen Sachverhalt erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2009 - 2 C 23.07 -, a.a.O.; VG Augsburg, Urteil vom 12.01.2006 - Au 2 K
05.153 -, Juris; VG des Saarlandes, Urteil vom 24.06.2008 - 3 K 161/08 -, Juris). Auch ein Fall der unechten Rückwirkung liegt nicht vor, denn §
4a BSZG ist - wie ausgeführt - noch vor Entstehung und Fälligkeit der Sonderzahlung nach § 4 BSZG in Kraft getreten (vgl. BVerwG, Urteil vom
28.05.2009 - 2 C 23.07 -, a.a.O.). Unabhängig davon konnte der Kläger im Hinblick auf die wechselvolle Entwicklung der
Sonderzuwendung/Sonderzahlung für Beamte und Richter kein Vertrauen in deren ungeminderten Fortbestand haben (BVerwG, Urteil vom
28.05.2009 - 2 C 23.07 -, a.a.O. m.w.N.).
44 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
45 Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe der §§ 132 Abs. 2 VwGO, 127 BRRG gegeben ist.
46
Beschluss vom 08. September 2009
47 Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG auf 346,26 EUR festgesetzt.
48 Der Beschluss ist unanfechtbar.