Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 05.02.2010
VGH Baden-Württemberg: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, beschlagnahme, einziehung, öffentliche sicherheit, hund, gefahr, behörde, verfügung, eigentumsübergang, gewahrsam
VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 5.2.2010, 1 S 2560/09
Zum Eigentumsübergang bei Einziehung einer Sache zusammen mit einer Beschlagnahme
Leitsätze
Ordnet die Behörde die Einziehung einer Sache zusammen mit der Beschlagnahme an, geht das Eigentum an der Sache erst dann über, wenn die
Beschlagnahmeverfügung vollzogen ist und die Behörde amtlichen Gewahrsam begründet hat (Ergänzung zum Urteil des Senats vom 14.05.2007 1
S 1422/06 , VBlBW 2007, 351).
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 29. Oktober 2009 - 1 K 1686/09 - wird
zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 EUR festgesetzt.
Gründe
1 Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist jedenfalls deswegen abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung des Antragstellers, wie sich
aus den nachfolgenden Darlegungen ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 Abs. 1 ZPO).
2 Die Beschwerde, mit der der Antragsteller ungeachtet der von ihm formulierten Antragstellung ausweislich der Begründung sein
Rechtsschutzbegehren, soweit er vor dem Verwaltungsgericht unterlegen ist, insgesamt - also sowohl hinsichtlich der Beschlagnahme als auch
der Einziehung - weiterverfolgt, ist zulässig, aber nicht begründet. Aus den mit der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung
des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragstellerin vom 18.09.2009 hinsichtlich der
Beschlagnahme und Einziehung der Schäferhündin „Cora“ zu Unrecht abgelehnt hätte.
3 Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags bestehen allerdings, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, auch insoweit
nicht, als er sich gegen die Beschlagnahmeverfügung richtet. Die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage, ob sich die Beschlagnahme mit
der Einziehung erledigt, stellt sich hier indessen nicht. Denn die mit der Einziehung als einem (privatrechts-)gestaltenden Verwaltungsakt
bezweckte Rechtswirkung, nämlich der Übergang des Eigentums am Schäferhund, ist hier noch nicht eingetreten. Zutreffend geht das
Verwaltungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 14.05.2007 - 1 S 1422/06 -, VBlBW 2007, 351; so auch
Wolf/Stephan/Deger, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl. 2009, § 34 Rn. 10) zwar davon aus, dass es dafür der Bestandskraft der
Einziehungsverfügung nicht bedarf. Der Eigentumsübergang wird unabhängig hiervon aber frühestens dann bewirkt, wenn die Beschlagnahme-
verfügung vollzogen ist - sei es durch freiwillige Herausgabe der Sache, sei es durch Vollstreckung der in ihr enthaltenen
Herausgabeverpflichtung im Wege des unmittelbaren Zwanges durch Wegnahme (vgl. Dolderer, VBlBW 2003, 222; Rachor in: Lisken/Denninger
genannten Entscheidung des Senats zugrunde (siehe juris Rz. 2, 21). Dies entspricht den Vorgaben von § 34 Abs. 1 PolG, der von der Einziehung
einer beschlagnahmten Sache spricht und damit von einer vorgängigen Beschlagnahme ausgeht, wobei allerdings ausnahmsweise die
Einziehung, wie hier, zusammen mit der Beschlagnahme verfügt werden kann (vgl. Dolderer, VBlBW 2003, 222 <225>). Nur so wird dem Interesse
an der Eindeutigkeit und Klarheit der Eigentumsverhältnisse ausreichend Rechnung getragen; danach muss - dem Grundmodell des § 929 Satz 1
BGB von Einigung und Übergabe als eines aus rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Elementen zusammengesetzten Tatbestands folgend - der
Eigentumswechsel bei beweglichen Sachen auch in einer Veränderung der äußeren Gegebenheiten, nämlich der Herstellung einer der neuen
Eigentumslage entsprechenden Besitzsituation mit einer dem neuen Eigentümer zuzurechnenden Sachherrschaft, seinen Niederschlag finden
(vgl. Staudinger/Wiegand <2004>, § 929 Rn. 46 ff., 60, 63). Im Übrigen wäre auch nach erfolgter Beschlagnahme und dem damit verbundenen
Eigentumsübergang das Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls solange nicht zweifelhaft, als die Einziehungsverfügung nicht unanfechtbar ist.
4 In der Sache folgt der Senat im Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass
die Voraussetzungen einer Beschlagnahme nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG voraussichtlich vorliegen und der Widerspruch demnach erfolglos
bleiben wird. Der Hund hat durch den neuerlichen gravierenden Beißvorfall die bestandskräftige Einstufung als gefährlicher Hund i.S.v. § 2 Nr. 1
der Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde - PolVOgH - vom
03.08.2000 im Bescheid vom 30.06.2006 bestätigt und zugleich gezeigt, dass von ihm - ungeachtet seines nach dem Übergang der
Haltereigenschaft auf den Antragsteller unauffälligen Verhaltens bei verschiedenen Überprüfungen durch Mitglieder des Vereins für Deutsche
Schäferhunde - weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Dieser Gefahr könnte nur durch einen absolut verlässlichen
Hundehalter begegnet werden, der sich seiner besonderen Verantwortung immer gewachsen zeigt. Davon kann beim Antragsteller aber nicht
ausgegangen werden. Aufgrund seines Fehlverhaltens ist der Hund wiederum unbeaufsichtigt auf die Straße gelangt und hat dort ein Kind
gebissen. Mit dem Hinweis auf die Ermahnung der im Hause anwesenden Handwerker, das Gartentor immer geschlossen zu halten, kann er sich
nicht entlasten. Vielmehr hätte er sich angesichts des bekannten Gefahrenpotenzials des Hundes erst darüber vergewissern müssen, dass der
Hund nicht entweichen kann. Vor diesem Hintergrund sind die angekündigten baulichen Veränderungen insbesondere zur weiteren Sicherung
des Gartentors nicht von ausschlaggebendem Gewicht; denn diese können nur dann einen effektiven Schutz bieten, wenn sich der Hundehalter
ihrer in verantwortungsbewusster Weise auch bedient. Entsprechendes gilt für eine weitere Auflage, wonach der Hund auch innerhalb des
befriedeten Besitztums des Antragstellers einen Maulkorb tragen muss.
5 Aus diesen Umständen ergibt sich zugleich, dass der Hund nicht wieder an den Antragsteller herausgegeben werden könnte, ohne dass die
Gefahr wieder eintritt, die durch die Beschlagnahme abgewehrt werden soll. Das Verwaltungsgericht hat demnach die tatbestandlichen
Voraussetzungen für eine zusammen mit der Beschlagnahme verfügte Einziehung nach § 34 Abs. 1 PolG zu Recht bejaht. Bei der
Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht dem Interesse des Antragstellers an der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen
durch die Aussetzung der von der Antragsgegnerin zugleich verfügten sofortigen Einschläferung des Hundes Rechnung getragen. Der
Antragsteller setzt sich insoweit mit der Entscheidung nicht auseinander und legt nicht dar, dass stattdessen die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Einziehung als solche angezeigt gewesen wäre.
6 Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
7 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 1 Nr. 2 GKG.