Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 25.02.2008
VGH Baden-Württemberg: aufenthaltserlaubnis, überwiegendes interesse, selbständige erwerbstätigkeit, aufschiebende wirkung, hauptsache, fachhochschule, vollziehung, beschränkung, ausreise, verfügung
VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 25.2.2008, 11 S 2746/07
Ausländerrechtlicher Eilrechtsschutz; keine Nachteile im Hauptsacheverfahren durch Vollziehung der Ausreisepflicht; Aufenthaltserlaubnis
für Studienzwecke; Aufbau- und Zusatzstudium
Leitsätze
1. An der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs besteht trotz der Rechtswidrigkeit des belastenden Verwaltungsakts
regelmäßig dann kein überwiegendes Interesse, wenn die Vollziehung des Verwaltungsakts oder seiner gesetzlichen Folgen weder die in der
Hauptsache geltend gemachte Rechtsposition beeinträchtigt noch die Durchsetzung dieser Rechtsposition im gerichtlichen Verfahren in
unzumutbarer Weise erschwert. Eine solche Situation ist etwa dann gegeben, wenn sich die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht eines Ausländers
aus der Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung oder Erteilung eines Aufenthaltstitels ergibt, das dabei in der Hauptsache geltend gemachte
Aufenthaltsrecht aber nur auf einen Zeitraum bezogen ist, der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Eilrechtsschutz bereits
abgelaufen ist.
2. Eine zum Zwecke des Studiums erteilte Aufenthaltserlaubnis kann über eine entsprechend offene Bezeichnung des Studienzwecks die Aufnahme
und den Abschluss sowohl eines grundständigen als auch eines sich hieran anschließenden weiteren, insbesondere postgradualen Aufbau- oder
Zusatzstudiengangs umfassen. Bei einer Beschränkung des Studienzwecks auf einen konkret bezeichneten Studiengang ist dies jedoch regelmäßig
nicht der Fall.
3. Nach dem erfolgreichen Abschluss eines grundständigen Studiums kann der Ausländer nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG - ohne vorherige
Ausreise - einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke eines Aufbau-
oder Zusatzstudiengangs haben.
4. Der Regelversagungsgrund des § 16 Abs. 2 AufenthG steht einem solchen Anspruch dann nicht entgegen, wenn dieses Postgraduiertenstudium
mit dem abgeschlossenen grundständigen Studium in einem engen zeitlichen Zusammenhang steht und dieses fachlich weiterführt oder jedenfalls
in einem für den angestrebten Beruf besonders förderlichen Maße ergänzt. Dies gilt auch dann, wenn sich der Ausländer bei planmäßigem
Abschluss des Postgradiertenstudiums mehr als zehn Jahre zu Studienzwecken im Bundesgebiet aufgehalten haben würde, jedoch nach der
Betrachtung des Einzelfalls erkennbar ist, dass mit dem geplanten Studienaufenthalt faktisch kein anderer Aufenthaltszweck verfolgt wird.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2007 - 11 K 2649/07 - geändert. Die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und die
Abschiebungsandrohung in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2007 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird - unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen
- auf jeweils 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene und den inhaltlichen Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend begründete
Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Anders als das Verwaltungsgericht misst der Senat bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu
treffenden eigenständigen Interessenabwägung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes dem Suspensivinteresse des Antragstellers größere
Bedeutung zu als dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Ausreisepflicht des Antragstellers noch vor einer Entscheidung in der
Hauptsache.
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1. Das überwiegende Suspensivinteresse des Antragstellers ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass dieser - wie er im Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht geltend gemacht hat - ein Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Antragsgegnerin über die Erteilung eines
Aufenthaltsrechts zum Zwecke der Bewerbung auf einen postgradualen Studiengang oder der Arbeitsplatzsuche hätte und sich die ablehnende
Verfügung der Antragsgegnerin vom 11.07.2007 deshalb insoweit als rechtswidrig erweisen würde.
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Zwar galt die ursprüngliche Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers aufgrund der rechtzeitigen Stellung des Verlängerungsantrags nach § 81
Abs. 4 AufenthG zunächst fort, bis die Antragsgegnerin das hiermit begründete Aufenthaltsrecht über die Ablehnung dieses Antrags am
11.07.2007 zum Erlöschen gebracht hatte. Auch kann die durch diese Ablehnungsentscheidung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 58 Abs. 2
Satz 2 AufenthG ebenfalls herbeigeführte Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht des Antragstellers über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung
seines Rechtsbehelfs wieder beseitigt und so dessen weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet vorläufig gesichert werden (vgl. hierzu etwa VGH
Bad.-Württ., Beschluss vom 20.11.2007 - 11 S 2364/07 -, DVBl. 2008, 133 (Leitsatz) und Beschluss vom 23.10.2006 - 13 S 1943/06 -, InfAuslR
2007, 59 m.w.N.; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 81 Rn. 61 f). Hierfür ist im Fall des Antragstellers allerdings selbst dann kein überwiegendes
Interesse gegeben, wenn das Bestehen der geltend gemachten Ansprüche zu seinen Gunsten unterstellt und hieraus die Rechtswidrigkeit der
Ablehnungsentscheidung abgeleitet würde. Denn mit den Regelungen des vorläufigen Rechtsschutzes soll die Durchsetzung eines Rechts in
der Hauptsache wirksam gesichert werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.06.1973 - 1 BvL 39/69 -, BVerfGE 35, 263, 274, vom 16.03.1999 - 2
BvR 2131/95 -, NVwZ 1999, 1204, 1205 und vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946). Deshalb besteht für die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs regelmäßig dann kein Bedürfnis, wenn die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts oder
seiner gesetzlichen Folgen weder die in der Hauptsache geltend gemachte Rechtsposition beeinträchtigt noch die Durchsetzung dieser
Rechtsposition im gerichtlichen Verfahren in unzumutbarer Weise erschwert.
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a) Dies ist zum einen in Bezug auf das vom Antragsteller geltend gemachte Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Bewerbung auf einen
postgradualen Studiengang der Fall. Denn ein solches Aufenthaltsrecht würde sich, ungeachtet der nach § 16 Abs. 1a Satz 2 AufenthG
gegebenen Begrenzung auf neun Monate, aufgrund der mittlerweile erfolgten Zulassung des Antragstellers zu einem Masterstudiengang in
jedem Falle - unstreitig - nur auf einen bereits zurückliegenden Zeitraum beziehen, in welchem sich der Antragsteller auch im Bundesgebiet
aufgehalten hat. Eine Vollstreckung der bestehenden vollziehbaren Ausreisepflicht hätte deshalb auf die Wahrnehmung des insoweit geltend
gemachten Aufenthaltsrechts keinen Einfluss mehr. Auch ist nicht ersichtlich, dass die gerichtliche Durchsetzung eines Aufenthaltsrechts für
einen verhältnismäßig kurzen und bereits in der Vergangenheit liegenden Zeitraum in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde, wenn der
betroffene Ausländer nach Ablauf des von ihm behaupteten Aufenthaltsrechts in seine Heimat zurückkehren und die Wahrnehmung seiner
Interessen im Prozess zunächst einem Bevollmächtigten überlassen müsste.
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b) Gleiches gilt zum anderen für den vom Antragsteller ebenfalls geltend gemachten Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum
Zwecke der Arbeitsplatzsuche. Denn die nach § 16 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gegebene Möglichkeit der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis
zum Zwecke der Arbeitsplatzsuche nach einem erfolgreichen Studium ist auf einen Zeitraum von längstens einem Jahr beschränkt, so dass dem
Antragsteller auf dieser Grundlage ebenfalls nur ein Aufenthaltrecht für einen bereits abgelaufenen Zeitraum eingeräumt werden könnte. Dabei
bestimmt sich der Beginn der Jahresfrist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht danach, wann dieser den Aufenthaltszweck der
Arbeitsplatzsuche erstmals im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gegenüber der Ausländerbehörde zur Geltung bringt. Vielmehr beginnt die
Jahresfrist mit dem - unter Beachtung der jeweiligen Studien- und Prüfungsordnung zu bestimmenden (vgl. näher Waldeyer in: Hailbronner/Geis,
Kommentar zum Hochschulrahmengesetz, Stand: Juni 2007, § 15 Rn. 1 und 2) und im Fall des Antragstellers mutmaßlich mit der erstmaligen
Bekanntgabe des Bestehens der Diplomprüfung und der Prüfungsnote im August 2006 identischen - Zeitpunkt des Abschlusses des Studiums,
für das die Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Dies ist nicht nur wegen der anderenfalls gegebenen Missbrauchsgefahr notwendig. Vielmehr ist
wesentlich, dass der Zweck eines für ein Studium erteilten Aufenthaltsrechts unmittelbar mit dem Abschluss desselben entfällt, und sich damit
bereits zu diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit ergibt, den weiteren Aufenthalt des Ausländers auf einen anderen Aufenthaltszweck zu stützen
(zur Berechnung der Jahresfrist „im Anschluss“ an den Abschluss des Studiums vgl. auch BT-Drs. 15/450 S. 74 sowie Walther in: GK-AufenthG, §
16 Rn. 27 und Hailbronner in: ders., Ausländerrecht Kommentar, Stand: Dezember 2007, § 16 Rn. 58).
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2. Der Senat sieht das überwiegende Interesse des Antragstellers an der Sicherung seines weiteren vorläufigen Verbleibs im Bundesgebiet
jedoch darin begründet, dass dieser zum einen voraussichtlich zumindest einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der
Antragsgegnerin darüber haben dürfte, ob ihm eine Aufenthaltserlaubnis für sein zum Wintersemester 2007/2008 an der Fachhochschule L.
aufgenommenes Studium im Masterstudiengang „Information Management & Consulting“ erteilt wird und dass zum anderen die Vollziehung der
Ausreisepflicht des Antragstellers dazu führen würde, dass er sein bereits aufgenommenes Studium abbrechen müsste.
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a) Ein solcher Anspruch ergibt sich allerdings nicht aus § 16 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 AufenthG, wonach eine zum Zwecke des Studiums erteilte
Aufenthaltserlaubnis verlängert werden kann, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch
erreicht werden kann. Denn das Studium des Antragstellers im Masterstudiengang „Information Management & Consulting“ ist nicht mehr vom
Zweck der dem Antragsteller ursprünglich erteilten Aufenthaltserlaubnis umfasst. Aus diesem Grund kann offen gelassen werden, ob die
Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, dass der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums bereits die
Regelung des § 16 Abs. 1a Satz 2 AufenthG entgegen steht, weil anderenfalls ein Zeitraum des Aufenthalts erfasst würde, in dem sich der
Antragsteller für mehr als neun Monate zum Zweck der Bewerbung auf einen Masterstudiengang im Bundesgebiet aufgehalten hat.
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Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zum Zwecke des Studiums erteilte Aufenthaltserlaubnis
über eine entsprechend offene Bezeichnung des Studienzwecks die Aufnahme und den Abschluss sowohl eines grundständigen als auch eines
sich hieran anschließenden weiteren, insbesondere postgradualen Aufbau- oder Zusatzstudiengangs umfasst. Denn das für die Bestimmung des
Aufenthaltszwecks in § 16 Abs. 1 AufenthG maßgebliche Tatbestandsmerkmal des Studiums lässt mit seiner Bezogenheit allein auf die
Lerntätigkeit eines Studierenden zum Zweck des Erreichens der Studienziele (vgl. etwa Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn.
330; Epping, in Hailbronner/Geis, a.a.O., § 7 Rn. 6) zumindest begrifflich eine entsprechend offene aufenthaltsrechtliche Konkretisierung eines
Studienabschlussziels zu. Auch dürfte es dem Zweck des § 16 AufenthG entsprechen, über die aufenthaltsrechtliche Erleichterung der Aufnahme
eines Studiums und die Schaffung von besseren Perspektiven für einen an das Studium anschließenden Zugang zum Arbeitsmarkt „im
Wettbewerb um die besten Köpfe“ die Attraktivität des Studien- und Wissenschaftsstandortes Deutschland zu steigern (näher hierzu Walther, in:
GK-AufenthG, § 16 Rn. 2 und Hailbronner in: ders., Ausländerrecht Kommentar, Stand: Dezember 2007, § 16 Rn. 1), wenn einem
Studienbewerber bereits bei Erteilung des Aufenthaltsrechts die Perspektive des Erwerbs eines auf den ersten Studienabschluss aufbauenden
weiteren berufsqualifizierenden postgradualen Abschlusses aufgezeigt wird (ebenso wohl Walther, ZAR 2006, 354, 358; BayVGH, Beschlüsse
vom 01.08.2005 - 24 CE 05.1015 - und vom 25.08.2005 - 10 CS 05.906 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.09.2006 - 2 M 275/06 -,
juris; vgl. auch Nr. 16.2.8.1 der ZV-AufenthR 2005, die ebenfalls bei Aufnahme eines weiteren Studiums die Möglichkeit der „Verlängerung“ der
ursprünglichen Aufenthaltserlaubnis anerkennen).
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Allerdings enthält die Aufenthaltserlaubnis, die dem Antragsteller bislang zu Studienzwecken erteilt worden war, keine solchermaßen offene
Bestimmung des Aufenthaltszwecks. Vielmehr ist sie dem Antragsteller, so wie dies in den „Zusammengefassten Vorgaben des
Innenministeriums zur Anwendung aufenthalts- und asylrechtlicher Regelungen ab dem 1. Januar 2005 (ZV-AufenthR 2005)“, (Stand: Dezember
2007) im Teil A. unter der Nr. 16.2.4. vorgesehen ist, ausdrücklich nur zum Studium in dem konkret bezeichneten Studiengang
„Nachrichtentechnik/Technische Informatik“ erteilt worden. Hiermit ist der Aufenthaltszweck des Antragstellers so eindeutig begrenzt, dass selbst
dann, wenn die zusätzlich aufgenommene Beschränkung des Studiums auf die „FH oder Uni M.“ ohne rechtliche Relevanz bliebe, eine
Einbeziehung des weiteren Aufenthalts des Antragstellers für sein Studium an der FH L. im Masterstudiengang „Information Management &
Consulting“ in die bisherige Aufenthaltserlaubnis ausscheidet. Dem steht nicht entgegen, dass die Fachhochschule L. in ihrer
Einschreibebestätigung vom 26.09.2007 von einem konsekutiven Studiengang spricht, der auf dem Studiengang „Technische Informatik“
aufbaue und dem Antragsteller zur beruflichen Weiterqualifizierung diene. Denn auch wenn der Masterstudiengang als Aufbaustudium unter
anderem für Informatiker an ein solches Studium anschließt, ist er doch aufgrund seiner gleichgewichtigen Ausrichtung und Öffnung auch auf
Studierende der Betriebswirtschaft inhaltlich auf ein anderes Studienfach (zum Begriff vgl. Epping, in: Hailbronner/Geis, a.a.O., § 10 Rn. 3 m.w.N.)
als das der „Technischen Informatik“ oder der „Nachrichtentechnik“ bezogen (ähnlich BayVGH, Beschluss vom 21.06.2007 - 24 CS 06.3454 -,
juris).
10 b) Der Antragsteller dürfte jedoch einen Anspruch darauf haben, dass die Antragsgegnerin gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach Ermessen
darüber entscheidet, ob ihm für sein Studium im Masterstudiengang „Information Management & Consulting“ eine neue, vom bisherigen
Aufenthaltsrecht unabhängige Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
11 So umfasste der vom Antragsteller am 09.11.2006 gestellte Aufenthaltserlaubnisantrag trotz der formalen Stellung als „Antrag auf Verlängerung
der bislang erteilten Aufenthaltserlaubnis“ auch einen solchen Antrag auf eine gegebenenfalls notwendige Entscheidung über die Neuerteilung
einer Aufenthaltserlaubnis. Denn es war für die Behörde erkennbar, dass der Antragsteller mit dem Antrag das Ziel verfolgte, eine
Aufenthaltserlaubnis für die Aufnahme eines geplanten weiteren Studiums in einem Masterstudiengang zu erlangen. Dies ergibt sich etwa
daraus, dass die Behörde auf dem Antrag vermerkt hatte, dass die Immatrikulationsbescheinigungen des Antragstellers nicht vorgelegt werden
könnten, weil die Bewerbungen für ein Masterstudium noch liefen (zur grundsätzlichen Einbeziehung eines Anspruchs auf Neuerteilung eines
Aufenthaltstitels in Verlängerungsanträge vgl. auch BVerwG, Urteil vom 04.09.2007 - 1 C 43.06 -, DVBl 2008, 108).
12 Dabei steht einem entsprechenden Anspruch des Antragstellers auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis für ein solches Studium auch nicht entgegen, dass er zum Zeitpunkt der Entscheidung der Antragsgegnerin über den
„Verlängerungsantrag“ am 11.07.2007 zu diesem Studium noch nicht zugelassen war und der Antragsteller seinen Aufenthaltserlaubnisantrag
damals noch mit der laufenden Bewerbung auf einen Studienplatz und der Möglichkeit der Bewerbung auf einen angemessenen Arbeitsplatz
begründet hatte. Denn die mit der Zulassung des Antragstellers zum Studium nunmehr gegebene Änderung der Sachlage ist im Rahmen des
laufenden Widerspruchsverfahrens ohne weiteres zu berücksichtigen, und der Antragsteller macht nach wie vor einen
Aufenthaltserlaubnisanspruch für einen Aufenthaltszweck geltend, der ebenso wie der zunächst geltend gemachte Aufenthaltszweck vom
Abschnitt 3 des 2. Kapitels des Aufenthaltsgesetzes umfasst ist (zur Einbeziehung eines geänderten Aufenthaltszwecks in ein laufendes
Rechtsbehelfsverfahrens vgl. allgemein BVerwG, Urteil vom 04.09.2007, a.a.O.).
13 Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht der Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht der gesetzliche Versagungsgrund des §
16 Abs. 2 AufenthG entgegen. Nach dieser Regelung soll während eines Aufenthalts nach Abs. 1 in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis für
einen anderen Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht.
14 Hierbei kann dahin gestellt bleiben, ob sich der derzeitige Aufenthalt des Antragstellers überhaupt noch als ein solcher nach § 16 Abs. 1
AufenthG darstellt, nachdem die ihm ursprünglich zum Zwecke des Studiums der Fächer „Nachrichtentechnik/Technische Informatik“ erteilte
Aufenthaltserlaubnis bis zum 2.11.2006 befristet war und der Antragsteller deshalb nicht mehr im Besitz einer zum Zwecke der
Studienbewerbung und des Studiums erteilten Aufenthaltserlaubnis ist (vgl. etwa Abschnitt A Nr. 16.2.1. der ZV-AufenthR 2005; ähnlich für den
Fall der Zweckerreichung durch erfolgreichen Abschluss des Studiums Hailbronner, in: ders., a.a.O., § 16 Rn. 36) oder ob der
Anwendungsbereich des § 16 Abs. 2 AufenthG auch dann eröffnet ist, wenn der Ausländer - wie hier - in der Folge des ursprünglich zu
Studienzwecken erteilten, aber etwa durch Zeitablauf oder Zweckerreichung erloschenen Aufenthaltsrechts noch nicht ausgereist ist (so wohl -
das Ergebnis jedoch ebenfalls offen lassend - Hamburgisches OVG, Beschluss vom 30.05.2007 - 3 Bs 390/05 -, ZAR 2007, 333). Denn auch
wenn der Anwendungsbereich des Regelversagungsgrundes des § 16 Abs. 2 AufenthG eröffnet wäre, so stellte sich das Begehren des
Antragstellers nach Erteilung einer neuen Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke der Aufnahme und Fortführung eines auf das zunächst
absolvierte Studium der „Technischen Informatik“ aufbauenden Masterstudiengangs im Fach „Information Management & Consulting“ als ein
atypischer Ausnahmefall dar, der ein Absehen von der Versagung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ohne vorherige Ausreise des
Antragstellers rechtfertigte.
15 Über den Regelversagungsgrund des § 16 Abs. 2 AufenthG soll sichergestellt werden, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu
Studienzwecken nicht der Verfolgung anderer Aufenthaltszwecke dient (Bundestagsdrucksache 15/420 S. 74) und damit als Vehikel für eine
unkontrollierte Einwanderung missbraucht wird (vgl. Hailbronner, in: ders., a.a.O., § 16 Rn. 35 und Walther, in: GK-AufenthG, § 16 Rn. 16). Damit
sind aber gerade die Fallkonstellationen vom Zweck des Regelversagungsgrundes nicht erfasst, in denen der geänderte Aufenthaltszweck nach
wie vor auf den seiner Natur nach zeitlich begrenzten Erwerb eines mit dem bisherigen Aufenthaltrecht zu Studienzwecken in einem engen
sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehenden berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses gerichtet ist. Denn in diesen Fällen bleibt
der sich auch in der 6. Begründungserwägung zur Richtlinie 2004/114/EG wiederfindende Zweck des § 16 AufenthG einer aufenthaltsrechtlichen
Privilegierung des Studienaufenthalts eines Ausländers erhalten, ohne dass gleichzeitig einer Zuwanderung zu anderen Zwecken Vorschub
geleistet würde. Gleichzeitig wird der - in der Folge der sog. Bologna-Erklärung vom 19.06.1999 eingeleiteten und mittlerweile nahezu
abgeschlossenen - Entwicklung Rechnung getragen, nach der die bisherige einstufige Hochschulausbildung in einen Bachelor- und einen
weiteren hierauf aufbauenden Masterstudiengang aufgegliedert wird (hierzu näher May/Mülke, in: Hailbronner/Geis, a.a.O., § 19 Rn. 7 ff.).
Entsprechend gehen auch die - die bisherige Verwaltungspraxis prägenden - Zusammengefassten Vorgaben des Innenministeriums zur
Anwendung aufenthalts- und asylrechtlicher Regelungen in ihrem Teil A unter der Nr. 16.2.8.1 davon aus, dass nach erfolgreichem Abschluss
einer Ausbildung in Deutschland unter Abweichung des Regelversagungsgrundes des § 16 Abs. 2 AufenthG ohne vorherige Ausreise eine
Aufenthaltserlaubnis erneut erteilt werden kann, wenn der Aufenthalt einem an das grundständige Studium anschließenden, auf längstens zwei
Jahre angelegten Aufbau-, Zusatz- oder Ergänzungsstudium (Postgraduiertenstudium) dient, das nach einer Bescheinigung der Hochschule das
vorhergehende Studium des Ausländers fachlich weiterführt oder in einem für den angestrebten Beruf besonders förderlichen Maß ergänzt (zur
Berücksichtigung dieser Vorgaben als Auslegungshilfe vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 01.08.2005, a.a.O; zustimmend Hailbronner, in: ders.,
a.a.O., § 16 Rn. 40 und Walther, in: GK-AufenthG, § 16 Rn. 19).
16 Diesen Maßstäben wird der vom Antragsteller angestrebte Anschlussaufenthalt gerecht. Denn sein zum Wintersemester 2007/2008
aufgenommenes Studium im Masterstudiengang „Information Management & Consulting“ ist ein auf zwei Jahre angelegtes Aufbaustudium, das
an das bisherige und erfolgreich abgeschlossene Studium des Antragstellers der „Technischen Informatik“ anschließt und - nach der
Einschreibebestätigung der Fachhochschule L. vom 26.09.2007 und dem Zuschnitt des Studiengangs - der sinnvollen beruflichen
Weiterqualifizierung des Antragstellers dient. Auch wird aus dem gesamten bisherigen und auch von der Antragsgegnerin als zielstrebig
anerkannten Studienverlauf des Antragstellers deutlich, dass dieser seinen Aufenthalt im Bundesgebiet nach wie vor nicht als Einfallstor für
einen Daueraufenthalt zu anderweitigen Zwecken, sondern zum - zeitlich limitierten - Erwerb eines berufsqualifizierenden
Hochschulabschlusses nutzt.
17 Dabei steht der hiermit begründeten, atypischen Ausnahme vom Regelversagungsgrund des § 16 Abs. 2 AufenthG - entgegen der Auffassung
der Antragsgegnerin - nicht entgegen, dass der Antragsteller sein Studium in einem Masterstudiengang nicht unmittelbar nach Abschluss seines
Diplomstudiengangs im Fach „Technische Informatik“ im Wintersemester 2006/2007 aufgenommen hat. Denn die hierin liegende Verzögerung
des Studienfortschritts lässt nicht erkennen, dass der Antragsteller das nunmehr zu Zwecken der Aufnahme und Fortsetzung seines
Masterstudiums beantragte Aufenthaltsrecht nicht tatsächlich in diesem Sinne, sondern missbräuchlich zur Begründung und Sicherung eines
anderen Zwecken dienenden Aufenthalts nutzen möchte. Der Regelung des § 16 Abs. 1a AufenthG, der die Möglichkeit eines Aufenthaltsrechts
zum Zwecke der Studienbewerbung auf einen Zeitraum von höchstens neun Monaten begrenzt, kommt insoweit keine unmittelbare rechtliche
Bedeutung zu, da es hier nicht um die - offen gelassene - Frage des aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers während der Zeit zwischen
dem Abschluss seines Diplom- und der Aufnahme seines Masterstudiengangs geht und allein aus einer länger andauernden Phase der
Studienbewerbung nicht geschlossen werden kann, dass sich ein ausländischer Studierender nach Erhalt des Studienplatzes nicht zielgerichtet
dem Studium widmen wird. Jedenfalls ist es nachvollziehbar, wenn der Antragsteller darlegt, dass er sich im Zusammenhang mit der
Diplomprüfung im Fach „Technische Informatik“ nicht gleichzeitig auch noch adäquat auf eventuell anstehende Prüfungen zur Aufnahme in
Magisterstudiengänge an anderen Hochschulen vorbereiten konnte. Gleiches gilt für seine Einlassung, dass die weitaus überwiegende Anzahl
der Masterstudiengänge immer nur zum Wintersemester beginnen und sich die Möglichkeit der - letztlich fehlgeschlagenen - Bewerbung an der
Hochschule Darmstadt zum Sommersemester 2007 als eine Ausnahme darstellte.
18 Weiter wird die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls im Sinne des § 16 Abs. 2 AufenthG auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der
Antragsteller, worauf die Antragsgegnerin hinweist, bereits im Juli 1998 zu Studienzwecken eingereist ist und er sich damit selbst bei einem
ordnungsgemäßen Abschluss seines Masterstudiums im Herbst 2009 mehr als zehn Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben wird. Denn
entgegen den Hinweisen in Nr. 16.2.7 des Teils A der Zusammengefassten Vorgaben des Innenministeriums zur Anwendung aufenthalts- und
asylrechtlicher Regelungen lässt sich der Regelung des § 16 Abs. 2 AufenthG nicht entnehmen, dass der dortige Regelversagungsgrund im
Falle der an sich zulässigen Fortsetzung des Studiums zum Zwecke des Erwerbs eines weiteren Abschlusses „im Allgemeinen“ dann eingreift,
„wenn die Gesamtaufenthaltsdauer zehn Jahre überschreiten würde“ (a.A. wohl BayVGH, Beschlüsse vom 01.08.2005 -, a.a.O. und vom
21.06.2007, a.a.O.). Vielmehr bedarf es stets einer - hier jedenfalls nach summarischer Prüfung zugunsten des Antragstellers ausfallenden -
Betrachtung des Einzelfalls, ob mit der zum Zwecke des weiteren Erwerbs eines Hochschulabschlusses beantragten Aufenthaltserlaubnis
faktisch ein anderer - von der Regelung des § 16 AufenthG nicht mehr umfasster - Aufenthaltszweck verfolgt wird.
19 Schließlich steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Aufnahme und Fortsetzung des Masterstudienganges „Information
Management & Consulting“ an der Fachhochschule L. auch nicht die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen, nach der die Erteilung
eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetzt, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Denn ein solcher Ausweisungsgrund liegt - entgegen der
Auffassung der Antragsgegnerin - nicht schon darin, dass der Antragsteller bei der Antragsgegnerin im Juli 2007 nach § 14 Abs. 1 Satz 1 GewO
die Aufnahme des selbständigen Betriebs eines Gewerbes im Bereich der Softwareentwicklung angezeigt hat. Jedenfalls ist nicht ersichtlich,
dass der Antragsteller eine selbständige Erwerbstätigkeit tatsächlich aufgenommen und damit unter Verstoß gegen die - nach §§ 81 Abs. 4, 84
Abs. 2 Satz 2 AufenthG fortgeltende - Beschränkung seiner Beschäftigungsmöglichkeiten auf Tätigkeiten nach § 9 Nr. 9 ArGV einer illegalen
Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Auch dürfte sich ein möglicher Verstoß gegen das Beschäftigungsverbot ungeachtet der streitigen Frage, ob
es sich hierbei um eine Straftat nach § 95 Abs. 1 Nr. 6a AufenthG oder nur um eine nach § 98 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG zu ahndende
Ordnungswidrigkeit handelt (vgl. etwa OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.10.2006 - 2 St OLG Ss 100/06 -, juris), nach seinem Umfang allenfalls
als geringfügiger und vereinzelter Verstoß gegen Rechtsvorschriften darstellen, der nicht geeignet wäre, den Ausweisungstatbestand des § 55
Abs. 1 und 2 Nr. 2 zu erfüllen.
20 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21 Die Änderung und Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats (vgl. grundsätzlich Senatsbeschluss vom 04.11.1992 - 11 S 2216/92 -, juris; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom
17.11.2005 - 11 S 611/05 -, vom 01.06.2004 - 11 S 65/04 - und vom 12.11.2003 - 11 S 2240/03; ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom
16.12.2004 - 13 S 2510/04 -) ist für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes immer dann von einer gesteigerten Bedeutung des Verfahrens
auszugehen, die es notwendig macht, trotz ihrer Vorläufigkeit nach Ermessen den für die Hauptsache anzunehmenden Auffangstreitwert in voller
Höhe anzusetzen, wenn die angefochtene Ablehnung der Verlängerung dieser Aufenthaltsgenehmigung einen bislang legalen Aufenthalt des
Ausländers beendet.