Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 20.05.2010

VGH Baden-Württemberg: bebauungsplan, see, schallschutz, offene bauweise, technische norm, öffentliche bekanntmachung, gemeinderat, belastung, verfügung, nacht

VGH Baden-Württemberg Urteil vom 20.5.2010, 3 S 2099/08
Festsetzungen zum Schallschutz im Bebauungsplan; Maßnahmen der Baurechtsbehörde
Leitsätze
1. Bloße Hinweise zum Schallschutz in einem Bebauungsplan sind nicht geeignet, eine erhebliche Verkehrslärmproblematik zu lösen.
2. Enthält ein Bebauungsplan keine Festsetzungen zum passiven Lärmschutz, sind Verfügungen der Baurechtsbehörde gegenüber dem Bauherrn,
bestimmte Schallschutzvorkehrungen zu treffen, mangels Rechtsgrundlage unzulässig, sofern die Immissionen nicht die Schwelle zur
Gesundheitsgefährdung überschreiten.
Tenor
Der Bebauungsplan „Ehemalige Tennisanlage - Rheinauer See“, Nr. 87.15.1 der Stadt Mannheim vom 24.07.2007 wird für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan „Ehemalige Tennisanlage-Rheinauer See" der Antragsgegnerin vom 15.06.2007.
2
Sie sind Eigentümer von Grundstücken, die nördlich des Geltungsbereichs des Bebauungsplans liegen und mit Reihenhäusern bebaut sind.
Zwischen dem Plangebiet und den Grundstücken der Antragsteller verläuft die Straße Am Rheinauer See.
3
Der Bebauungsplan ersetzt in seinem Geltungsbereich den Bebauungsplan „Erholungsanlage Rheinauer See“, Nr. 87/15 der Antragsgegnerin
vom 25.03.1980. Das Plangebiet hat eine Fläche von ca. 2,5 ha und befindet sich im Südwesten des Stadtteils Rheinau unmittelbar am Westufer
des Rheinauer Sees. Es war mit einer Tennisanlage bebaut, die eine Halle, Außenspielflächen sowie ein Vereinshaus und Parkflächen
umfasste. Die gesamte Tennisanlage ist bereits im April 2007 abgetragen worden. Das Plangebiet wird im Westen begrenzt durch die Rohrhofer
Straße, im Norden durch die Straße Am Rheinauer See und im Osten durch den Uferbereich des Rheinauer Sees. Im Süden reicht der
Geltungsbereich des Bebauungsplans bis auf Höhe des Südrandes des vorhandenen Verkehrskreisels auf Brühler Gemarkung.
4
Das Baugebiet ist gegliedert in die Bereiche WR 1 bis WR 4. Im Wesentlichen werden jeweils ein reines Wohngebiet und Verkehrsflächen
festgesetzt. Das Maß der baulichen Nutzung wird in den Baugebieten WR 1 bis WR 3 durch Grundflächenzahlen und im WR 4 durch die Angabe
der Grundfläche bestimmt. Darüber hinaus ist die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe der baulichen Anlagen vorgegeben. Der Bebauungsplan
sieht des Weiteren die offene Bauweise vor und setzt die überbaubare Grundstücksfläche durch Baugrenzen und Baulinien fest. Im inneren Teil
des Plangebiets (WR 1b) weist der Bebauungsplan zwei große, durch Baugrenzen definierte Bauflächen von ca. 3300 m² und 1700 m² aus. Auf
diesen Flächen sollen nach den städtebaulichen Entwürfen des Investors Reihenhauszeilen entstehen. Der Bebauungsplan setzt darüber hinaus
Flächen für Nebenanlagen, Stellplätze, Garagen und Tiefgaragen fest. Gleichzeitig mit dem Bebauungsplan beschloss der Gemeinderat der
Antragsgegnerin detaillierte örtliche Bauvorschriften für das Plangebiet. Der Bebauungsplan enthält ferner mehrere Hinweise. Der Hinweis Nr. 8
lautet wie folgt:
5
„Zum Schutz gegen Außenlärm sind für Außenbauteile von Aufenthaltsräumen unter Berücksichtigung der verschiedenen Raumarten
oder Raumnutzungen folgende Anforderungen gemäß DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ einzuhalten. Der Umfang der
durchzuführenden Lärmschutzmaßnahmen ergibt sich aus den in der Planzeichnung eingetragenen Lärmpegelbereichen gemäß DIN
4109.
6
Nach außen abschließende Bauteile von Aufenthaltsräumen (auch im Dachraum) sind so auszuführen, dass sie mindestens folgende
Schalldämmmaße aufweisen:
7
8
Es wird empfohlen, kontrollierte mechanische Belüftungseinrichtungen vorzusehen, die für eine ausreichende Belüftung (ein- bis
zweifacher Luftwechsel/Std.) der Räume, auch bei geschlossenen Fenstern und Türen, sorgen. Dabei ist zu gewährleisten, dass die
durch die Schallschutzmaßnahmen erzielte Lärmdämmung nicht beeinträchtigt wird. Der Nachweis über die ordnungsgemäße
Ausführung hat nach DIN 4109 zu erfolgen, bevor die Räume in Gebrauch genommen werden.
9
…“
10 Dem Bebauungsplan lag im Wesentlichen folgendes Verfahren zugrunde: Am 12.07.2005 beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin die
Aufstellung des Bebauungsplans „Ehemalige Tennisanlage - Rheinauer See“. Der Aufstellungsbeschluss wurde am 02.02.2006 öffentlich
bekannt gemacht. Es folgte die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und die Unterrichtung der Träger öffentlicher Belange. Aufgrund des
Auslegungsbeschlusses des Gemeinderats der Antragsgegnerin vom 27.02.2007 und dessen öffentlicher Bekanntmachung am 01.03.2007
wurde der Bebauungsplanentwurf vom 08.03.2007 bis 10.04.2007 öffentlich ausgelegt und wurden die Träger öffentlicher Belange beteiligt. In
seiner Sitzung vom 24.07.2007 stimmte der Gemeinderat der Antragsgegnerin dem Beschlussvorschlag zu den abgegebenen Stellungnahmen
zu und genehmigte den Entwurf des städtebaulichen Vertrags mit einem Investor über die Herstellung der Erschließungsanlagen im
Geltungsbereich des Bebauungsplans in der Fassung vom 15.06.2007, der der Beschlussvorlage als Anlage Nr. 2 beigefügt war. Gegenstand
des Vertrages ist nach dessen § 1 die Planung und der Bau einer Wohnbebauung im Plangebiet sowie die Planung und Herstellung der
erforderlichen Erschließungsanlagen. Unter § 8 „Besondere Bestimmungen“ verpflichtet sich der Investor darüber hinaus zur Duldung des
Betriebs und der Immissionen der Wasserski- und Freizeitanlage Rheinauer See im derzeit genehmigten Umfang. Er verzichtet auf alle
Abwehransprüche und verpflichtet sich, diese Duldungsverpflichtung an eventuelle Rechtsnachfolger und die zukünftigen Käufer der
Baugrundstücke bzw. Wohnungseigentumsanteile weiterzugeben und mit einer Grunddienstbarkeit zu sichern. In seiner Sitzung vom 24.07.2007
billigte der Gemeinderat des weiteren den in der Beschlussanlage Nr. 3 festgelegten Untersuchungsrahmen der Umweltprüfung und beschloss
den Bebauungsplan sowie die örtlichen Bauvorschriften als Satzung. Nach dessen Ausfertigung durch den Oberbürgermeister der
Antragsgegnerin am 29.07.2007 wurde der Bebauungsplan am 02.08.2007 ortsüblich bekannt gemacht.
11 Bereits während des Planaufstellungsverfahrens trugen die Antragsteller zu 1, 2, 5 bis 8 Bedenken gegen die Planung vor. Die Antragsteller
bemängelten insbesondere, dass eine Bedarfsprüfung für die vorgesehene Wohnbebauung nicht erfolgt sei. Das aus Anlass des vorliegenden
Bebauungsplanverfahrens eingeholte klimaökologische Gutachten widerspreche den Erkenntnissen aus einem Gutachten aus dem Jahre 1993.
Aus klimaökologischen Gründen sei ein 70 m breiter Uferstreifen am See dauerhaft als Freifläche auszuweisen. Die vollständige Überbauung
der noch teilweise zugänglichen Flächen stelle eine starke Einschränkung der Freizeitnutzung dar, die seinerzeit bei der Entwicklung von
Rheinau-Süd von großer Bedeutung gewesen sei.
12 Am 29.07.2008 haben die Antragsteller das Normenkontrollverfahren eingeleitet. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Die Planung
verletze sie in abwägungserheblichen Belangen. Ihr Interesse am Erhalt und der Sicherung der klimaökologischen Funktion des Plangebiets
auch für das Umfeld sei nicht zutreffend abgewogen worden. Die Aussagen im klimaökologischen Gutachten vom 07.09.2006 stünden in
Widerspruch zur Stellungnahme desselben Gutachters vom 30.11.1993 zur Bebauung des „Mohr- und Federhaff-Geländes“ (Bebauungsplan Nr.
87.18). Darin werde eine dauerhafte Stabilisierung der klimaökologischen Situation am Rheinauer See für dringend geboten gehalten, was nur
87.18). Darin werde eine dauerhafte Stabilisierung der klimaökologischen Situation am Rheinauer See für dringend geboten gehalten, was nur
durch die konsequente Freihaltung der seenahen Flächen geschehen könne. Es liege ein Ermittlungsdefizit vor, denn zum einen basiere das
klimaökologische Gutachten auf veralteten Winddaten aus dem Jahr 1984. Zum anderen sei in dem Gutachten keine Windanströmung aus
Südwesten simuliert worden, obwohl diese Windrichtung nach dem Gutachten vorherrschend sei. Die riegelartige Bebauung im südlichen
Planbereich blockiere die Ventilation ins Plangebiet nahezu vollständig und führe zu einer bioklimatischen Belastung ihrer nördlich des
Plangebiets liegenden Grundstücke. Außerdem bewirke die Bebauung eine erhöhte Immissionsbelastung, da Schadstoffe nicht mehr
abtransportiert werden könnten.
13 Darüber hinaus führe die Ausweisung des neuen Plangebiets zu einer erheblichen Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs auf der Straße Am
Rheinauer See, an die ihre Grundstücke angrenzten. Dadurch erhöhe sich die Belastung durch Lärm und Luftschadstoffe. Die dem
schalltechnischen Gutachten zugrundegelegten Verkehrsströme entsprächen nicht der Realität. Dies belege die Verkehrszählung der
Antragsgegnerin vom 23.10.2007. Die Verkehrszählung gebe allerdings die tatsächliche Verkehrsbelastung ebenfalls nicht zutreffend wieder, da
sie außerhalb der Wasserski- und Badesaison stattgefunden habe. Auch werde sich wegen der erforderlichen Versorgung der Neubürger der
LKW-Verkehr erhöhen.
14 Der Bebauungsplan sei fehlerhaft. Die Festsetzungen in den Baugebieten WR 2a und WR 2b überschritten die Obergrenzen für das Maß der
baulichen Nutzung nach § 17 Abs. 1 BauNVO, ohne dass dies städtebaulich gerechtfertigt sei. Der Bebauungsplan verstoße gegen § 1 Abs. 3
BauGB, weil er eine reine Gefälligkeitsplanung zugunsten des Investors darstelle.
15 Die Plangebietsgrenze sei abwägungsfehlerhaft festgelegt worden. Es liege ein Verstoß gegen das Konfliktbewältigungsgebot des § 1 Abs. 7
BauGB vor. Angesichts der bestehenden Wasserskianlage und der auf dem an das Plangebiet angrenzenden Grundstück möglichen
Tennisanlage werde eine Konfliktlage geschaffen. Denn der Immissionsrichtwert der Freizeitlärmrichtlinie bzw. die Emissionsrichtwerte der
Sportanlagenlärmschutzverordnung würden deutlich überschritten. Angesichts der Erkenntnisse der schalltechnischen Untersuchung hätte die
Antragsgegnerin das Plangebiet Richtung Süden erweitern und die dort gelegenen Flächen des Bebauungsplans „Erholungsanlage Rheinauer
See“ mit einbeziehen müssen. Die von der Grundstückseigentümerin der südlich an das Plangebiet angrenzenden Fläche übernommene
Baulast, mit dem diese auf die Errichtung von Tennisplätzen verzichtet habe, beseitige den Konflikt nicht, denn es sei nunmehr ungewiss,
welcher baulichen Nutzung die südlich angrenzende Fläche zugeführt werden könne.
16 Die Festsetzung eines reinen Wohngebiets sei fehlerhaft, da auf das Plangebiet erheblicher Verkehrslärm einwirke. Die schalltechnische
Untersuchung habe ergeben, dass die Orientierungswerte des Beiblatts 1 zur DIN 18005 für reine Wohngebiete deutlich überschritten würden.
Am Geschosswohnungsbau entlang der Rohrhofer Straße seien zudem die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV deutlich überschritten. Die
schalltechnische Untersuchung komme zu dem Ergebnis, dass die mit der Gebietsfestsetzung „Reines Wohngebiet“ verbundene Erwartung auf
angemessenen Schutz vor Verkehrslärmbelastungen nicht erfüllt werden könne. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin die vom
Schallgutachter empfohlenen passiven Lärmschutzmaßnahmen nicht festgesetzt. Aktiven Schallschutz habe sie überhaupt nicht in Erwägung
gezogen, obwohl sich im weiteren Verlauf der Rohrhofer Straße bereits ein Lärmschutzwall befinde, der lediglich in südlicher Richtung hätte
verlängert werden müssen. Die Antragsgegnerin bewältige dadurch die durch die Planung hervorgerufenen Konflikte im Bereich des
Immissionsschutzes nicht. Sie versuche vielmehr diese auf die privatrechtliche Ebene zu verlagern. Entgegen den Ausführungen in der
Planbegründung enthalte der städtebauliche Vertrag nicht die Verpflichtung des Investors, die von der Antragsgegnerin in den Hinweisen
gewünschten passiven Schallschutzmaßnahmen tatsächlich umzusetzen.
17 Für die riegelartige Bebauung entlang der Rohrhofer Straße, die besonders hohen Lärmimmissionen ausgesetzt sein werde, lägen keine
gewichtigen städtebaulichen Gründe vor. Das Planungsziel einer Vermeidung der Landschaftszersiedelung könne auch durch einen
Lärmschutzwall sowie Reihenhaus- bzw. Kettenhausbebauung erreicht werden. Dringender Wohnbedarf, der die Planung rechtfertigen könne,
bestehe weder in Mannheim noch im Stadtteil Rheinau; der Wohnungsmarkt sei vielmehr gesättigt.
18 Die Festsetzung, dass Dachflächen zu begrünen seien, sei abwägungsfehlerhaft, da nicht berücksichtigt worden sei, dass solche begrünten
Dächer einer ständigen fachgerechten Pflege bedürften und daher kostenträchtige Folgemaßnahmen durch die Eigentümer erforderlich
machten. Die Antragsgegnerin habe abwägungsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass der hohe Freizeitwert des gesamten Gebiets um den
Rheinauer See verloren gehe. Der Plan verletze ferner das kommunale Abstimmungsgebot. Auch Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspflege seien nicht ordnungsgemäß abgewogen worden. Die Pufferwirkung des Plangebiets für die benachbarten FFH-Gebiete bzw.
FFH-Flächen sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Antragsgegnerin hätte des weiteren in Rechnung stellen müssen, dass bereits
durch den Eingriff in das ökologische System im Zuge der Bebauung westlich der Rohrhofer Straße das letzte kartierte Vorkommen des
Zwerggrases Mibora minima in Baden-Württemberg unwiederbringlich vernichtet worden sei. Nach dem Landschaftsplan liege das Plangebiet
zudem in einer „innerörtlich bedeutsamen Freiraumzäsur“. Daher hätte eine wesentlich lockerere und stärker durchgrünte Bebauung mit lediglich
zwei Vollgeschossen in Erwägung gezogen werden müssen. Es fehle eine Untersuchung der Folgen einer Bebauung im Hinblick auf den
Rheinauer See (Wasserrecht, Wasserhaushalt) und eine Festlegung von Standorten für die Neubepflanzungen. Die Beseitigung des im Norden
des Plangebiets entlang der Straße Am Rheinauer See gelegenen ca. 3 m breiten Grünstreifens und des am Westufer des Rheinauer Sees
gelegenen Grünstreifens mit hohen, unter die Baumschutzsatzung fallenden Bäumen sei angesichts der klimaökologischen Funktion der
Grünstreifen abwägungsfehlerhaft.
19 Die Antragsteller beantragen,
20
den Bebauungsplan „Ehemalige Tennisanlage - Rheinauer See“, Nr. 87.15.1 der Stadt Mannheim vom 24.07.2007 für unwirksam zu
erklären.
21 Die Antragsgegnerin beantragt,
22
den Antrag abzuweisen.
23 Sie trägt vor, die Antragsteller seien nicht antragsbefugt. Sie seien weder hinsichtlich der Geräuschsituation noch hinsichtlich der
klimaökologischen Verhältnisse in rechtlich geschützten Belangen betroffen. Die diesbezügliche Abwägung sei fehlerfrei. Die planbedingte
Verkehrszunahme führe zu einer Pegelerhöhung von höchstens 0,5 dB(A). Sie liege daher weit unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle. Auch die
Schwelle zur Gesundheitsgefährdung werde nicht erreicht. Hinsichtlich der klimaökologischen Veränderungen würden die Belange der
Antragsteller ebenfalls nicht oder nur geringfügig betroffen. Die nach dem Bebauungsplan zulässige Bebauung werde nach den Ergebnissen der
klimaökologischen Untersuchung nur kleinräumige thermische Zusatzbelastungen von ca. 0,5° C in Sommernächten zur Folge haben. Ein
Widerspruch der Aussagen im klimaökologischen Gutachten vom 07.09.2006 zur Stellungnahme aus dem Jahr 1993 bestehe nicht. Die
seinerzeitige Forderung, die seenahen Flächen von Bebauung freizuhalten, habe sich auf Flächen bezogen, die auch nach der derzeitigen
Planung von Bebauung freizuhalten seien.
24 Der Plan sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Belange der Klimaökologie und des Verkehrs seien ordnungsgemäß ermittelt, bewertet
und abgewogen worden. Der Bebauungsplan sei erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Die Festsetzungen entsprächen dem Ziel
der Planung, den vorhandenen Wohnbedarf zu befriedigen. Bei der geplanten Bebauung handele es sich um die bauliche Abrundung des
vorhandenen Wohngebiets und des Stadtteils Rheinau-Süd. Einer konkreten Bedarfsanalyse habe es nicht bedurft.
25 Die Überschreitung der Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung nach § 17 Abs. 1 BauNVO sei städtebaulich gerechtfertigt im Sinne des
§ 17 Abs. 2 BauNVO. Der Plan diene der Nachverdichtung und Innenentwicklung. Die Festsetzung höherer Nutzungsmaße sei sinnvoll, um einen
sparsamen und schonenden Umgang mit Grund und Boden zu gewährleisten. Die planerische Ausgestaltung des Geschosswohnungsbaus in
den Gebieten WR 2a und WR 2b diene der Abschirmung der dahinterliegenden Grundstücke und habe damit die Bedeutung einer
Schallminderungsmaßnahme. Außerdem orientiere sie sich an der Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite der Rohrhofer Straße. Durch
die Abschirmwirkung würden die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gerade gewährleistet. Die Überschreitung der
Obergrenzen werde zudem ausgeglichen durch die Lage der fraglichen Bebauung in unmittelbarer Nähe zum Rheinauer See und den dortigen
Erholungsmöglichkeiten.
26 Die potenzielle Freizeitlärmproblematik sei durch die Übernahme einer Baulast durch die Eigentümerin der an das Plangebiet in südlicher
Richtung angrenzenden Flächen gelöst worden. Darin verzichte die Eigentümerin unwiderruflich auf die dort planungsrechtlich mögliche
Errichtung von Tennisplätzen und dazugehörigen Nebengebäuden. Ein Konflikt zwischen den geplanten Wohngebäuden und dem vorhandenen
Bade- und Wasserskibetrieb bestehe ebenfalls nicht. Der Betrieb sei saison- und wetterabhängig. Darüber hinaus werde der Strand und der
Badesee nur tagsüber genutzt; der Betrieb der Wasserskianlage sei nur bis 21.00 Uhr genehmigt. Im Übrigen sei hinsichtlich des Freizeitlärms
nicht die vom Gutachter herangezogene Freizeitlärmrichtlinie, sondern die DIN 18005 anzuwenden. Deren Werte würden lediglich um 0,5 dB(A)
überschritten. Da es sich bei den Werten der DIN 18005 lediglich um Orientierungswerte handele, liege die Zulassung einer Neubebauung bei
einer solchen Überschreitung innerhalb des Abwägungsspielraums der Stadt.
27 Auch hinsichtlich des von den Antragstellern gerügten Konflikts zwischen der Verkehrslärmbelastung und dem festgesetzten reinen Wohngebiet
liege kein Abwägungsfehler vor. Die vom Gutachter vorgeschlagenen Lärmschutzmaßnahmen seien umgesetzt worden, soweit dies
städtebaulich sinnvoll und angemessen gewesen sei. Man habe sich insbesondere dafür entschieden, die Immissionen im Gebietsinnern durch
die Riegelbebauung an der Rohrhofer Straße zu verringern. Zudem seien Lärmpegelbereiche gemäß DIN 4109 in das planerische Konzept
aufgenommen worden. Diese Lärmpegelbereiche seien im zeichnerischen Teil dargestellt. Ein ausreichender Schutz der Innenwohnbereiche sei
gewährleistet. Das städtebauliche Konzept werde zudem durch die Verpflichtung des Investors in einem städtebaulichen Vertrag ergänzt, die
Empfehlungen der schalltechnischen Untersuchung zu den Schutzmaßnahmen in die Kaufverträge aufzunehmen. Die Käufer seien somit über
die Immissionssituation im Einzelnen informiert.
28 Ein Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot liege nicht vor. Auch die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege
seien im Einzelnen ermittelt und in die Abwägung eingestellt worden. Einzelheiten dazu ergäben sich aus der Begründung des Plans und dem
Umweltbericht.
29 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die dem Senat vorliegenden
Behördenakten (5 Bände) verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.
Entscheidungsgründe
A.
30 Die Normenkontrollanträge sämtlicher Antragsteller sind zulässig.
I.
31 Die Anträge sind innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt und ausführlich begründet worden. Den Anträgen steht auch die
Präklusionsvorschrift des § 47 Abs. 2a VwGO i.V.m. § 3 Abs. 2 BauGB nicht entgegen, so dass es einer Prüfung im Einzelnen darüber, ob und
welche der erstmals im Normenkontrollverfahren vorgetragenen Einwendungen die Antragsteller schon im Bebauungsplanverfahren hätten
geltend machen können, nicht bedarf. Ebenso wenig bedarf es der Feststellung, ob sämtliche Antragsteller Einwendungen erhoben haben, denn
auf die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO ist im Rahmen der Beteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB nicht hingewiesen worden. Die öffentliche
Bekanntmachung der Auslegung des Plans am 01.03.2007 enthielt nur den Hinweis, dass nicht fristgerecht abgegebene Stellungnahmen bei der
Beschlussfassung über den Bebauungsplan unberücksichtigt bleiben können. Nach dem zum 01.01.2007 geänderten § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2
BauGB hätte jedoch auch darauf hingewiesen werden müssen, dass eine unterlassene rechtzeitige Stellungnahme die Unzulässigkeit eines
Antrags nach § 47 VwGO zur Folge hat. Das Fehlen dieses Hinweises bewirkt nach § 47 Abs. 2a VwGO, dass die Zulässigkeitsschranke dieser
Vorschrift nicht eingreifen kann.
II.
32 Die Antragsteller sind nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Sie sind zwar nicht Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet. Sie können
jedoch geltend machen, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in privaten abwägungserheblichen Belangen nachteilig betroffen
zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215).
33 Es kann offen bleiben, ob die Antragsteller deshalb antragsbefugt sind, weil ihr Interesse, von Verkehrslärm verschont zu bleiben, der durch das
Plangebiet ausgelöst wird, nicht hinreichend ermittelt und berücksichtigt wurde. Ihre Antragsbefugnis folgt jedenfalls aus der nach ihrem
substantiierten Vortrag möglichen Verletzung ihres Anspruchs auf Prüfung und Abwägung der klimaökologischen Folgen der Planung auf sie
selbst und ihre Grundstücke.
34 Die Antragsteller tragen vor, die Verwirklichung der Planung führe zu klimaökologisch negativen Auswirkungen auf ihre eigenen Grundstücke, da
die vorgesehene Bebauung die Belüftung blockiere. Damit berufen sich die Antragsteller nicht nur auf das sogenannte Jedermann-Interesse, d.h.
das allgemeine Interesse von Bürgern am Erhalt und der Sicherung bestimmter Klima-, Kleinklima- oder Luftstandards. Vielmehr rügen Sie die
Verletzung ihres Anspruchs darauf, dass Art und Intensität solcher Auswirkungen auf sie selbst und ihre Grundstücke vom Planungsträger
geprüft, in die Abwägung eingestellt und gerecht im Verhältnis zu anderen Belangen gewichtet werden (vgl. Urteil des Senats vom 13.07.1995 - 3
S 3167/94 -, VBlBW 1996, 184). Die Antragsgegnerin hat zwar ein klimaökologisches Gutachten erstellen lassen, das aus ihrer Sicht nachweist,
dass die Planung keine oder allenfalls geringfügige klimaökologische Auswirkungen auf die Antragsteller haben wird. Das Gutachten lässt die
klimaökologischen Belange der Antragsteller jedoch nicht als abwägungsunerheblich erscheinen, denn die Antragsteller haben die Annahmen
des Gutachtens in substantiierter Weise angegriffen. Sie haben herausgearbeitet, dass nach dem Klimagutachten im Bereich des Umfelds des
Plangebiets in der Nacht und vor allem in den lokalklimatisch relevanten Strahlungsnächten südwestliche bis westliche Winde herrschen,
gleichwohl eine Windanströmung aus Südwesten aber nicht simuliert worden ist. Die riegelhafte Bebauung im südlichen Plangebiet blockiere bei
Südwestwindlagen die Ventilation ins Plangebiet, was dazu führe, dass auch ihre nördlich des Plangebiets gelegenen Grundstücke von der
Belüftung abgeschnitten würden.
35 Ob diese Einwendungen durchgreifen, oder ob - wie die Antragsgegnerin unter Berufung auf eine Stellungnahme des Gutachters meint - eine
klimaökologisch bedenkliche Situation in keinem Fall eintreten kann, bedarf einer vertieften Prüfung. Es wäre verfehlt, die Auseinandersetzung
über das Ausmaß der klimaökologischen Betroffenheit der Kläger auf die Zulässigkeitsebene des Normenkontrollantrags zu verlagern (vgl. zur
vergleichbaren Situation bei einem substantiierten Infragestellen der Annahmen eines Schallgutachtens (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom
06.03.1998 - 8 S 1338/97 -, DÖV 1998, 936 [Ls.] und Urteil des Senats vom 01.03.2007 - 3 S 129/06 -, BWGZ 2007, 509). Ausgehend vom
Vortrag der Antragsteller erscheint es jedenfalls möglich, dass sie durch den Bebauungsplan in einem abwägungserheblichen privaten Interesse
verletzt werden könnten.
III.
36 Die Antragsteller besitzen auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Der Eigentümerin des größten Teils der Grundstücke sind zwar
mittlerweile mehrere Baugenehmigungen erteilt worden. Diese Baugenehmigungen schöpfen die Bebauungsmöglichkeiten des
Bebauungsplans jedoch bei weitem nicht aus. Abgesehen davon sind Sie gegenüber den Antragsstellern noch nicht in Bestandskraft erwachsen.
B.
37 Die Normenkontrollanträge sind auch begründet. Der Bebauungsplan leidet in formell- und materiell-rechtlicher Hinsicht an Mängeln, die dazu
führen, dass er insgesamt für unwirksam zu erklären ist.
I.
38 Eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung wird weder von den Antragstellern gerügt, noch sind solche
ersichtlich.
II.
39 Der Bebauungsplan leidet jedoch an Ermittlungs- und Bewertungsfehlern im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 BauGB. Zum
einen hat die Antragsgegnerin nicht bewertet, welcher Belastung die Außenwohnbereiche der zukünftigen Bebauung ausgesetzt sein werden
(dazu 1.). Zum anderen ist die Ermittlung der klimaökologischen Auswirkungen der Planung defizitär (dazu 2.).
40 Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die öffentlichen und privaten Belange gerecht gegen- und untereinander
abzuwägen. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde vorzunehmenden Abwägung hat sich nach ständiger Rechtsprechung
(grundlegend: BVerwG Urteil vom 15.07.1974 - 4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 309) darauf zu beschränken, ob eine Abwägung überhaupt
stattgefunden hat (kein Abwägungsausfall), ob in sie an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge eingestellt werden musste
(kein Abwägungsdefizit), ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist (kein unrichtiges
Abwägungsmaterial) und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise
vorgenommen worden ist, die zu ihrem objektiven Gewicht in einem angemessenen Verhältnis steht (keine Abwägungsdisproportionalität). Hat
die Gemeinde diese Anforderungen an ihre Planungstätigkeit beachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der
Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen
entscheidet (st. Rspr. vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 - 4 C 155.66 -, BVerwGE 34, 301 und vom 05.07.1974, a.a.O.). Dabei ist gemäß
§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend.
41 Nach § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bebauungspläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind
(Abwägungsmaterial), zu bewerten und zu ermitteln. Aufgrund des durch das EAG Bau vollzogenen „Wechsels vom materiell-rechtlichen
Abwägungsvorgang zu den verfahrensrechtlichen Elementen des Ermittelns und Bewertens“ stehen insofern keine (materiellen) Mängel des
Abwägungsvorgangs mehr in Rede (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
42 1. Ausgehend von diesen Maßstäben liegt in Bezug auf die Bewältigung des Verkehrslärmproblems ein Ermittlungs- und Bewertungsfehler vor.
Die Antragsgegnerin hat zwar eine schalltechnische Untersuchung erstellen lassen, in der - unter Zugrundelegung der Orientierungswerte der
DIN 18005 für reine Wohngebiete - Maßnahmen zum Schutz der Innenwohnbereiche vorgeschlagen werden. Es fehlt jedoch an einer
Untersuchung und Bewertung der Schutzbedürftigkeit der Außenwohnbereiche. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil die Antragsgegnerin
nach der Begründung des Bebauungsplans ausdrücklich familiengerechte Bauformen plant und schon deshalb nicht davon ausgegangen
werden kann, dass die Grundstücke ausschließlich gärtnerisch, mit anderen Worten nicht als Außenwohnbereiche genutzt werden. Zudem ist die
Nutzung von Gartenflächen als Außenwohnbereich hier weder im Wege der planerischen Festsetzung noch aus anderen Gründen (z.B. aufgrund
einer besonderen Geländetopographie) ausgeschlossen. Im Gegenteil drängt es sich nach der Planung der Antragsgegnerin geradezu auf, dass
- mit Einschränkungen in den Plangebieten WR 2a und WR 2b - auf den Gartenflächen Außenwohnbereiche geschaffen werden.
43 Zwar ist die allgemeine Lärmerwartung im Außenwohnbereich im allgemeinen deutlich höher als im Innenwohnbereich (vgl. VGH Bad.-Württ.,
Urteil vom 28.03.1996 - 5 S 1338/95 -, juris Rn. 51) und lässt es sich möglicherweise im Einzelfall abwägungsfehlerfrei begründen, dass eine
über den Orientierungswerten der DIN 18005 liegende Lärmbelastung im Ergebnis hinzunehmen ist. Allerdings sind hierfür entsprechende
Abwägungsüberlegungen notwendig, in die auch mögliche Abwehrmaßnahmen einzubeziehen sind. Daran fehlt es hier. Denn die
Antragsgegnerin hat sich im Rahmen der Abwägung weder mit der Notwendigkeit der Festsetzung gerade eines reinen Wohngebiets mit seinem
hohen Schutzniveau noch mit den nach Lage der Dinge in Betracht kommenden baulichen und technischen Möglichkeiten zum Schutz der
Außenwohnbereiche befasst, die eine Überschreitung der Orientierungswerte auf das im Interesse der Erreichung des Planungsziels
hinzunehmende Maß beschränkten. Insbesondere hat sie die Errichtung einer Lärmschutzwand nicht erwogen, obwohl dies angesichts der
bereits vorhandenen Lärmschutzwand entlang der Rohrhofer Straße nicht von vornherein ausscheidet. Die schalltechnische Untersuchung misst
zwar der mehrgeschossigen Bebauung in den Plangebieten WR 2a und WR 2b die Eigenschaft einer „Lärmschutzbebauung“ bei. In die
Abwägungsüberlegungen unter Nr. 9 der Begründung zum Bebauungsplan ist dieser Umstand jedoch nicht eingeflossen. Lediglich unter der
Überschrift „6. Auswirkungen der Planung auf die Umwelt“ wird unter Nr. 6.1.7 allgemein darauf verwiesen, dass davon auszugehen sei, dass
durch die schallabschirmende Wirkungen von Gebäuden und durch passive Maßnahmen (Orientierung der Aufenthaltsräume zur
schallabgewandten Seite) gesunde Wohnverhältnisse an jeder Stelle des Plangebietes möglich seien. Dies genügt nicht den Anforderungen an
eine sachgerechte Abwägung der von der Planung betroffenen Belange. Denn die Ausführungen lassen schon nicht erkennen, dass sich die
Antragsgegnerin des Problems der Schutzbedürftigkeit der Außenwohnbereiche bewusst war. Darauf deutet auch die Antragserwiderung der
Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren hin. Darin führt sie aus, durch die vorgesehene Riegelbebauung entlang der Rohrhofer Straße und
die Hinweise zum Schallschutz sei ein ausreichender Schutz der Innenwohnbereiche gewährleistet. Zudem ist unberücksichtigt geblieben, dass
den Bewohnern der Häuser in den Plangebieten WR 2a und WR 2b durch die Konzeption einer Lärmschutzbebauung zugunsten der restlichen
Plangebiete Lärmbelastungen zugemutet werden, die mit bis zu 68 dB(A) am Tag und bis zu 58 dB(A) in der Nacht nicht nur die einschlägigen
Orientierungswerte der DIN 18005 und die Grenzwerte der 16. BImSchV deutlich überschreiten, sondern sich sogar der Grenze zur
Gesundheitsgefahr nähern, obwohl ihnen der Bebauungsplan die Wohnqualität eines reinen Wohngebiets verspricht.
44 Abgesehen davon hätten solche Überlegungen - wären sie angestellt worden - auch keinen Niederschlag in den Festsetzungen gefunden. Es
fehlt eine planungsrechtliche Absicherung der schallabschirmenden Wirkung der Bebauung entlang der Rohrhofer Straße. Denn die
Antragsgegnerin hat keine Festsetzungen beschlossen, die sicherstellen, dass die „Lärmschutzbebauung“ errichtet ist, bevor mit der Bebauung
der übrigen Plangebiete begonnen wird (s. dazu III 2.).
45 2. Auch hinsichtlich der Klimaauswirkungen der Planung auf die benachbarten Gebiete liegt ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit im Sinne des
§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 BauGB vor. Ausgehend von den Aussagen des Klimagutachtens zu den vorherrschenden
Windrichtungen wäre es erforderlich gewesen, die Auswirkungen einer Windanströmung aus Südwesten zu simulieren, um belastbare Angaben
über die Betroffenheit der Antragsteller zu erhalten.
46 Nach dem Klimagutachten zeigen sich im Bereich des Plangebiets und dessen Umfelds in der Nacht und vor allem in den lokalklimatisch
relevanten Strahlungsnächten auffallend häufig Winde aus südwestlichen bis westlichen Richtungssektoren. Ein wichtiger Faktor im
Klimageschehen des Untersuchungsgebietes sei die rasche Bildung von Kaltluft im bodennahen Luftraum während der ersten Nachthälfte. In
Strömungsrichtung verlaufende Straßen, großzügige Gebäudeabstandsflächen und Gärten bildeten innerhalb der Bebauung die wesentlichen
Zugbahnen der bodennahen Kaltluft.
47 Ausgehend von diesen Aussagen lässt sich der Vorwurf der Antragsteller nicht von der Hand weisen, dass die Ermittlung ihrer klimatischen
Betroffenheit durch das Plangebiet defizitär ist. Der Bebauungsplan sieht sowohl am südlichen als auch am südwestlichen und am westlichen
Rand eine riegelartige Bebauung vor, die im südlichen Bereich zwar nur zwei Geschosse erhalten darf, im südwestlichen und westlichen Bereich
dagegen vier Geschosse bzw. drei bis vier Geschosse erhalten soll. Eine breite Ventilationsachse ist - anders als im Westen - im Südwesten nicht
vorgesehen. Es kommt hinzu, dass der Klimagutachter das Klimageschehen rund um den Rheinauer See zwar umfassend analysiert und
herausgearbeitet hat, dass das Strömungsgeschehen an den fünf Messstationen in der Nähe des Sees jeweils ortsspezifische Besonderheiten
aufweist. Er hat sich jedoch nicht festgelegt, welche Messstation oder welche Messstationen das Klimageschehen im Plangebiet maßgeblich
abbilden. Zumindest die Ergebnisse der beiden westlich des Plangebiets stehenden Messstationen Riedwiesen und Mohr/Federhaff zeigen für
sämtliche Nächte, aber auch für die nach dem Gutachten für das Klimageschehen wichtige erste Nachthälfte an Strahlungstagen häufig
südwestliche Winde. Gleiches gilt für die Nachtsituation an der östlich des Plangebiets stehenden Messstation Walchensee bezogen auf
sämtliche Tage.
48 3. Bei den genannten Abwägungsfehlern handelt es sich um „wesentliche Punkte“ im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB, denn das
Lärmschutzkonzept und die klimaökologischen Auswirkungen der Planung waren in der konkreten Planungssituation für die Abwägung von
Bedeutung (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.04.2008 - 4 CN 1.07 -, NVwZ 2008, 899). Die Abwägungsfehler sind ferner „offensichtlich“ im Sinne
dieser Vorschrift. Denn dieses Tatbestandsmerkmal ist stets erfüllt, wenn der Fehler zur „äußeren Seite“ des Abwägungsvorgangs gehört und
sich - wie hier - aus den Planungsakten ergibt. Die Mängel sind schließlich auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Dies ist immer
dann anzunehmen, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel im Abwägungsvorgang die
Planung anders ausgefallen wäre (BVerwG, Urteil vom 09.04.2008, a.a.O., m.w.N.). Diese Möglichkeit besteht hier ohne weiteres.
49 Die mithin beachtlichen Abwägungsmängel sind auch nicht aufgrund § 215 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB wieder unbeachtlich
geworden. Sie wurden rechtzeitig mit der Klagebegründung vom 29.07.2008 gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht. Unerheblich ist,
ob der Schriftsatz noch vor Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB bei der Antragsgegnerin einging. Denn in der öffentlichen
Bekanntmachung des Bebauungsplans am 02.08.2007 wurde nicht auf die Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB in der seit dem 01.01.2007
geltenden Fassung hingewiesen, sondern auf die Zweijahresfrist der vor diesem Zeitpunkt geltenden Fassung der Vorschrift. Die Rügefrist des §
215 Abs. 1 Satz 3 BauGB wurde daher nicht in Gang gesetzt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.07.2008 - 3 S 2772/06 -, VBlBW 2009, 180).
50 4. Die Rüge der Antragsteller, die Antragsgegnerin habe die Folgekosten einer Dachbegrünung nicht hinreichend in Rechnung gestellt, greift
dagegen nicht durch. Es trifft zwar zu, dass sich aus den Planvorgängen kein Hinweis darauf ergibt, dass dieser Aspekt bei der Abwägung eine
Rolle gespielt hat. Die Antragsgegnerin durfte ihn jedoch vernachlässigen, da die Folgekosten für den Einzelnen überschaubar sind und die
Begrünung von Nutzen für Umwelt und Klima ist. Eine Begrünung kommt dem Anliegen der Antragsteller am Erhalt der klimaökologischen
Situation sogar entgegen.
51 5. Die Antragsgegnerin hat auch den Freizeitwert des Rheinauer Sees nicht verkannt. Der Belang des Landschaftsbildes und der Erholung
wurde im Fachbeitrag Grünordnung ermittelt und bewertet. Dem Plangebiet wird trotz der Vorbelastungen durch die Bebauung westlich der
Rohrhofer Straße und der früheren Nutzung für die Tennisanlage ein hohes bis sehr hohes Potential hinsichtlich des Schutzgutes
Landschaftsbild/Erholung zugesprochen. Im Rahmen der Eingriffs-/Ausgleichsbetrachtung werden für dieses Schutzgut wegen der
vorgesehenen Durchlässigkeit des Plangebiets für die Öffentlichkeit zu den Freizeit- und Erholungsflächen am Rheinauer See, der Erhaltung
eines Grundgerüsts der vorhandenen Begrünung in Verbindung mit den vorgesehenen Begrünungsmaßnahmen allerdings keine nachteiligen
Auswirkungen erwartet. Der Fachbeitrag Grünordnung mit Eingriffs-/Ausgleichsbetrachtung war Gegenstand der Abwägungsentscheidung des
Gemeinderats der Antragsgegnerin.
52 6. Der Antragsgegnerin ist auch bei der Ermittlung und Bewertung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege kein Fehler
unterlaufen.
53 aa) Ohne Erfolg rügen die Antragsteller, die Antragsgegnerin habe die Pufferwirkung des Plangebiets für die in der Nähe gelegenen FFH-
Gebiete und -FFH-Flächen verkannt. Nach den Feststellungen des Fachbeitrags Grünordnung befindet sich nur eine Teilfläche eines FFH-
Gebietes in der näheren Umgebung des Plangebiets. Eine Beeinträchtigung des dort herrschenden Lebensraums und der vorherrschenden Tier-
und Pflanzenarten sei nicht zu erwarten. Diese Einschätzung haben die Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel gezogen.
54 bb) Die Vernichtung des Zwerggrases Mibora Minima erfolgte - wie die Antragsteller selbst vortragen - bereits durch die Bebauung westlich der
Rohrhofer Straße. Hinweise auf das Vorkommen dieses Grases auch im Plangebiet gibt es nicht. Der Fachbeitrag Grünordnung, der eine
Bestandsaufnahme der im Plangebiet vorhandenen Flora enthält, nennt es nicht. Auch die Antragsteller behaupten sein Vorkommen im
Plangebiet nicht.
55 cc) Auch die maßgeblichen Aussagen des Landschaftsplans wurden mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. Der
Fachbeitrag Grünordnung hält einen Konflikt der Planung mit der Aussage des Landschaftsplans, das Gebiet liege in einer innerörtlich
bedeutsamen Freiraumzäsur zur Erhaltung der lokalen Funktionen (Kaltluftentstehung/Durchlüftung), aufgrund der Ergebnisse des
klimaökologischen Gutachtens für ausgeschlossen. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass die Simulation einer Windanströmung aus
Südwesten pflichtwidrig unterlassen wurde, ist eine klimaökologisch bedenkliche Situation im Plangebiet selbst nicht zu befürchten, da es von
der vorgesehenen Ventilations- und Belüftungsbahn in Ost-West-Richtung sowie von der Freihaltefläche im Süden profitiert.
56 dd) Die Rüge, es seien keine Standorte für Neubepflanzungen festgelegt worden, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Bebauungsplan setzt
sowohl bestimmt Standorte für Baumpflanzungen fest, als auch Bereiche, in denen eine bestimmte Anzahl von Bäumen zu pflanzen ist. Darüber
hinaus enthält der Bebauungsplan unter Nr. 11.3 Festsetzungen zu Heckenanpflanzungen und unter Nr. 11.4 Festsetzungen zur Begrünung der
Grundstücksflächen. Einer Standortfestlegung für Heckenpflanzungen und für die Pflanzung von Bäumen in den Hausgärten bedurfte es nicht.
57 ee) Ohne Erfolg rügen die Antragsteller des weiteren, die Folgen für den Rheinauer See (Wasserrecht, Wasserhaushalt) seien nicht ermittelt
worden. Der Fachbeitrag Grünordnung erwähnt die Nähe des Plangebiets zum Rheinauer See, beleuchtet jedoch nur die Auswirkungen der
Planung auf das Grundwasser. Es ist nicht erkennbar, dass und welche Auswirkungen die Planung auf den Zustand des Rheinauer Sees haben
könnte. Auch die Antragsteller legen insoweit nichts dar.
58 ff) Die Antragsgegnerin hat schließlich auch die klimaökologische Bedeutung der Grünstreifen im Norden und Westen des Plangebiets nicht
verkannt, die nach der Planung entfallen sollen. Der Fachbeitrag Grünordnung mit Eingriffs-/Ausgleichsbetrachtung hat die Bedeutung der
vorhandenen Grünflächen unter den Stichworten „Schutzgut Arten und Biotope (Arten und Pflanzen)“ und „Schutzgut Klima/Luft“ ermittelt und
bewertet. Der Fachbeitrag war Gegenstand der Abwägung.
III.
59 Der Bebauungsplan leidet neben den oben dargestellten Ermittlungs- und Bewertungsfehlern auch an materiellen Fehlern. Es kann offen
bleiben, ob es dem Bebauungsplan bereits an der Erforderlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB mangelt (dazu 1.). Jedenfalls liegen aber
Fehler im Abwägungsergebnis vor (dazu 2. und 3.). Auch die Überschreitung der Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO und die Lösung des
Freizeitlärmkonflikts im Wege der Baulaust erscheinen zumindest problematisch (dazu 4. und 5.).
60 1. Legt man die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 06.02.2003 (- 4 BN 5.03 -, Buchholz 406.11 § 1
BauGB Nr. 116) zugrunde, bestehen zumindest Bedenken an der Erforderlichkeit der Planung.
61 Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden Bebauungspläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung
und Ordnung erforderlich ist. Dabei besitzen die Gemeinden bei der Entscheidung, ob, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt eine Planung
betrieben wird, grundsätzlich ein weites planerisches Ermessen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2002 - 4 CN 1.02 -, DVBl. 2003, 204). Die
Zulässigkeit bauplanerischer Festsetzungen setzt nicht voraus, dass sie zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage
unentbehrlich oder gar zwingend geboten sind. Es genügen hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange. Der Gesetzgeber
ermächtigt die Gemeinden, die „Siedlungspolitik“ zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl. BVerwG,
Beschluss vom 11.05.1999 - 4 BN 15.99 -, NVwZ 1999, 1338). Die Erforderlichkeit der Planung ist maßgeblich an der städtebaulichen
Konzeption der Gemeinde zu messen. Nicht erforderlich sind nur Bebauungspläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und
ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 11.05.1999, a.a.O.) oder deren Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege
stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.03.2004 - 4 CN 4.03 -, NVwZ 2004, 856). Damit handelt es sich bei dem Merkmal der Erforderlichkeit um eine
nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen wirksame Schranke der gemeindlichen Planungshoheit, die nicht greift, wenn der
Plan nach der planerischen Konzeption der Gemeinde vernünftigerweise geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.01.1993 - 8 C 46.91 -,
BVerwGE 92, 8).
62 a) Im vorliegenden Fall hat die Planung zunächst das Ziel, ehemalige Flächen für Freizeitnutzungen einer Wohnnutzung zuzuführen, um damit
eine Zersiedelung der Landschaft zu vermeiden. Es soll ein qualitätsvolles Wohnquartier mit vielfältigen Wohnformen entwickelt werden. Der
Bebauungsplan verfolgt daher das städtebauliche Ziel der Schaffung von Wohnraum (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) und trägt den Belangen des
Umweltschutzes (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB) Rechnung. Einer konkreten Bedarfsprognose bedurfte es nicht, denn das ausgewiesene Baugebiet
stellt lediglich eine Angebotsplanung dar. Der Hinweis der Antragsteller auf leer stehende Wohnungen und Häuser in Rheinau-Süd lässt die
Erforderlichkeit der Planung nach den oben dargestellten Grundsätzen dagegen nicht entfallen.
63 b) Soweit mit der Planung jedoch ein reines Wohngebiet geschaffen werden soll, bestehen wegen der Belastung des künftigen Baugebiets mit
Verkehrslärm erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit der Planung. Nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(Beschluss vom 06.02.2003, a.a.O.) ist ein Bebauungsplan wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 BauGB auch dann unwirksam, wenn die
Verwirklichung der Planung auf unabsehbare Zeit an unüberwindlichen immissionsschutzrechtlichen Hindernissen scheitert. Eine Gemeinde darf
nicht so planen, dass im Plangebiet schädliche Umwelteinwirkungen vorprogrammiert sind. Sie darf nicht ohne zwingenden Grund selbst die
Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Vorbelastungen schaffen, indem sie in einen durch ein erhöhtes Immissionspotential
gekennzeichneten Bereich ein störempfindliches Wohngebiet hinein- plant und damit aus einem reinen Wohngebiet oder wesentlichen Teilen
desselben in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht in Wahrheit ein Dorf- oder Mischgebiet macht.
64 Im vorliegenden Fall liegt eine vergleichbare Situation vor. Der Lärmgutachter stellte in seiner schalltechnischen Untersuchung fest, dass die mit
der Gebietsfestsetzung „Reines Wohngebiet“ verbundene Erwartung auf angemessenen Schutz vor Verkehrslärmbelastung nicht erfüllt werden
kann. Die schalltechnischen Berechnungen belegen, dass im Plangebiet die Orientierungswerte der DIN 18005 für reine Wohngebiete nur an
wenigen Stellen eingehalten werden können. Im Übrigen werden die Werte um bis zu 17,6 dB(A) überschritten. Die Pegelwerte übertreffen selbst
die Orientierungswerte für allgemeine Wohngebiete an ungefähr der Hälfte der Immissionsorte. An mehreren Stellen werden sogar die
großzügigeren Grenzwerte der 16. BImSchV für Wohngebiete überschritten. Maßnahmen zum Schallschutz, die der Schallgutachter empfiehlt
und die das immissionsschutzrechtliche Niveau eines reinen Wohngebietes sicherstellen könnten, hat die Antragsgegnerin nicht festgesetzt; ihre
Umsetzung ist auch nicht auf andere Weise - insbesondere nicht durch den zwischen der Antragsgegnerin und dem Investor am 09.07.2007
geschlossenen städtebaulichen Vertrag oder die nachfolgenden bauordnungsrechtlichen Verfahren - sichergestellt (s. dazu 3.). Bei dieser
Sachlage erscheint die Verwirklichung eines reinen Wohngebiets aus immissionsschutzrechtlicher Sicht auf Dauer nicht möglich, so dass bereits
die Erforderlichkeit der Planung in Frage steht.
65 Letztlich bedarf dies jedoch keiner abschließenden Entscheidung, denn die Festsetzung eines reinen Wohngebiets ohne gleichzeitige
Festsetzung von entsprechenden Lärmschutzmaßnahmen stellt in Anbetracht der hohen Verkehrslärmbelastung des Plangebiets jedenfalls
einen Fehler im Abwägungsergebnis dar.
66 2. Die Lärmbelastung wurde zwar durch die schalltechnische Untersuchung ermittelt und bewertet. Die Antragsgegnerin hat die
Lärmschutzbelange auch zutreffend abgewogen, denn ausweislich der Planbegründung (Nr. 9.2.2) hielt sie Lärmschutzmaßnahmen für
erforderlich (dazu a)). Das Ergebnis dieses Abwägungsvorgangs ist jedoch fehlerhaft, da die Antragsgegnerin keine Lärmschutzmaßnahmen
festgesetzt hat (dazu b)) und die Lärmproblematik auch nicht auf andere Weise bewältigt werden kann (dazu c)). Der Bebauungsplan verstößt
deshalb insoweit gegen das aus § 1 Abs. 7 BauGB folgende Gebot der Konfliktbewältigung.
67 a) Nach den Ergebnissen der schalltechnischen Untersuchung sind wegen der massiven Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005
für reine Wohngebiete erhebliche Lärmschutzmaßnahmen erforderlich. Die schalltechnische Untersuchung basiert zwar auf dem städtebaulichen
Entwurf des Investors, der - aufbauend auf den Festsetzungen des Bebauungsplans - eine bestimmte Bebauungsvariante enthält. Sie besitzt
dennoch auch Aussagekraft für den Bebauungsplan selbst, denn in der schalltechnischen Untersuchung wurden sehr detailliert über 80
Immissionsorte im Plangebiet untersucht (s. Anhang A3-2 des Gutachtens). Es ist daher zu erwarten, dass sich auch bei einer geänderten
Gebäudeanordnung - insbesondere im Baugebiet WR 1b - die Pegelwerte nicht wesentlich verändern werden.
68 Nach den Berechnungen des Schallgutachters werden die Pegelwerte im Plangebiet an fast allen Immissionsorten die Orientierungswerte der
DIN 18005 für reine Wohngebiete von 50 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts überschreiten. Die maximalen Überschreitungen in den einzelnen
Plangebieten fallen sehr deutlich aus; sie betragen zwischen 7,3 dB(A) und 17, 6 dB(A). Nach Auffassung des Gutachters sind dementsprechend
zum Schutz der geplanten Wohnnutzung vor den Straßenverkehrslärmeinwirkungen Lärmschutzmaßnahmen vorzusehen und planungsrechtlich
abzusichern. Die Mehrfamilienhausbebauung entlang der Rohrhofer Straße (Plangebiete WR 2a und 2b) sei als Lärmschutzbebauung
konzipiert. Dort sollten Aufenthaltsräume und Außenwohnbereiche möglichst zur straßenabgewandten Seite orientiert werden; pro Wohnung
sollte aber mindestens ein Aufenthaltsraum mit Fenster zur leisen Fassade angeordnet werden. Für Aufenthaltsräume, die zur Rohrhofer Straße
und zur Straße Am Rheinauer See orientiert seien, sei zur Sicherstellung gesunder Wohnverhältnisse passiver Schallschutz festzusetzen.
Darüber hinaus sei passiver Schallschutz für den Fall vorzusehen, dass Wohngebäude innerhalb des Plangebiets errichtet würden, bevor die
geplante Mehrfamilienhausbebauung entlang der Rohrhofer Straße verwirklicht sei. Im Übrigen schlug er die Festsetzung von
Lärmpegelbereichen nach der DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ und die Festsetzung der Verwendung von Außenbauteilen vor, die
bestimmte Schalldämmmaße nach der DIN 4109 aufweisen. Ausgehend von der Beurteilung durch den Schallgutachter hielt auch die
Antragsgegnerin Schallschutzmaßnahmen erforderlich, wie sich Nr. 9.2.2 der Planbegründung entnehmen lässt.
69 b) Die Antragsgegnerin hat dennoch keine der Empfehlungen des Schallgutachters als Festsetzungen in den angefochtenen Bebauungsplan
übernommen. Dies wurde von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Abrede gestellt.
70 Handelt es sich aber - wie schon die Überschrift nahelegt - um bloße Hinweise zum Schallschutz, sind diese - entgegen der Ansicht der
Antragsgegnerin - nicht geeignet, die erhebliche Verkehrslärmproblematik zu lösen. Denn es ist nicht sichergestellt, dass die künftigen Bewohner
des Baugebiets keinem Verkehrslärm ausgesetzt sein werden, der in einem reinen Wohngebiet unzumutbar ist. Weder ist verbindlich geregelt,
dass die als bewohnte Lärmschutzwand konzipierte Bebauung entlang der Rohrhofer Straße vor der übrigen Bebauung errichtet wird, noch dass
die Anordnung der Aufenthaltsräume in dieser Bebauung entsprechend den Empfehlungen des Gutachters erfolgen wird oder dass bei der
Errichtung der Gebäude im gesamten Plangebiet Materialien verwendet werden, die die vom Gutachter als erforderlich erachteten
Schalldämmmaße aufweisen. Die Erteilung von Baugenehmigungen zur Errichtung von Reihenhauszeilen am 18.12.2008 und am 01.12.2009
zeigt, dass tatsächlich die ernsthafte Gefahr besteht, dass den Bewohnern dieser Häuser der ihnen vom Schallgutachter zugedachte Schutz
durch die Lärmschutzbebauung entlang der Rohrhofer Straße nicht zuteil wird. Denn für die Bebauung entlang der Rohrhofer Straße liegt keine
Baugenehmigung vor. Darüber hinaus enthält zumindest die Baugenehmigung vom 18.12.2008 keine Auflagen hinsichtlich der Verwendung von
Materialien mit bestimmten Schalldämmmaßen, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.
71 c) Der Bebauungsplan verstößt deshalb gegen das Gebot der Konfliktbewältigung. Denn grundsätzlich sind die durch die Planung ausgelösten
Konflikte durch die Planung selbst zu bewältigen. Sie dürfen nicht zu Lasten der Betroffenen letztlich ungelöst bleiben. Einzelne Teile der
Konfliktbewältigung können zwar in ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren verschoben werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom
08.03.2010 - 4 B 76.09 - juris; kritisch Fickert/Fieseler, BauNVO Kommentar, 11. Aufl. 2008, § 15 Rn. 1.13). Dies gilt allerdings nur, wenn dort eine
Konfliktbewältigung erwartet werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass der Bebauungsplan bereits die richtigen Weichenstellungen enthält,
denn mit einem nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren können die Festsetzungen eines Bebauungsplans nur noch feingesteuert oder
nachgesteuert werden. Es kann die Festsetzungen weder korrigieren, noch kann es fehlende Festsetzungen ersetzen (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 06.03.1989 - 4 NB 8.89 -, BauR 1989, 129; Söfker, in: Ernst/ Zinkahn/ Bielenberg, BauGB Kommentar, § 1 Rn. 215 ff. und Stüer, Der
Bebauungsplan, Rn. 772 ff. jeweils m.w.N. der Rspr.; zur Verlagerung störfallrechtlicher Probleme ins immissionsschutzrechtliche
Genehmigungsverfahren vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.03.2010 - 4 BN 66.09 -, juris). Des weiteren ist in Rechnung zu stellen, dass die
Errichtung einer baulichen Anlage nicht in jedem Fall die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens voraussetzt. Vielmehr genügt in den
Fällen des § 51 LBO das Kenntnisgabeverfahren; Lärmschutzvorkehrungen könnten dann nur durch Einzelverfügungen festgesetzt werden, die
allerdings einer Rechtsgrundlage bedürften.
72 Im vorliegenden Fall enthält der angefochtene Bebauungsplan überhaupt keine Festsetzungen zum Lärmschutz. Es sind daher keine
„Weichenstellungen“ vorhanden, die sicherstellen, dass in dem geplanten reinen Wohngebiet gebietsentsprechende Wohnverhältnisse
herrschen werden. Lärmschutzmaßgaben der Baurechtsbehörde in den nachfolgenden bauordnungsrechtlichen Verfahren stellten somit keine
Feinsteuerung der Vorgaben des Bebauungsplans dar. Im Übrigen wären solche mangels Rechtsgrundlage auch nicht zulässig.
73 Die Grenze zur Gesundheitsgefährdung, die nach der Rechtsprechung allgemein ab 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht angenommen
wird (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 13.05.2009 - 9 A 72.07 -, BVerwGE 134, 45), überschreitet der Verkehrslärm nach den schalltechnischen
Berechnungen (noch) nicht, so dass ein Tätigwerden der Behörde nach § 47 Abs. 1 LBO aus Gründen der verfassungsrechtlichen
Gesundheitsschutzpflicht des Staates nicht gerechtfertigt wäre. Die DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) stellt keine öffentlich-rechtliche
Vorschrift über die Errichtung von Anlagen dar, auf deren Einhaltung die Baurechtsbehörde nach § 47 Abs. 1 LBO zu achten hat. Es handelt sich
vielmehr um eine technische Norm, die die Anforderungen an den Schallschutz, d.h. dessen Art und Weise regelt. Ob überhaupt
Schallschutzmaßnahmen erforderlich sind und von der Baurechtsbehörde gefordert werden können, muss sich dagegen aus einer öffentlich-
rechtlichen Norm im Sinne des § 47 Abs. 1 LBO ergeben. An einer solchen Norm fehlt es im vorliegenden Fall. Auch § 3 Abs. 3 LBO stellt sie -
entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - nicht dar. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann die oberste Baurechtsbehörde Regeln der Technik, die
der Erfüllung der Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBO dienen, als technische Baubestimmungen bekanntmachen. Die technischen
Baubestimmungen sind nach § 3 Abs. 3 Satz 3 LBO einzuhalten. Ob § 3 Abs. 3 Satz 3 LBO überhaupt taugliche Grundlage einer Verfügung der
Baurechtsbehörde sein kann, mit der dem Bauherrn bestimmte Baumaßnahmen aufgegeben werden, bedarf an dieser Stelle keiner
Entscheidung. Jedenfalls im vorliegenden Fall könnte eine Anordnung zum Schallschutz nicht auf diese Vorschrift gestützt werden. Das
Innenministerium Baden-Württemberg hat die DIN 4109 zwar mit Bekanntmachung vom 06.11.1990 als technische Baubestimmung eingeführt
(GABl. 1990, 829). Nach Nr. 2.1 des Einführungserlasses bedarf es eines Nachweises der Luftschalldämmung von Außenbauteilen aber nur,
wenn a) der Bebauungsplan festsetzt, dass Vorkehrungen zum Schutz vor Außenlärm an Gebäuden zu treffen sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB)
oder b) der sich aus amtlichen Lärmkarten oder Lärmminderungsplänen nach § 47a BImSchG ergebende „maßgebliche Außenlärmpegel“ ein
bestimmtes Maß überschreitet. Beide Varianten sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig.
74 Auch § 15 Abs. 1 BauNVO scheidet als Rechtsgrundlage einer Verfügung aus, mit der einem Bauherrn Maßnahmen zur Gewährleistung
bestimmter niedrigerer Immissionswerte aufgegeben werden. Denn dies käme einer vollständigen Verlagerung der Konfliktlösung auf das
nachfolgende bauordnungsrechtliche Verfahren gleich. Die Baurechtsbehörde hätte zu entscheiden, welcher Lärmbelastung die
Gebietsbewohner künftig ausgesetzt sein sollen. Eine solche Entscheidung ist jedoch Sache der planenden Gemeinde; sie muss diese Frage im
Rahmen der Abwägung der von der Planung betroffenen Belange beantworten und durch Festsetzungen im Bebauungsplan verbindlich regeln.
75 d) Eine Konfliktlösung kann im Einzelfall zwar auch durch geeignete vertragliche Vereinbarungen, insbesondere im Rahmen von
städtebaulichen Verträgen nach § 11 BauGB sichergestellt werden (vgl. Söfker, in: Ernst/ Zinkahn/ Bielenberg, a.a.O. Rn. 220). Von einer solchen
Lösung ging wohl auch die Antragsgegnerin aus, denn in der Begründung zum Bebauungsplan wird darauf verwiesen, dass die bestehende
Lärmproblematik im städtebaulichen Vertrag aufgezeigt und in den Kaufverträgen der Grundstücke eingehend thematisiert werde. Des weiteren
wird im Rahmen der Abwägung (Nr. 9.3 der Begründung) darauf abgestellt, dass „im städtebaulichen Vertrag die Verpflichtung zur Vorsorge
gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräusche dahingehend geregelt“ werde, „dass die Empfehlungen der schalltechnischen
Untersuchung zu den zu ergreifenden Maßnahmen der Lärmvorsorge verpflichtend in die Kaufverträge der künftigen Grundstückseigentümer zu
übernehmen“ seien.
76 Der Verkehrslärmkonflikt wird durch den zwischen der Antragsgegnerin und dem Investor am 09.07.2007 geschlossenen Vertrag jedoch gerade
nicht gelöst. Denn der städtebauliche Vertrag enthält keine Regelung, nach der der Investor verpflichtet ist, in die Kaufverträge mit den
Grundstückskäufern Empfehlungen zum Schallschutz aufzunehmen. Nach § 8 des Vertrages ist der Investor lediglich verpflichtet, den Betrieb
und die Immissionen der Wasserski- und Freizeitanlage Rheinauer See im derzeit genehmigten Umfang zu dulden. Im Übrigen regelt die
Vertragsbestimmung Einzelheiten des Verzichts auf Abwehransprüche. Sie betrifft somit allein die Lärmimmissionen der bestehenden
Freizeiteinrichtungen, nicht jedoch Verkehrsimmissionen. Eine Verpflichtung, den Käufern die Durchführung bestimmter Lärmschutzmaßnahmen
aufzuerlegen, besteht nicht. Der Investor ist nicht einmal verpflichtet, die Käufer auf die bestehende Verkehrslärmproblematik aufmerksam zu
machen. Möglicherweise ist dies unterlassen worden, weil geplant ist, dass der Investor sämtliche Häuser selbst baut und die Antragsgegnerin
davon ausging, dass dabei Materialien verwendet werden, die die erforderlichen Schalldämmmaße einhalten. Im Idealfall wären die
Empfehlungen des Lärmgutachters dann umgesetzt. Es fehlt jedoch bereits an einer vollstreckbaren Verpflichtung für den Fall, dass der Investor
die erforderlichen Lärmschutzmaßnahmen - beispielsweise aus Kostengründen - doch unterlässt. Erst recht fehlt eine solche Verpflichtung, falls
nicht der Investor, sondern ein Dritter die Errichtung der Häuser übernimmt, weil beispielsweise der Investor insolvent wird oder er sich dazu
entschließt die Grundstücke unbebaut zu veräußern. Eine verbindliche Regelung, die für diesen Fall die Wahrung gesunder -
gebietsentsprechender - Wohnverhältnisse sicherstellen könnte, besteht nicht.
77 3. Der Bebauungsplan leidet zudem an einem weiteren Abwägungsfehler, weil als Art der baulichen Nutzung ein reines Wohngebiet festgesetzt
worden ist, ohne gleichzeitig Lärmschutzmaßnahmen vorzusehen, die das erforderliche höhere Lärmschutzniveau eines solchen Baugebiets
nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 BauNVO sicherstellen und keine besonderen städtebaulichen Gründe vorliegen, die die Festsetzung eines reinen
Wohngebiets trotz massiver Überschreitung der einschlägigen Orientierungswerte der DIN 18005 rechtfertigen. Das Unterlassen der Festsetzung
von Lärmschutzmaßnahmen und die Festsetzung eines reinen Wohngebiets sind angesichts des Ausmaßes der Verkehrslärmbelastung des
Plangebiets und dessen konkreter Lage in der Weise miteinander verbunden, dass der Verzicht auf verbindliche Lärmschutzmaßgaben eine
andere Gebietsfestsetzung erfordert hätte oder umgekehrt bei Festsetzung eines reinen Wohngebiets verbindliche Lärmschutzvorgaben in den
Bebauungsplan hätten aufgenommen werden müssen (vgl. auch die Ausführungen oben unter III. 1.).
78 Eine Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005 bedeutet zwar nicht von vornherein, dass eine Planung an einem Fehler leidet, der
zu seiner Unwirksamkeit führt. Vielmehr kann im Einzelfall auch eine Überschreitung das Ergebnis einer gerechten bauleitplanerischen
Abwägung der Gemeinde sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.06.2007 - 4 BN 6.07 -, BRS 71 Nr. 49). Je weiter aber die Orientierungswerte der
DIN 18005 überschritten werden, desto gewichtiger müssen die für die Planung sprechenden städtebaulichen Gründe sein und desto mehr hat
die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zur Verfügung stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern
(BVerwG, Urteil vom 22.03.2007 - 4 CN 2.06 -, BVerwGE 128, 238). Ausgehend von diesen Grundsätzen erfüllt der bloße Hinweis auf die
Verkehrslärmproblematik nicht die Anforderungen an ein sachgerechtes Abwägungsergebnis. Denn es bedurfte angesichts der massiven
Überschreitung der Orientierungswerte zunächst sehr gewichtiger städtebaulicher Gründe, die die Festsetzung eines reinen Wohngebiets trotz
dieser Überschreitung rechtfertigen könnte. Dafür ist indes nichts ersichtlich. Die Begründung zum Bebauungsplan nennt als Grund für die
Festsetzung eines reinen Wohngebiets unter Ausschluss sämtlicher nach § 3 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässiger Nutzungen die
„Merkmale der angrenzenden Wohnquartiere“, die „städtebauliche Zielsetzung“ und die „geplanten Nutzungsabsichten im Plangebiet“. Die nach
§ 3 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen wurden ausgeschlossen, weil sie „den geplanten Nutzungsabsichten zuwiderlaufen
und … sich als nicht umfeldverträglich erweisen“. Die genannten Gründe für die Festsetzung eines reinen Wohngebiets sind zwar
städtebaulicher Natur, sie haben jedoch kein besonderes Gewicht. Sie liegen bei jeder Planung eines Wohngebiets vor. Weshalb andere
Nutzungen nicht „umfeldverträglich“ sein sollen, wird nicht dargelegt. Das Plangebiet grenzt im Norden an eine Reihenhaussiedlung, im Osten
an den Rheinauer See, im Süden an Brachgelände und im Westen an Geschosswohnungsbau. Die das Plangebiet umschließenden Straßen
sind stark befahren. Die Umgebung des Plangebiets ist demzufolge weder besonders ruhig, noch hat sie einen besonders hochwertigen
Charakter (z. B. den einer Villensiedlung). Bei dieser Ausgangslage ist nicht zu erkennen, dass nur reine Wohnnutzungen mit dem bestehenden
Umfeld harmonieren.
79 4. Rechtlich problematisch sind darüber hinaus die Festsetzungen des angefochtenen Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung im
Baugebiet WR 2a und WR 2b, weil sie die in § 17 Abs. 1 BauNVO für reine Wohngebiete festgelegte Obergrenze für die Geschossflächenzahl
von 1,2 übersteigen und eine Rechtfertigung hierfür nach § 17 Abs. 2 BauNVO derzeit zweifelhaft erscheint. Denn den Aufstellungsvorgängen
lässt sich nicht mit Sicherheit entnehmen, dass sich der Gemeinderat der Antragsgegnerin abwägend mit dieser Frage auseinandergesetzt hat.
Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es angesichts der oben dargestellten Fehler des Bebauungsplans indes nicht. Der Senat
weist nur auf das Folgende hin:
80 Der Bebauungsplan setzt für das Baugebiet WR 2a drei bis vier Vollgeschosse, für das Baugebiet WR 2b vier Vollgeschosse fest. Bei der
festgesetzten Grundflächenzahl von 0,4 ergibt dies in beiden Baugebieten eine maximal zulässige Geschossflächenzahl von 1,6. Damit wird die
in § 17 Abs. 1 BauNVO festgelegte Obergrenze um 0,4 überschritten. Bei den Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO handelt es sich um
grundsätzlich bindende Vorgaben für die Abwägung, die den Rahmen für die Planung setzen (vgl. König/Röser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, §
17 Rn. 6; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 17 Rn. 2; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO § 17 Rn. 8). Auch wenn in
einem Bebauungsplan - wie hier - die Grundflächenzahl nicht festgesetzt worden ist, darf die Obergrenze des § 17 Abs. 1 BauNVO durch die
übrigen Festsetzungen grundsätzlich nicht überschritten werden (Fickert/Fieseler, a.a.O. Rn. 9). Eine Ausnahme besteht nur unter den
Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 und - des hier nicht einschlägigen - § 17 Abs. 3 BauNVO. Die Gemeinde hat in der Begründung zum
Bebauungsplan darzulegen, dass die besonderen Anforderungen des § 17 Abs. 2 BauNVO erfüllt sind (vgl. König/Roeser/Stock, a.a.O. Rn. 7;
Fickert/Fieseler a.a.O. Rn. 23 und 28). Denn nach der Planbegründung beurteilt sich maßgeblich, ob der Plangeber die Voraussetzungen für eine
Überschreitung der Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung zu Recht angenommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.1995 - 4
NB 42.93 -, Buchholz 406.12 § 17 BauNVO Nr. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2009 - 2 A 19.07 -, juris Rn. 35). Ausgehend davon,
ist nicht eindeutig zu erkennen, welche Gründe und Umstände die Antragsgegnerin dazu bewogen haben, eine Überschreitung der Obergrenzen
festzusetzen.
81 Die Begründung gibt bereits Anlass zu Zweifeln, ob sich die Antragsgegnerin der Überschreitung der Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO
überhaupt bewusst war. Denn unter der Überschrift „Überschreitung des Maßes der baulichen Nutzung“ unter Nr. 2.2.2.3 der Begründung finden
sich nur Ausführungen zu § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO. Nach dieser Vorschrift darf die zulässige Grundfläche durch die Grundflächen von
Garagen, Stellplätzen, Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO und baulichen Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche um bis zu 50 %
überschritten werden. Die Vorschrift des § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO wendet sich - anders als § 17 Abs. 1 BauNVO - nicht an die Gemeinde als
Plangeberin, sondern betrifft die Ermittlung der zulässigen Grundflächenzahl einzelner Bauvorhaben. Dementsprechend befasst sich die
Begründung zum Bebauungsplan an dieser Stelle auch nur mit der Frage, welche Grundflächenanzahlen unter Ausnutzung der Möglichkeiten
des § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO erreicht werden können, wie hoch der Anteil der zusätzlich überbaubaren Fläche ist und wie hoch die
durchschnittliche Grundflächenzahl im gesamten Baugebiet sein wird.
82 Allerdings sind an mehreren Stellen der Begründung Ausführungen zum Maß der baulichen Nutzung im WR 2a und WR 2b entlang der
Rohrhofer Straße zu finden. Sämtliche dieser Ausführungen stehen jedoch nicht in Zusammenhang mit der entsprechenden Festsetzung,
geschweige denn mit der Überschreitung der Obergrenzen nach § 17 BauNVO, worauf die Antragsteller zu Recht hinweisen. Zur Frage, ob die
Überschreitung durch vorhandene Umstände ausgeglichen ist oder durch Festsetzungen ausgeglichen wird, schweigt die Begründung zum
Bebauungsplan.
83 Objektiv betrachtet könnten - folgt man den Ausführungen der Antragsgegnerin - möglicherweise Gründe und Umstände vorliegen, die ein
Überschreiten der Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO rechtfertigen (vgl. dazu auch Beschluss des Senats vom 10.12.1997 - 3 S 2023/97 -,
BauR 1998, 977). Allerdings muss die Überschreitung auch von einem entsprechenden planerischen Willen und einer abwägenden
Entscheidung der Antragsgegnerin getragen sein, die die durch § 17 Abs. 2 BauNVO gesetzten Grenzen beachtet. Denn nicht nur die
Festsetzung des konkreten Maßes der baulichen Nutzung im Rahmen des § 17 Abs. 1 BauNVO, sondern auch die Überschreitung der
Obergrenzen steht im gestaltenden Ermessen der Gemeinde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.01.1996 - 4 NB 1/96 - NVwZ-RR 1997, 83). Im
vorliegenden Fall lässt sich ein solcher Wille und eine abwägende Entscheidung nur schwer feststellen. Es spricht manches dafür, dass insoweit
ein vollständiger Abwägungsausfall vorliegt.
84 5. Angesichts der oben dargestellten Fehlerhaftigkeit der Planung bedarf es auch keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die Rüge der
Antragsteller durchgreift, das Plangebiet sei zu hohem Freizeit- und Sportanlagenlärm ausgesetzt. Offen bleiben kann insbesondere, ob das
Freizeitlärmproblem in zulässiger Weise durch Übernahme einer Baulast durch die Eigentümerin des südlich des Plangebiets gelegenen
Grundstücks Flst.-Nr. ... gelöst werden konnte, mit der sie darauf verzichtet, die auf ihrem Grundstück bauplanungsrechtlich festgesetzte private
Tennisanlage zu errichten (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 12.11.1987 - 4 B 216.87 -, Buchholz 406.17 BauordnungsR Nr. 24; Beschluss vom
02.12.2009 - 4 B 74.09 -, BauR 2010, 742; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 02.09.2009 - 3 S 1773/07 -, VBlBW 2010, 41).
85 6. Ein Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB als besonderer Ausprägung des Abwägungsgebots des § 1
Abs. 7 BauGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.08.2002 - 4 C 5/01 - BVerwGE 117, 25; Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O. § 2 Rn 99) vermag
der Senat nicht zu erkennen. Die Stadt Brühl hat ihre Belange im Rahmen der Beteiligung vorgetragen. Sie wurden bewertet und abgewogen.
Das Ergebnis der Abwägung lässt insoweit keinen Fehler erkennen.
86 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
87 Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
88
Beschluss vom 19. Mai 2010
89 Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG endgültig auf 80.000,-- EUR festgesetzt.
90 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.