Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 14.03.2007

VGH Baden-Württemberg: lehrer, ausbildung, genehmigung, türkisch, glaubhaftmachung, schule, gymnasium, beamtenverhältnis, erlass, französisch

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 14.3.2007, 9 S 1673/06
Baden-Württemberg - Genehmigungsfreiheit des Einsatzes eines Lehrers an einer Ersatzschule
Leitsätze
Die Tätigkeit als Lehrer an einer genehmigten Ersatzschule bedarf keiner gesonderten „Unterrichtsgenehmigung“.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 30. Juni 2006 - 11 K 847/06 - wird
zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung, den Antragsgegner zu verpflichten, ihre Unterrichtstätigkeit an dem deutsch-türkischen Gymnasium ... des Türkisch-
Deutschen Bildungsvereins ... e.V., hilfsweise im Rahmen eines befristeten Probearbeitsverhältnisses, bis zur Entscheidung in der Hauptsache
vorläufig zu genehmigen, mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches sowohl für den Haupt- als auch für den Hilfsantrag im
Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die dem Beschwerdegericht obliegende Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe ergibt keine andere
Beurteilung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist ergänzend auszuführen:
2 Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches scheitert bereits daran, dass es der von der Antragstellerin begehrten
„Unterrichtsgenehmigung“ für die Ausübung der Tätigkeit als Lehrerin an einer Ersatzschule nach den hier maßgebenden Bestimmungen des
Gesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft in der Fassung vom 01.01.1990 (GBl. S. 105; m.sp.Änd.) - PSchG - nicht bedarf und zwar weder für
sie noch für den freien Ersatzschulträger, den Türkisch-Deutschen Bildungsverein ... e.V., der im Besitz einer Errichtungs- und
Betreibensgenehmigung nach den §§ 4, 5 und 6 PSchG ist.
3 Nach § 4 Abs. 1 PSchG dürfen Ersatzschulen nur mit Genehmigung der oberen Schulaufsichtsbehörde errichtet und betrieben werden. Die
Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen der §§ 5 und 6 PSchG erfüllt sind. Eine dieser Voraussetzungen ist nach § 5 Abs. 1 a)
PSchG für - wie hier - Schulen nach § 3 Abs. 1 PSchG, dass die Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen
Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den bestehenden öffentlichen Schulen zurücksteht. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 PSchG sind die Anforderungen
an die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer erfüllt, wenn eine fachliche und pädagogische Ausbildung sowie Prüfungen nachgewiesen
werden, die der Ausbildung und den Prüfungen der Lehrer an entsprechenden öffentlichen Schulen im Werte gleichkommen. Auf diesen
Nachweis kann verzichtet werden, wenn die wissenschaftliche, künstlerische oder technische Ausbildung und die pädagogische Eignung des
Lehrers anderweitig nachgewiesen wird. Nach Erfüllung auch dieser Voraussetzungen wurde dem Türkisch-Deutschen Bildungsvereins ... e.V. die
Genehmigung für Errichtung und Betrieb des ...-Gymnasiums unstreitig erteilt.
4 Weitere Genehmigungen für den Betrieb der Schule sehen weder das Privatschulgesetz noch die Verordnung des Kultusministeriums und des
Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum zum Vollzug des Privatschulgesetzes i.d.F.d.B. vom 20.07.1971 (GBl. S. 347; m.sp.Änd.) -
VVPSchG - vor. So muss sich insbesondere - anders als in anderen Bundesländern (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 06.04.1990 - 7 B
44/90 -, NVwZ 1990, 864; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 17.08.1994 - 13 L 1378/93 -, NdsVBl 1995, 279; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss
vom 20.12.1983 - 2 B 99/83 -, DÖV 1984, 389) - der Schulträger den beabsichtigten Einsatz eines Schulleiters oder einer Lehrkraft nicht
besonders genehmigen lassen. Auch der einzelne Lehrer bedarf einer solchen Genehmigung zur Ausübung seiner Tätigkeit an der Ersatzschule
nicht. Zwar ist die Ersatzschule nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VVPSchG gehalten, Veränderungen ihres Lehrkörpers nach Erteilung der Errichtungs- und
Betriebsgenehmigung der zuständigen oberen Schulaufsichtsbehörde anzuzeigen, damit diese prüfen kann, ob die
Genehmigungsvoraussetzungen nach wie vor vorliegen (vgl. dazu auch Sächsisches OVG, Urteil vom 27.03.2006 - 2 B 776/04 -, juris). Eine
Verpflichtung zur Einholung einer Unterrichtsgenehmigung erwächst daraus für den eine - grundrechtsgeschützte - Unterrichtstätigkeit an einer
Ersatzschule anstrebenden Lehrer schon im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 GG aber nicht. Dem Gesetzgeber steht es
grundsätzlich frei, die Aufnahme grundrechtsgeschützter Tätigkeiten einem präventiven Genehmigungsvorbehalt zu unterwerfen, um mögliche
Gefahren für hochwertige Rechtsgüter von vornherein auszuschließen. Hält er ein behördliches Kontrollverfahren für erforderlich, so muss er diese
Entscheidung im Gesetz klar zum Ausdruck bringen und den genehmigungspflichtigen Tatbestand sowie die Voraussetzungen der
Genehmigungserteilung oder -versagung hinreichend genau festlegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.06.1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 377;
Beschluss vom 05.08.1966 - 1 BvF 1/61 -, BVerfGE 20, 150; Beschluss vom 12.06.1979 - 1 BvL 19/76 -, BVerfGE 52, 1). Ein solcher zusätzlicher
Genehmigungsvorbehalt des Gesetzgebers für die Ausübung der Tätigkeit als Lehrer an einer Ersatzschule ist nach Vorstehendem jedoch nicht
erfolgt (vgl. zu einer ähnlichen Rechtslage in Bayern auch Bayerischer VGH, Urteil vom 28.02.2006 - 7 B 05.2202 -, juris).
5 Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist danach schon aus diesem Grunde abzulehnen, nachdem die Antragstellerin trotz
entsprechenden Hinweises des Senats ohne weitere Äußerung an ihm festgehalten hat. Der Senat sieht auch von sich aus keinen Anlass für eine
Prüfung, ob der Antrag in ein anderes vorläufiges Rechtsschutzbegehren umgedeutet werden kann. Denn die Antragstellerin bedarf der
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes derzeit nicht. Sie ist ungeachtet der rechtlichen Qualifizierung des Schreibens des Regierungspräsidiums
Karlsruhe vom 30.05.2006 und der - noch nicht rechtskräftigen - Abweisung der hiergegen gerichteten Klage (vgl. hierzu das vor dem Senat
anhängige Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung, AZ.: 9 S 2916/06) jedenfalls derzeit ebenso berechtigt, die angestrebte Tätigkeit als
Lehrer an dem ...-Gymnasium auszuüben, als auch der Ersatzschulträger sie ohne die Gefahr von Rechtsnachteilen beschäftigen darf, da die
Antragstellerin nach erfolgreicher Ablegung sowohl der Wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Deutsch und
Französisch und zweier Erweiterungsprüfungen hierzu im Fach Philosophie und im Pädagogikum als auch der Zweiten Staatsprüfung für die
Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 a) und Abs. 3 Satz 1 PSchG ohne weiteres erfüllt.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Antragsgegner gleichwohl die fachliche und pädagogische Eignung der Antragstellerin für
die angestrebte Tätigkeit nicht für gegeben hält, weil im Jahre 2004 von einer Übernahme der Antragstellerin in das Beamtenverhältnis auf
Lebenszeit wegen mangelnder Bewährung in der laufbahnrechtlichen Probezeit habe Abstand genommen und sie vielmehr aus dem
Beamtenverhältnis auf Probe habe entlassen werden müssen. Die fehlende „Eignung“ einer Person mit nachgewiesener Ausbildung im Sinne des
§ 5 Abs. 1 a) und Abs. 3 Satz 1 PSchG für die privatrechtliche Tätigkeit als Lehrer an einer Ersatzschule kann allenfalls für eine Maßnahme nach §
8 PSchG zum Anlass genommen werden. Darum geht es im vorliegenden Fall nicht, abgesehen davon, ob die vom Antragsgegner gezogenen
Schlussfolgerungen mit den gesetzlichen und insbesondere auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 7 Abs. 4 und 12 Abs. 1 GG
vereinbar sind.
6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
7 Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
8 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.