Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 02.02.2009

VGH Baden-Württemberg: wiederholung, beschränkung, zivilprozess, bad, verfassungsrecht, auskunft, begründungspflicht, zustellung, hochschule, rechtsberatung

VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 2.2.2009, 2 S 2415/07
Anforderungen an eine Berufungsbegründung
Leitsätze
Soweit die Berufung nicht auf neue Tatsachen oder Erkenntnisse gestützt wird, verlangt § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO, dass der Berufungsführer sich
in der Begründung seiner Berufung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung inhaltlich auseinandersetzt. Die bloße Wiederholung des
erstinstanzlichen Vorbringens reicht dafür nicht aus.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Juli 2007 - 7 K 444/07 - wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
I. Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Studiengebühren.
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Der am … 1990 geborene Kläger ist seit dem Wintersemester 2004/2005 bei der beklagten Hochschule im Studiengang "Technische Redaktion"
immatrikuliert. Am 28.12.2005 trat das Gesetz zur Änderung des Landeshochschulgebührengesetzes (LHGebG) und anderer Gesetze in Kraft,
das ab dem Sommersemester 2007 die Erhebung allgemeiner Studiengebühren für "grundständige Studiengänge und für konsekutive
Masterstudiengänge" an staatlichen Hochschulen und an Berufsakademien in Höhe von 500 EUR je Semester vorsieht. Gestützt auf dieses
Gesetz verpflichtete die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 14.12.2006, für das Sommersemester 2007 und für die weitere Dauer seines
Studiums eine Studiengebühr in Höhe von 500 EUR je Semester zu entrichten. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das
Verwaltungsgericht mit Urteil vom 11.7.2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die gegen die Vereinbarkeit des
Landeshochschulgebührengesetzes mit höherrangigem Recht erhobenen Einwendungen seien unbegründet. Gegen das ihm am 4.10.2007
zugestellte Urteil hat der Kläger am 10.10.2007 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die er mit Schriftsatz vom
29.11.2007 begründet hat.
3
II. Die Berufung des Klägers ist unzulässig, da sie entgegen § 124 a Abs. 3 VwGO nicht innerhalb der dafür vorgesehenen Frist begründet
worden ist. Sie ist deshalb gemäß § 125 Abs. 2 S. 1 VwGO zu verwerfen. Die Entscheidung darüber kann nach § 125 Abs. 2 S. 2 VwGO durch
Beschluss ergehen. Der Senat hat die Beteiligten zu dieser Verfahrensweise vorher gehört.
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Nach § 124 a Abs. 3 S. 1 VwGO ist die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung innerhalb von zwei Monaten nach
Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. § 124 a Abs. 3 S. 4 VwGO trifft dazu nähere Bestimmungen. Die Begründung muss danach
einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten. Die durch das Sechste
Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1.11.1996 (6. VwGOÄndG) eingeführte Begründungspflicht
orientiert sich an der entsprechenden Regelung für die Berufung im Zivilprozess (seinerzeit § 519 Abs. 3 ZPO, jetzt § 520 Abs. 3 ZPO) und
verfolgt wie diese den Zweck, eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs in der Berufung zu erreichen und das
Berufungsverfahren dadurch zu straffen und zu beschleunigen (BVerwG, Beschl. v. 23.9.1999 - 9 B 372.99 - NVwZ 2000, 67; Urt. v. 30.6.1998 - 9
C 6.98 - BVerwGE 107, 117). Die Begründung muss deshalb zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art
das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im Einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die
tatsächliche und rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Soweit die Berufung nicht auf
neue Tatsachen oder Erkenntnisse gestützt wird, ist mithin eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen
Entscheidung erforderlich. Die pauschale Bezugnahme auf das Vorbringen in der ersten Instanz reicht dafür nicht aus (BVerwG, Beschl. v.
3.3.2005 - 5 B 58.04 - Juris; ebenso die ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. u. a. Urt. v. 6.3.1997 - VII ZB 26/96 - NJW 1997, 1787; Urt. v.
24.2.1994 - VII ZR 127/93 - NJW 1994, 1481; Beschl. v. 10.7.1990 - XI ZB 5/90 - NJW 1990, 2628). Das Gleiche gilt für die bloße Wiederholung
dieses Vortrags (BGH, Urt. v. 6.3.1997, aaO; BAG, Urt. v. 10.2.2005 - 6 AZR 183/04 - NJW 2005, 1884 zu § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG in Verbindung
mit § 520 Abs. 3 ZPO; Meyer-Ladewig/Rudisile in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 a Rn. 56; Happ in: Eyermann, 12. Aufl., 124 a
Rn. 29; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124 a Rn. 71 in Verbindung mit Rn. 49; Seibert in: Nomos Komm. zur VwGO, § 124 a Rn. 337; ebenso
VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 3.12.2001 - 8 S 2385/01 - NVwZ-RR 2002, 472 zum Darlegungserfordernis nach § 124 a Abs. 4 S. 4 VwGO).
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Den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 S. 4 VwGO entspricht der als Berufungsbegründung bezeichnete Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten
des Klägers vom 29.11.2007 nicht. Der Schriftsatz ist nahezu wörtlich identisch mit Schriftsätzen, welche die Prozessbevollmächtigte des Klägers
vor dem Ergehen des angefochtenen Urteils in anderen die Erhebung von Studiengebühren betreffenden Verfahren beim Verwaltungsgericht
eingereicht hat. Ein Unterschied besteht nur insoweit, als es in der Berufsbegründung des Klägers vor den Ausführungen zur Rechtslage heißt:
"Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat die Klage des Klägers am 11.7.2007 abgewiesen und das LHG als mit höherrangigem Recht vereinbar
gesehen und im Einklang stehend mit materiellem Verfassungsrecht. Dagegen wendet sich der Kläger weiterhin mit seiner Berufung", während
in den genannten anderen Schriftsätzen an dieser Stelle steht: "Die vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage ist ohne Durchführung eines
Widerspruchsverfahrens zulässig, vgl. § 11 LHG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO". Die sich an diese einleitenden Sätze
anschließenden Ausführungen zur Rechtslage stimmen Wort für Wort miteinander überein. Eine Auseinandersetzung mit den umfangreichen
Darlegungen des Verwaltungsgerichts zu den zahlreichen gegen die Vereinbarkeit des Landeshochschulgebührengesetzes mit höherrangigem
Recht erhobenen Einwendungen findet dementsprechend noch nicht einmal ansatzweise statt. Über die Gründe, aus denen der Kläger die
Auffassung des Verwaltungsgerichts zu den verschiedenen Fragen für unrichtig hält, gibt der Schriftsatz vom 29.11.2007 folglich in keiner Weise
Auskunft.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
8
Beschluss
9
Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG auf 1.000 EUR festgesetzt.
10 Dieser Beschluss ist unanfechtbar.