Urteil des OLG Zweibrücken vom 15.06.2009
OLG Zweibrücken: genossenschaft, aufsichtsrat, materialien, vertretungsbefugnis, beschränkung, verhinderung, satzung, genehmigung, quelle, verwaltungsrecht
Sonstiges
OLG
Zweibrücken
15.06.2009
50 GnR 203
Aktenzeichen:
3 W 14/09
4 HKT 6/08
Landgericht Koblenz
50 GnR 203
Amtsgericht Koblenz
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts Koblenz unter GnR 203 eingetragene
S...............................,
an dem beteiligt sind:
S.............. e.G., vertreten durch den Vorsitzenden,.......................,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte .......................,
wegen Ankündigung der Amtslöschung einer Eintragung gemäß §§ 147,
142 FGG,
hat der 3. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Kestel, den Richter am Oberlandesgericht Kratz und die
Richterin am Oberlandesgericht Stutz
auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten vom 30. Dezember 2008 gegen den ihrer
Verfahrensbevollmächtigten am 22. Dezember 2008 zugestellten Beschluss der 4. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 12. Dezember 2008
ohne mündliche Verhandlung
am 15. Juni 2009
beschlossen:
I.
II.
weiteren Beschwerde wird auf 3 000,00 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 147 Abs. 1 Satz 2, 142 Abs. 3, 141 Abs. 3, 27 Abs. 1, 29
Abs. 1 FGG statthaft, sie ist form– und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten
ergibt sich bereits aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde.
In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf
einer Verletzung des Rechts (§ 27 Abs. 1 FGG,
§ 546 ZPO).
Die Eintragung im Genossenschaftsregister, wonach der Vorsitzende der Genossenschaft (auch) von der
Beschränkung des § 181 1. Alt. BGB befreit ist, ist von Amts wegen zu löschen, denn sie steht nicht im
Einklang mit § 39 GenG i.d. Fassung vom 18. August 2006.
Nach § 147 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 142 FGG kann das Registergericht eine Eintragung, die in
das Genossenschaftsregister bewirkt wurde, obwohl sie wegen des Mangels einer wesentlichen
Voraussetzung unzulässig war, von Amts wegen löschen. Dies gilt auch für Eintragungen, die nachträglich
unzulässig geworden sind (Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 142 Rdnr. 10). Eine Eintragung ist
wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig, wenn sie inhaltlich unzulässig ist, weil
das Gesetz eine Eintragung dieser Art oder dieses Inhalts nicht gestattet oder verbietet, oder wenn sie
zwar zulässig aber sachlich unrichtig ist oder wenn gesetzliche Erfordernisse der Eintragung fehlen, deren
Mangel die Beseitigung der Eintragung im öffentlichen Interesse oder im Interesse Beteiligter geboten
erscheinen lässt (Jansen/Steder, 3. Aufl., § 142 Rdnr. 15).
Dahingestellt bleiben kann, ob die Eintragung der Befreiung des Vorstandsvorsitzenden von dem Insich-
Geschäft nach § 181 1. Altern. BGB von Anfang an inhaltlich unzulässig war, jedenfalls ist sie es seit dem
Inkrafttreten der Novelle des Genossenschaftsrechts am 18. August 2006, weil sie im Widerspruch zu § 39
GenG steht.
Im Einzelnen gilt folgendes:
Grundsätzlich obliegt die Vertretung der Genossenschaft gemäß § 24 Abs. 1 GenG dem Vorstand. Da die
Vorstandsmitglieder Genossen sein müssen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 GenG) und die Genossenschaft auf das
Mitgliedergeschäft angelegt ist (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 5 GenG), drohen bei Geschäften mit
Vorstandsmitgliedern Interessenkollisionen und es besteht die Besorgnis der Befangenheit. Um dem
vorzubeugen durchbricht § 39 Abs. 1 GenG die Vertretungszuständigkeit des Vorstands und bestimmt,
dass „der Aufsichtsrat die Genossenschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern gerichtlich und
außergerichtlich vertritt“. Diese Regelung beinhaltet eine ausschließliche Vertretungszuständigkeit des
Aufsichtsrates für Vertragsabschlüsse und bei Aktiv– und Passivprozessen mit Vorstandsmitgliedern
wegen der abstrakten Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der Gesellschaft.
Eine Beschränkung der sachlichen Reichweite der Vorschrift auf Angelegenheiten der Anstellung als
Vorstandsmitglied ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen und ergibt sich auch nicht aus der
Gesetzessystematik. Sie lässt sich insbesondere nicht aus § 39 Abs. 2 GenG herleiten. Danach bedarf
zwar jede Gewährung von Kredit an ein Mitglied des Vorstands der Genehmigung des Aufsichtsrats,
soweit die Gewährung des Kredits nicht durch die Satzung an noch andere Erfordernisse geknüpft oder
ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift, welche die Rechte des Vorstandes zur Verhinderung des
Missbrauchs seiner Rechte begrenzen soll, normiert aber ein inneres Verwaltungsrecht des
Aufsichtsrates, welches sonst nur kraft Satzungsbestimmung nach § 38 Abs. 3 GenG dem Aufsichtsrat
zugewiesen werden könnte. § 39 Abs. 2 GenG gehört damit systematisch zu dem Regelungsbereich des §
38 GenG. Die Regelung betrifft nach der gesetzgeberischen Konzeption gerade nicht die Vertretung der
Genossenschaft im Außenverhältnis, sondern ausschließlich das Innenverhältnis der Genossenschaft,
indem sie mittels eines Mitwirkungsrechts des Aufsichtsrats die Geschäftsführungskompetenz des
Vorstands beschränkt.
Dass der Gesetzgeber bei der Einführung des zurzeit geltenden § 39 Abs. 2 GenG nicht im Sinne hatte,
die (Außen–) Vertretung der Genossenschaft zu regeln, wird in den Materialien dadurch bestätigt, dass
diese erst im Anschluss an die Ausführungen zur Funktion des Aufsichtsrats die (ausnahmsweise)
Vertretung der Genossenschaft durch den Aufsichtsrat ansprechen. Hinsichtlich der Vertretung der
Genossenschaft sollte es bei den gegebenen Bestimmungen bleiben (Schwarz, ZfgG 2001, 287;
Beuthien/Hüsken/Aschermann, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, II. Parlamentarische Materialien
(1899-1922), S. 428, 429).
Vor dem Inkrafttreten der Novelle des Genossenschaftsrechtes am 18. August 2006 lautete § 39 Abs. 1
GenG: „Der Aufsichtsrat ist ermächtigt, die Genossenschaft bei Abschließung von Verträgen mit dem
Vorstande zu vertreten und gegen die Mitglieder desselben die Prozesse zu führen, welche die
Generalversammlung beschließt“.
Bereits unter der Geltung dieser Vorschrift war in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob diese
Vorschrift eine ausschließliche Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates gegenüber den
Vorstandsmitgliedern normiert oder ob sich das Vertretungsrecht des Aufsichtsrates auf bestimmte
Bereiche beschränkt (für eine ausschließliche Vertretungskompetenz des Aufsichtsrates vgl. bereits BGH
NJW 1995, 2559). Mit der Neureglung hat der Gesetzgeber die Vorschrift in Anlehnung an § 112 AktG
sprachlich neu gefasst (BTDrs. 16/1025, 85). Da der Streit um den Umfang der Vertretungsbefugnis
bekannt war, hätte es nahe gelegen, eventuelle Ausnahmen in das Gesetz aufzunehmen. Da dies nicht
geschehen ist, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Vertretungsbefugnis als eine
umfassende ausgestalten wollte, die sich auch auf Verträge mit Vorstandsmitgliedern als Kunden der
Genossenschaft bezieht.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 131 Abs.
2, 30 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 31 Abs. 1 KostO.
Kestel Kratz Stutz