Urteil des OLG Zweibrücken vom 02.02.2010
OLG Zweibrücken: bedürftige partei, vergleich, kostenregelung, analogieschluss, quelle, behandlung, kostenbefreiung, abgeltung, einzelrichter, schmerzensgeld
OLG
Zweibrücken
02.02.2010
4 W 2/10
Festsetzung der Gerichtskosten gegen den Übernahmeschuldner, dem Prozesskostenhilfe bewilligt ist
Aktenzeichen:
4 W 2/10
8 O 64/08
Landgericht Frankenthal (Pfalz)
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Rechtsstreit
U... B...
S...
Beklagter und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ..., ... ..., ,
gegen
P...
B...
Klägerin und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin ..., ..., ...,
wegen Schadensersatzes u. a.,
hier: Kostenfestsetzung,
hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Richter am Oberlandesgericht Christoffel als Einzelrichter
auf die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung des Beklagten
vom 30. Oktober 2009
gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers vom 23. Oktober 2009
ohne mündliche Verhandlung am 2. Februar 2010
beschlossen:
I.
II.
III.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin hatte den Beklagten u. a. auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Ermordung ihres
Sohnes in Anspruch genommen. Mit Beschluss vom 6. November 2008 wurde dem Beklagten für seine
Rechtsverteidigung teilweise Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt. In der
mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2009 schlossen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts einen
Vergleich, in dem sich der Beklagte zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche der Klägerin zur Zahlung eines
Betrages von 8 000,00 € verpflichtete. In Nr. 6 dieses Vergleichs wurde folgende Kostenregelung
getroffen:
"Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben."
Auf Antrag der Klägerin hat der Rechtspfleger des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) mit
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Oktober 2009 die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden
Gerichtskosten auf 1 200,07 € festgesetzt. Diese Summe entspricht dem hälftigen Betrag der insgesamt
angefallenen Gerichtskosten von 2 400,14 €. Ein von der Klägerin darüber hinaus geleisteter
Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 706,86 € wurde von der Landeskasse zurückerstattet.
Der Beklagte wendet sich mit seiner als "Erinnerung" bezeichneten sofortigen Beschwerde gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Oktober 2009, da er der Auffassung ist, dass er aufgrund der
gewährten Prozesskostenhilfe keine Gerichtskosten zu erstatten habe. Der Rechtspfleger hat mit
Beschluss vom 8. Januar 2010 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat als
Beschwerdegericht vorgelegt.
II.
Die gemäß den §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Es ist nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger die von der Klägerin verauslagten Gerichtskosten,
soweit sie in Höhe von 2 400,14 € angefallen sind, anteilig in Höhe von 1 200,07 € gegen den Beklagten
festgesetzt hat. Denn dies entspricht der Kostenregelung, wie sie in dem gerichtlichen Vergleich der
Parteien vom 19. Mai 2009 getroffen wurde. Die vergleichsweise getroffene Vereinbarung, dass die
Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden, ist dahingehend
auszulegen, dass jede Partei die Gerichtskosten zur Hälfte und ihre eigenen (Anwalts-)Kosten selbst trägt
(vgl. BGH NJW 2003, 1948, 1949).
Dem steht nicht entgegen, dass einer Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, nach § 122
Abs. 1 ZPO von der Zahlung der rückständigen und entstehenden Gerichtskosten sowie der Gebühren
und Auslagen des ihr beigeordneten Rechtsanwalts befreit ist. Denn unbeschadet dieser Kostenbefreiung
bleibt nach § 123 ZPO die Verpflichtung bestehen, die dem obsiegenden Gegner entstandenen Kosten zu
erstatten, zu denen auch etwaige von diesem verauslagte Gerichtskosten gehören.
Auch die Regelung in § 31 Abs. 3 GKG führt zu keinem anderen Ergebnis.
Nach dieser Vorschrift soll dann, wenn der Partei, der durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des
Verfahrens auferlegt worden sind (§ 29 Nr. 1 GKG; Entscheidungsschuldner), Prozesskostenhilfe bewilligt
worden ist, die Haftung eines anderen Kostenschuldners - also insbesondere desjenigen, der das
Verfahren veranlasst hat (§ 22 GKG, Veranlassungsschuldner) - nicht geltend gemacht werden. Diese
Bestimmung soll die bedürftige Partei vor allem vor der Unbilligkeit bewahren, dass der andere
Kostenschuldner die gegen ihn geltend gemachten und von ihm bezahlten Kosten umgehend von der
armen Partei erstattet verlangt.
Ungeachtet dieses Schutzzwecks der Norm ist jedoch zu beachten, dass die Bestimmung gerade nicht
den - hier einschlägigen - Fall betrifft, dass die Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, deshalb
Kostenschuldner ist, weil sie diese Kosten in einem vor Gericht abgeschlossenen Vergleich übernommen
hat (vgl. § 29 Nr. 2 GKG; Übernahmeschuldner); dabei beruht die Nichterwähnung des
Übernahmeschuldners in § 31 Abs. 3 GKG auf einer bewusst getroffenen Entscheidung des
Gesetzgebers, so dass nicht von einer planwidrigen, durch Analogieschluss zu beseitigenden
Regelungslücke gesprochen werden kann (vgl. BGH NJW 2004, 366). Diese Unterscheidung zwischen
Entscheidungs- und Übernahmeschuldner ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu
beanstanden. Insbesondere verletzt die unterschiedliche Behandlung nicht den allgemeinen
Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG NJW 2000, 3271; SaarlOLG, AGF 2009, 596; OLG
Zweibrücken, RPfleger 2002, 33, OLG Koblenz, FamRZ 2008, 1204).
Die sofortige Beschwerde war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge
zurückzuweisen.
Christoffel