Urteil des OLG Zweibrücken vom 02.10.2003
OLG Zweibrücken: elterliche sorge, rückführung, eltern, vollstreckung, wohnung, unzumutbarkeit, sorgerecht, aufenthalt, geburt, visum
OLG
Zweibrücken
02.10.2003
6 UF 107/03
Anordnung der Rückführung eines Kindes nach Israel nebst ergänzenden Anordnungen zu deren
Vollstreckung.
Aktenzeichen:
6 UF 107/03
1 F 139/03
Amtsgericht Zweibrücken
Verkündet am 2. Oktober 2003
Sefrin, Justizobersekretärin als
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In der Familiensache
betreffend die Rückführung gemäß dem Haager Übereinkommen (HKiEntÜ) des Kindes
...
an der beteiligt sind:
1. die Mutter ...
Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...
2. ...
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigte: ...
3. das Jugendamt des Landkreises ...
hat der 6. Zivilsenat – Familiensenat – des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth und die Richterinnen am
Oberlandesgericht Euskirchen und Schlachter
auf die am 20. Juni 2003 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom
selben Tag
gegen die Ziffern 1.-3. und 5. des ihr am 20. Juni 2003 zugestellten Beschlusses des Amtsgerichts –
Familiengericht – Zweibrücken vom 17. Juni 2003
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2003
beschlossen:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt, die Vollstreckung des angefochtenen Beschlusses
vorzunehmen.
III. Der Gerichtsvollzieher wird ermächtigt, bei der Vollstreckung auch Gewalt anzuwenden
oder anwenden zu lassen gegen Dritte, um die Herausgabe des Kindes zu erwirken.
IV. Der Gerichtsvollzieher wird weiter ermächtigt, die Wohnung des Vaters der
Antragsgegnerin ... in der sich die Antragsgegnerin zeitweise aufhält, nach dem Kind zu durchsuchen.
V. Der Antragsgegnerin wird untersagt, das Kind
..., außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland – mit Ausnahme des Staates Israel – zu
verbringen.
VI. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen Auslagen zu tragen sowie dem Antragsteller die
im Beschwerdeverfahren erwachsenen Kosten zu erstatten.
VII. Der Beschwerdegegenstand wird auf
3 000,00 €
Gründe:
A
Die beteiligten Eltern sind nicht miteinander verheiratet. Sie lebten mit dem am ... geborenen
gemeinsamen Sohn ... zusammen in Israel. Der Antragsteller besitzt die britische und die israelische
Staatsangehörigkeit, die Antragsgegnerin ist Deutsche. Der Sohn ... ist deutscher und israelischer
Staatsangehöriger. Das Sorgerecht für das Kind steht sowohl nach deutschem als auch nach israelischem
Recht den Eltern gemeinsam zu.
Die Antragsgegnerin lebte seit Ende 1998 mit dem Antragsteller zusammen in Israel. Der Antragsteller war
damals Student, die Antragsgegnerin war und ist Mitarbeiterin der ...; vor der Geburt des Kindes war sie
als Flugbegleiterin, während der Schwangerschaft beim Bodenpersonal und nach der Geburt des Kindes
zeitweise in Vertretung oder Aushilfe wieder in der Luft beschäftigt. In Abständen von etwa zwei bis drei
Monaten begab sie sich regelmäßig zu Besuchszwecken mit dem Kind nach Deutschland.
Am 17. März 2003 reiste die Antragsgegnerin mit Einverständnis des Antragstellers wiederum mit dem
Kind nach Deutschland. Am 26. März 2003 teilte sie ihm telefonisch mit, dass sie und das Kind nicht
zurückkehren würden. Sie lebt seither abwechselnd im Haushalt ihrer Mutter in ... oder ihres Vaters in ....
Der Antragsteller hat mit Antrag vom 25. April 2003 die Herausgabe des Kindes zum Zwecke der
Rückführung in den Staat Israel nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte
internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (HKiEntÜ) sowie den Erlass von
Vollstreckungsanordnungen begehrt.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Zweibrücken hat mit Beschluss vom 17. Juni 2003 dem Antrag
stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Eltern hätten bereits vor und auch nach der Geburt des Kindes in Israel zusammengelebt und damit
ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Staat Israel gehabt. Diesen gewöhnlichen Aufenthalt teile auch das
Kind. Nach israelischem Recht stehe die elterliche Sorge für das Kind beiden Eltern gemeinsam zu, sie
hätten es auch gemeinsam ausgeübt, wie allein schon durch das Zusammenleben indiziert sei. Den
Entschluss, in Deutschland zu bleiben, habe die Antragsgegnerin einseitig und ohne Zustimmung des
Vaters gefasst. Das Einverständnis des Vaters mit der Reise nach Deutschland habe sich lediglich auf
einen vorübergehenden Aufenthalt - wie schon mehrmals zuvor - bezogen, nicht jedoch auf einen
dauerhaften Wechsel des Aufenthaltsortes. Gründe für die Annahme einer Unzumutbarkeit der
Rückführung des Kindes im Sinne von Art. 13 HKiEntÜ seien nicht gegeben. Die Antragsgegnerin habe es
selbst in der Hand, Gefahren seelischer Art von dem Kind abzuwenden, wenn sie mit dem Kind nach
Israel zurückkehre. Das dazu benötigte Visum besitze sie jedenfalls. Sie habe bei einer Rückkehr keine
rechtlichen Schwierigkeiten zu erwarten und könne in dem dann eventuell in Israel zu führenden
Rechtsstreit um das Sorgerecht für das Kind alle Argumente einbringen, die sie im vorliegenden Verfahren
für sich in Anspruch nehme. Die politische Situation stehe einer Rückkehr nicht entgegen. Vom
Auswärtigen Amt gebe es wie schon seit Jahren keine Reisewarnung, sondern lediglich
Sicherheitshinweise. Diese hätten für die Antragsgegnerin auch früher schon keinen Grund dargestellt,
das Land zu verlassen. Das Rückführungsbegehren des Antragstellers sei weder rechtsmissbräuchlich
noch schikanös, der Antragsteller mache lediglich die ihm gesetzlich zustehenden Rechte geltend.
Die Antragsgegnerin hat gegen diese Entscheidung form- und fristgerecht sofortige Beschwerde
eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Abweisung des Rückführungsbegehrens weiter verfolgt.
Der Antragsteller verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
B
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 8
Sorgerechtsübereinkommensausführungsgesetz (SorgeRÜbkAG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Das Familiengericht hat dem Rückführungsantrag des Antragstellers zu
Recht stattgegeben.
I. Der Antragsteller kann die sofortige Rückführung des Kindes ... in den Staat Israel nach Art. 12
Abs. 1 HKiEntÜ verlangen, weil die Antragsgegnerin das Kind widerrechtlich im Sinne von Art. 3 HKiEntÜ
nach Deutschland verbracht hat und keiner der Ausnahmetatbestände des Art. 13 HKiEntÜ, die gegen
eine Rückführung sprechen könnten, erfüllt ist.
1. Das HKiEntÜ ist vorliegend anwendbar, denn es ist im Verhältnis zu Deutschland für den Staat
Israel am 1. Dezember 1991 in Kraft getreten.
2. Das Verbringen des Kindes ... in die Bundesrepublik Deutschland war widerrechtlich im Sinne von
Art. 3 Abs. 1 a) HKiEntÜ. Denn dadurch ist das Sorgerecht verletzt worden, welches dem Antragsteller
sowohl nach dem Recht des Staates Israel als auch aufgrund der gemeinsamen Sorgerechtserklärung der
Eltern vom 4. Juli 2001 nach deutschem Recht gemeinsam mit der Antragsgegnerin zusteht. Der
Antragsteller ist mit dem dauernden Verbleib des Kindes ... in Deutschland nicht einverstanden.
3. Der Antragsteller hat sein (Mit-)Sorgerecht im Zeitpunkt des Verbringens des Kindes auch im Sinne
des Art. 3 Abs. 1 b) HKiEntÜ tatsächlich ausgeübt. Dies wird von der Antragsgegnerin im
Beschwerderechtszug nicht mehr in Frage gestellt.
4. Ein der Rückführung entgegenstehender Ausnahmetatbestand gemäß Art. 13 Abs. 1 HKiEntÜ liegt
– wie das Familiengericht zutreffend ausgeführt und eingehend begründet hat – auch nach Auffassung
des Senats entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht vor.
Nach dieser Regelung, die im Hinblick auf den Zweck des HKiEntÜ – Bekämpfung internationaler
Kindesentführung und Verwirklichung der Sorgerechtsregelungen der Vertragsstaaten – restriktiv
anzuwenden ist (PfOLG Zweibrücken, Beschluss vom 15. November 2000, Az.: 5 UF 112/00 m.w.H.), ist
das Gericht nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn nachgewiesen wird, dass die
Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind
verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage gebracht wird.
a) Der Senat folgt der Antragsgegnerin zwar darin, dass die Trennung eines Kindes von dem
Elternteil, der es überwiegend betreut hat, im Falle eines Kleinkindes also in der Regel von der Mutter, im
Einzelfall eine der Rückführung entgegenstehende Gefährdung des Kindeswohls bedeuten kann (PfOLG
Zweibrücken, a.a.O., m.N.). Dass vorliegend die Rückführung des Kindes ... in den Staat Israel überhaupt
mit der Trennung von der Antragsgegnerin verbunden sein muss, steht indes nicht fest.
aa) Die Antragsgegnerin war vor ihrer Ausreise nach Deutschland im Besitz eines Visums, welches ihr
eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung sicherte. Zudem sollte sie im Juli 2003 ein unbefristetes Visum
erhalten, womit sie den Status einer zeitweiligen Einwohnerin des Staates Israel erhalten hätte. Dass sie
das befristete Visum verloren und das weiter genannte nicht erhalten hat, ist lediglich darauf
zurückzuführen, dass sie sich seit Ende März 2003 dauerhaft außerhalb des Staates Israel aufhält. Würde
sie sich dazu entschließen, mit dem Kind wieder nach Israel zurückzukehren, könnte sie als Mutter eines
Kindes mit israelischer Staatsangehörigkeit ohne weiteres den zuvor gegebenen bzw. in Aussicht
gestellten Status wieder erreichen. Eine straf- oder ausländerrechtliche Verfolgung hat sie nicht zu
befürchten, wie sich aus dem Schreiben der zentralen Behörde des Staates Israel vom 3. Juni 2003 ergibt.
Damit stehen statusrechtliche Hindernisse einer Rückkehr der Antragsgegnerin nach Israel nicht
entgegen.
bb) In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Antragsteller der Antragsgegnerin
angeboten, während der ersten Zeit nach ihrer Rückkehr – bis sie eine geeignete eigene Wohnung
gefunden hat – mit dem Kind in der Wohnung seiner Mutter zu wohnen, welche sich bereit erklärt habe, für
diese Zeit mit ihm zusammen in seiner Wohnung zu leben. Selbst unter Berücksichtigung der
schwerwiegenden Differenzen, die zwischen den Beteiligten bestehen, erscheint es dem Senat nicht
unangemessen, die Antragsgegnerin für eine Übergangszeit auf diese Möglichkeit zu verweisen, weil die
Notwendigkeit der Rückkehr des Kindes nach Israel Vorrang hat vor der Rücksichtnahme auf persönliche
Befindlichkeiten der Antragsgegnerin, die sich ihre persönliche Situation durch ihr eigenmächtiges
Handeln selbst zuzuschreiben hat.
Der Antragsgegnerin hat sodann in Israel die Möglichkeit, die elterliche Sorge für das Kind gerichtlich
regeln zu lassen und dabei alle diejenigen Argumente ins Feld zu führen, welche sie im vorliegenden
Verfahren – insoweit rechtlich unerheblich – zur Begründung ihrer Rechtsverteidigung gegen das
Rückführungsverlangen vorträgt und auf die der Senat deshalb nicht einzugehen hat. Da sie noch bis
Mitte des Jahres 2004 in Erziehungsurlaub sein wird und seit Anfang September 2003 ihre befristete
Tätigkeit bei der ... beendet ist, bedarf sie zumindest für die Dauer eines weiteren Jahres keiner Hilfe bei
der Betreuung des Kindes, sondern kann sich in dieser Zeit ganz dem Kind und der Regelung ihrer
Rechtsverhältnisse widmen.
Da sie bisher schon regelmäßig finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern in Anspruch genommen hat,
und zwar sowohl als sie noch in Israel lebte als auch seit Frühjahr 2003 in Deutschland, und diese auch
bei einem ständigen Aufenthalt in Deutschland – ausweislich ihrer Angaben in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat – künftig erhalten würde, ist es der Antragsgegnerin zumindest für eine
gewisse Übergangszeit zumutbar, diese Hilfe weiter auch zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts in Israel
in Anspruch zu nehmen. Der Antragsteller hat Unterhaltszahlungen für das Kind, zu denen er im Übrigen
jedenfalls dem Grunde nach gesetzlich verpflichtet ist [Nr. 3a. a) des (israelischen) Gesetzes über die
Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Unterhalt)], in Aussicht gestellt und nicht von vorneherein
ausgeschlossen, auch die Antragsgegnerin nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten zu alimentieren,
solange sie die Personensorge für das Kind ausübt. Sollte er zur Zahlung von Unterhalt faktisch nicht oder
nur eingeschränkt leistungsfähig sein, steht der Antragsgegnerin als deutscher Staatsangehörigen nach
deutschem Recht für die Dauer ihres Aufenthaltes im Ausland, so lange dieser dem Zwecke der Regelung
ihrer familiären Situation dient, ein Anspruch nach dem Bundessozialhilfegesetz auf Hilfe in besonderen
Lebenslagen zu, den sie gegebenenfalls geltend machen kann. Aus alledem folgt, dass auch im Hinblick
auf die persönliche und wirtschaftliche Situation der Antragsgegnerin durchgreifende Bedenken nicht
bestehen, die eine Unzumutbarkeit der Rückkehr nach Israel begründen könnten.
cc) Soweit die Antragsgegnerin auf den letzten Briefwechsel mit dem Antragsteller abstellt und darin
eine Drohung mit der Wegnahme des Kindes sieht, vermag der Senat ihr nicht zu folgen. Der Antragsteller
hat bisher erklärtermaßen darauf verzichtet, ein Sorgerechtsverfahren in die Wege zu leiten, sondern
lediglich die ihm aus dem HKiEntÜ zustehenden Rechte geltend gemacht. Er hat zu keinem Zeitpunkt die
faktische Betreuung des Kindes durch die Antragsgegnerin – soweit es ihr in Ansehung ihrer auch in
Zukunft beabsichtigten beruflichen Tätigkeit möglich ist – in Frage gestellt, jedoch durchaus auf dem aus
der Mitinhaberschaft der elterlichen Sorge resultierenden Mitspracherecht bei der Erziehung bestanden.
Wenn er darüber hinaus für den Fall eines von der Antragsgegnerin in Israel eingeleiteten Rechtstreits
über das Sorgerecht angekündigt hat, diesen nach allen Regeln des israelischen Rechts zu führen, ist
darin keine Drohung zu sehen, sondern lediglich die Ankündigung, in diesem Fall keine (freiwilligen)
Zugeständnisse mehr zu machen. Dieser Standpunkt des Antragstellers ist nachvollziehbar.
b) Der Anordnung der Rückführung des Kindes ... in seinen Heimatstaat Israel stehen letztlich keine
Bedenken im Hinblick auf die politische Lage Israels entgegen. Der Staat Israel gehört zwar zu
denjenigen Staaten, für welche das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland Sicherheitshinweise
gibt und bei Reisen zu besonderer Vorsicht rät. Es ist auch einzuräumen, dass sich in den letzten Wochen
die Sicherheitslage erneut zugespitzt hat. Nach dem Stand der Sicherheitshinweise des Auswärtigen
Amtes vom 21. August 2003, die derzeit noch gültig sind, wird die Gefahr von Anschlägen, insbesondere
Selbstmordattentaten, auch in Tel Aviv durchaus gesehen und höchste Vorsicht im öffentlichen Verkehr
und beim Besuch öffentlicher Orte mit hohen Besucherzahlen empfohlen. Darin kommt jedoch
andererseits zum Ausdruck, dass z. B. Wohnviertel oder abgelegene ruhigere Stadtteile weniger bis gar
nicht gefährdet sind. Hinzu kommt, dass die Sicherheitslage in Israel bereits seit Jahren ständig mehr oder
weniger angespannt war und ist und dies insbesondere auch zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die
Antragsgegnerin freiwillig dazu entschlossen hat, in diesem Land auf Dauer zu leben und sogar eine
Familie zu gründen. Eine erhebliche Verschlechterung der Bedingungen ist seither nicht eingetreten.
Keineswegs stellt Israel ein Kriegs- oder ähnliches Krisengebiet dar, in welchem zu leben ein
verantwortlich denkender und vernünftiger Mensch auf jeden Fall vermeiden würde. Hält man sich
nämlich an bestimmte Regeln und beachtet die Anweisungen der jeweiligen örtlichen
Sicherheitsbehörden, stellt sich das Alltagsleben in Israel auch vor dem Hintergrund der seit Jahrzehnten
angespannten politischen Lage als normal dar. Für diese äußeren Lebensbedingungen hat sich die
Antragstellerin nicht nur für sich, sondern auch für ihr Kind bewusst entschieden und hat deshalb alle
darin zugegebenermaßen enthaltenen allgemeinen Risiken hinzunehmen.
c) Die weiteren Gründe, welche die Antragsgegnerin zur Unterstützung ihrer Ansicht, die Rückkehr
nach Israel sei gemäß Art. 13 HKiEntÜ unzumutbar, anführt, betreffen Gesichtspunkte, welche sich allein
mit der Frage einer Unzumutbarkeit für die Antragstellerin persönlich befassen. Art. 13 HKiEntÜ verlangt
jedoch eine Unzumutbarkeit der Rückführung für das Kind. Insoweit hält der Senat der Antragstellerin
entgegen, dass auch ein zweijähriges Kind durchaus nicht generell nur bei der Mutter gut aufgehoben ist
und von dieser betreut werden muss. Auch ein Vater kann ein zweijähriges Kind liebevoll betreuen und
erziehen. Selbst wenn sich also die Antragsgegnerin dazu entschließen würde, das Kind nicht nach Israel
zu begleiten, würde der Senat dies nicht als unzumutbar für das Kind ansehen. Die Antragsgegnerin stellt
die Erziehungsgeeignetheit des Antragstellers nicht grundsätzlich in Abrede. Gerade ein Kleinkind ist in
der Lage , sich nach kurzer Übergangszeit in der Regel sehr schnell an eine neue Situation zu gewöhnen
und sich auf eine neue Bezugsperson einzustellen, zumal wenn dies der eigene Vater ist. Dies gilt
unabhängig davon, ob der Antragsteller wegen einer eventuellen Berufstätigkeit die Mithilfe seiner Mutter
bei der Betreuung benötigt oder nicht. Denn auch die Antragsgegnerin bedient sich der Hilfe ihrer Eltern
bei der Betreuung des Kindes. Die mit einem Wechsel der Bezugsperson und/oder des räumlichen
Umfeldes entstehenden Nachteile sind solche, welche üblicherweise mit einer gebotenen und
angeordneten Rückführung in Zusammenhang stehen. Sie sind in aller Regel hinzunehmen und
vermögen für sich allein die Annahme eines Ausnahmetatbestandes grundsätzlich nicht zu rechtfertigen
(PfOLG Zweibrücken, a.a.O).
d) Da schon Gründe für die Annahme einer Unzumutbarkeit im Sinne des Art. 13 HKiEntÜ nicht
gegeben sind, bedarf es nicht der Erörterung von „Undertakings“, also möglicher Garantien oder
vollstreckbarer Verpflichtungen seitens des Antragstellers, die nur dazu dienen könnten, bestehende
Unzumutbarkeitselemente in Bezug auf die Antragsgegnerin auszuräumen.
e) Weitere in diesem Zusammenhang erhebliche Gesichtspunkte hat die Antragsgegnerin nicht
vorgebracht. Dies gilt insbesondere für die Vorfälle im Juni 2003, bei denen es anlässlich von
Begegnungen des Vaters mit seinem Kind zu verbalen und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen
den Beteiligten und deren Angehörigen gekommen sein soll. Diese Vorfälle sind allein von Bedeutung für
die Entscheidung über die elterliche Sorge für das Kind, weil sie unter Umständen Aufschluss geben über
Charaktereigenschaften und Mentalität der beteiligten Eltern und ihres familiären Umfeldes, in dem sie mit
dem Kind leben wollen. Das mit der Entscheidung über die elterliche Sorge zukünftig befasste Gericht
wird vielleicht zu gegebener Zeit den höchst streitig vorgetragenen Sachverhalt zu ermitteln und rechtlich
zu würdigen sowie daraus die für seine Entscheidung notwendigen Konsequenzen zu ziehen haben.
II. Der Senat hält es für geboten, zugleich mit der Anordnung der Rückführung des Kindes
ergänzende Anordnungen gemäß § 33 Abs. 2 FGG zu treffen, damit die Vollstreckung der Entscheidung
unverzüglich in die Wege geleitet und gesichert werden kann.
1. Er billigt deshalb zunächst die in den Ziff. 2., 3. und 5. des angefochtenen Beschlusses bereits vom
Familiengericht getroffenen Vollstreckungsanordnungen.
2. Darüber hinaus ist entsprechend dem Antrag des Antragstellers der Auftrag zur Durchführung der
Vollstreckung an den Gerichtsvollzieher ausdrücklich zu erteilen und dieser zu ermächtigen, zur
Durchsetzung der Vollstreckung auch Gewalt gegen jeden Dritten anzuwenden, um die Herausgabe des
Kindes zu erwirken.
3. Das gleiche gilt für die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Vaters der
Antragsgegnerin, in der sich das Kind zumindest zeitweise nach den unwidersprochenen Angaben des
Antragstellers ebenfalls aufhält.
4. Schließlich ist der Antragsgegnerin auch über den Zeitpunkt der Beendigung des
Beschwerdeverfahrens hinaus auf Dauer zu untersagen, das Kind außerhalb der Grenzen der
Bundesrepublik Deutschland – mit Ausnahme des Staates Israel – zu verbringen, da es angesichts der
Grenznähe für die Antragsgegnerin ein Leichtes wäre, mit dem Kind etwa nach Frankreich umzusiedeln
und damit die Vollstreckung zu vereiteln..
III. Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Die
Gebührenfreiheit entbindet nicht von der Pflicht zur Zahlung der Auslagen, § 12 Abs. 2 KostO. Die
Kostenentscheidung ergibt sich aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.
Den Wert des Beschwerdegegenstandes setzt der Senat gemäß den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 und 2
KostO fest.
Morgenroth Euskirchen Schlachter