Urteil des OLG Zweibrücken vom 31.08.2007

OLG Zweibrücken: bedürftigkeit, nachlässigkeit, anfang, quelle, rechtsverletzung, beteiligter, datum, verwertungsverbot

OLG
Zweibrücken
31.08.2007
5 W 5/07
Aktenzeichen
5 W 5/07
2 O 26/05
Landgericht Zweibrücken
Pfälzisches Oberlandesgericht
Zweibrücken
Beschluss
In dem Rechtsstreit
E… S…
Kläger und Beschwerdeführer,
Rechtsanwältin …,
gegen
Dr. R… … S…
Beklagter,
RA …,
wegen Arzthaftung,
hier: Aufhebung bewilligter Prozesskostenhilfe,
hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht
Geisert und Kratz
auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 12. Juli 2007, eingegangen am selben Tag, gegen den ihm
am 28. Juni 2007 zugestellten Beschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Zweibrücken vom 26. Juni
2007
ohne mündliche Verhandlung
am
31. August 2007
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Dem Kläger wurde mit Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 6. Februar 2007
Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmungen bewilligt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Rechtspfleger den Bewilligungsbeschluss aufgehoben.
II.
1.
RpflG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und in zulässiger Weise eingelegt worden.
2.
Nach § 124 Nr. 2 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei
absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder
wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 nicht abgegeben hat.
Die auf die erste Alternative dieser Vorschrift gestützte Entscheidung des Rechtspflegers hat Bestand.
a. Der Rechtspfleger war auch während der Anhängigkeit der Sache bei der Zivilkammer für die
Entscheidung über die Aufhebung der Prozesskostenhilfe zuständig. (§ 20 Nr. 4c RpflG; vgl. etwa
Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 124 Rdnr. 20).
b. In seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 24. September 2006
hat der Kläger lediglich Angaben zu einem Girokonto gemacht und ein Sparguthaben in Höhe von rund
4.120 € verschwiegen.
Der Kläger hat eine Ablichtung aus einem Sparbuch, das für die Zeit der Antragstellung ein
entsprechendes Guthaben aufwies, mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. März 2007
beim Landgericht vorgelegt. Auf die Frage eines Verwertungsverbotes wegen der behaupteten
rechtswidrigen Kenntniserlangung des Beklagten von diesem Vermögen kommt es schon deshalb nicht
an, weil der Kläger entsprechende Angaben selbst gemacht hat. Zudem ist der Beklagte nicht Beteiligter
des PKH-Billigungsverfahrens für den Kläger (Zöller/Philippi a. a. O., § 118 Rdnr. 1), so dass eine
Rechtsverletzung durch ihn ein Verwertungsverbot für die Staatskasse für sich allein auch nicht
begründen würde.
c. Der Kläger handelte zumindest grob fahrlässig, indem er Angaben zu seinem Sparguthaben unterließ.
Im amtlichen Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist
ausdrücklich aufgeführt, dass neben Bank- und Girokonten auch Sparkonten und dergleichen mit dem
Guthaben anzugeben sind. Damit war für den Kläger ohne weiteres erkennbar, dass Angaben zu seinem
Sparguthaben erforderlich waren.
Der mit der Beschwerde vorgetragene Sachverhalt, gegen den Kläger bestehende Forderungen hätten
sein Guthaben überstiegen, so dass die wirtschaftliche Situation im Ergebnis nicht falsch dargestellt
worden sei, räumt diesen Schuldvorwurf nicht aus. Zahlungsverpflichtungen sind - auch dies lässt sich
dem amtlichen Formular ohne weiteres entnehmen - gesondert aufzuführen und glaubhaft zu machen.
Damit ist ebenfalls ohne jede Anstrengungen zu erkennen, dass eine Saldierung von Schulden und
Vermögenspositionen nicht vorzunehmen ist. Entsprechende Vorstellungen schließen deshalb den
Vorwurf, zumindest grobfahrlässig gehandelt zu haben, nicht aus (ebenso Brandenburgisches OLG in
FamRZ 2006,213, insoweit nicht zutreffend wiedergegeben in Zöller/Philippi a. a. O. § 124 Rdnr. 9). Es ist
deshalb unerheblich, dass der Kläger entsprechende Forderungen auch nicht konkret dargelegt und
glaubhaft gemacht hat.
d. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen von §
124 Nr. 1 oder 2 ZPO die Prozesskostenhilfe ohne weiteres aufgehoben werden kann, weil den
Bestimmungen Strafcharakter für schuldhaft falsche Angaben zukommt, oder ob eine Aufhebung nur
insoweit erfolgen darf, wie bei zutreffenden Angaben von Anfang an keine Prozesskostenhilfe bewilligt
worden wäre (vgl. dazu Zöller/Philippi a. a. O. § 124 Rdnr. 5 m. w. N.). Nähere Begründungen zu den
unterschiedlichen Auffassungen fehlen weitgehend.
Der Senat leitet aus Wortlaut und systematischem Zusammenhang der unterschiedlichen Tatbestände von
§ 124 ZPO ein von beiden Auffassungen abweichendes Verständnis des Gesetzes ab.
Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe für den Fall, dass die persönlichen oder wirtschaftlichen
Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen haben, ist bereits nach § 124 Nr. 3 ZPO - wenn auch nach
Abschluss des Verfahrens zeitlich befristet - möglich, so dass es nicht überzeugend erscheint, dass der
Gesetzgeber einen zweiten Tatbestand für den gleichen Sachverhalt vorgesehenen und darüber hinaus
mit besonderen Schuldformen qualifiziert hat. Daher fehlt zunächst eine überzeugende Begründung dafür,
dass auch nach § 124 Nr. 2 ZPO die bewilligte Prozesskostenhilfe nur so zu ändern ist, dass dem
Hilfsbedürftigen Prozesskostenhilfe entsprechend seiner tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse
verbleibt (so aber etwa Brandenburgisches OLG a. a. O.).
Der Gesetzgeber hat in § 124 Nr. 2 ZPO zwei Tatbestände für die Aufhebung von Prozesskostenhilfe
zusammengefasst. Während das Vortäuschen der sachlichen Voraussetzung der Prozesskostenhilfe in
einer gesonderten Tatbestandsziffer (in Nr. 1) geregelt wurde, wird in Nr. 2 neben dem Vortäuschen der
persönlichen Voraussetzungen als 2. Alternative aufgeführt, dass eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO über eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgegeben wird. Diese
systematische Gliederung der Tatbestandsalternativen ist Indiz dafür, dass eine sachliche Nähe der
beiden Tatbestandsalternativen in § 124 Nr. 2 ZPO besteht. Der Senat sieht dies darin, dass in beiden
Fällen das Gericht keine ausreichende Grundlage mehr hat, von der Bedürftigkeit der Partei auszugehen.
Wenn eine Erklärung zu Änderungen in den Verhältnissen nicht abgegeben wird, liegt dies auf der Hand.
Wenn absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben von der Partei zu den persönlichen
oder wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht wurden, ergibt sich diese Folge daraus, dass die Angaben
der Partei - wenn auch nachträglich berichtigt - insgesamt regelmäßig nicht mehr als ausreichend
verlässlich angesehen werden können.
Nach dem Gesetz obliegt dem Gericht eine Entscheidung im Einzelfall (" kann "), ob trotz absichtlich oder
grob nachlässig gemachter falscher Angaben der Partei die tatsächlichen Verhältnisse ausreichend sicher
festgestellt werden können; unter dieser Voraussetzung bestehen keine Bedenken dagegen, der
bedürftigen Partei im Rahmen der gesetzlichen Bedingungen die Prozesskostenhilfe zu belassen. Falls
dies nicht der Fall ist, ist die Prozesskostenhilfe insgesamt aufzuheben, ohne dass dies als Strafe für die
Partei gelten kann.
Es ist Sache der Partei, insbesondere durch die Darlegung der Umstände, unter denen es zu den falschen
Angaben kam, und durch Darlegung weiterer Anknüpfungstatsachen die Unsicherheit über die Richtigkeit
ihrer Angaben auszuräumen.
Im vorliegenden Falle fehlt es hieran, weshalb eine verlässliche Grundlage dafür, die PKH-Bedürftigkeit
des Klägers feststellen zu können, nicht gegeben ist. Im Ergebnis hat es deshalb bei der Entscheidung
des Rechtspflegers zu verbleiben.
3. Nebenentscheidungen für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu treffen.
Hoffmann Geistert Kratz